Abu
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Werte Messerfreunde,
war das nun pures Glück? Wäre sicher zu kurz gesprungen. Denn zum Glücksfall muss man a) bereit sein und b) ein bisschen dran arbeiten.
Beides entwickelte sich aus einem Verkaufsangebot auf einer bekannten Auktionsplattform. Ein vermeintlich ehemaliger Solinger Reider bot dort recht hochpreisig Messer an, die er selbst gereidet hatte, sozusagen Belegmuster seiner Hände Arbeit. Konnte man glauben oder für eine verkaufsfördernde Idee halten.
Ich hab einen Faible für die "Teufelskerlchen" von Hartkopf & Co., kaufte zwei, wir kamen in Kontakt, Mails, Telefonate, das Vertrauen war aufgebaut, ich besuchte ihn. Und Helmut K. öffnete sein Schatzkästlein, ließ mich an seinem Berufsleben als einen der letzten selbständigen Solinger Taschenmesser-Reider teilhaben. Erzählte von der "FamilienAG", die er zusammen mit seiner Ehefrau in Heimarbeit betrieb, von den 16-Stundenwochen, aber auch davon, dass er mit seinem Beruf gutes Geld verdiente. Auf meine Frage, ob er in der Produktionskette bei dem zunehmenden Wettbewerbs- nicht unter Preisdruck gekommen sei, schüttelte er den Kopf. "Nein, es gab ja auch immer weniger Reider, ich konnte mir die Aufträge ja beinahe aussuchen!" Und mit Stolz ergänzte er: "Als ich aufhörte, hatten einige Auftraggeber Tränen in den Augen." Will ich gern glauben, was da vor mir auf dem Tisch liegt, zeugt von Qualität, komplexen Produkten und hochwertigen Materialien.
1953 machte er seine Lehre bei Schlieper, arbeitete zwischenzeitlich kurz bei den "Zwillingen", um sich dann in zuerst angemieteten Räumen und später seinem Kotten selbständig zu machen. Arbeitete hauptsächlich für die "Teufelskerle", Lütters Löwen, Schlieper und baute die herrlich wilden, großen PUMA-Klapper der 900er Serie. Bereits 1975 war Schluss, Berufsunfähigkeit, Umschulung, neuer Beruf. Nein, die alte Befriedigung an der Arbeit stellte sich nicht mehr ein, es fehlte das Erfolgserlebnis fertiger Werkstücke in seinen Fingern. Kein Wunder, wenn man das hier sieht......
Vor meinen Augen skizzierte er den Aufbau der Messer, seine Arbeitsschritte, die besonderen Herausforderungen. Die Feder, ohne die nichts "klappt": Gebogen kamen die an und wurden geglättet, als "Rundwerkzeug" diente die durchschnittene Kugel einer Kegelbahn, Ebenholz, eisenhart. Die Feder härten, erst bei 800-900 Grad = kirschrot glühend, abschrecken, Härtöl drauf, dann mit 220-240 Grad anlassen, abschrecken; Test: in den Schraubstock, leicht mit Hammer gegen schlagen, wenn sie "sang", war sie richtig. Erfahrung eines Experten.
Oder Griffschalen: Hirsch- und Kuhhornplatten, krumm und schief geliefert, geschnitten im Verlauf des Wuchses. Also zwei Stunden kochen, in den Schraubstock, mit der Zange biegen, ablegen und trocknen lassen. Der vermeintliche Gestank beim Kochen, von dem ich mal gelesen hatte, der war nicht so schlimm, bestätigte seine Frau.
Er erzählte von "gespaltenen" Federn, der Montage der Neusilberbacken, "amerikanischem Gang"; hoffentlich habe ich das meiste richtig erfasst. Manches wird beim Blick auf die Messer offensichtlich, anderes entzieht sich zunächst. Als Beispiel feinmechanischer Handarbeit mögen die "Zweieiigen Zwillinge" von Köller und Lütters dienen. Der schlanke, 95 mm lange und max. 12 mm breite Griff musste bei einer Platinenweite von ca.3,5 mm 3 Klingen aufnehmen! Berührungsfrei, sonst gibt's Kratzer. Die Lösung lag in der vom Reider zu schleifenden keilförmigen mittleren Platine, die den notwendigen Platz schaffte. Nach seinem Fingerzeig sah ich es nun auch. Ohnehin voller Komplexität, dieses doch einfach wirkende Messer: die geöffneten kleinen Klingen stehen etwas gespreizt ab, Backlock-Sicherung, "amerikanischer Gang", d.h. die Klingen stoppen bei 90 Grad Aufklappwinkel deutlich fühlbar. Und ich weiß wieder, warum ich diese Handarbeit so schätze!
Nebenher erfahre ich Verblüffendes. Herr K. zeigt zwei größere "Giesen & Forsthoff" im Stil der Puma 9xx- Serie bzw. Buck. In die Klingen ist jedoch Gerber bzw. Browning geprägt! ER hat sie gemacht und ist sicher, im Auftrag von G+F! "Live and learn...."
Ja, die Chemie stimmte, wir wurden uns ziemlich schnell einig, diese Messer sind nun MEIN. Zu einem fairen Preis, möchte ich betonen, mit Respekt gegenüber seiner exzellenten Handwerksleistung, mit der Würdigung eines Berufes, den es in dieser Form nicht mehr gibt. Ein bisschen Wehmut stellte sich bei ihm, große Freude bei mir ein, wer sollte uns das verdenken!
Demnächst stelle ich ein "Schätzchen" separat vor, bedarf noch etwas Vorbereitung.
