Atelier Perceval Le Francais Vintage - Großvater‘s Schönstes

pebe

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Atelier Perceval Le Francais Vintage

Durch die aktuelle Messerverbotsdiskussion hatte ich mich verstärkt im Bereich der noch zweifelsfrei legalen Slipjoint umgesehen.

Weil. Davon hatte ich bis neulich nur wenige. Ganz wenige. Und dem musste Abhilfe geschaffen werden. 😁

Im Zuge dessen ist ja gerade ein ganz besonderes Slipjoint in Arbeit und kommt auch hoffentlich zum Ende des Monats auf die Burg.

Aber. Erstens kommt es anders, zweitens ziemlich unverhofft und genau so lief mir diese Gelegenheit über den Weg.

Messieurs Dames - Le Francais Vintage von Atelier Perceval

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Das Le Francais Vintage gibt es schon seit einigen Jahren, wurde aktuell aber aus dem Programm genommen.

Und. Bislang hatte es mich eher wenig interessiert.

Weil. Slipjoint, komplett vernietet und nur 7,6 cm Klinge aus Sandvik 19C27 und dann noch ein gewundener Hilfsstahl mit Seele dran - ein Korkenzieher. 😋

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Bei Atelier Perceval sind Materialien und Finish jedoch regelmäßig auf so einem hohen Niveau, das manchmal die zelebrierte Handwerkskunst als Kaufgrund reichen kann.

Die Rückenfeder

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Die Schlußbacken

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Im Manufakturbereich lässt sich diese Arbeit ziemlich gut mit MOKI vergleichen und hat entsprechend einen standesgemäßen Preis - Made in France.

Der Preis. Obwohl ich prinzipiell lieber mehr Geld ausgebe, wenn ich dafür die bessere Qualität erhalte, bringt Perceval selbst mich regelmäßig an Grenzen.

So war es auch beim Modell Le Francais Vintage mit Wüsteneisenholz.

Interesse dafür gab es schon immer, aber bei verlangten 430 Euro für schlichten Sandvik mit edlem Holz, hatte sich der Dukatenbeutel stets erfolgreich gewehrt.

Der Preis dieses Nischenproduktes dürfte mit ein Grund für die mangelnde Nachfrage und damit für das Produktionsende sein.

Im aktuellen Abverkauf, mit deutlichem Nachlass, dem neu erwachten Slipjoint Interesse und ein paar ermutigenden Worte von @porcupine hier im MF zu diesem Messer - ist es dann doch passiert.


Was zu erwähnen wäre:

Bei @haegar6402 ist die Rückenfeder offenbar sehr leicht bzw. zu leicht, bei @porcupine wiederum derart stramm, dass er ein Nagelhau gedremelt hat.

Meine ist so, wie ich das von einem mittelstrammen Attila kenne. Man muss schon kräftiger zupacken, nix für zarte Mädchenhände, aber für meine kräftigen Hände geradezu perfekt richtig. Auch ohne Nagelhau.

Auch sind meine Griffschalen sehr schön gerundet und nicht kantig, wie von @porcupine beschrieben, exakt gleich Stärke wie beim neuen Le Francais Carbon und faktisch sogar mit stärkerer Rundung im direkten Vergleich.

Gut möglich, dass das Modell dahingehend mal überarbeitet wurde.

Der Griff hat eine typisch geschwungene Verbreiterung am Ende, der den Griff ergonomisch und sicherer macht. Notwendig ist das bei einem EDC nicht unbedingt, ist aber die klassische Form und gefällt mir hier ausgezeichnet, weil eben passend.

Das Format vom Vintage ist insgesamt handlich knuffig. Liegt in etwa wie ein Moki Fish Owl in der Hand, trotz der geringen Größe ist ein VierFingergriff kein Problem. Hier sogar fülliger, weil etwas schwerer.

Schwerer heißt hier leichte 67 g - also ziemlich genau mein Ideagewicht für die Leistungsklasse “leicht“.

