Anlassen-gibts evtl. eine "alte Art"?

Manni

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Mit grossem Interesse hab ich die Debatten übers Anlassen von Stählen nach dem Härten im Forum gelesen. Es scheint ein Dauerbrenner zu sein, als allgemein richtig empfundene Methode scheint sich das Fritieren oder Backofen-Anlassen bei 180-200 Grad, ein bis zweimal eine Stunde lang, etabliert zu haben. Ich mache es auch so, mit gutem Erfolg.
Unlängs sprach ich darüber mit einem alten Dorfschmied (80 plus), der dafür nur einen müden Grinser übrig hatte und mir dann zeigte, "wia ma´s gscheit macht". (Übersetzung für alle Nicht-Bayern: wie man es fachmännisch vornimmt). Das Exempel war eine Spitzhacke, die vom vielen Gebrauch eine runde Spitze hatte. Das Ding wurde wieder spitzgeschmiedet, hellrot erhitzt, ca. 1 min auf der Temperatur gehalten, in kaltem (!) Wasser abgeschreckt, und jetzt kams: Spitze blieb nicht bis zur völligen Abkühlung im Wasser, sondern wurde rausgeholt, als das Wasser noch brodelte, flugs am Betonboden abgeschliffen, um an einer Stelle eine blanke Stelle zu kriegen, von der Restwärme des WErkstückes angelassen bis es hellblau war, und dann wieder im Wasser abgeschreckt, bis es völlig kalt war. Fertig! Auf meine Frage, um was für einen Stahl es sich handeln würde, erhielt ich "is wuascht" (ist von untergeordneter Bedeutung, d. Übersetzer) als Bescheid.
Was sagen die Experten dazu? Führen einfach viele Wege nach Rom? Langts für eine Spitzhacke, ist für ein Papenheimer Rapier aber suboptimal? Muss ichs selber ausprobieren?
Merci für jede Antwort.
Manni
 
So hab ichs auch noch von meinem Vater und Großvater gelernt. Mach ich aber nur beim Ausschmieden von Werkzeugen, wie z.B. Meißel oder Äxten. Dort gibts entsprechend dicke Querschnitte und die Rißgefahr ist äußerst gering.
Bei Klingen bevorzuge ich den Backofen zum Anlassen.
Sicher ist sicher und der Stahl ist definitiv nicht "wurscht" :D
 
naja als dein ALter Schmied seine Lehre machte gab es sicherlich schon besonderer Stähle, aber das was er im Normalfall als Werkzeugstahl bekommen hat, war wohl alles von nem einfachen C50 bis C100...
Da kann man auch so verfahren. Mein Großvater hatte fürher ne Bauschlosserrei, der hat alle seine Werkzeuge für seine Riemen angetriebenen Stanzen selber gemacht. Er hat mir klar gemacht das Guter Stahl damals das teuerste war an der ganzen Fabrikation von Bändern und Baubeschlägen.
Außerdem hat so ein Werkzeug wie ne Hacke anderer Anforderungen zu erfüllen wie ein Messer oder Schwert (wobei man hell blau für ne sehr Zähe Klinge durchaus verwenden kann, wenn man nicht soviel wert auf schnitthaltigkeit legt).

Jedenfalls gibt es viele alte Rezepte wie man Anodunemals mit Stählen umging, es gab hier auch irgendwo nen Artikel darüber.

Wenn du also ein Schwert machen willst, dann musst du dich entscheiden was du willst, denn gerade da hängt viel von dem Klingentypus und dem Stahl ab und was du damit vorhast...

Es gibt keinen Besten weg, nur einen der für ein bestimmtes Ziel vieleicht besser geeignet ist!! :hmpf: ;)
 
