Differentiell Anlassen einfach gemacht

pmg

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Hallo,

nachdem hier Methoden zum Differentiell Anlassen vorgestellt worden, bei denen zur Kühlung eine große Frucht In Form geschnitten werden muss oder ähnliches, war ich auf der Suche nach etwas einfacherem. Schließlich wollte ich keine Lebensmittel derart Zweckentfremden ;)

Nun, das Material musste formbar und nass sein. Dabei sind mir meine Kindertage wieder ins Gedächtnis gekommen und die Antwort war ganz einfach: Erde!

Das Verfahren:
In einen Tontopf (Ton wegen der Hitze, ein Plastiktopf schmilzt sicherlich gerne bei der Gasbrennerhitze) habe ich Erde gefüllt und diese mit Wasser getränkt. Der entstehende Schlamm kann gut an die Schneidenform angepasst werden. Man muss darauf achten, die Erde nicht zu nass zu machen, sonst fließt sie und bleibt nicht in der Form, in die man sie bringt. Dann wurden die Klingen mit der Schneide ca. einen knappen cm tief in den Schlamm gesteckt. Das Anlassen wurde mit einem Billiggaskartuschenbrenner gemacht, den es für wenig Geld in jedem Baumarkt gibt. Insgesamt habe ich 3 Klingen eine knappe halbe Stunde differentiell angelassen, zwischendurch wurde die Härte mit der Feile kontrolliert. Man muss auch ab und zu ein wenig Wasser nachgeben, da die Erde an der Oberfläche durch die Hitze austrocknet.

Das Ergebnis:
Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden: Ich habe 3 Klingen aus 1.2519, die zuvor eine halbe Stunde auf ca. 180°C angelassen worden, mit dieser Methode differentiell angelassen. Die Schneide ist dank der Wasserkühlung nicht erwärmt worden, am Klingenrücken greift die Feile ein klein wenig, an der Angel besser, aber nicht so gut wie bei ungehärtetem Stahl. Man kann die Angel auch nicht verbiegen, sie federt sehr gut. Das Ergebnis ist also genau das, was ich wollte.
Leider habe ich keine Härteprüfmöglichkeit, aber vielleicht sende ich eine dieser Klingen zu einem Messermacher, wenn ich sowieso ein Paket zu ihm schicke.

Fazit:
Die Methode ist sehr einfach durchzuführen und verursacht weder einen großen Zeit- oder Kostenaufwand. Wenn man das mit der Zeit und den Kosten vergleicht, die in andere Arbeitsschritte beim Messermachen gesteckt werden, ist dies sicherlich ein lohnender Arbeitsschritt, da die Klingeneigenschaften durchaus verbessert werden. Gerade für große Haumesser ist diese Methode aufgrund der Schlagbelastungen sicherlich sehr interessant.

Hier habe ich noch ein Bild des Aufbaus. Die Erde ist etwas eingetrocknet, aber man kann erkennen, wie einfach das ganze aufgebaut ist.

DifferentiellAnlassen.jpg
 
Hallo pmg,

Du schreibst: "....Die Schneide ist dank der Wasserkühlung nicht erwärmt worden...."

Das bedeutet doch, dass die Schneide noch die gleiche Härte hat, wie nach dem Abschrecken. Ist das nicht zu hart?

Oder ist der Schlamm so "trocken", das die Schneide doch etwas warm wird und dadurch auch angelassen wird?


Gruß
Olli
 
Das Ergebnis:
Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden: Ich habe 3 Klingen aus 1.2519, die zuvor eine halbe Stunde auf ca. 180°C angelassen worden, mit dieser Methode differentiell angelassen. Die Schneide ist dank der Wasserkühlung nicht erwärmt
 
Das Anlassen des Rückens unter Kühlung der Schneide in feuchtem Lehm ist eine von vielen Möglichkeiten. Man kann auf diese Art auch härten und das ist eine sehr alte Methode, die John Seymour in "Vergessene Handwerkskünste" beschreibt. Dazu wird die auf Härtetemperatur gebrachte Klinge nur soweit in den feuchten Schlamm eingetaucht, wie sie härten soll. Es funktioniert-für optimal halte ich das aber nicht.
MfG U. Gerfin
 
Hallo,

ich habe zu dem Thema eine Interessante Diskussion mit Xzenonbenz. Er hat mich auf etwas hingewiesen, was ich bisher nicht kannte: den so genannten Blaubruch, der bei Stählen dieser Art im Bereich von ca. 200-350°C auftritt. Diesen Bereich erreicht man bei der Gasbrennermethode ja zumindest in manchen Klingenbereichen mit ziemlicher Sicherheit.

Bisher hatte ich durch andere Forenbeiträge durchweg den Eindruck gewonnen, differentielles Anlassen sei eine gute Möglichkeit, Klingeneigenschaften zu verbessern. Allerdings ist es ja fast unmöglich, zumindest an Teilen der Klinge den Blaubruchtemperaturbereich zu vermeiden. Daher die Frage: Macht es überhaupt Sinn, Klingen differentiell anzulassen?

