1.2842 anlassen - korrekte Temperatur

flintenkoffer

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Liebe Foristi,

aktuell fertige ich ein Jagdmesser an. Es ist aus Stienendamast (1.2842 und 1.2767). Nun muss das Werk angelassen werden.

Ich habe selbstverständlich die Suchfunktion des Messerforums (und des Schmiedecafes) exzessiv durchforstet, mir von 3 verschiedenen Herstellern Datenblätter zu den beiden genannten Stahlsorten angesehen sowie gegoogelt. Ebenso kenne ich die Anweisung zum Anlassen von Stienen-Damast.

Essenz meiner Recherche ist, das jeder etwas anderes sagt. Blausprödigkeit ab 200, ab 220, ab 300 Grad, aber nur bei diesen oder jenen Stählen. Aber bei 200 Grad noch glashart. Anlassen 2767 bei 100 Grad, 2842 bei 200 Grad oder doch bei 180 oder doch lieber bei 240, aber dann wirds spröde oder auch nicht. 60 Rockwell bei 240 Grad, 60 Rockwell bei 180 Grad. 1 Mal, 2 Mal, 3 Mal anlassen, mal mit Abschrecken mal langsame Ofenabkühlung, bei Damast spielen die unterschiedlichen Anlassempfehlungen für die einzelnen Stahlsorten keine Rolle, weil der Kohlenstoff sowieso gleichmäßig diffundiert ist, aber nur wenn kein Nickel drin ist wegen Nickelsperre blablabla usw. usw......:irre:

Kann mir jemand von den Spezialisten sagen, wie es denn nun bei 2842/2767-Damast richtig zu machen ist (und vor allem WARUM)?
Welche Temperatur? Haltezeit? (ja, ja, ich weiß Austauschbarkeit gemäß Hollomon-Jefferson-Parameter...trotzdem stelle ich mal die Frage)
Langsame Abkühlung oder Abschrecken?
Wie oft anlassen?

Macht mich schlau!

Besten Dank vorab an die Spezialisten!!!
Viele Grüße
Marc
 
Also sag mal...ich habe eben den vor mir stehenden Nudelsalat gefragt. Der hat auch gesagt, dass ich dort mal anrufen soll. Es muss also etwas dran sein, wenn beide meine Frage gleich beantworten. Das ich da nicht selber drauf gekommen bin, ich Dummerle.:p

Formulieren wir mal neu:
Die Empfehlung von Herrn Stienen kenne ich, ich habe mir auch von ihm berichten lassen, warum er das so macht. VIELLEICHT gibt es aber noch andere Menschen, die das mit ebenfalls gutem Grund wieder ganz anders machen. Wie also lasst Ihr 2767-2842-Damast an und warum so und nicht anders?
 
Hallo Marc.
Im Prinzip hast du die Fragen schon selbst beantwortet.
Verschiedene Wärmebehandlungsmethoden ergeben verschiedene Ergebnisse.
Man entscheidet nach Messer und Anwendungsbereich und aus Erfahrung mit dem Stahl, was jeweils am optimalsten ist und was die besten Ergebnisse für die Gebrauchseigenschaften bringt.
Da sind verschiedene Dinge zu beachten.
Der 7mm-Dolch braucht eine andere Härte wie das 2-mm Küchenmesser aus der gleichen Legierung.

Schönes Wochenende und Grüsse an den sprechenden Nudelsalat :p ,
Peter
 
Hallo Ihr

Also erstmal ein paar Fragen:

Habe ich das richtig verstanden, und das Messer ist schon hart, aber noch nicht angelassen? Dann kannst Du `s nämlich gleich nochmal machen (Restaustenit).
2767 Ist ja hochlegiert, wenn ich mich gerade nicht verguckt habe, muß also tiefgekühlt werden. Vorausgesetzt, das Härten wurde richtig gemacht, sollten dann beide Stähle die volle Martensithärte erreicht haben. Das muß man dann auch beim Anlassen berücksichtigen.
Handelt es sich um ein Dreilagenmesser oder einen Damast?