Das Anlassen auf Farbe ist durchaus brauchbar und hier auch verschiedentlich besprochen worden.
Die großen älteren Monografien über Werkzeugstähle behandeln das noch recht ausführlich unter Berücksichtigung der jeweils verwendeten Stähle und des vorgesehenen Einsatzes.
Ein geradezu klassisches Beispiel war das Härten von Säbelklingen, die über dem Feuer oder in einem Sandbett nach Farbe angelassen wurden.
Das Anlassen mit der Restwärme des Schaftes ist für Meißel nach wie vor die am weitesten verbreitete Methode-und funktioniert gut, wenn man alte Meißel aus C-Stahl hat. Die modernen lufthärtenden Meißel sind so kohlenstoffarm und zäh, daß sie sowieso nur leicht angelasen werden müssen.
Wenn es um andere Werkzeuge geht, ist es nicht mehr so einfach.
Da muß man dann ein bißchen differenzieren:"Wuascht is des fei net" um welchen Stahl es sich handelt und was man damit machen will.
Das erklärt sich eigentlich von selbst, wenn man weiß und akzeptiert, daß es verschiedene Stahlsorten mit verschiedenene Einsatzgebieten gibt.
Eine japanische Hobelmesserklinge oder eine Rasiermesserklinge müssen sehr hart sein und können daher nicht auf "blau" angelassen werden.
Ich hätte aber keinerlei Bedenken, wenn ein Könner sie richtig härtet und auf blaßgelb anläßt. Wir reden hier von hoch C-haltigen Klingen im Bereich von 64 HRC aufwärts.
Es wäre umgekehrt sinnlos, einen Pickel = Spitzhacke, mit dem man mit stumpfem Schneidenwinkel in steinigen Boden haut, aus so hochwertigen Stählen zu machen und auf auch nur annähernd vergleichbare Härte anzulassen.
Dazwischen liegt eine ganze Welt unterschiedlicher Stähle und Wärmebehandlungsmethoden.
Wenn man nicht nur eine Spitze oder die Schneide eines groben Werkzeugs härten und anlassen will, funktioniert das Ablaufenlassen = Anlassen mit der Restwärme des Schafts überhaupt nicht mehr.
Auch hier gibt es eine "alte Art", die noch deutlich derber als die angesprochene ist: Abbrennenlassen des anhaftenden Öls nach dem Härten. Die nach dem Anlassen mit Öl bedeckte Klinge, Feder oder, was weiß ich was, wird über dem Feuer so erhitzt, daß sich das Öl entzündet. Dann wird sie aus der Hitzezone entfernt und nur nachgehitzt, wenn das Ölfeuer auf dem Gegenstand erlischt. Solange der Gegenstand von Öl bedeckt ist, erhitzt er sich nicht über die Zündtemperatur des Öls, die je nach Zusammensetzung bei 250 Grad und aufwärts liegen dürfte. Je nach Bedarf ist dieser Vorgang mehrfach vorgenommen worden. Es war eine klassische Behandlungsart für Federn und ich habe sie vielfach ohne Probleme ausgeführt.
MfG U. Gerfin
 
Eine weitere alte Methode wäre das "Kontakt"-Anlassen mit einem stark erhitzten (oder sogar glühendem) Werkzeug wie z.B. einer Zange.
Wird aber nur punktuell und für stark begrenzte Bereiche etwas bringen, für eine ganze oder große Klinge wird das nicht reichen, aber auch dafür sollte man die Anlassfarben kennen.

Gruß Andreas
 
"Kontakt"-Anlassen mit einem stark erhitzten (oder sogar glühendem) Werkzeug [...]
Wird aber nur punktuell und für stark begrenzte Bereiche etwas bringen, für eine ganze oder große Klinge wird das nicht reichen, [...]

Ich erinnere mich, dass hier mal geschrieben wurde, dass skandinavische Klingen so angelassen werden. Der Schmied hatte dabei ein glühendes Stück Metall und hat die Klinge solange mit dem Rücken drübergerieben, bis die richtige Anlassfarbe erreicht war.

Ookami
 
Naben allen.

Das ist ein Thema genau nach meinem Geschmack!
Alles was weiter oben steht habe ich auch von meinem Vater(Schmiedemeister) gelernt. Auch was Ulf geschrieben hat Hand und Fuß.

Eines kann ich jedoch noch zu alten Härte techniken beitragen.

Wenn mein Vater Meißel oder Spitzhacken usw. gehärtet hatte, wurde die Härte immer am Amboßfuß, mit einem Schlag darauf getestet.

Gab es Dellen im Meißel war er zu weich. Brach ein Stück aus, zu hart!

Dem entsprechend sieht der Fuß meines Amboß aus. Kerben über Kerben.

Soviel von mir dazu.
Gruß pit03.
 
@Ookami.
Kann gut sein - sogar von Uli Gerfin oder Roman ??
Jetzt, wo Du das schreibst, kommen da ganz dünne Erinnerungen an so ein Thema... Ich hatte nur Landrin im Hinterkopf, bei dem ging es um Rasiermesserklingen und Federn.

