420 und 420HC - Eine Würdigung

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Es ist schon eine gute Weile her, daß ich bei einem Waldspaziergang in Meeresnähe auf ein uraltes Schiffstau stieß. Das 6 cm dicke Tau hatte eine Schlaufe, mit der es an einem schweren Eisenschäkel befestigt war. Ich wollte den Schäkel :cool::

Und hatte mein gerade neu erworbenes Buch 112 Ranger mit Klinge aus 420HC (Wärmebehandlung nach Paul Bos) mit dabei. Ich begann zu säbeln. Das mit Sand durchsetzte Tau war äußerst widerspenstig und ließ sich nicht durchtrennen. Was - wie sich herausstellte - kein Wunder war, hatte es doch eine eiserne Seele, auf der ich mit meinem Buck eine kleine Weile rumgeeiert war.

Sehr zu meinem Erstaunen hatte die Klinge keinen Schaden davongetragen und war nach ein paar Zügen auf Schleifleinen wieder rasurscharf.

Nun hat Larrin Thomas kürzlich einige neue Stähle unter die Lupe genommen - darunter auch den 420:

„It (420) is however the first stainless steel that was ever introduced commercially, first announced in 1915. And it was developed for knives. 420 now has a reputation as a low end steel, because of its typically low hardness and use in many cheap knives. 420 can come in a range of carbon contents, however, with the spec only requiring that it have a minimum of 0.15% carbon. So some of the cheapest 420 has only 0.2% carbon, and is capable of only low hardness. There is also 420 available at around 0.38% carbon which is capable of hardness as high as about 57-58 Rc. When the steel has over 0.4% carbon it is typically called 420HC instead. 420 has excellent toughness and corrosion resistance due to the low carbide content as well. I got a lot of requests that I test “cheap” steels and I was able to get some 420 for testing.“


Schnitthaltigkeit


420 in der von Larrin getesteten Version mit 0,38 C und 13 Cr erreicht im Catra-Test bei 55 HRC den Level von 1095 bei 62 HRC und ist fast auf dem Niveau von 52100 bei 61 HRC. Die (wenigen) Chromkarbide zeigen dafür verantwortlich.


Rostträgheit


Mit einem Rating von 7,9 liegt der 420 auf hohem Niveau und schlägt Elmax.


Toughness

Besonders ins Auge gefallen allerdings ist mir die Zähigkeit. Und hier hat Larrin die Daten für 420HC von Buck veröffentlicht:

„420 stainless likely has very high toughness. I have tested the toughness of Buck 420HC before and it did very well but I have never added it to the chart before since it was done as part of a consulting job. However, I recently talked to them and they are fine with the result being public. The 420HC does excellent, as expected, due to the small carbides and low carbide volume that is found in the steel. 420 has even less carbon, and is at lower hardness, so it would also have very good toughness. The strength would be low, of course.“

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Mit 40 ft-lbs bei 57,5 HRC erreicht der 420HC den Wert von L6 und CPM 3V bei 58 HRC. Das ist eine Ansage! Und erklärt am Ende eindrücklich, warum mein Buck 112 Ranger das Seilchen-Desaster ohne ernste Blessuren überstanden hat …


420 C: 0,15 Cr: 12,00-14,00 Mn: 1,00 Si: 1,00 Cu: 0,09

420 C: 0,38 Cr: 13,00 Version aus Larrins Test

Latrobe 420HC C: 0,46 Cr: 13 Mn: 0,40 Si: 0,40 V: 0,30



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R’n‘R
 
Schöner Erfahrungsbericht, der sehr plastisch illustriert, was hier im Forum seit vielen Jahren von Seiten der Fachleute gepredigt wird, nämlich dass 420er und verwandte Stähle (darunter ja auch der gute alte 4034) alles andere als minderwertig oder gar schlicht überholt sind, so wie man es mitunter liest.