Ansonsten würde ich sagen, ein Jagdmesser darf ruhig seine 60 HRC haben und da sollte man bei beiden Stählen eigentlich mit 200°C / 1h halbwegs hinkommen. Anschließend abschrecken oder auch nicht, nur nicht im Ofen abkühlen lassen. Das müßte es dann schon gewesen sein. Sagt zumindest mein Stahlschlüssel.
Wenn Du geringere Härten anstrebst, wird längeres Anlassen bei 200°C wahrscheinlich nicht mehr viel bringen. Dann müsstest Du also schon deutlich heißer fahren und dafür entsprechend die Haltezeit verkürzen (z.B. 15 min bei 350°C oder so, ist aber nur geschätzt und ohne Gewähr. Anlassschaubilder müssen da befragt werden! Da stehen dann auch empfohlene Mindesthaltezeiten bzw. Bezugsgrößen dabei).

Die Blausprödigkeit würde ich nicht überbewerten. Viele Stähle (gerade Federstähle wie z.B. mein 55 Si 7) vertragen bzw. verlangen sogar ein Anlassen in genau diesem Bereich, ohne zu verspröden. Wo bei welchem Stahl der kritische Bereich liegt, lässt sich leider nur ausprobieren, ich habe da auch nach ausgiebiger Recherche bisher noch keine Werkstoffspezifischen Daten finden können. Die Härtereien ignorieren die Blausprödigkeit in den meisten Fällen ganz einfach... Was bei den meist massiven Bauteilen (oft) auch nicht weiter tragisch ist.

Aufschluß gibt beim Experiment der Flextest.

Das mit dem Mehrfachanlassen und Abschrecken soll Ausscheidungsvorgänge, die ebenfalls zu Versprödungen führen können, möglichst verhindern. Es ist auch hier Erfahrungssache, welcher Stahl was verträgt. Nach meiner Erfahrung machen die meisten, einfachen Stähle dabei keinerlei Probleme. Also 1 h Ofen und gut. Allerdings habe ich noch keine 5 Messer aus hochlegierten Stählen gemacht und bin auf diesem Gebiet sowieso noch etwas unsicher unterwegs.
 
"Habe ich das richtig verstanden, und das Messer ist schon hart, aber noch nicht angelassen? Dann kannst Du `s nämlich gleich nochmal machen (Restaustenit)."

Herr Stienen bzw. sein Geselle hat das Messer im Ofen auf Härtetemperatur gebracht, dann ins Öl gesteckt, bis dieses aufgehört hat zu wallen; dann wurde die Klinge in einer Schmiede-Leder-Schürze eingewickelt und kühlte dort zwei Stunden aus. Wohl sowas wie härten und Anlassen in einem Gang.

Nun wollte ich die einige der bereits vor dem Härten gebohrten Löcher im Erl nachträglich erweitern. Mit Standbohrmaschine (mit einem GUTEN Bohrer) ließ eines der Löcher nicht mehr bohren -eines der dem Ricasso am nächsten liegenden-. Meine Überlegung war nun, ob die Klinge also nicht insgesamt zu hart ist und daher nochmal angelassen werden sollte. (Daher meine Frage an die liebe Gemeinde, wie man das denn korrekterweise macht)

"Handelt es sich um ein Dreilagenmesser oder einen Damast?"

Banddamast

"...sollte man bei beiden Stählen eigentlich mit 200°C / 1h halbwegs hinkommen. Anschließend abschrecken oder auch nicht, nur nicht im Ofen abkühlen lassen. Das müßte es dann schon gewesen sein. "

Genau das war eine der Fragen. Ich habe nämlich von ebenfalls kompetenter Stelle eine entgegengesetze Aussage: Zwar auch 1 h 200 C, aber anschließend unbedingt im Ofen langsam auskühlen lassen.

Also warten wir noch auf andere Meinungen !

Aber vielen, vielen dank schonmal
Gruss
Marc
 
Zum Anlassen:

Mit 200° liegst Du bei den meisten Stählen sehr gut. Ich persönlich lasse nur Stähle mit niedrigerem Kohlenstoff (Ck 60, Ck 75 niedriger an).

Höher als 200 gehe ich nie.

Zwei mal eine Stunde mit sofortigem abschrecken in Wasser dazwischen wird auch von Roman Landes in seinem Buch empfohlen, ich mach das schon seit Jahren so und bin immer gut gefahren.

Abkühlen im Ofen wird nicht gemacht, wir machen das nicht mal im Werkzeugbau in der Arbeit so. Da werden die angelasssenen Werkstücke an der Luft abgekühlt, da werden allerdings auch andere Temperaturen verwendet.
 
