Altes Rasiermesser aufarbeiten, Klingenform beibehalten?

il.ja

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Hallo,

neulich habe ich auf dem Flohmarkt ein Rasiermesser erstanden. Es braucht zwar Reparatur, aber dafür ist die Klinge wenig abgenutzt ist und auch kein bisschen verbogen. Ein neuer Griff stellt kein Problem dar, aber bei der Schneidenform komme ich nicht weiter. Soll ich sie beibehalten oder komplett neu anlegen? Die meisten Rasiermesser, die ich bis jetzt gesehen habe, haben eine gerade Schneide. Nur ein paar ganz Alte haben eine Krümmung wie bei meinem. Ist es so beabsichtigt, oder kommt die Krümmung durch die falsche Pflege, wenn man nicht sachgemäß schleift? Die momentane Form beizubehalten ist kein Problem, aber bringt es eher Vor- oder Nachteile mit sich?

Ach ja, da ich schon dabei bin, weiß vielleicht jemand etwas zur Aufschrift "Gusstahl Garantie"? Wie verträgt sie sich mit "Feinster Silberstahl" (womit hoffentlich 1.2210 gemeint ist)?

Für etwas mehr Licht bei der Sache wäre ich sehr dankbar

schöne Grüße
il.ja
 

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... Ach ja, da ich schon dabei bin, weiß vielleicht jemand etwas zur Aufschrift "Gusstahl Garantie"? Wie verträgt sie sich mit "Feinster Silberstahl" (womit hoffentlich 1.2210 gemeint ist)? ...

Gußstahl ist ein alter Begriff, der heute noch in Solingen auf Klingen verwendet wird.
Heute wird damit ein Stahl bezeichent der nicht rostfrei ist, also ein "altmodischer" C-Stahl. (Im Gegensatz zu "Edelstahl Rostfrei")

Der Begriff soll allerdings noch aus der Zeit stammen, in der der "gegossene" Stahl (nicht Gußeisen)
einen neuen Qualitätsstandard gesetzt hat.
Ob Gußstahl eine (maketingtechnische) Abwandlung des Begriffes Flußstahl ist würde mich auch mal interessieren. Dann ware wäre zumindest die Abgrenzung zum "alten" Schweißstahl aus dem Rennofen klar.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und wieder was gelernt, danke. Wenn ich es richtig verstanden habe, kann man das Alter des Rasiermessers wohl nicht daraus abschätzen.
 
Meiner bescheidenen Meinung nach kommt die Klingenform durch falsches Schleifen.


Ookami
 
Es ist tatsächlich so, wie uups es erklärt hat: Gußstahl bezeichnete einen Stahl, der anders als der an sich sehr geschätzte Raffinierstahl einmal flüssig war. Man schrieb diesem Stahl -wohl mit Recht- größere Homogenität und damit Verlässlichkeit zu. "Gußstahl" sollte also ein besonderes Qualitätsmerkmal hervorheben.
Das verträgt sich auch mit der Bezeichnung "Feinster Silberstahl". Silberstahl ist ja nicht etwa mit Silber legiert- das geht nicht, auch wenn sich diese Legende hartnäckig hält- sondern hat seinen Namen bekommen, weil er silberblank gezogen ist.
Der alte "feine Silberstahl" war übrigens nicht der 1.2210, sondern der für feine Schneidwecke deutlich bessere 1.2516, der aus Kostengründen durch den billigeren Chrom-Vanadiumstahl verdrängt worden ist.

Zur Form: Die leicht gekrümmte Schneide schneidet sicher besser als eine ganz gerade- aber nicht nur ins Haar, sondern auch ins Fleisch. Wer ein sicheres, leichtes Händchen hat, sollte es ruhig bei der Krümmung lassen, wer das nicht hat, sollte sich sowieso von Rasiermessern fernhalten.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
...Zur Form: Die leicht gekrümmte Schneide schneidet sicher besser als eine ganz gerade- aber nicht nur ins Haar, sondern auch ins Fleisch. Wer ein sicheres, leichtes Händchen hat, sollte es ruhig bei der Krümmung lassen, wer das nicht hat, sollte sich sowieso von Rasiermessern fernhalten.