Und. Das Wüsteneisenholz hat eine wunderschöne Schokoladenseite. Ausdrucksstark, sehr gleichmäßig, kaum Einschlüsse und - schön hell. Das ist nicht unerheblich, wenn man lange daran Freude haben will, da WEH stark nachdunkelt.

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Die Sandvik 19C27 Klinge hat wie das Le Vendredi satte 3mm an der Wurzel und tapered erst dann gemächlich auf 2,45 mm und weniger. Stabiles EDC Format.

Die Klinge steht sauber mittig und ist absolut spielfrei nach allen Richtungen. Perfekt.

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Im Ergebnis hat das Le Francais Vintage bis auf Stahlsorte und Namen tatsächlich wenig mit dem originären Le Francais gemeinsam.

Und das ist auch gut so.

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Weil es damit mein fünftes eigenständige Messer von Perceval ist, deren Gemeinsamkeiten lediglich im Firmennamen und den hervorragenden Genen zu finden sind.

Das originäre Le Francais gab es übrigens um 2012 auch mal mit Korkenzieher - seitlich in der scale angebracht. Hatte sich nach kürzester Zeit aus nachvollziehbaren Gründen erledigt.





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Ich hatte bis neulich nur einziges Messer mit Korkenzieher, mein altes vierfach Hartkopf - das beste aller Taschenmesser. 😉

Weil mir persönlich ein einziges mit Korkenzieher genügt. Zu selten ist ausserhalb des Hauses ein solcher notwendig und er vergrößert dann eher unnötig Umfang und Gewicht eines Messers.

Nichtsdestotrotz habe ich den Korkenzieher als Stilelement entdeckt.

Ein Messer mit nur einer Klinge und einem Korkenzieher ist kein Multitool. Es ist ein Genusswerkzeug. Der freiliegende Korkenzieher ist stets die erste Wahrnehmung, die geschlossene Klinge erst die zweite.

Die deutlich harmlosere Wirkung eines solchen Messers ist die eine Sache, die bildliche Aussage hingegen die andere. Diese weckt auch Erinnerungen - angenehm nostalgische.

So, wie beim Betrachten eines schönen Oldtimer Fahrzeugs.

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Ich suche ja gerne den jeweiligen Klassenbesten auf dem Weg zur Tafelrunde. Und am Ende gibt es davon mehr, als an der Rittertafel Platz haben.

Das Le Francais Vintage ist wieder so ein Kandidat - Abteilung traditionelles Slipjoint mit Seele.

Der einzige Formfehler zum echten Klassiker sind die Titanliner, die ich allerdings außerordentlich begrüße und auch nicht missen möchte.

Den Knubbel an der Klinge zwecks Aufschlagschutz beim Schließen hätte man vielleicht etwas eleganter lösen können, wenngleich er dem Finger etwas Schutz vor Abrutschen bietet.

Passt jedoch zum Design des Klassikers und ist für mich letztlich auch ein zusätzliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber meinen anderen Perceval Modellen.

Die noble und wertige Wirkung kommt nicht zuletzt durch das gewohnt ausgesucht schöne, wie top verarbeitete Wüsteneisenholz, das den Blick darauf magisch anzieht.

Mit einem schlichten schwarzem Ebenholz wäre ich vermutlich deutlich weniger begeistert. Auch vor dem Hintergrund, dass ausdrucksstarke und perfekt verarbeitete Griffmaterialen eine der Kernkompetenzen von Perceval sind.

Wie immer, natürlich auch eine Frage des persönlichen Geschmacks und Vorlieben.

Die im Vergleich mit dem originalen Le Francais deutlich kürzere und stärkere Klinge ordne ich ohne zu zögern vergleichbar stabil wie meinen Ritter Hubertus ein, wenngleich 0,4 mm mehr Stahllänge, also volle 8 cm statt amtliche 3“ mir doch lieber gewesen wäre. Feilschen um das letzte Gramm.