Gruß Andreas
 
Havard Bergland hat das mal bei Borger so vorgeführt.
Er hat zu meinem "Entsetzen" seine Dreilagenklinge-mit 1.2510 als Schneidlage- in Wasser gehärtet-Öl war halt keines da- und hat sie dann, leicht überschliffen, oder besser grob abgerieben, sodaß man die Anlassfarben sehen konnte, auf ein Stück Eisen gelegt, das er im Feuer mit erhitzt hatte. Dieses Eisenstück war recht dick, länger und breiter als die Klinge und so gerade eben noch dunkelrot glühend. Die Methode des Anlassens auf diese Weise ist recht sicher, weil der heiße Eisenblock die Hitze langsam und stetig abgibt.
Bei Erreichen der dunkelgelb-bronzenen Anlaßfarbe hat er die Klinge wieder abgekühlt und mit der grob vorgeschärften Schneide einen Eisenstab 8 x 8 mm vierkant durchgemeißelt.
Stahl ist schon ein toller Werkstoff.
MfG U. Gerfin
 
Wo könnte ich denn mal Informationen zum Anlassen im Sandbett nachlesen?

Das würde mich momentan nämlich brennend interessieren.
Anderenfalls müsste ich wohl demnächst an unseren örtlichen Pizzabäcker herantreten...

[Edit]: Ich habe inzwischen ein Sandbad gefunden. Aber leider scheint man dafür mächtig Energie zu brauchen.
Und bei einer Länge von min. 120cm... :(

Ciao Sven
 
Zuletzt bearbeitet:
Stahl ist schon ein toller Werkstoff.
MfG U. Gerfin


Genau das!

Und ich folge da U. Gerfin. Klingen, also dünne Geometrien, klassisch anlassen.
Bei meiner Axt, die ich seinerzeit bei Markus Balbach zusammen mit Manuel, bzw. der mit mir, mit einer Schneidlage aus 1.2552 versehen haben, haben wir auch die klassische Meisselhärtung gemacht, also Ablaufanlassen aus der Restwärme des noch heißen Körpers. Geht hervorragend. Aber bei dünnen Klingen eher nicht.
 
Hy
Ich habe es auch schon öfter gemacht,das ich ein 2 cm dickes Flachstahl auf Rotglut gebracht habe und über die Hälfte der Klingebreite vom Rücken her nach Anlassfarbe erwärmt habe.Bei Dechsel aus Federstahl ist es einfach je nach Form der Klinge, aber bei Damastmesserklingen erwärmen sich die Stähle oft unterschiedlich,so das ein Stahl schon Blau wird und ein anderer gerade anfängt ins Gelbe zu gehen.
Wer es noch nicht gemacht hat,sollte erst ein Probestück nehmen,weil der Übergang von Blank zu Gelb zu Blau sehr schnell geht und Kühlwasser sollte daneben stehen.

Was mich bei der ganzen Sache theoretisch interessiert,sind die Auswirkungen im Gefüge gegenüber dem Anlassen im Ofen nach den üblichen Regeln.

Gruß Maik
 
Hallo zusammen,
ich danke für die vielen kompetenten Beiträge. Sicher ist mir klar, dass man mit einer Messer- bzw. Schwertklinge anders verfahren muss als mit einem Pickel. Mich erstaunte nur das Verfahren als solches. Das ganze hat folgenden Hintergrund. Ich hab mir vor einiger Zeit ein Bowie-Messer gemacht, ein Replik des Musso-Bowie, das eine lange, schlanke Spitze hat. Weil ichs damals nicht besser wusste, schreckte ich beim Härten in Wasser ab und vernahm ein leises "Ping", als die Klinge in der Schneidenmitte einen 2-cm-langen Riss bekam. Dieser Riss prädestinierte mein Machwerk als Probierstück, das mal zeigen konnte, was der Stahl (C45) so draufhat. Angelassen hab ich es 2x 1 h im Backofen bei 200 Grad (laut Wahlschalter), die Klinge war dunkelgelb, ins bräunliche gehend. Schnitt- und Hautests waren zufriedenstellend, Schnitthaltigkeit für C45 nicht schlecht, nur als ich die Klinge in Holz stieß und hebelte, brachen ca. 1,5 cm der Spitze ab. Hätte das vermieden werden können, wenn ich die Spitze blau angelassen hätte?
Was ich auch nicht so recht kapiere: mit Restwärme anlassen dauert nur Sekunden, was ist das gegen 2 h Backen im Ofen? Oder passiert da ganz was anderes?
Was meint Ihr?
Manni
 
In meiner Lehrzeit haben wir einfache Drehteile folgendermaßen angelassen:

Teil blank schleifen, ein Stück Stahlblech 2 mal biegen, sodas ein winkeliges "U" entsteht.
Das U Eisen wird über die Feuerstelle gestellt, das Werkstück darauf gelegt und durch die Strahlungshitze des Feuers langsam nach Farbe angelassen.
 
