Damast und Elektrochemie (Redoxpotenzial)

ZiLi

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Hi Folks,

nach gruendlichem Durchsuchen des MF wurde mir eine Frage, die sich mir schon laenger stellt, durch die Fundstellen nicht beantwortet, weshalb ich mal das Thema aufmache:

Bekannt ist (manchen von uns) die chemische Spannungsreihe, mit der man ermitteln kann, welches von mehreren Materialien wegkorrodiert, wenn sie gemeinsam in ein korrosives Medium gebracht werden - bekannte Beispiele sind mit den Stichworten Verzinken, Opferanode, oder Redoxpotenzial zu nennen.

Da ich mich in letzter Zeit mal etwas mit Damaststaehlen zu beschaeftigen begonnen habe, stellt sich mir nun die Frage, inwieweit man jetzt bei der Stahlauswahl fuer Damaste auch auf sowas achten kann, sollte oder gar muss, weil man ja will, dass einem der Damast nicht unter den Fingern wegrostet, obwohl er vielleicht aus zwei oder mehr relativ rosttraegen Staehlen geschmiedet wurde. Andererseits muss es wohl gewisse Unterschiede zwischen den verwendeten Staehlen geben, da man ansonsten keine Muster rausaetzen koennte (zumindest keine Tiefaetzung, waehrend fuer mich "Farbaetzung" auch bei aehnlich edlen Staehlen abhaengig von der Zusammensetzung vorstellbar ist).

Gibts eigentlich irgendwo eine Tabelle, in der fuer bestimmte Stahltypen das Redoxpotenzial angegeben ist (und nebenbei Gefuegestrukturen je nach Haertung - bekannt ist mir das anhand der Tatsache, dass manche rosttraege Staehle erst nach Haertung rosttraege werden) - denke ich mir doch, dass bei einem homogenen Stahltyp auch diese "Spannung" in einem bestimmten Gefuegezustand in Etwa immer gleich ist?

Ohne jetzt noch weitere Gedanken meinerseits aufzulisten, wollte ich das Thema jetzt mal "in den Raum" stellen, weil da bestimmt auch noch andere Leute Fragen in diese Richtung haben - und die Stahl- und Damastgurus bestimmt auch schon die dazu passenden Antworten...

-zili-
 
Hallo ZiLi,
Gibts eigentlich irgendwo eine Tabelle, in der fuer bestimmte Stahltypen das Redoxpotenzial angegeben ist

Ich habe geade mal in meinen alten Büchern gestöbert. Ich glaube solch eine Tabelle gibt es nicht. Es gibt Tabellenwerke über reine Stoffe und Verbindungen wie z.Bsp.:
Li - Li(+) = -3,02 V
Al - Al(3+) = -1,66 V
Cr - Cr(3+) = -0,71
Cu - Cu(+) = +0,52 V
2OH(-) - H²O² = +1,00V

Aber eine Kombination zwischen den verschieden Stahllegierungen und deren Wärmebehandlungszustand würde ins Unermessliche gehen.
Ich könnte mir aber vorstellen, dass man das mit einem recht einfachen Versuchsaufbau vielleicht selber ermitteln könnte.
Einfach die 2 Kombinationen in z.Bsp. eine Salzlösung halten und mit einem empfindlichen Amperemeter den Strom messen der fließt. Dann hätte man zumindest einen Anhaltspunkt über die Differenz der beiden Legierungen.

Gruß Klaus
 
Hallo Zili

Ich habe heute auch ab und zu darüber nachgedacht.
Das was Klaus beschreibt befürchtete ich. Angegeben sind die reinen Elemente, wer kann abschätzen, wie sich Legierungen verhalten?
Aber vielleicht bringt ja einer der Wissenden Licht ins Dunkel.

Stefan
 
...um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, habe ich natuerlich selbst vorher schon mal im Netz zu Elektrochemie, speziell auf Eisen bezogen herumgestoebert und habe bei Tante Wikipedia folgendes gefunden, was auch (zumindest peripher) mit der Fragestellung zusammenhaengt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:p:ourbaix_Diagram_of_Iron.svg
Hat jemand der Wissenden eine Interpretationshilfe fuer mich? Ich interpretiere das in etwa so, dass man daraus im Prinzip die bevorzugte Reaktionsrichtung bei gegebenem pH-Wert ablesen kann, wenn verschiedene Eisenverbindungen vorliegen, bzw. die zu beaufschlagende Spannung um ein Gleichgewicht herzustellen (oder auch zu ueberschreitende Spannung zur Umkehrung der Reaktion - Stichwort Elektrolyse oder eben auch Korrosion), aber so richtig interpretieren kann ich es auch nicht (lang, lang ists her...)

