Ich denke, bei der Verwendung alten Werkzeugs sollte man differenzieren. Es gibt alte Werkzeuge, die aus Kostengründen in der damaligen Qualität nicht mehr gemacht werden oder heute immens teuer sind. Ein Beispiel wären alte Stechbeitel und Hobeleisen, die früher auch bei uns mit einem Eisenkorpus und aufgeschweißter Schneide gemacht worden sind. Als Schneidenstahl wurde meist ein wolframhaltiger Stahl ähnlich 1.2515 verwendet. Wirklich besser kann man es nicht machen. Solche Werkzeuge sollten nach Möglichkeit liebevoll restauriert und benutzt werden.
Die andere Kategorie sind Werkzeuge, die durch Zeit, Gebrauch, Mißbrauch oder alles zusammen so gelitten haben, daß sie nicht mehr instandgesetzt werden können. Wenn man so etwas auf dem Schrott findet, spricht nichts dagegen, damit seine Schmiedetechniken zu üben und Neues daraus zu schaffen.
Häufig begegnet man dabei dem Einwand, da man nicht wisse, um was es sich da handele, könne man keine vernünftige Wärmebehandlung vornehmen, die Leistung sei schwach und das "rentiere" sich deshalb nicht.
Wenn man rein ergebnisorientiert denkt, mag das zutreffen. Wenn man auch das spielerische Element und die Schaffensfreude in Rechnung stellt, zählt dieser Einwand schon nicht mehr.
Hinzukommt, daß es gar nicht so schwer ist, altes Handwerkszeug nach den verwendeten Materialien zu beurteilen. Da gerade Deutschland eine hochqualifizierte Eisen- und Stahltradition hatte und hat, kann man davon ausgehen, daß Werkzeug aus vernünftigem, dem Verwendungszweck angepasstem Material hergestellt worden ist. Ich rede hier natürlich von Qualitätswerkzeug und nicht von Baumarktsramsch-der kommt aber meist nicht einmal auf den Schrott.
Damit sind die Kategorien schon weitgehend festgelegt: Feilenstähle sind in der Regel C-reich und sonst eher legierungsarm. Es rentiert sich also ein Versuch in Richtung Kochmesser, Dreilagenmesser oder hochwertiger Damast. Meißel müssen bei noch ordentlicher Härte zäh sein. Das wäre mal grundsätzlich die Haumesserkategorie. Steht Cr.-Van drauf, so ist es ein C-armer, mit Chrom und Vanadium legierter Lufthärter, mit dem nicht viel anzufangen ist, außer man fertigt eben eine schwer zerstörbare Hauklinge. Die wirklich alten Meißel sind reine C-Stähle-chisel temper-n bezeichnete einen Stahl mit ca 1 % C- daraus kann man so gut wie alles machen. Meißel aus dem Preßlufthammer sind bei mittlerem C- Gehalt meist mit Mangan und Silizium legiert. Das ist am besten für Hilfswerkzeuge in der Schmiede-Abschrot o. ä. geeignet. Häufig sind diese Stähle aber auch wolframlegiert (am roten Schleiffunken erkennbar) und damit vielseitig verwendbar.
Wer in der Nähe eines alten Steinbruchs lebt, sollte sehr genau nach den Spitzmeißeln, die dort verwendet worden sind, Ausschau halten. Sie wurden früher gern aus einem sehr reinen Stahl mit ca. 1 % C hergestellt, der als Schalenhärter nur eine dünne Härteschicht bei zähem Kern zeigte. Das ist wieder vielseitig verwendbares Material bis hin zu feinsten Schneiden-auch im Damast vorzüglich einsetzbar.
Das waren jetzt nur mal ein paar Beispiele, was man an altem Werkzeug finden und verwenden kann.
Da die Kategorien- Sehr C- haltig, mittlerer C-Gehalt, gering legiert, stärker legiert- am Schleiffunken leicht festzustellen sind, spricht auch nichts gegen eine erfolgreiche Wärmebehandlung. Es wird ja gerne so getan, als müßte die Wärmebehandlung auf das Grad und die Sekunde genau stimmen, um nicht völlig fehlzuschlagen. Das ist Unfug. Ein Blick in den Stahlschlüssel zeigt, daß die Wärmebehandlung für eine Vielzahl von Stählen fast gleich ist. Da lassen sich allgemeine Regeln aufstellen, mit denen man bei unlegierten oder leicht legierten Stählen sinnvolle Behandlungsrahmen aufstellen kann: Stähle mit 0,8 % C oder darüber sollten von 740-800 Grad gehärtet werden, zwischen 0,5-0,8 % C um 800 Grad. Bei höherer Legierung kann man ca. 20 Grad höher gehen. Wichtig ist das Normalglühen, das mit zügiger Erwärmung auf Härtetemperatur oder darüber und schnellem Abkühlen vorgenommen wird. Das Einformen zur besseren Bearbeitbarkeit ist bei den unlegierten und leicht legierten Stählen auch weitgehend identisch vorzunehmen-Langsames Erwärmen auf 700 Grad und langsames Erkaltenlassen - gegebenenfalls auch Pendeln um 720 Grad mit langsamem Erkaltenlassen.
Unter Beachtung dieser grundsätzlichen Regeln kann man auch aus "Schrott" vorzügliche Eigenschaften herausholen und zerstörtem und verdorbenem Werkzeug neues Leben einhauchen.
MfG U. Gerfin