Das eigentliche Problem ist doch wohl, dass Du Deine gehärtete Klinge nur unter grossen Schwierigkeiten bohren kannst und dafür eine Lösung suchst.
Wenn dem so ist, lasse sie weichglühen, bohre und härte nochmal.
Wenn Du nur meine Meinung hören willst: Bravo, alles richtig gemacht, Klinge ist hart!
 
Hallo Marc.
Die Klinge ist gehärtet und angelassen und hat im Angelbereich eine zu kleine Bohrung.
Jetzt fragst Du nach allgemeinen Wärmebehandlungsmethoden um eine Bohrung im Angelbereich zu erweitern?!
Du kannst die wärmebehandelte Klinge mit einem nassen Lappen umwickeln und die Angel nochmal mit einem Brenner erwärmen.
Dann bohren und die Klinge zügig in ein Gefäss mit Wasser oder Öl reinstellen.
Nur der Klingenbereich sollte eintauchen.
Die Klinge bekommt dadurch keine Hitze ab.
Auf keinen Fall die Angel abschrecken, da sie sonst zu sehr aufhärtet.
Einfach langsam abkühlen lassen.
Dadurch ersparst du dir eine erneute Wärmebehandlung.
Die ganze Prozedur sollte zügig gemacht werden um ein Wandern der Hitze in den Klingenbereich zu vermeiden.

Ob die Klinge insgesamt zu hart ist weil Du nicht mehr bohren kannst?
Du willst mit der Klinge schneiden, sie ist in dieser Legierung sehr schnitthaltig und gut zu schärfen.
Um die Nicht-Bohrbarkeit brauchst du Dir nach Fertigstellung des Messers keine Gedanken mehr zu machen, es sei den Du möchtest für jeden erlegten Hirsch eine Bohrung in die Klinge machen. :D

Gruß aus der Schmiede,
Peter
 
Hallo Peter,

Danke nochmal für die interessanten drei Tage in Deiner Schmiede, hat mir super gefallen !!! :super: Grüße an Deine Mannschaft.

Nun zum Thema:
für die vorderen Backen / Parierelemte des Messer sind zwei Löcher zur Verstiftung vorgesehen, das obere, näher am Klingenrücken liegende, war mit einem guten Bohrer nicht von 2 auf 3 mm erweiterbar. Zu hart eben. Das untere Loch, welches sich auf selber Höhe, aber eben näher an der Unterseite befindet, ließ sich problemfrei aufbohren.

Also haben wir an beiden Stellen einen unterschiedlichen Härtegrad vorliegen. Es ist entweder an der einen Stelle zu weich, an der anderen zu hart oder beide Stellen sind ganz ähnlich hart und der Bohrer liegt härtemäßig genau dazwischen (was aber wohl ein unwahrscheinlicher Zufall wäre). Weiter hinten im Griff wäre mir das egal. Da es aber nahe an der Klinge ist, kann man zunächst vermuten, dass dann auch in der Klinge unterschiedlich hart ist.
Nun kommt aber hinzu, dass die Klinge nach der Wärmebehandlung noch von Herrn Patschul gerichtet wurde, wobei die Klinge während der erforderlichen lokalen Erhitzung im Wasser stand (die Erhitzung wurde übrigens genau an der Stelle gemacht, an der sich auch die in Rede stehenden Bohrungen befinden). Nun könnte es also so sein, dass mit dem Klingenteil alles super ist und sich eben nur im Erl an der Stelle der Erhitzung unterschiedliche Härtezonen befinden, was ja m.E. nicht tragisch wäre.

To cut a long story short:
Da die Stifte ja nicht durchgehen, sondern in Sackbohrungen enden, sieht man den unterschiedlichen Durchmesser der Stifte ja nicht. Also muss ich auch nicht unbedingt alle Löcher auf 3 mm erweitern.

Würdet ihr die Klinge trotzdem nochmal anlassen?

Viele Grüße
Marc
 
Hallo Marc.
Jetzt verstehe ich was gemeint ist.
Nach der WB war im Angelbereich an der Bohrung ein Verzug.
Markus hat die Angel erwärmt und dann gerichtet.
Dabei wurde die Klinge im Wasser gekühlt.
Der Klingenbereich ist also nicht beinflusst.
Der partielle Bereich bei der Angelbohrung ist aber hart geworden.
Ich kann an der Klinge und Angel Rockwellmessungen vornehmen und die Angel im Härtegrad korrigieren wenn es nötig ist.