-zili-
 
... Ich habe geade mal in meinen alten Büchern gestöbert. Ich glaube solch eine Tabelle gibt es nicht. Es gibt Tabellenwerke über reine Stoffe und Verbindungen wie [...]
Aber eine Kombination zwischen den verschieden Stahllegierungen und deren Wärmebehandlungszustand würde ins Unermessliche gehen ...
Naja, so weit war ich auf meiner Suche ja auch schon (zumal diese Sachen schon seit meiner Ausbildung, die aber viele Jahre her ist, bekannt waren). Ich dachte mir halt, dass die Hersteller der Staehle, speziell wenn es sich um korrosionsresistente Staehle handeln soll, auch solche Sachen ausmessen und in die Datenblaetter aufnehmen (oder u.U. auch die Zusammensetzung mancher Staehle dahingehend optimieren, dass z.B. zwei Staehle mechanisch unterschiedlicher Art, welche aber typischerweise miteinander verbaut werden sollen, elektrochemisch aehnlich gemacht werden). Das war halt so ein Gedanke, der mir durchs gemarterte Denkbroetchen schoss...
... Ich könnte mir aber vorstellen, dass man das mit einem recht einfachen Versuchsaufbau vielleicht selber ermitteln könnte.
Einfach die 2 Kombinationen in z.Bsp. eine Salzlösung halten und mit einem empfindlichen Amperemeter den Strom messen der fließt. Dann hätte man zumindest einen Anhaltspunkt über die Differenz der beiden Legierungen ...
Ja, dieser Ansatz ist mir auch schon gekommen, und kann irgendwie nicht glauben, dass bei Staehlen, wie sie z.B. im Schiffbau Verwendung finden, keine solchen Messungen von den Stahl-Herstellern bzw. Schiffbauern auch zur Qualitaetskontrolle der angelieferten Halbzeuge gemacht werden. Oder verlassen sich die Schiffbauer wirklich in Art der "Dumbass-Methodik" (it works - don't think about) schlicht auf Opferanoden und Farbe?

:confused: -zili- :confused:
 
Zuletzt bearbeitet:
Hmm, wie soll sich denn bei direkt verbundenen Stählen eine nennenswerte Spannung aufbauen können?

Ciao Sven
 
...
Schiffbauern auch zur Qualitaetskontrolle der angelieferten Halbzeuge gemacht werden. Oder verlassen sich die Schiffbauer wirklich in Art der "Dumbass-Methodik" (it works - don't think about) schlicht auf Opferanoden und Farbe?
Das wohl kaum, aber die Stähle sind wohl schon so ausgewählt und hergestellt, dass man die Risiken korrosionsmäßig "unter Kontrolle" hat. Ausserdem fahren die großen Kübel genau wie Autos zum TÜV, regelmäßig zur Rundumkontrolle ins Dock. Und vieles wird tatsächlich per Rostschutzanstrich erledigt.

Ein Lehrmeister hat mal ein Reststück U-Boot Stahl von der hiesigen U-Bootwerft mitbekommen, das ist schon beim Schleifen richtig fett angerostet... - kann aber auch andere Gründe gehabt haben (unsaubere Schleifscheibe, aggressives/falsch gemischtes Kühlschmiermittel) :glgl:

Hmm, wie soll sich denn bei direkt verbundenen Stählen eine nennenswerte Spannung aufbauen können?
Es gibt auch interkristalline Korrosion (ohne Sauerstoffeinwirkung), die Überlegung mit der Spannungsreihe ist da vielleicht gar nicht so abwegig, wenn auch möglicherweise vernachlässigbar.

Gruß Andreas
 
Da habe ich doch vor kurzen erst in einem Thread gelesen, dass Klingen aus Dreilagen stahl eher Rosten, wenn die Außenlage Rostfrei ist und der Kern nicht.
Das leuchtet auch ein, weil wir hier ja zwei extreme haben!
Ich kann mir das bei mangelnder Pflege auch bei Damast vorstellen, aber wer bei gesundem Messerverstand würde sein Kniven nicht pflegen?
 