@Manni:
Ich habe mal bei einem "alten" dänischen Schmied zugeschaut,
wie dieser seine Klingen anlässt.

--> Klick
 
Hallo Big-Bear
Ja es ist wirklich schade das du nicht die gesamte Wärmebehandlung mitbekommen hast:hmpf:
Weist du vielleicht ob es eine Mono oder Mehrlagenklinge war?

Gruß Maik
 
Zum Beitrag 13:
Anlassen hat mehrere, teils gegenläufige Wirkungen. Man spricht in der Regel von 4 Anlaßstufen, die sich teilweise überschneiden. Das ist hier schon ausführlich erörtert worden. Sehr ausführlich und gut verständlich ist es bei Hanns Benninghoff "Wärmebehandlung der Bau- und Werkzeugstähle" behandelt.
In Kurzfassung zur Frage: Die Anlaßwirkung hat die beiden Komponenten Zeit und Temperatur. Grundsätzlich ist die Temperatur der wirksamere Faktor. Man kann also durch Verlängern der Anlaßzeit mit der Temperatur etwas herunter gehen. Bleibt man mit der Temperatur im unteren Bereich, kann die Anlaßzeit erheblich verlängert werden. Bei W. Haufe "Werkzeugstähle und ihre Wärmebehandlung" gibt es da ein sehr aussagekräftiges Schaubild.
Die Anlaßfarben entstehen durch feinste Oxydschichten, die sich ebenfalls zeit- und temperaturabhängig bilden. Es ist also nicht so, daß eine bestimmte Anlaßfarbe exakt einer bestimmten Temperatur entspricht. Bei sehr langen Anlaßzeiten zeigt sich eine Farbe, die bei kurzem Anlassen einer viel höheren Temperatur zuzuordnen wäre. Auch das ist hier schon erörtert worden und etwa auch bei Rapatz nachzulesen.
Anlassen nach Farbe ist aber ohnehin ein Hilfsmittel, bei einfachen Werkzeugen schnell zum Ziel zu kommen. Bei kurzzeitigem Anlassen kann man sagen, daß die Farbe in etwa dem Anlaßzustand entspricht-also blaßgelb leichten Zähigkeitsgewinn bei ganz geringem Härteverlust anzeigt usw.
Hier muß aber nochmals und immer wieder betont werden, daß die Zähigkeit nicht linear mit der Anlaßtemperatur und dem Härteverlust steigt-siehe die vielfältigen Erörterungen zur Blausprödigkeit.
Die Klinge aus C 45 ist nicht gebrochen, weil sie nach dem Anlassen bei 200 Grad noch zu hart war, sondern weil sie vermutlich vor dem Härten nicht auf das richtige Gefüge eingestellt war und beim Abschrecken in Wasser-offenbar unausrottbar !!!- nicht nur einen großen Riss, sondern viele kleine Mikrorisse erlitten hat. Beim Anlassen auf 200 Grad wäre sie noch schneller und mit geringerem Kraftaufwand gebrochen.
MfG U. Gerfin
 
Hallo U. Gerfin,
das mit den Mikro-Rissen klingt einleuchtend. Das mit dem Wasserhärten entsprach wie gesagt meinem damaligen Kenntnisstand. Unausrottbar - ganz klar, wer "Conan" gesehen hat, kommt auf gar nix anderes. Nein, im Ernst, ich hatte meine "Kenntnis" aus dem Tabellenbuch Metall. Erst hinterher sagte mir wer, dass es sich um Empfehlungen für rel. dicke Werkstücke handelt....
Manni
 
Ich habe das Anlassen auch schon mal mit der Feile gesehen.

In eine Hand das Werkstück, in die andere die Feile.
Im Wasser abschrecken bis es nicht mehr brodelt, rausholen und auf dem Rand des Wassereimers anfangen zu feilen.
Sobald die Feile im gewünschten Maß greift einfach fallen lassen.
 
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