Backlock-Folder - erster Versuch und Erfahrungen

Virgil4

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Nach der "Schön-Vorstellung" in der Galerie, kommt hier nun die nackte Wahrheit über das Leben und Leiden eines Hobbyisten. :glgl:

Keine WIP-Geschichte, sondern eher eine Liste meine Fehler, Probleme und Lösungsansätze. Vielleicht kann der eine oder andere damit seine Lernkurve etwas steiler gestalten ...


Theoretisch sollte das ja mit dem Messerbau wie folgt ablaufen:

Planen - Umsetzen - Prüfen - OK - Messer fertig, gemäß Plan


Üblicherweise verfahren die meisten dann aber doch bescheidener Weise nach folgendem Schema:

Planen - Umsetzen - Prüfen - Mist gebaut - mehr oder weniger gut korrigiert -Messer fertig, aber nicht perfekt ("den Fehler sieht eh keiner"; "ist handgemacht"; "passt scho").


Bei gröberen Schnitzern fliegt das Teil, meist unter lustigen Beschwörungsformeln, in die Tonne und man macht sich nochmal an die Arbeit. :mad:


Hätte ich normalerweise auch gemacht, aber da es mein erster Backlock-Folder war, hab ich die Schmerzgrenze nach oben geschraubt und nach Plananpassung halt weitergemacht, um zu sehen, welche weiteren Hürden auftauchen.

Im Nachhinein war das richtig, so konnte ich alle Fehler bei diesem Messer "kumulieren" - das nächste wird dann fehlerfrei ;)


Backlock-Verriegelung fand ich persönlich schwieriger in der Umsetzung als Linerlock - lag aber vielleicht am "ersten Mal".

Beim LL kommt der Moment der Wahrheit mit dem höchsten Versemmelungsrisiko beim Schleifen der Rampe an der Klingenwurzel.

Beim BL war es für mich die Anpassung des Hammers an die Tasche in der Klingenwurzel, die Formgebung des Messerrückens, damit der Hebel weder hinten/vorne noch offen/geschlossen übersteht. Und natürlich in diesem Fall die Gestaltung des Backspacers mit der Federaufnahme - aber das lag an der kompakten Konstruktion.

Sehr hilfreich und unbedingt empfehlenswert ist das Buch Back-Lock-Messer von Fronteddu/Steigerwald - da ist alles bestens beschrieben und sauber dokumentiert.

Btw.: Das Finetuning der Innenansichten hab ich mir gespart – Prototyp!


Also, was waren die Fehler, bzw., was wird beim nächsten Mal besser?


Knappe Konstruktion: ist grundsätzlich kein Problem, wenn man sich bei der Umsetzung peinlich genau an die Zeichnung hält. Ich meinte beim Bohren "gefühlsmäßig" den Drehpunkt des Hebels etwas nach unten versetzen zu müssen und kam dadurch ziemlich in Platznöte – zum Glück ist es eine Recurve-Klinge!

path3872.png P1050837.jpg P1050824.jpg

Was lernen wir daraus (WLWD): sauber durchdenken und konstruieren und dann genau so bauen. Wenn's klemmt, lag's am Plan (einige Komponenten haben den Nachteil, daß sie sich bewegen bzw. die dritte Dimension wurde nicht berücksichtigt) oder an der Umsetzung.


Spalt zwischen Klinge und Liner: eher ein ästhetisches Problem, fällt aber beim Backlock mehr auf, da der Hebel keinen sichtbaren Spalt hat. Liegt bei mir an der Dicke der Bronze-Scheiben von 0,25 mm.

P1050819.jpg

WLWD: Dünnere Scheiben verwenden oder die Liner mit einem Fräser im Bereich der Scheiben um 0,2 mm vertiefen.


Verriegelung hält nicht 100 %: Meine Vermutung: die Vorderkante des BL-Hebel ist nicht senkrecht, deshalb sind die 8 Grad der Hammerhinterseite gegenüber der Tasche in Wirklichkeit größer. Evtl. ist auch die Tasche nicht tief genug.