Mit schneidigem Gruß
Abu
war das nun pures Glück? Wäre sicher zu kurz gesprungen. Denn zum Glücksfall muss man a) bereit sein und b) ein bisschen dran arbeiten.
Beides entwickelte sich aus einem Verkaufsangebot auf einer bekannten Auktionsplattform. Ein vermeintlich ehemaliger Solinger Reider bot dort recht hochpreisig Messer an, die er selbst gereidet hatte, sozusagen Belegmuster seiner Hände Arbeit. Konnte man glauben oder für eine verkaufsfördernde Idee halten.
Ich hab einen Faible für die "Teufelskerlchen" von Hartkopf & Co., kaufte zwei, wir kamen in Kontakt, Mails, Telefonate, das Vertrauen war aufgebaut, ich besuchte ihn. Und Helmut K. öffnete sein Schatzkästlein, ließ mich an seinem Berufsleben als einen der letzten selbständigen Solinger Taschenmesser-Reider teilhaben. Erzählte von der "FamilienAG", die er zusammen mit seiner Ehefrau in Heimarbeit betrieb, von den 16-Stundenwochen, aber auch davon, dass er mit seinem Beruf gutes Geld verdiente. Auf meine Frage, ob er in der Produktionskette bei dem zunehmenden Wettbewerbs- nicht unter Preisdruck gekommen sei, schüttelte er den Kopf. "Nein, es gab ja auch immer weniger Reider, ich konnte mir die Aufträge ja beinahe aussuchen!" Und mit Stolz ergänzte er: "Als ich aufhörte, hatten einige Auftraggeber Tränen in den Augen." Will ich gern glauben, was da vor mir auf dem Tisch liegt, zeugt von Qualität, komplexen Produkten und hochwertigen Materialien.
1953 machte er seine Lehre bei Schlieper, arbeitete zwischenzeitlich kurz bei den "Zwillingen", um sich dann in zuerst angemieteten Räumen und später seinem Kotten selbständig zu machen. Arbeitete hauptsächlich für die "Teufelskerle", Lütters Löwen, Schlieper und baute die herrlich wilden, großen PUMA-Klapper der 900er Serie. Bereits 1975 war Schluss, Berufsunfähigkeit, Umschulung, neuer Beruf. Nein, die alte Befriedigung an der Arbeit stellte sich nicht mehr ein, es fehlte das Erfolgserlebnis fertiger Werkstücke in seinen Fingern. Kein Wunder, wenn man das hier sieht......
Vor meinen Augen skizzierte er den Aufbau der Messer, seine Arbeitsschritte, die besonderen Herausforderungen. Die Feder, ohne die nichts "klappt": Gebogen kamen die an und wurden geglättet, als "Rundwerkzeug" diente die durchschnittene Kugel einer Kegelbahn, Ebenholz, eisenhart. Die Feder härten, erst bei 800-900 Grad = kirschrot glühend, abschrecken, Härtöl drauf, dann mit 220-240 Grad anlassen, abschrecken; Test: in den Schraubstock, leicht mit Hammer gegen schlagen, wenn sie "sang", war sie richtig. Erfahrung eines Experten.
Oder Griffschalen: Hirsch- und Kuhhornplatten, krumm und schief geliefert, geschnitten im Verlauf des Wuchses. Also zwei Stunden kochen, in den Schraubstock, mit der Zange biegen, ablegen und trocknen lassen. Der vermeintliche Gestank beim Kochen, von dem ich mal gelesen hatte, der war nicht so schlimm, bestätigte seine Frau.
Er erzählte von "gespaltenen" Federn, der Montage der Neusilberbacken, "amerikanischem Gang"; hoffentlich habe ich das meiste richtig erfasst. Manches wird beim Blick auf die Messer offensichtlich, anderes entzieht sich zunächst. Als Beispiel feinmechanischer Handarbeit mögen die "Zweieiigen Zwillinge" von Köller und Lütters dienen. Der schlanke, 95 mm lange und max. 12 mm breite Griff musste bei einer Platinenweite von ca.3,5 mm 3 Klingen aufnehmen! Berührungsfrei, sonst gibt's Kratzer. Die Lösung lag in der vom Reider zu schleifenden keilförmigen mittleren Platine, die den notwendigen Platz schaffte. Nach seinem Fingerzeig sah ich es nun auch. Ohnehin voller Komplexität, dieses doch einfach wirkende Messer: die geöffneten kleinen Klingen stehen etwas gespreizt ab, Backlock-Sicherung, "amerikanischer Gang", d.h. die Klingen stoppen bei 90 Grad Aufklappwinkel deutlich fühlbar. Und ich weiß wieder, warum ich diese Handarbeit so schätze!
Nebenher erfahre ich Verblüffendes. Herr K. zeigt zwei größere "Giesen & Forsthoff" im Stil der Puma 9xx- Serie bzw. Buck. In die Klingen ist jedoch Gerber bzw. Browning geprägt! ER hat sie gemacht und ist sicher, im Auftrag von G+F! "Live and learn...."
Ja, die Chemie stimmte, wir wurden uns ziemlich schnell einig, diese Messer sind nun MEIN. Zu einem fairen Preis, möchte ich betonen, mit Respekt gegenüber seiner exzellenten Handwerksleistung, mit der Würdigung eines Berufes, den es in dieser Form nicht mehr gibt. Ein bisschen Wehmut stellte sich bei ihm, große Freude bei mir ein, wer sollte uns das verdenken!
Demnächst stelle ich ein "Schätzchen" separat vor, bedarf noch etwas Vorbereitung.
Mit schneidigem Gruß
Abu