Der Stahl 1.4112 - ein Härteversuch

Taperedtang

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Hallo,

nachdem ich schon einige Erfahrungen beim Härten von Kohlenstoffstahl gesammelt habe, ist der nächste Schritt die Wärmebehandlung von höher legierten Stählen. Der 1.4112 bietet sich hierfür an, da seine Wärmebehandlung nicht sehr schwierig ist. Über den 1.4112 habe ich schon ausführlich bei der Vorstellung meines kleinen Skinners geschrieben, deshalb fasse ich mich hier kurz. Der 1.4112 wird nach wie vor deutlich unterschätzt. Ich sehe ihn immer noch als sehr messertauglichen Stahl an.

Ich hatte vor einiger Zeit ein Filetiermesser aus 1.4112 vorgestellt. Die Wärmebehandlung wurde damals von Achim Wirtz mit sehr gutem Ergebnis durchgeführt. Da ich noch eine zweite, fast identische Klinge hatte war der Plan, diese Klinge selbst zu härten. Das zweite Filetiermesser wird etwas moderner werden, als das bereits gezeigte. Wenn es fertig ist, werde ich es auch vorstellen.

Vorab sollten einige Reststücke 1.4112 für Härteproben vorbereitet werden. Nachdem ich die Reststücke unter die Lupe genommen hatte, war schnell der Entschluss gefasst, doch noch etwas aus den Reststücken zu bauen, da es mir widerstrebt noch verwendbaren Stahl nach seiner Wärmebehandlung wegzuwerfen. Ich hatte Glück und der erste Versuch der Wärmebehandlung eines „Reststücks“ das ich zu einem Skalpell verarbeitet hatte verlief erfolgreich.

Die Daten zur Wärmebehandlung:

Die Klinge wurde sorgfältig in Härtefolie eingepackt. Als Härtetemperatur habe ich 1030°C gewählt, die Gesamtzeit im Härteofen betrug 15 min. Abgeschreckt habe ich in Durixol 25 W das auf ca. 80°C erwärmt wurde. Nach ca. 15 sec. im Öl habe ich die Klinge, noch in der Härtefolie, in den Schraubstock mit Alubacken gespannt. Wie zu erwarten, war die Klinge danach kerzengerade. Bohrversuche mit einem 3 mm Bohrer zeigten, dass die Klinge richtig hart geworden ist. Glas ritzen sowie ein Feilentest verliefen auch positiv. Ich bin zufrieden!

Die Reststücke

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Die Rohlinge, die daraus gebaut wurden. Das gezeigte Skalpell stammt vom 3. Rohling von oben. Die unteren beiden Klingen gehören nicht dazu. Die sind aus 1.2442 und 1.2552

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Das 1. Skalpell, die Nächsten werde ich nach und nach mit anfügen.

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Viele Grüße
Matthias
 
Sehr chic, das Skalpell. Ästhetische Form und ansprechende Klinge, toller Griff
 
Cool, Du bist mit dem ersten fertig!
Und sieht klasse aus mit dem grünen Griffmaterial.
Gefällt mir richtig gut!
 
Vielen Dank, Herbert und Torsten! Herbert, deine Idee mit der auffälligen Farbe bei der Wahl der Griffschalen war gut. Bei so kleinen Klingen passt das wirklich prima. Zumal Kirinite auch noch super zu bearbeiten ist. Für die restlichen Klingen, habe ich auch schon die eine oder andere Idee. Da manche Griffe ziemlich klein sind, werde ich auch mal in der "Restekiste" stöbern. :D::

Viele Grüße
Matthias
 
Das gefällt mir ausgesprochen gut. Ich mag solche kleinen Schlitzer sowieso. Bin schon sehr gespannt was du aus den anderen Klingen zauberst. Darüber hinaus finde ich es spannend deine Versuche mit der WB zu verfolgen.
 
@Taperedtang
Hi Matthias, von deinen technischen Ausführungen verstehe ich nicht viel, aber sehen kann ich: Das Messerchen ist klasse, gerade auch die muntere Griffarbe. Etwas für die City! Bin gespannt auf die Fortsetzung.
Also weitermachen…
Abu
 
@agentdan
Danke, freut mich, dass Dir der kleine Schlitzer gefällt. :)

@Abu
Ja, die anderen 5 Klingen sind auch noch dran. Ich werde sie nach und nach hier zeigen. Es gibt auch bald ein neues, spannendes Projekt - mehr dazu, gibt es zu einem späteren Zeitpunkt. :)

Gruß
Matthias
 
Wie angekündigt, habe ich aus den nächsten 1.4112 Testklingen kleine Messerchen gemacht. Herbert hat für mich die Härte überprüft, die Ergebnisse haben mich überrascht.
Die 1.4112 Klingen haben eine durchschnittliche Härte von ca. 56° HRc erreicht, also deutlich weniger als ich erwartet habe. Diese "niedrige" Härte ist bei dem 1.4112 die "Standardhärte". Meine Erwartungshaltung lag bei 58° HRc - 59° HRc. Eine der Klingen, deren Folienverpackung nicht dicht war, hat nur eine Härte von 53° HRc erreicht. Vermutlich fand aufgrund der undichten Folie eine starke Entkohlung statt. Erstaunlich ist, dass die 56° HRc bei den anderen Klingen, beim Bohren noch nicht einmal richtige Kratzer hinterlassen. Ich habe auch drei der Klingen, die nicht mehr dünner geschliffen werden müssen, schon geschärft. Der Schärfaufwand war überraschend groß!