P1050825.jpg path3870.jpg

WLWD: Vorderkante des Hammers lotrecht ausführen (blaue Kontur) und die Tasche etwas vertiefen.


Klinge wird nicht stark genug in die geschlossene Position gedrückt: zumindest nicht mit einer "normalen" Federspannung. Der Kompromiss zwischen "Verriegelung leicht öffnen", "leichter Gang" und "Klinge geschlossen halten" ist nicht so einfach zu finden. Zumal ich den Radius der Klingenwurzel wegen eines Fräsfehlers um ca. 1,5 mm reduzieren musste. Damit taucht der Hammer auch in den Bereich der Scheiben. Abhilfe: die Seiten des Hammers leicht abschleifen – nicht schön, aber das Ziel war, die Mechanik zum Laufen zu bringen. "Scheiben kleiner machen", wäre auch eine Option gewesen, aber ich wollte die Auflagefläche wegen Wackelgefahr nicht reduzieren …

P1050838.jpg P1050836.jpg P1050829.jpg

WLWD: beim Fräsen der Laufbahn auf dem Drehtisch die Klinge nicht nur mit zwei Spannpratzen festhalten, sondern auch noch mit einer Schraube durch's Achsloch. Damit kann man auch den Plan-Radius (in rot) einhalten und den Hebel für den Schliessdruck um die Strecke "X" verlängern.

path3870.jpg


Spalt zwischen Backlock-Hebel und Spacer: Entstand als ich die Aussenkontur des Griffs noch etwas nachgesetzt hatte.

P1050730.jpg

WLWD: bei der Anpassung des Spacers an die Wippbewegung des BL-Hebels idealerweise beide Konturen dem Bewegungsradius anpassen, zumindest über 2 mm (und nicht nur die Oberkante).


Aufnahme/Abstützung der Feder im Spacer: die Ausführung in Titan Grade 5 erwies sich bei diesen knappen Bauverhältnissen als zu schwach. Der untere Teil wurde durch die Feder aufgebogen (Konturlinie in magenta), d. h. nachlassende Spannkraft und der Spacer stand hinten am Griff über. Da ich keinen neuen Spacer in Stahl machen wollte, habe ich die Aufnahme gekürzt und die Feder auf einem 1,7er Stift abgestützt. Problem: da der Stift beim Zusammenbau durch die Feder unter Druck steht, war das Aufsetzten des oberen Liners fast nicht möglich. Deshalb die "geschnitzt" anmutende Spitze des Abstützstifts – es erleichtert/ermöglicht die Montage.

Hier die ursprüngliche Version mit Feder in grün und den Kräften. path3871.jpg

Und so sieht das Ganze nun aus: P1050826.jpg P1050828.jpg

Deshalb kommt am Ende des Liners auch zu eine beeindruckenden Häufung von Löchern – aber alle haben ihre Berechtigung. Fangriemenstift, Schalenbefestigung per M3er Schraube, 2 Stifte zur Positionierung des Spacers, Schraube zum Verbinden der beiden Liner und der Abstützstift für die Feder.

P1050827.jpg

WLWD: entweder mit mehr Platz konstruieren bei Verwendung weicheren Materials - oder "auf Kante", aber dann mit härterem Material. Ob's allerdings hält stellt man erst fest, wenn man's gebaut hat - wie in meinem Fall.


Soviel zum Einblick zum Entstehen meines ersten Backlock-Folders – Der Weg ist noch weit ...

"Beichte"? Nö, eher ein Teilen von Erfahrungen, so wie ich hier von anderen schon viel lernen konnte.

Fragen? Beantworte ich gerne.

HTH

Virgil
 
WLWD? Linerlock baut sich leichter! :D

Darum habe ich bisher auch nur zwei Backlocks gebaut. Als Messermacher der auch mal ein Klappmesser verkauft ist es eher undankbar. Ein Kunde erwartet zu Recht ein perfekt funktionierendes Messer, möchte aber eher nicht den Anstieg der Lernkurve (sehr schön formuliert, Virgil) mitbezahlen.