Das Image dieser Stähle ist in manchen Kreisen dermaßen schlecht, dass sich Cold Steel letztes Jahr nach einem gewaltigen Aufschrei vonseiten der Kunden und Fans schlussendlich sogar dazu genötigt sah, den angekündigten Stahlwechsel vieler Modelle zum 4034 öffentlich zu verteidigen (wobei Andrew Demko als dessen Fürsprecher/ Anwalt auftrat)...

Larrin selber hat den 420er mittlerweile ja sogar als idealen Schwertstahl geadelt.

Wurde IMHO längst Zeit für eine Rehabilitierung...

Grüße
Jürgen
 
Das 6 cm dicke Tau hatte eine Schlaufe, mit der es an einem schweren Eisenschäkel befestigt war. Ich wollte den Schäkel :cool::

Warum hast du den Schäkel nicht einfach aufgeschraubt? Wäre doch einfacher gewesen ais säbeln :)

Thommy
 
Der Rost, der Rost ;) ....

Ähnliches habe ich mal gängig gemacht:
1. Cola, 24 Std, dann trocknen lassen, eine Woche in der Garage
2. Terpentin mit WD40, tagelang
3. Schraubstock und langer Schraubendreher als Hebel

#3 ging überraschenderweise sehr leicht.

Braucht halt Zeit ;)

Thommy
 
Ich hatte bei meinem Spaziergang leider Cola, Terpentin, WD40, Schraubstock und den langen Schraubendreher vergessen ...

Und um das Schäkelthema hiermit abzuschließen - das Tau von 6 cm Durchmesser war an die 20 Meter lang, der Schäkel wog geschätzte 2 kg. Mitnehmen war keine Option.

R'n'R
 
Zuletzt bearbeitet:
Wieder mal ein sehr informativer, lebendiger Bericht. Jetzt bin ich mir aber nicht mehr sicher, welcher Stahl der meist unterschätzte ist. Der 420/420HC spielt auf jeden Fall ganz vorne mit. Danke für den Bericht und die schönen Bilder.

Gruß
Matthias
 
Ich freue mich riesig über diesen Beitrag. Gut, ich lehne mich mal weit aus dem Fenster und gestehe: ich habe seit vielen Jahren ein Herbertz Messer mit 420er Klinge als EDC. Gebraucht gekauft für Euro 10.- Das ist natürlich nichts womit ich bei meinen Freunden und Jagdkollegen angeben kann, aber das Messer hat jederzeit seinen Dienst getan und hat mich nie im Stich gelassen. Nur weil der Stahl aus dem Jahre 1915 kommt, heisst das noch lange nicht, dass dieser Stahl nicht gut ist. Natürlich muss man diese Messer häufiger nachschärfen, aber es geht dafür auch sehr schnell. Ich habe dieses Messer noch nie an seine Grenzen gebracht. Zudem bin ich der Meinung, dass der 440C ebenfalls ein sehr guter Stahl ist für Messer. Auch dieser Stahl wird unterschätzt.
Die Entwicklung der Messerstähle schreitet schnell voran. Es vergeht kein Jahr ohne das mindestens fünf neue Superstähle vorgestellt werden. Das Marketing sorgt dann dafür, dass Bedürfnisse geweckt werden, die vorher gar nicht vorhanden waren. Dagegen ist nichts einzuwenden. Entschuldigt bitte die vielen Worte, aber es war mir einfach wichtig das los zu werden.
 
Moin,

Ich habe seit sehr langer Zeit ein Standard-Buck. 110er FG, eines meiner absoluten Lieblingsmesser und Lieblingsmesserformen allgemein. Es hat die normale 420er Klinge.
Es hat wirklich schon viel erlebt und geschnitten, allerdings muss ich sagen das der Stahl mich überhaupt nicht vom Hocker reißt.

Einen Karton zerkleinert und es schneidet kein kaltes Wasser mehr.
Am Sharpmaker natürlich in 30 Sekunden wieder scharf, das ist dann die andere Seite der Medaille.
Seit ich das 110er Pro hab (S30V), bleibt das "normale" 110er daheim.