Du solltest auf Deinen Nudelsalat hören und mich nochmal anrufen.;)

Gruß,
Peter
 
Hallo Peter, hallo andere Foristi,

ich habe heute mit Peter Stienen telefoniert. Ein "Aha"-Erlebnis nach dem anderen, das zusammenzufassen würde leider den Rahmen sprengen. Jetzt weiß ich ein bisschen besser Bescheid...Danke für die ausführlichen Erläuterungen, Peter.

Was habe ich gelernt: Jeder hat mit seinen Aussagen bzgl. Härten und Anlassen irgendwie Recht.
Und (wie es meistens ist): Die Welt ist kompliziert; es kommt nicht nur auf die Stahlsorte, sondern auch auf Abmessungen, den Einsatzzweck (und in meinem Fall auch auf die speziellen Rahmenbedingungen des Einzelfalles) an. Praktische Erfahrung auf einem guten theoretischen Fundament ist wohl der Schlüssel zum Erfolg (auch das gilt ja fast überall...). Insofern war der Tip, erstmal meinen Schmid zu kontaktieren doch eine gute Idee....Dort gab es punktgenaue, ausführlichste Antworten.

Eigentlich kann dieser Thread nun als erledigt betrachtet und beendet werden.

Mein Messer wird mit etwas Glück in den Weihnachtsferien fertig; dann stelle ich mal ein Bild ein...
 
Zum weichglühen findest du alles was du brauchst mir der Suchfunktion.

Kurz zu deinem Problem, der hohe Mangangehalt im 1.2842 lässt ihn schnell durchhärten. Bei dünnen Querschnitten reicht manchmal schon eine Abkühlung an der Luft. Bring den Stahl auf ca. 720 Grad und halt ihn ein paar Minuten. Dann so langsam wie möglich abkühlen. Wirklich langsam!!! Danach sollte er weich genug sein

Ein nicht richtig gehärteten Stahl würde ich nicht verwenden. Härte ihn nochmal vernünftig, ist ja kein großer aufwand und das Ergebnis wird viel besser...

Gruß Jannis

Hä, wo ist denn auf Einmal der Thread hin, auf den ich eigentlich geantwortet habe??? Wollte gerade auf eine Frage von Rana antworten und irgndwie ist mein Beitrag hier gelandet und die Frage von Rana verschwunden...
 
Zuletzt bearbeitet:
...
Hä, wo ist denn auf Einmal der Thread hin, auf den ich eigentlich geantwortet habe???
Den Beitrag habe ich gerade wegen zu viel O-Ton Süd gelöscht. Irgendwann ist es auch mal gut gewesen.

Du hast zwar darauf geantwortet, weil die Hauptfrage in normalem deutsch geschrieben war, aber Rest ist eine Zumutung - ist nicht persönlich gemeint, aber ein solcher thread im Forum reicht.
Das muss nicht auch noch in Beiträgen zu technischen Fragen einreissen.

Gruß Andreas
 
Nun ja,

anbei mal zu beiden Werkstoffen die Datenblätter.

http://www.doerrenberg.de/fileadmin/template/doerrenberg/stahl/DatenblaetterDeu/1.2842_de.pdf

http://www.doerrenberg.de/fileadmin/template/doerrenberg/stahl/DatenblaetterDeu/1.2767_de.pdf

Wie man den beiden Datenblättern entnehmen kann ist die Härtetemperatur nicht gleich.

Das bedeutet das je nach wirklich gefahrener Härtetemperatur Verschiebungen in den Kurven vorkommen. Um genauere Angaben zu machen ist die Angabe der HT notwendig.

ich würde hier ins blaue in etwa 180-190 °C / 2 h fahren. (Aufgrund der evtl. Überhärtung des Ansprunghärteren Materials lieber eine etwas längere HZ wählen und niedrigere Temp.)
Generell ist es bei beiden Werkstoffen egal ob Ofenabkühlung oder Abschrecken nach dem Anlassen. Hier sind eher Verzug und andere Fertigungstechnische Dinge interessant. Ich würde an ruhiger Luft abkühlen.

MY 2 Cent
 
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