Affinität von Legierungselementen zur Karbidbildung berechenbar?

tribernium

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Habe bislang ja eigentlich immer die Antworten, welche ich gesucht habe (und jede Menge weitere Fragen obendrauf) über die Suchfunktion finden können, aber diesmal hat mich das Glück wohl verlassen...
Wobei ich es schon etwas komisch finde, das die SuFu bei Begriffen wie „Stahl“, „Messer“, oder „Klinge“ problemlos mit Antworten aufwartet, aber das Wort „Elektronegativitätsdifferenz“ zu allgemein ist und bei der Suchanfrage ignoriert wird...:confused:

Habe in einigen Beiträgen z.B. über SB1 gelesen, das Niob als Legierungselement recht kleine Karbide ausbildet, welche bereits in der Schmelze entstehen und – aufgrund der höheren Affinität des Niob (im Vergleich z.B. zum Chrom) zur Karbidbildung, den zur Verfügung stehenden freien Kohlenstoffgehalt verringern.
Ebenso wurde irgendwo erwähnt, das Chrom bereits eine höhere Affinität zum Kohlenstoff hat als Eisen, sowie das Chromkarbide zwar sehr hart, aber auch recht groß sind.

Daraus ergab sich für mich die Überlegung, ob man nicht eine Reihenfolge der Legierungselemente erstellen könnte, um „vorauszusagen“, welche „als erstes“ mit dem freien Kohlenstoff reagieren um Karbide zu bilden. Daraus ergäbe sich für die Stähle mit mehr als 0,8% C, bei denen sich der Kohlenstoff, welcher nicht zur Verspannung des Gitters genutzt wird, ausscheidet, eine grobe Möglichkeit, diese im Bezug auf die Karbidstruktur zu „bewerten“.
Im Chemieunterricht haben wir gelernt, das sich Reaktionen unter Normalbedingungen anhand der Elektronegativitätsdifferenz vorausberechnen lassen. Allerdings kann man die Bedingungen während des Härtens, oder gar bei der Erschmelzung des Stahls, wohl kaum als Normal im Sinne des Chemieunterrichts bezeichnen.:glgl:

Da ich Berufsmäßig – als SAP-Administrator – so gar nicht mit Stahl, Messern, oder dergleichen zu tun habe - ist meine Idee nun totaler Schwachsinn, oder nur bedingt Sinnvoll, da die Zusammenhänge komplexer sind, als das Modell abbilden kann – oder ist der Ansatz sogar halbwegs hilfreich?