Aber: Respekt dass du dir die Mühe machst hier Deine Schwierigkeiten zu schildern um Nachahmern evtl. grobe Schnitzer zu ersparen! Sowas finde ich absolut klasse.

Ich glaube eine längere Feder spart manchen Ärger, limitiert aber natürlich das Design. Auch habe ich noch nicht richtig raus, wie sich die Position des Hammers auswirkt, also ob in Höhe der Achse oder davor, dahinter ist schlecht... Wenn man ganz faul ist demontiert man ein gut funktionierendes Backlock und kupfert dort die Mechanik ab. Ist natürlich kein ganz sauberer Stil.

Mein Fazit ist daher, Backlocks sind mir zu fummelig, aber ich sage niemals nie!

Nils
 
Hallo Virgil4

Also lernen kann man am besten wenn es einfach macht. Aus Fehlern lernt man wie man an Deinen Ausführungen liest. Deine Korrekturmaßnahmen sind nicht ganz ziehlführend:

Ich würde Dir folgendes vorschlagen:
1) Die Lagerung des Hebels so weit wie möglich nach oben setzen. Das hält die Kraftkomponente, welche den Hebel nach oben drückt, klein.
2) Der Spalt zwischen Klinge und Liner ist ätzend. Ich nehme keine Scheiben oder Versenke die in den Linern.
3) Die Aussparung für den Hammer muss über dem Achsenmittelpunkt enden damit keine Kraftkomponente entstehen kann welche den Hebel nach oben drückt.
4) Schließen der Klinge:Beim geschlossenen Folder muss der Hebel da auf die Klingenwurzel drücken wo, der größte Hebel wirkt. Also einfach etwas freimachen, dann
sollte es gehen.
5) Die Feder sollte länger sein dann wird die Federkraft gleichmäßiger. Ich wähle eine Federlänge von 20 -25 mm. Ich nehme auch Rundstahl, den stecke in eine Bohrung im
Spacer. Eine Bohrung ist besser gegen Lochleibung geeignet.
6) Montage: Ich montiere beide Liner, Spacer, Feder und Hebel und drücke die Klinge von unten gegen die Feder und stecke dann die Achse durch. Das geht viel einfacher als
die Stifte anzuspitzen.

Hoffe geholfen zu haben

Grüße

DHO
 
Vielen Dank für die Einblicke Virgil4, auch einen Dank an DHO. Wenn ich irgendwann mal alle meine laufenden Baustellen fertig habe steht auch bei mir der Bau eines Backlocks an. Da werden euere Infos sicherlich sehr hilfreich sein. :super:
 
Ein Kunde erwartet zu Recht ein perfekt funktionierendes Messer, möchte aber eher nicht den Anstieg der Lernkurve (sehr schön formuliert, Virgil) mitbezahlen.

Möchte er vielleicht nicht, tut er aber. Was auch sonst. Zeit und Ausgaben, die man in der Lernkurve verbläst, sind (wie jede Ausbildung, Forschung oder ne Bohrmaschin) eine Investion. Die holt man sich über die Zeit zurück. Normal oder? Die Frage ist halt immer nur, was man zu investieren bereit ist.

@Virgil: Dreifachplus :) Fürs Design des Messers. Für den Popo in der Hose, Deine Schwierigkeiten mit der Konstruktion öffentlich zu beschreiben. Und für Deinen Elan, immer besser zu werden :super:

Technisch find ich nen Backlock eh geiler als Linerlock/Framelock. Der schliesst halt richtig und klemmt nicht nur :D

Sers
Pitter
 
Huuuh :rote-Ohren-Smiley:

Besten Dank für's Lob an die Kommentatoren und die detaillierte Rückmeldung von DHO.


Da sind aber schon noch ein paar Punkte, die es "aufzubohren" gilt.

Zur Vereinfachung setze ich die Zitate von DHO kursiv.