so, jetz muss ich auch mal mein senf dazugeben: Also ich bin ja kein chemiker aber als zahntechniker der ich bin haben wir in der schule auch was über elektrochemische korrosion gelernt.
im groben und ganzen läufts so:
Das unedlere metall is IMMER das das sich löst auch wenn es in einer legierung gebunden ist. Das heisst das auch ein legierter monostahl einer solchen elektrochemischen reaktion zum opfer fallen kann wenn die bedingungen stimmen.
Da eine solche elektrochemische reaktion im mundmilieu (flüssigkeit, sauerstoff, veränderliche hp werte, säuren, bakterien...) erst nach längerer zeit zu ernstzunehmende schäden führt (und das bei erheblichen unterschieden wie zb.: titan gold amalgam stahl), denke ich kaum das ein damast einer nennenswerten elektrochemischen korrosion unterworfen ist schongarnich bei rostträgen materialien.
1tens.: weil die verwendeten materialien eine grosse chem ähnlichkeit haben
2tens.: weil sich dein messer schätzungsweise nicht dauerhaft einer korrosionsfördernden umgebung stellen wird müssen
3tens.:weil sich (das is jetz rein spekulativ) sich die metalle durch das verschweissen wie eine "grobe" legierung verhalten wird

so genug geklugscheissert für heut! ;) :glgl:
 
Hallo ZiLi
... und kann irgendwie nicht glauben, dass bei Staehlen, wie sie z.B. im Schiffbau Verwendung finden, keine solchen Messungen von den Stahl-Herstellern bzw. Schiffbauern auch zur Qualitaetskontrolle der angelieferten Halbzeuge gemacht werden. Oder verlassen sich die Schiffbauer wirklich in Art der "Dumbass-Methodik" (it works - don't think about) schlicht auf Opferanoden und Farbe?

Habe heute ein Gespräch mit einem Kundenbetreuer eines Stahlherstellers gehabt. Habe ihn dann auch mal auf dieses Thema angesprochen.
Also: Solche Tabellen existieren nicht. Was nicht heißen soll, dass es darüber keine Untersuchungen gibt. Aber veröffentlicht wird so etwas nicht, da eine solche Tabelle nur einen kleinen Teill der Wahrheit wiedergeben würde. Im Labor gemessene Standardpotentiale haben mit der Wirklichkeit wohl nichts zu tun. Viel entscheidender sei der spezielle Verwendungszweck. D.h. mit welchem Medium der Stahl in Kontakt kommt. Bei welchen Temperaturen. Bei welchen mechanischen Belastungen. Bei welchem Oberflächenzustand. Alle diese Faktoren haben einen viel entscheidenderen Einfluß auf die richtige Stahlwahl und das Korrosionsverhalten. „Rostfreier Stahl“ hat in Meerwasser ein praktisches Potential zwischen -0,1 bis +0,45 V. Also eine riesen Spanne je nach Umgebung. Er meinte sinngemäß: Was nützt es, wenn man bei der Stahlwahl nur auf ein Potential bzw. auf die Stromdichte schaut, es aber durch mechanische oder chemische Reaktionen zu einer punktuellen Auflösung der Passivschicht kommt (Lochfrasskorrosion). Ein Spalt an einer Schweißnaht vorliegt (Spaltkorrosion). Eine ungenügende Wärmebehandlung vorliege (interkristalline Korrosion). In all diesen Fällen bilden sich sogenannte Lokalelemente die jede Berechnung oder Vorhersage zunichte machen würden, da an diesen Stellen sehr große Stromdichten herschen können.
In diesem Falle würde an genau diesen Stellen die Korrosion so schnell fortschreiten, dass man zuschauen könne bis das Bauteil versagt.
Schiffsrümpfe für Meerwasser sind in der Regel aus Feinkornbaustählen. Also nicht korrosionsbeständig. Man weiß allerdings, wieviel g/m² dort im Durchchnitt im Jahr wegrosten. Es ist also vorhersagbar. Aber auch hier spielt der Salzgehalt, die Wasserqualität, die Temperatur, evtl. Algen- oder Muschelbefall eine große Rolle. Üblicherweise werden Schiffsrümpfe nur durch Beschichtungen und kathodischen Schutz gegen Korrosion geschützt. Und deshalb müssen, wie Andreas schon gesagt hat, sie regelmäßig zum „TÜV“ um die Zinkelektroden und den Anstrich zu erneuern.

Es scheint also wirklich so zu sein: (it works – don´t think about)
Oder man denkt schon drüber nach, hat aber noch keine bessere und wirtschaftlich vertretbare Lösung gefunden.

Gruß Klaus
 
....3tens.:weil sich (das is jetz rein spekulativ) sich die metalle durch das verschweissen wie eine "grobe" legierung verhalten wird....

