Attila kam doch bis England

Abu

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Werte Messerfreunde,

Attila kam (mit seinen Hunnen) bis in die Champagne, wurde dort auf den Katalaunischen Feldern geschlagen. So habe ich es noch in der Schule gelernt. Mein "Attila" hingegen hat den Sprung über den Kanal geschafft, war mein schnittiger Urlaubsbegleiter in England. Hat er, ebenso wie seinen Einzug in meinen Bestand schöner nützlicher Messer, seiner geringen Größe zu verdanken.

Bis rd. 75 mm Klinge, Slipjoint, dann ist in Britannien Schluss, keine Arretierung, keine Fixed - mit solchen Ausnahmen wollte ich mich gar nicht erst beschäftigen, die Briten wären möglicherweise "not amused"! Und im städtischen Bereich immer "EDC", was in diesem Fall Deep Carried heißen soll. Denn jeder Bobby könnte auch ein normales SAK gegen hohes Bußgeld konfiszieren. Kein Paradies für Messerfreunde - und trotzdem eine Reise mit den richtigen Messern wert.

Bis 75 mm also, das wäre das Reich der SAK's & Co. Will man aber die ganze Länge bei ordentlicher Klingenbreite nutzen, wird das Angebot dünn. Andererseits war das für mich ein überzeugendes Argument, mir von Attila Kovacs mal eines seiner hochgelobten Messer bauen zu lassen. Ausgestattet mit einigen Tipps von unserem kundigen Messerfreund in Monte Gordo (R'n'R: nochmals danke!) bestellte ich. Attila bedankte sich nett, war aber auch "not amused"; binnen drei Monaten wär es wohl nicht zu machen. Die Lösung brachte der Second-Hand-Markt, genau mein Maß 75 mm, 1.2442, Messingbacken, Mooreiche - das passte. So ging's auf die Reise, ergänzt um ein alt-ehrwürdiges Multifunktionsmesser von Gottlieb Hammesfahr, wegen der Säge.

Aber: Braucht man in England solche Messer? Ein Messerjockel ja, die Briten nein. Steaks werden mit merkwürdigen Wellenschliffmessern zerrissen, für Fish&Chips reicht jedes stumpfe Stanzteil ebenso, wie für die morgendlichen scrambled eggs. Alles andere wird gequetscht oder man tut's feste brechen, daher "Breakfast". Es gibt morgens durchaus schon oft frisches Obst, aber man kommt schneidtechnisch, zB für ein Müsli, nicht dran. Nach ersten rücksichtsvollen Quetschübungen hab ich ganz pragmatisch umgeschaltet: "Attila" kam mit auf den Tisch. Übrigens: Keine Reaktion der anderen Gäste, niemand floh - im Stillen werden Sie mich eher um mein Müsli beneidet haben!

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So ermutigt, ging's zur nächsten Tat. "Wenn nicht hier, wo dann?", dachte ich mir im Gartencafe' von Agatha Christies Sommersitz. Wir wollten mal die typischen "five-o'-clock-tea" Scones probieren, festes Gebäck mit spezieller Cream und Marmelade. Man braucht dazu ein Messer, und was bekamen wir: Plastik! Ging gar nicht, weder stilistisch noch praktisch, alles zerbröselte. "Attila" hingegen zerteilte die Scones in schöne Abschnitte, strich Cream und Marmelade drauf. Ich triumphierte!!!

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Mein Begleithund heißt übrigens "Sir Toby". Nein, soweit gehen meine Schnitzkünste denn doch nicht, den Kopf hab ich mal erworben, aber sein Unterleib als distinguierter Wanderstock ist natürlich von mir. So ein Stock war dort dermaßen nützlich, dass ich ihn bei der nächsten Wanderung an meine Frau verlor. "Dartmoor" war das Ziel, Gruselort unendlicher Krimis; und manchmal soll sich hier auch Prinz Charles auf seinen riesigen Ländereien herumtreiben.... Unweit des berüchtigten Dartmoor-Knastes liegt der Zauberwald "Whistmans Wood", zwischen dessen verwachsenen, gezwirbelten Eichen sich "Attila" sofort heimisch fühlte. Ob die Eichenstämme in einigen tausend Jahren als Mooreichen wohl auch treffliche Griffschalen abgeben werden?