1) Die Lagerung des Hebels so weit wie möglich nach oben setzen. Das hält die Kraftkomponente, welche den Hebel nach oben drückt, klein.

Hmm – das sehe ich genau umgekehrt oder ich muss die alten Ordner von "Technische Mechanik 1" nochmal rausholen (was durchaus sein kann). Mal abgesehen davon, daß wir hier über max. 1,5 mm Unterschied der Position reden, hätte ich gedacht, daß eine unter dem Drehpunkt angreifende Klingentasche (Punkt A) ungünstiger (orangene Linie) wäre, als ein tieferer Drehpunkt (grüne Linie)

Punkt1.png

Oder hab ich was verpeilt?


2) Der Spalt zwischen Klinge und Liner ist ätzend. Ich nehme keine Scheiben oder Versenke die in den Linern.

Versenken werde ich auch machen, aber ganz ohne Scheiben? Das hinterläßt nach einiger Zeit unschöne Schleifspuren auf der Klinge. Es sei denn, man spart die entsprechenden Flächen im Liner aus – scheint mir aber aufwändiger als das Versenken.


3) Die Aussparung für den Hammer muss über dem Achsenmittelpunkt enden damit keine Kraftkomponente entstehen kann welche den Hebel nach oben drückt.

Völlig richtig – ist in der Zeichnung des ersten Posts auch falsch, beim Messer passt's. Da an der Rückseite des Hammers aber eine 8 % Schräge angebracht ist, gibt es sehr wohl eine Kraft nach oben.

Aber ich werde beim nächsten Mal nicht den Fuß des Hammers auf die Achsenmitte setzten, sondern den Angriffspunkt der Tasche (Punkt A)


4) Schließen der Klinge:Beim geschlossenen Folder muss der Hebel da auf die Klingenwurzel drücken wo, der größte Hebel wirkt. Also einfach etwas freimachen, dann sollte es gehen.

D'accord – hab ich auch so gemacht, sieht man vielleicht nicht so gut auf dem Bild. Allerdings reicht mir die Kraft nur bei sehr starker Feder – deswegen die Radiusvergrösserung um den Hebel um "x" zu verlängern.

Punkt4.png


5) Die Feder sollte länger sein dann wird die Federkraft gleichmäßiger. Ich wähle eine Federlänge von 20 -25 mm. Ich nehme auch Rundstahl, den stecke in eine Bohrung im Spacer. Eine Bohrung ist besser gegen Lochleibung geeignet.

OK, längere Feder, mach ich - aber der runde Stahl ist genau DIE Lösung, die ich brauche, um weiterhin "weiches" Titan als Backspacer verwenden zu können. Bei einem 2mm Rundstab habe ich noch ausreichend Material, um das Aufbiegen zu vermeiden. Und ich brauche keinen Abstützstift mehr – cool. Braucht zwar etwas mehr Platz als eine 1 mm Flachfeder, aber das bekomme ich hin.

Lochleibungspressung ist hier nicht das Problem, sondern die Materialstärke bzw. Widerstandskraft an dieser Stelle:

Punkt5.png


6) Montage: Ich montiere beide Liner, Spacer, Feder und Hebel und drücke die Klinge von unten gegen die Feder und stecke dann die Achse durch. Das geht viel einfacher als die Stifte anzuspitzen.

Gute Idee, mach ich genau so bei der Demontage. Aber bei der Montage stelle ich mir das wegen der Scheiben sehr frickelig vor – es sei denn, es die Scheiben fallen weg (siehe Punkt 2).

Aber Dank Punkt 5, brauche ich ja keine Stifte mehr anspitzen ;)


Ich seh schon, das wird noch was, der Backlock und ich ....

Virgil
 
Zuletzt bearbeitet:
Toller Beitrag Virgil,hast dir da mächtig mühe gegeben ,allen Respekt.
Würde nicht sagen das Backlock schwerer zu fertigen sind,aufwendiger auf jeden Fall
dafür ,wie Pitter schon schreibt den besseren Mechanismus :)

Danke und Gruß Stefan
 
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