Ich habe mich dann entschieden bei der 53° HRc Klinge einen Bruchtest durchzuführen, um mir das Gefüge anzuschauen. Ich habe die Klinge in den Schraubstock gespannt und mit aller Kraft versucht die Klinge abzubrechen. Ich hätte es mir denken können, keine Chance, die Klinge hat sich leicht verbogen sonst ist nichts passiert. Ich konnte die Klinge mit viel Krafteinsatz wieder gerade biegen. Es ist erstaunlich was die niedrige Härte für einen großen Zähigkeitsgewinn verursacht.

Der 1.4112 ist ein erstaunlicher Stahl in dem mMn Potential steckt. Beim nächsten Härtetest werde ich die Temperatur auf 1050° C erhöhen und die Haltezeit auf 20 min. verlängern, um dann die angestrebten 58° - 59° HRc zu erreichen. Ich vermute, dass die Folie eine höhere Temperatur, wie auch eine längere Haltezeit erforderlich macht. Die Wärmebehandlung der Kohlenstoffstähle ist deutlich einfacher und es gibt seltener Überraschungen beim Ergebnis. Positiv überrascht war ich allerdings, als Herbert die Härte der 1.2552 Klinge mit 63° HRc gemessen hat. Ich hatte bei Höchsttemperatur (890° C) austenitisiert. Da der 1.2552 für seine gute Zähigkeit bekannt ist, gehe ich davon aus, dass er auch bei dieser Härte noch ausreichend zäh sein wird. Ich werde das noch testen.

So, jetzt noch einige Bilder zu den 1.4112 Messerchen.

Miniskinner mit Knochen (keine Ahnung von welchem Tier :D::) und Kupferpins.

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Kleiner Schnippler, sehr scharf 0,3 mm odW und Olivenholz (crosscut)

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Und zum Schluss das Messer mit der "verunglückten" (Folie undicht) Wärmebehandlung.

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Gruß
Matthias
 
Hallo Matthias,
Coooole Designs! Besonders das 53hrc als Steakmesser. Die geringere Härte gibt dem Stahl die nötige Zähigkeit, auch ein sehr zähes Steak zu zerlegen.😜
Ich bin immer wieder beeindruckt und nun gespannt auf deine weiteren Kreationen.

Burghard
 
Fabelhafte Messerchen, Matthias! Crosscut-Olive sieht zum Reinbeissen aus, und aus dem "verunglückten" Messer ist ein sehr schönes Teil geworden, das eine super Figur beim Essen machen dürfte. na ja, verunglückt. Und das sind alles "Testmesser" aus Härteversuchen. Sehr gut gelungen. Kompliment.
H
 
@Abu
Danke, Burghard! Ja, selbst das zäheste Steak, hat trotz oder wegen der 53° HRc, keine Chance. :D::
Es gibt jetzt noch zwei Testklingen aus 1.4112, dann war`s das. Die nächsten Härte-Tests werde ich dann weniger arbeitsintensiv mit Probestücken durchführen. Da bei den stark chromhaltigen Stählen, die nicht im SHM angelassen werden, das Tiefkühlen eine wesentliche Rolle zur Beseitigung des Restaustenits spielt, werde ich die nächsten Proben auch tiefkühlen. Ich bin schon gespannt, was sich aus dem 1.4112 herauskitzeln lässt.

@herbert
Danke, Herbert!

Gruß
Matthias
 
Der Vollständigkeit halber stelle ich heute das letzte 1.4112 „Reste-Testmesser“ vor. Es ist spitz, scharf und stabil. Es hat eine Gesamtlänge von 211 mm und eine Klingenlänge von 95 mm. Die Griffschalen sind aus Padouk. Zum Brote schmieren ist es wohl nicht sonderlich gut geeignet. Als backup, ist es aufgrund seiner schmalen Bauweise und seines geringen Gewichts (78 g), sicherlich gut zu gebrauchen.

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Die Klinge ist flach, annähernd auf 0 geschliffen mit einer sehr kleinen Microphase.

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Gruß
Matthias
 
Ok, man muss ja auch nicht mit jedem Messer Brote schmieren können. Wie heißt es: „In der allergrößten Not, schmeckt die Wurst auch ohne Brot“, und das kann das feine Ding garantiert! Schickes Messerchen!!!👍

Abu
 
Für das zuletzt vorgestellte Messer habe ich eine Steckscheide mit Druckknopf gebaut, damit schließe ich diesen Thread vorerst ab. Ich habe aber für einen späteren Zeitpunkt noch weitere Härteuntersuchungen für den 1.4112 geplant, dann lasse ich ihn wieder aufleben. :)

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Gruß
Matthias
 
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