Die Liner haben nur einen 1mm Stärke, dies ist aber bei der durchgehenden Stahlfeder im Rücken kein Thema. Das ganze ist sehr solide und fühlt sich auch genauso an - ein absolut alltagstaugliches stabiles EDC.


Braucht man sowas?

Burgherren unbedingt - ich bin froh, die letzte Gelegenheit nicht verpasst zu haben. 😊

Das Vintage ist eine wirklich schön und gut gemachte Hommage an ein altes Genusswerkzeug, wie es noch häufiger bei Laguiole zu finden ist.

Die saubere Perceval Manufaktur Qualität tröstet dabei locker über meine Gedankenspiele hinweg.

Persönlich finde ich das deutlich kleinere Format mit dem sehr leichten Gewicht als EDC erheblich praktischer als ein Laguiole. Und dies, obwohl ich aus gleichen nostalgischen Gründen seit Monaten um das Passion France R.B. mit Korkenzieher von @Virgil4 herumschleiche.

Ein letztes Bild verdeutlicht, weshalb Atelier Perceval auch in Geschmacksfragen bei mir so häufig die Nase am weitesten vorne hat.

Cremig gschmeidige Farbwahl für das Leder. 😍

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Das Vintage ist ein kleines Schwert mit Seele und einem Schokoladenherzen vom Feinsten.

Eines der wenigen traditionellen Messer, die ich wie ein MOKI Fish Owl jedem Messerliebhaber als wunderbares Lehrstück des klassischen Messerbau’s nur wärmstens empfehlen kann.

Wirklich schade, dass es nun keine mehr geben wird.

Euch allen schon heute ein sonniges Sommerwochenende.

grüsse, pebe
 
Zuletzt bearbeitet:
mit Seele und einem Schokoladenherzen vom Feinsten.
Du machst mit deinem geradezu liebevollen Bericht echt Appetit! Ich lasse den letzten Zug dennoch abreisen, so wie bereits vorher mehrfach. Denn dieses Messerchen hat mich immer sehr angesprochen, eine Schönheit! Die Freude daran ist dir gewiss und gegönnt.

Abu
 
Servus,

mal wieder eine exzellente Vorstellung von einem wirklich klassisch-schönen Messer. Nach deinem Text und Bildern beginnen Kaufimpulse zu pulsieren. ;) Warum ein guter Messershop solche Präsentationen nicht schafft, ist mir ein Rätsel. Die Verkaufszahlen würden durch die Decke gehen. Ich gebe dir völlig recht, der Korkenzieher befriedet jedes Schneidwerkzeug auf so selbstverständliche Weise, so das einem ein anderer Einsatzzweck als "Genuss" gar nicht in den Sinn kommt. Von so einem Finish bin ich geradezu verzückt und die elegante Lederscheide rundet dieses lukullische Genussgerät perfekt ab.

Was soll man da noch sagen. Stop die Banausen und ihre Schraubverschlüsse.....

Gruß, güNef
 
Auch meinen Glückwunsch zur guten Vorstellung, zum Glück ist es mir zu klein. Den Sale hatte ich auch gesehen und natürlich etwas überlegt...;-)
Sehr gute Anmerkungen zu einigen Facetten eines solchen Messers.
 
Fantastique - Messer wie Vorstellung! Und diesmal sogar mit Seele!

Mal wieder ein glückliches Händchen beim Griffmaterial gehabt, wie schon so oft in der Vergangenheit - congrats!

Ich nehme an, du hast schon ein paar Genossenschaftsanteile bei eurer WG gezeichnet, denn deine drei Korkentiere wollen ja was zu zu haben.

Aber das nächste, tiefe Nutella- oder Gütz-Glas wird dich schnell in die Arme einer längeren Klinge treiben! Und ewig lockt das RB ....

Ich wünsch dir auf jeden Fall viel und andauernde Freude an deinem neuen Zugang.

Santé

Virgil
 
Besten Dank, Männer.

Im Idealfall gibt es ja keine schlechte Speisen und keine schlechte Messer - nur schlecht zubereitete bzw. gefertigte.