Freundliche Grüße

U. Gerfin

Hier muss ich leider widersprechen ;) Meine langjährige Praxis mit Rasiermessern vermittelt genau das umgekehrte Ergebniss. Gekrümmte Klingen (lächelnde Klingen) sorgen bei einem Rasiermesser dafür, dass diese wesetlich einfach und gefahrloser zu führen sind. Im Verhältnis zu einer geraden Klinge, liegt immer nur ein kürzerer Teil der Schneide auf der Haut auf, was Cuts verhindert und dafür sorgt das wirklich nur dort rasiert wird, wo die Haut gut gestrafft ist. Außerdem sind lächelnde Klingen gründlicher, die Haare werden noch tiefer abgeschnitten. Nachteil ist, dass durch den punktuell höheren Druck auf der Haut manchmal die Sanftheit der Rasur etwas leidet. Sich täglich mit einer lächelnden Klinge zu rasieren dürfte bei den meisten die Haut zu sehr stressen (ist aber ob der Gründlichkeit meist auch nicht nötig).
Weitere Einschränkung ist, dass es kaum vollhohle lächelnde Klingen gibt, da die Krümmung sich nicht mit einer Schleifhexe herstellen lässt (einzige mir bekannte Außnahme sind sehr alte und seltene japanische Kiku boshi SK-1 Rasiermesser - googeln! - die kosten dann aber auch um die 1000,- € gebraucht :glgl: ).
Daher handelt es sich meist um ältere halbhohle bis derbe Rasiermesser, meist aus Sheffield aus der Zeit um 1850 bis 1900 die eine lächelnde Klinge aufweisen.
Weiterer Nachteil, zum schärfen lächelnder Klingen ist etwas mehr Erfahrung nötig, um die Form gleichmäßig beizubehalten. Mit etwas Übung ist das aber grundsätzlich kein Hexenwerk.

In dem hier gezeigten Fall handelt es sich aber vermutlich wirklich eher um Verschliff. Ich würde das, wenn du damit beim Schärfen kein Problem hast, erstmal so lassen und ausprobieren. Wenn du damit dann nicht zufrieden bist, kannst du immer noch mit der Klinge "Schlittschuh laufen" und sie begradigen.
 
Vielen Dank für die kompetenten Antworten. Ich habe die Form beibehalten und mich damit rasiert, angenehm war das nicht. Die Rasierklinge ist riesig, 8cm lang und 2cm hoch (anbei ist ein Foto mit einem kleinen Outdoormesser mit ebenfalls 8cm langer Klinge). Dadurch ist es schwierig den stark gebogenen vorderen Teil der Klinge kontrolliert zu führen, vor allem da die Klinge fast das halbe Gesicht im Spiegel verdeckt :irre:. Ich werde die Form ändern, mache sie aber nicht ganz gerade, sondern leicht gebogen. Sonst ist es bei der Größe sehr schwierig den Hals zu rasieren (bzw. einfach zu wenig Übung[?]).
 

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Ich tippe auf zu wenig Übung :haemisch:
2cm hoch heißt, die Kling hat zwischen 6/8 und 7/8 - das ist eigentlich keine ungewöhnlichen Breite. Zum Vergleich 8/8 Rasiermesser, was üblicherweiße das breiteste ist, was hergestellt wurde sind fast 2,6 cm breit. Natürlich ist es am Anfang gewöhnungsbedürftig, aber es geht. Auch die Klingenlänge ist im absolut üblichen Rahmen.
Bist du sicher, dass das Messer auch wirklich scharf geworden ist? Das ist für eine angenehme Rasur viel entscheidender. Ich sag mal als Stichwort "hanging hair test"?
 
Hier ist der überarbeitete Rasierer. Nicht gerade schön, aber er funktioniert ;). Im nachhinein hätte mir etwas mehr Biegung in der Mitte und etwas weniger vorne noch mehr gefallen, aber beim Gedanken nochmal mehrere Stunden mit dem Schleifen zu verbringen..., die jetzige Form auch nicht schlecht, ich komme überall gut ran. Über die übliche Größe von Rasiermessern hätte ich mich wohl vorher besser informieren müssen. Ich hatte bisher einige kleinere in der Hand und dachte, es wäre der Standard.

@Buddel: Mit der Übung hast du wohl recht, da habe ich noch Nachholbedarf. Den Haarspaltetest [ich musste erst nachschauen ob mit 'hanging hair test' das Gleiche gemeint ist] besteht die Klinge mit Bravur - übrigens klappt er auch nach dem Rasieren noch ganz gut - , aber nach dem Aftershave brennt die haut trotzdem wie verrückt.
 

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