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Nur zu schnibbeln gab's dort nichts, Naturschutz. Andererseits brauchte ich nun endlich meinen eigenen Wanderstock. Wählerisch fand ich ihn in einem Strauch Liguster, eher ungewöhnliches Holz. Zur Bearbeitung hatte ich mir eine ganz besondere Stelle ausgesucht: Flüsschen mit Forellen, alte Steinbrücke, daneben ein Pub. Erst ein Pint süffigen Bieres geholt und dann am Ufer hockend geschnitzt.

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Neugierige Besucher ließen nicht lange auf sich warten, schauten, fragten. Mit einem alten Ehepaar entspann sich eine lange Unterhaltung, von seiner British-Army-Zeit im Deutschland der 50er bis zum Brexit. Toll: Messer und Schitzerei als "Türöffner". Vielleicht lag's ja auch daran, dass sich zu "Attila" ein englisches Messerchen gesellt hatte. Auf einem Kunsthandwerkermarkt in Exeter entdeckt, kam ich an dem Eigendesign eines Holzschnitzers nicht vorbei: Stahl O1, Griff Eiche, Klingenschutz Nussbaum, sooo liebevoll gemacht! Für Kerbschnitte hervorragend, konnte ich ja gleich probieren.

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Mein Pint war geleert, der Stock geschmückt, Zeit für ein Fazit: Ich hatte meinen Spaß mit "Attila & Co.", und offensichtlich waren die Passanten doch eher "amused" über den spleenigen German mit seinen Messern.

Gruß
Abu
 
Zuletzt bearbeitet:
Schöner Bericht und feine Bilder dabei!

Vielen Dank für diese Vorstellung Deiner Reisebegleitungen.

Gruß

Christoph
 
Moin Abu,


ein kurzweiliger Bericht über ein tolles Messer. Mit einem Attila macht man wenig falsch, dafür vieles absolut richtig. Für mich Messer für die Seele, von einem Mann, der sein Handwerk versteht.

Viel Freude damit!

Gruß,

Nick
 
Moin Abu,

sehr schön Dein Bericht. Die Begeisterung ob des Messers verstehe ich gut. Meinen "großen" Attila habe ich immer dabei. Manches Mal mittlerweile nur dieses eine Messer. Griffbereit am Gürtel im Bifur. Nur ein einziges Mal in den letzten Monaten ist „Buffalo Tom“ im Roadhouse zurückgeblieben: Fix andere Hose an, Mopped fahr’n und kurzentschlossen zum Sebie gegriffen :p

Auf dem 6. Bild sieht es fast danach aus, als seist Du dabei, ein mittelalterliches Saiteninstrument anzufertigen / zu spielen ...


LG aus MG

R’n‘R
 
Salve,
schon der Titel hatte mich als Interessierten in römischer Geschichte aufmerken lassen - dachte ich doch die Römer hätten Attila 451nChr. an den Katalaunischen Feldern weggeputzt

Der Messerbericht ist toll und prima bebildert.
Mit meinem Riesen-Atilla-Folder würde ich in GB wohl am Galgen enden.

Besten Dank
Excalibur
 
Hallo Abu

Schöner Bericht, schöne Bilder. 👍
Mit dem Wieland wär das wohl bei den Briten nix geworden. 😉

Servus
Gottfried
 
Hallo, Moin, Salve....

....und danke für die netten Rückmeldungen. Freut mich, wenn's gefällt!!! Muss ich ja direkt nach und nach drauf eingehen, fällt mir einiges zu ein:

@gandalf

Ja, Gottfried, Gott sei Dank kam Dein tolles Wieland erst nach dem Urlaub zu mir, sonst hätte ich glatt mein Reiseziel in die heimischen Wälder oder ins Waldviertel Austrias verlegen müssen. :hehe:

Hab übrigens Deinen Sinnspruch mit dem "Hohenmoorer" gelesen, meinst du damit U. H's Buckelsmesser? Verschönert auch meine Brotzeiten, war drauf und dran, es ebenfalls mit nach England zu nehmen. Wollte meine Gastgeber aber nicht zu arg düpieren, hatte noch deren Sheffield- Tradition im Kopf, die es offensichtlich aber nicht mehr gibt, außer auf Floh- und Antikmärkten. Bei rund 40 Bestecknutzungen hatten wir sage und schreibe nur einmal das Glück eines scharfen Messers! Kein Wellenschliff, einfach glatt, fein abgezogen, Holzgriff! Das Sirloin schmeckte gleich doppelt gut. Klassisch, in einem alt-ehrwürdigen Hotel. Stand Sheffield drauf, sonst war alles namenlos, als schämten sich die Hersteller ihrer Produkte. Bei uns gibt's ja die gleiche Tendenz.....


@R'n'R

Peter, was macht denn Dein Attila-Dünnschliff-Projekt, noch in der Röhre? Oder schneidest Du im Moment lieber Furchen ins Gelände?

Das mit dem Mittelalter-Instrument wäre eine verführerische Alternative, der Ort ruft ja geradezu nach keltischer Harfe oder Zupfgeigenhansel, wie wär's mit "Lady Jane" von den Stones. Mittelalterlich sieht mein Whittlers Tool ja auch aus, und das Schnitzen war mir so meditativ wie Musik.

Fortsetzung folgt...

Gruß
Abu
 
Moin Abu,

das Dünnschleifen ist wohl ein sehr zeitraubender Vorgang :glgl:. Attila schleift bereits seit mehr als 5 Monaten.

Werde zeitnah berichten, wenn er damit durch ist ...


LG aus MG

R'n'R
 
Servus,

ein ganz toller Bericht, der beim geneigten Leser, so er es zulässt, eine ganz besondere Stimmung aufkommen lässt, herzlichen Dank dafür!

das Dünnschleifen ist wohl ein sehr zeitraubender Vorgang . Attila schleift bereits seit mehr als 5 Monaten.

War deine Vorgabe beim Blick auf die Klinge den Hintergrund durchscheinen zu lassen? :glgl:

Gruß, güNef
 
Salve,
schon der Titel hatte mich als Interessierten in römischer Geschichte aufmerken lassen - dachte ich doch die Römer hätten Attila 451nChr. an den Katalaunischen Feldern weggeputzt.....
.... Mit meinem Riesen-Atilla-Folder würde ich in GB wohl am Galgen enden.

Excalibur

Salve Excalibur,

Geschichte und Geschichten - meine Wertschätzung! :super: Römer und "Gallier", gegen Hunnen und Vandalen waren sie sich dann einig. Bin 2014 (Geschichte WK I) u.a. die Gegend abgeradelt, stand überraschend vor einem Wegweiser zu "Attilas Lager". Schrittweise um den Ringwall trat ich in die Historie ein, alles mal wieder nachgelesen, toll!
Exkurs Geschichte beendet, sonst greift ein Moderator ein ;), geht ja um Messer....

Hast mich neugierig gemacht: Welchen "Riesen-Attila-Folder" wiegst Du denn in Deinen Händen? Naja, Galgen - hätte einst schlimmer, sagen wir "schneidfreudiger", kommen können. Im Tower stand vor etlichen Jahren noch ein Holzklotz mit "Mulde", ist nun durch ein schönes Denkmal mit Glaskissen ersetzt. Du weißt ja, Heinrich VIII., Anne Boleyn - schon wieder Geschichte.....

Gruß
Abu
 
Ave Abu,
ich habe mal kurz meinen galgenträchtigen Atilla Folder abgelichtet.
Ich habe ihn einem lieben Forenfreund "Second-Hand" aus dem Kreuz geleiert.

Modell- keine Ahnung;)
Klinge- gut 10cm
Gesamtlänge- etwas über 23cm
Gewicht- 190g
Slipjoint mit seeehr amtlicher Federstärke:super:

Er ist auch in der Hand ein ziemlicher Brummer ( in der Tasche sowieso - da bräuchte ich mal ein Bifur XXL von Chamenos:D )

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Beste Grüße
Excali, der keine Nackenrasur braucht:lach:
 
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