Einer der Gründe, warum ich immer wieder der Ansammlung von Percevals verfalle. 😋

grüsse, pebe

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Wie konnte ich diesen Thread übersehen? Aber besser spät gefunden, als nie. Denn er hat mich an eine kleine Schönheit erinnert, die noch in der Schublade ruhte. Irgendwie hatte ich mich in den letzten Jahren von Messern mit Korkenziehern abgewandt. Nun, die Zeiten ändern sich - und wir uns mit ihnen.

Lieber @pebe , ich hoffe es ist ok, wenn ich meine Bilder einfach an deinen Thread anhänge? Und wenn dein toller Bericht nicht durch Nebenbeiträge getrübt werden soll, dann verschiebe ich das gerne.

Mein Vintage ist schon ein wenig älter. Die Box ist ein bisschen vergilbt, aber der Inhalt passt. Leider war bei meinem Messer der Griff aus Buchsbaum Maserknolle schon ein wenig blass. Ein paar Tropfen Leinölfirniss haben die Schönheit des Holzes wieder hervorgezaubert. Ganz besonders durch deinen Bericht erfreue ich mich jetzt wieder diesem kleinen Prachtexemplar. Das Gute lag so nah ...

Im Lichte der aktuellen Diskussion frage ich mich immer wieder: wer kann sich von so einem Messer bedroht fühlen? Wenn man nicht gerade ein Käse oder eine Flasche Rotwein ist.

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Nachtrag:
Kann es ein, dass an deinem Messer @pebe die Nieten glattgeschliffen sind? Bei meinem stehen sie nämlich ein bisschen raus.
Und als Info für alle anderen: auch bei meinem Vintage ist die Federspannung perfekt, die Klinge steht mittig, der Klingengang ist geschmeidig und der freundliche Halfstop macht insbesondere das Zuklappen noch angenehmer. Die Klinge schlägt nicht auf die Feder, selbst wenn ich das Messer zuschnappen lasse (brrrrr.) Wenn alle Taschenmesser so verarbeitet wären...
 
Zuletzt bearbeitet:
@Genever

Im Gegenteil, ich freue mich sehr über alle, die sich mit Ihren Vintage bild- und textlich hier einfinden! :super:

Schönes Buchsbaumholz.

vintage grüsse, pebe
 
Als Musiker - der ja auch immer sehr viele stark beanspruchte Edelhölzer "unter den Fingern hat" pflegt man übrigens mit Lapella. Tolles Pflegeöl, was ich auch meinen Franzosen angedeihen lasse. Riecht gut und funktioniert. Lapella No.33 Fingerboard Oil (https://www.thomann.de/de/lapella_no.33_fingerboard_oil.htm)

Ansonsten (wer nicht so ein Fläschchen kaufen will), einfach beim freundlichen Geigenbauer um die Ecke vorbeischauen und mal für die Kaffeekasse ein bisschen einölen. Die Musikinstrumentenbauerbranche leidet derzeit auch sehr stark unter den ganzen Restriktionen bezüglich der verbauten Edelmaterialien. Mathie Herrero war wohl auch Geigenbauer übrigens früher.

Sorry für OT, aber letztlich schaut doch der geneigte Franzosenliebhaber hier überall vorbei;-)))
 
Kann es ein, dass an deinem Messer @pebe die Nieten glattgeschliffen sind? Bei meinem stehen sie nämlich ein bisschen raus.
Das ist mir an Deinem auch aufgefallen, eher runde Köpfe, die rausragen, hätte ich heute Abend noch gefragt.

Mein sind völlig plan, poliert und komplett bündig versenkt. Könnte mir vorstellen, wie im Bericht erwähnt, dass das Vintage mal überarbeitet wurde..

grüsse, pebe
 
Bei meinem Vintage sind die Nieten auch Plan, poliert und bündig versenkt. Das habe ich vor ca. 3 Jahren bekommen, ich schätze mal, dass es da irgendwann eine Überarbeitung gab.
 
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