Gruß tribernium
 
Ich habe den Ausgangsbeitrag noch 2/3 Mal gelesen, und gelangte zu der Ansicht, daß meine Antwort nicht passend war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Über die Karbide in Stählen findet man bei Rapatz ein ganzes eigenes Kapitel- 22 Seiten präzises Wissen.
Ich versuche mich hier an einer Kurzfassung zur Beantwortung der gestellten Frage, wobei wohl schon am Grundverständnis anzusetzen ist.
Es ist nicht so, daß Stähle mehr als 0,8 % C enthalten müssen, um Karbide zu zeigen. Da Ferrit- die "Raumtemperaturform" des Eisens- Kohlenstoff so gut wie nicht lösen kann, treten Karbide schon bei weniger als 0,1 % C im weichgeglühten Stahl auf. Um beim Härten ordentliche Verspannungen zu erzielen, braucht es aber einen höheren C-Gehalt. Die Einzelheiten des Härtevorgangs erkläre ich jetzt nicht -das ist vielfach besprochen und kann nachgelesen werden.
Alle Legierungselemente mit Ausnahme von Kobalt verringern die Löslichkeit des Kohlenstoffs im Austenit, wirken also wie eine Erhöhung des C-Gehalts.
Die Affinität der karbidbildenden Elemente zum Kohlenstoff ist grundsätzlich bekannt. Sie steigt in der Reihenfolge Eisen, Chrom, Molybdän, Wolfram, Vanadium, Titan und seltene Erden an.
Grundsätzlich besteht die Tendenz, daß stärkere Karbidbildner auch härtere Karbide bilden. Das Bild wird dadurch kompliziert, daß gewisse Elemente, die für sich Karbide bilden, dies im Eisen nicht tun. Silizium ist so ein Faulpelz, der sein extrem hartes Karbid nicht im Eisen zur Verfügung stellen will.
Eine weitere Komplikation ergibt sich daraus, daß die Karbide nicht jedes schön für sich getrennt bleiben, sondern sich bei Vorhandensein mehrerer karbidbildender Legierungselemente Mischkarbide bilden. Dabei ist es wiederum so, daß Karbide einiger Elemente sich mit anderen mischen, mit wieder anderen aber nicht.
Die Formeln liegen im Bereich von MC bis M23 C 6 (M steht hier für das karbidbildende Metall).
Die Zusammensetzung der Karbide hat mit ihrer Größe nichts zu tun. Man kann also nicht sagen, Chromkarbide seien groß, Wolframkarbide seien fein o. ä.
In Wirklichkeit kommt es auf die Löslichkeit der Karbide im Austenit an.
Solange ein Stahl nicht so hoch legiert ist, daß er schon in der Schmelze Karbide bildet, die dann durch eine Wärmebehandlung unter dem Aufschmelzen nicht beseitigt werden können, können die Karbide durch richtig durchgeführtes Schmieden- aus dem Zustand der Karbidlösung und mit durchgreifender Verformung- verfeinert werden. Eine Ausnahme bildet wohl das Wolframkarbid WC, das sich bei übertriebenem Weichglühen bilden kann und dann nicht mehr löslich ist.
Die Karbide der seltenen Erden sollen als Primärkarbide relativ fein ausfallen. Diese Legierungselemente werden daher insbesondere bei gegossenen Werkzeugen eingesetzt, die ohne Umformung eine gewisse Zähigkeit behalten sollen.
Das soll es jetzt mal als Einstieg gewesen sein. Insgesamt handelt es sich um eine recht komplizierte und für die Leistung sehr bedeutsame Materie.
MfG U. Gerfin
 
Meinen Beitrag von vorhin habe ich zu früh gelöscht, das beweist mir Ulrich.
Das Problem ist meine introvertierte Denke. :D

Schon C Anteile von 0,06% machen dem .4571 das Leben so schwer, daß er Ti als Legierungselement braucht, um das bischen C daran zu hindern, Cr-Karbide zu bilden, und damit die Korrosionsbeständigkeit zu verschlechtern.
Demnach sollte man zuerst einen Anspruch formulieren, und sich dann des geeigneten Materials zu bedienen/suchen.
Ich hoffe, das ist einigermaßen verständlich, denn ich komme gerade von einer Fachtagung zu dem Thema.:glgl::glgl:
 
Erstmal danke für die schnellen und aufklärenden Antworten.

An die Löslichkeit des Kohlenstoffs in weichgeglühtem Stahl habe ich natürlich nicht gedacht - bezog mich auf das Ausfällen der Karbide beim härten, wo ich meine diese Angabe irgendwo gelesen zu haben.

Zu dem Buchtipp - ich muss gestehen, das mein gesamtes Wissen im Bezug auf Stahl nur auf Beiträgen des Messerforums besteht - gelobe aber Besserung (Messerklingen und Stahl steht schon auf der Weihnachts-Wunschliste)...

Das Entstehen von Mischkarbiden habe ich irgendwie geahnt - würde sonst ja auch keinen Spaß machen, wenn die Zusammenhänge so einfach und durchschaubar wären... :irre:

Wo, bzw. wie ich auf den Trichter kam, das Chromkarbide groß und manche anderen Karbide kleiner seien, kann ich nicht mehr genau sagen... Hatte dann wohl irgendwo einen Post fehlinterpretiert.

Aber eine grobe Reihenfolge der Elemente nach dem Bestreben sich mit Kohlenstoff zu verbinden, war ja in dem Beitrag von U. Gerfin ebenfalls enthalten - was dem, was ich mit meinem Ausgangsbeitrag erfahren wollte sehr Nahe kommt.

Gruß tribernium
 
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