ck101 vergüten?

Xerxes

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Hi Leute, ich wollte heute morgen mal die Federeigenschaften von ck101 im stark angelassenen (vergüteten?) Zustand erproben. Dabei ist was komisches passiert.

Ich hab ein Stück ck101 (3mm x 10mm x 100mm) bei 790 Grad gehärtet und anschließend auf grau (ca. 400 Grad) angelassen und in Wasser abgeschreckt. Dann hab ich das Stück mit Zange und Schraubstock um 90° verbogen. Das stück ist ohne Verzug zurückgefedert. Anschließend hab ich das Stück nochmal in die gleiche Richtung um 90° gebogen und dieses Mal ging es nicht zurück. Ist bei ca. 70°-80° stehengeblieben. Beide Male hab ich es ca. 10-15 sek. bei 90° Biegung gehalten...

Könnt ihr euch das erklären? Warum ist das Stück beim zweiten Versuch nicht mehr zurückgefedert?

Gruß Jannis

Wieder die hälfte vergessen. Nach dem zweiten Biegen war das Stück ziemlich heiß. Ich konnte es zwar noch in der Hand halten aber das Stück hatte sich eindeutig aufgeheizt. Ganz zum Schluss hab ich noch versucht es mit dem Hammer zu zerschlagen um mir das Bruchbild anzugucken. Das hat nicht funktioniert. Das Stück konnte ich jetzt auch mit Hammerschlägen verformen ohne dass es gebrochen ist...
 
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Vergüten? Das ist doch kein Vergütungsstahl sondern ein Federstahl.

Ich könnte mir vorstellen dass Du beim 2. Biegeversuch das Material mit der Zange anders gegriffen hast (weiter zur Mitte) das kann einen großen Unterschied machen.

Gruss schakaa
 
Die einzig vernünftige Erklärung ist, daß Du den Stahl über einen anderen Radius gebogen hast und beim ersten Mal die Elastizitätsgrenze noch nicht überschritten war, beim zweiten mal aber eben doch.
Daß der Stahl die Mißhandlung ohne Bruch ertragen hat, spricht für ihn. Das ist allerdings kein Wunder, denn es handelt sich um einen vorzüglichen Stahl mit vielen wünschenswerten Eigenschaften.
Er unterscheidet sich von 1.1545 nur marginal. Die Rahmen für Silizium und Mangan sind bei dem Werkzeugstahl 1.1545 enger gesetzt und auch die Schädlinge Schwefel und Phosphor sind auf noch kleinere Anteile begrenzt. Die Unterschiede sind aber so gering, daß sich die Analysenrahmen fast überschneiden.
Entsprechend sind auch die Eigenschaften sehr ähnlich.
Durch die geringfügig höheren Anteile an Silizium und Mangan spricht der ck 1o1 besser auf Ölhärtung an als der 1.1545. Als Federmaterial sollte er sogar auf knapp 500 Grad angelassen werden.

Um die Sache mit dem Biegeradius unmißverständlich klarzumachen: Beim Biegen wird die Außenseite auf Zug, die Innenseite auf Druck beansprucht. Ein langes Stück, das gleichmäßig über einen großen Radius gebogen wird, erträgt das mühelos ohne plastische Verformung.Ein Biegen über einen engen Radius oder gar eine scharfe Kante führt dagegen bei sehr zähen Werkstoffen zur plastischen Verformung, bei weniger zähen zum Bruch.

Ich würde mich bei dem armen, mißhandelten Stahl entschuldigen, ihn sorgfältig weichglühen, etwas Hübsches daraus machen, ihn neu härten, anlassen und mich über seine gute Leistung freuen.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Alles klar, vielen Dank:super:

Meine erst Idee war, dass ich beim ersten Biegen irgendwie die Struktur geschädigt habe, was dann die Ergebnisse des zweiten Versucht erklären würde.

Aber es lag wohl einfach nur daran, dass die Bedingungen bei beiden Versuchen nicht gleich waren.

Noch Mal zum Vergüten. Ich war der Meinung, dass man bei einem besonders starken Anlassen (hs-Stähle Mal weg gelassen) um die Zähigkeit stark zu erhöhen immer von Vergüten spricht. Ist das nicht so?

Gruß Jannis
 
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Hab mal geschaut was der Rapatz dazu sagt.
Er meint bei Federstahl ist es zweifelhaft ob man von Vergüten oder Härten mit nachfolgendem Anlassen spricht. Bei einer Anlasstemperatur von 450 - 500 Grad spricht man dann eher vom Federvergüten als vom Federhärten.

Ist dann schon Wortglauberei, man weiss ja was Du gemeint hat.

Gruss schakaa
 
Nach der DIN 17014-Wärmebehandlung von Eisen und Stahl ist Vergüten wie folgt definiert: "Wärmebehandlung zum Erzielen hoher Zähigkeit bei bestimmter Zugfestigkeit durch Härten und anschließendes Anlassen meist auf höhere Temperatur".
Diese Definition deckt einen sehr breiten Bereich ab und man kann deshalb Xerxes Vorgehensweise als Vergüten bezeichnen.

Ein bißchen mißverständlich ist das aber doch. Beim Vergüten komt es darauf an, daß die Stähle bei einer vorgeschriebenen Festigkeit, die von ihnen als Konstruktionsteil verlangt wird, eine bestimmte Zähigkeit aufweisen-also die Fähigkeit möglichst umfangreicher plastischer Verformung vor dem Bruch, gekennzeichnet durch Bruchdehnung und Einschnürung.
Die Definition und natürlich auch das Verfahren selbst zielen also auf Zähigkeit im Konstruktionsstahlbereich ab.

Die klassischen Vergütungsstähle sind daher im Regelfall deutlich untereutektoidisch und relativ hoch legiert. Im C-Gehalt liegen sie im allgemeinen niedriger als die Federstähle.
Die Wärmebehandlung zielt auch nicht wie bei den Federstählen auf die Erzielung einer hohen Streckgrenze und elastisches Verhalten, sondern auf plastische Verformbarkeit ab, wenn die Belastungsgrenzen überschritten sind.

Die Härtetemperaturen sind wegen des niedrigen C-Gehalts und der relativ hohen Legierung ziemlich hoch, meist um ca. 850 Grad, die Anlaßtemperatur liegt dagegen meist über 550 Grad-oft bis 650 und 680 Grad, also knapp unter dem AC 1 Punkt.

Hohes Anlassen eines Werkzeugstahls kann man nach der Definition Vergüten nennen, so richtig trifft das die Sache aber nicht.
Wichtig sind solche terminologischen Feinheiten für uns nicht.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
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