Den Hersteller und seine Messer liebe ich. Aber ein Buck in 420 kauf ich keins mehr.

Beste Grüße,
Andy
 
Wer häufig mal Karton zu schneiden hat, ist imho nicht gut beraten, dafür zu einem Buck 110 S30V zu greifen. Ist für solcherlei „Handarbeit“ viel zu schwer. Ein Para Military 2 mit Maxamet-Klinge ist da eher angebracht. Ist halb so schwer und - wenn wir schon leistungsorientiert argumentieren wollen - Maxamet (oder auch S110V) schlägt den S30V im Kartonschneiden Faktor 2.

Der 420HC hat gänzlich andere Qualitäten. Von Standzeitwunder war nicht die Rede ;) ...

R’n‘R
 
Wie schon so oft beschworen, ist - wenn man das Phasendiagramm betrachtet - der 420 er in der Ausprägung 4034 der Stahl der Wahl, wenn man Rostfreiheit UND feine geschlossene Schneiden sucht, ohne nennenswerte Karbidanteile im Gefüge. Hier ist es eine Frage der Wärmebehandlung, und das hat Paul Bos von Buck wohl immer super im Griff.
Wegen der fehlenden Karbide ist er natürlich bei Abrasivverschleiss nicht so gut, dafür gut schärfbar (Abrasivverschleiss!).
Ein völlig unterschätzter Stahl für gute Allroundmesser.
 
Ich hab ein Reise durch den ganzen Stahlhype gemacht, von 440C und kurz darauf D2...ATS34...Pulvermetallurgisch und natürlich Damast. Alles Gut und Recht für seine Spezifischen Zwecke und natürlich dem Spaß am Neuen, aber am Ende verwende ich lieber Günstige und "einfache" Stähle und auch Hersteller wie Muela, Cold Steel usw, weil es mehr als Ausreicht und besser ist für den Geldbeutel... und wenn man dann vor Jahren, von einem Bekannten Messermacher, gesagt bekommt, dass er den 440B Stahl so toll findet weil billig, zäh und schneidet länger als 440C (entsprechende Wärmebehandlung wie immer vorausgesetzt) dann ändert man seine Meinung schon mal ...UND wer schärfen kann ist König!
 
Und um das Schäkelthema hiermit abzuschließen - das Tau von 6 cm Durchmesser war an die 20 Meter lang, der Schäkel wog geschätzte 2 kg. Mitnehmen war keine Option.

R'n'R
Wir kriegen hoffentlich eine Fotoserie "wie batoniere ich durch ein Stahlseil" und eine "Stahlschäkel unter Messer xyz" ;)

Beim Thema Buck und Stahl frag ich mich immer wo der 425M geblieben ist.

Gruss erniebert
 
[...] frag ich mich immer wo der 425M geblieben ist.
"That 425mod was a special steel the mill made for Buck, and we paid for it.
Then years later, at the mills request, we considered the change from 425mod to our current 420hc. We were the only ones that wanted 425mod and they mainly made it for us because they liked us...seriously! But 420hc was an on the shelf variety of steel and was basically the same so...
"
- Joe Houser

(Falls der Name nicht geläufig sein sollte: https://www.buckknives.com/blog/creating-collectibles-the-joe-houser-story/ )


Grüße
Jürgen
 
Nette Story, aber zumindest hier im Forum doch spätestens seit der Diskussion um Roman's Spezial-WB für 1.4034 eher ein alter Hut. Wer allerdings, sorry Larrin, diesen Stahl ohne zu differenzieren als den idealen Schwertstahl bezeichnet, der hat nicht alle Räder im Getriebe. Oder Vera's Diplomarbeit nicht gelesen. Oder es nicht ganz ernst gemeint.
 
Idealer Schwertstahl? hatte ich glatt überlesen. Also der Stahl kann ja schon viel, das ist er definitiv nicht. Außer, das Schwert steht dekorativ wo rum.
 
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