Das war auch mein erster Gedanke als ich die Frage gelesen habe.

Ist eigentlich nach dem Verschweißen noch eine elektrische Isolierung der beiden Stähle vorhanden, die, soweit ich mich erinnern kann, für die elektrochemische Korossion notwendig ist, damit sich ein Spannungspotential aufbauen kann?

Wenn ja, was dient als Elektrolyt, damit der (korossionverursachende) Strom fließen kann?

Sind sich die Stähle, da sie sich verschweißen lassen, nicht zu "ähnlich" als dass sich zwischen ihnen ein nennenwertes Spannungs-Potential aufbauen könnte?

Interessantes Thema:super:


Gruß
Olli

PS.: es gab schon mal ein ähnliches Thema über Korossion bei unterschiedlichen Messinglegierungen bei Bolstern und Nieten.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Olli
Also ne Isolierung brauch man nicht! Dann würde ja kein Strom fließen.

Als Elekrtolyt reicht oft schon die Luftfeuchtigkeit und Schweiß.
Wobei ich aber auch der Meinung bin, dass man Korrosion an einer "rostfreien Klinge" bei normaler Pflege vernachlässigen kann.

Wären die Stähle im Damast ähnlich, würde man kein Muster ätzen können, folglich liegt immer eine Potentialdifferenz vor.


Gruß Klaus
 
Meiner meinung nach das einzige korrosionspotential bei messern besteht wenn buntmetallteile verarbeitet worden sind, und beide metallteile mit handschweiss (o. ähnliches) in ständigem kontakt sind :)
aber selbst da würds viel gebrauch benötigen um sichtbaren abtrag zu erreichen (behaupt ich mal eben so:hehe: )
 
... Als Elekrtolyt reicht oft schon die Luftfeuchtigkeit und Schweiß.
Wobei ich aber auch der Meinung bin, dass man Korrosion an einer "rostfreien Klinge" bei normaler Pflege vernachlässigen kann.

Wären die Stähle im Damast ähnlich, würde man kein Muster ätzen können, folglich liegt immer eine Potentialdifferenz vor ...

Was das Aetzen angeht, glaube ich ja einen Unterschied zwischen der Tief-/Relief-Aetzung und der Farbaetzung zu erkennen - ich nenns mal so, ich hoffe es ist klar was ich damit meine. Und ich denke mal, dass alle Damaste, welche sich gut zur Reliefaetzung eignen, dies eben durch diese Potenzialdifferenz erreichen. Im Gegensatz hierzu sehe ich manche Sonderdamaste (oder auch die pulvermetallurgisch hergestellten Pseudodamaste) - hier kann ich mir schon vorstellen, dass man hier die Materialauswahl u.U. auch bewusst so gestaltet, dass man potenzialaehnliche aber ansonsten sehr unterschiedliche Staehle miteinander kombiniert, auch um die Korrosionsfestigkeit dieser Staehle (die ja speziell wegen ihrer schmueckenden Eigenschaften gerne eingesetzt werden - im Gegensatz zu den Funktionsdamasten, die wegen der Materialeigenschaften produziert werden) moeglichst hoch zu treiben.

Tja meine ganze Ueberlegung hinter der Diskussion war eben, dass ich herausbekommen wollte, ob Damastklingen tendenziell rostanfaelliger sind als welche aus Monostahl. Ich denke: ja.

-zili-
 
Was das Aetzen angeht, glaube ich ja einen Unterschied zwischen der Tief-/Relief-Aetzung und der Farbaetzung zu erkennen - ich nenns mal so, ich hoffe es ist klar was ich damit meine. Und ich denke mal, dass alle Damaste, welche sich gut zur Reliefaetzung eignen, dies eben durch diese Potenzialdifferenz erreichen.

Elektochemie war zwar nicht meine Stärke, aber genau für den Fall Tiefätzung glaube ich nicht, dass eine Potenzialdifferenz für den Erfolg ausschlaggebend ist. Geätzt wird schließlich in (chemisch gesehen) starken Säuren, auch wenn sie nur 10% haben. Für diesen Fall ist die Säurebeständigkeit der verwendeten Stahlsorten wichtiger und die ist ein direktes Abbild der Legierungsbestandteile (siehe säurebeständige Stähle). Daher wird auch mit Salz- bzw. Schwefelsäure geätzt. Wäre das Redoxpotenzial ausschlaggebend, würde eine Kochsalzlösung als Elektrolyt aureichen.
 
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