Noch ein Thread. in dem der Blaubruch ausführlich behandelt wird:

Zum Thread
 
Zuletzt bearbeitet:
Erst mal muss ich sagen, dass mir deine Methode sehr gefällt, ich mach es etwas anders aber das Resultat wird das gleiche sein.
Dann zum "Blaubruch": also bei mir gab es bisher nie probleme, wenn du vorher alles richtig gemacht hast dann denke ich dass es auch nicht mehr so ins Gewicht fallen wird.
Bei meinen Messern habe ich feststellen können, dass sie dank des Differentiell Anlassens sehr viel Missbrauch vertragen. Also kann diese Methode, die eine Riesen Menge amerikanische und auch weltweit vertretene Messermache, benutzen gar nicht sooo schlecht sein.

Ich persönlich denke, dass man sichher, immer mehr und mehr, aus den Stählen herausholen kann, die wir heutzutage verwenden. Aber wer kann schon das volle Potential aus seine Messern herausholen?
Wieviele Leute, von Köchen mal abgesehen, können von sich behaupten, dass sie ihre Klingen auf Gedeih und Verderb gebrauchen und missbrauchen.
Sicher gibt es viele, die jeden Tag ein Messer bei sich tragen und es auch täglich zum Kartonschneiden verwenden usw. aber wer muss schon noch sein Leben darauf setzen?
Ich nicht! Und wenn ich müsste, dann würde es im Notfall jedes Messer tun müssen! Ich weiß mittlerweile was ich von einem Messer und seinem Stahl erwarten darf und dem entsprechen werde ich es auch verwenden... :ahaa:
 
Ich denke, dass es einfach schwer werden wird mit einem brenner eine konstante Temperatur über längere Zeit zu halten! Ich empfinde das etwas als Schuss ins Blaue! Das kann sicherlich gut klappen, kann aber auch voll in die Hose gehen....

Ich probier lieber die Lehmmantelvariante, da habe ich mehr Kontrolle über die Temperatur und in den 30 Sec. die die klinge braucht um abzukühlen, kann nicht so viel schiefgehen wie wenn ich 30 Minuten mit nem Brenner an der Klinge rummache....

Liebe grüße

Xzenon
 
Xeno
Gut Ding braucht weile!
Ist natürlich Geschmacks- und Übungssache. Ich habe meine erfahrungen gemacht und bei mir funktionierts, was will ich mehr, wenn ich immer wieder die gleichen resultate erziehle, dann hab ich meine methode gefunden. Andere fühlen sich mit anderen Methoden besser, das ist auch voll koreckt, oder :steirer:
Außerdem muss ich sagen dass ich immer über die 400° Grenze hinaus gehe, also gibt es bei mir keine Blausprödigkeit, vieleicht eine ander Sprötigkeit, aber ich lass mich ja gerne aufklären.
Wie auch immer: ein Messer soll schneiden und im Normalen gebrauch weder biegen noch brechen und dass kann man mit einfachen Stählen und ein wenig übung schnell hinbekommen. auch mit sehr einfachen mitteln.
 
Ich glaube das das mit der Blausprödigkeit etwas übertrieben wird.

Die Bezeichnung kommt ja daher das man Stahl, der in dem Temperaturbereich umgeformt wird, eine Bruchfläche bildet die dann blau anläuft.

Hatte, wenigstens ursprünglich, nichs mit der Anlasstemperatur zu tun.

Warum hätte man sonst für Uhrfedern und Degen ein Bläuen angeraten?
 
Die Blausprödigkeit zeigt sich am stärksten bei der Schlagzähigkeit. Sie entsteht durch Ausscheidungsvorgänge, deren Natur wohl noch nicht bis ins Letzte geklärt ist. Ich habe dazu schon wiederholt Stellung genommen und will mich hier nicht wiederholen. Nachlesen kann man darüber etwa bei Rapatz, 5. Auflage Seite 64. Ein dort gezeigtes Schaubild zeigt, daß bei ca 240 Grad die Schlagzähigkeit geringer ist, als im nicht angelassenen Zustand. Die Ergebnisse variieren sicher bei verschiedenen Stählen, generell ist das Phänomen aber nicht zu leugnen.
Mit der Anlaßfarbe hat die Blausprödigkeit nicht ursächlich zu tun, die Farbe ist aber ein Indikator, daß man im gefährlichen Bereich ist. Bei kurzzeitigem Anlassen wird sich die blaue Anlaßfarbe bei C-Stählen oder leicht legierten Stählen bei ca. 300 Grad zeigen. Da ist man über den Temperaturbereich der Versprödung schon hinaus und liegt mit den Zähigkeitswerten wieder wie bei etwa 200 Grad, allerdings mit deutlichem Härteverlust. Bei längerer Anlaßdauer tritt die blaue Farbe schon bei 230-250 Grad auf und zeigt dann einen problematischen Gefügezustand an.
Um auf die hier angesprochene Problematik zurückzukommen: Es ist schon mit einem ordentlichen Lötbrenner kein Problem, eine Klinge partiell zu erwärmen. Nach einem Anlassen der gesamten Klinge auf 180-200 Grad kann man die Schneide gegen die Hitzewirkung schützen-zum Beispiel mit den Methoden, die hier angesprochen wurden- und den Rücken auf blaugrau bis grau erhitzen. Dann liegt man schon in etwa im Bereich der Federhärte. Irgendwo zwischen Rücken und Schneide wird dann auch ein schmaler Bereich liegen, der die oben geschilderte Versprödung aufweist. Da dieser Bereich aber nicht in der Belastungsebene liegt, ist das für die mechanischen Eigenschaften belanglos.
MfG U. Gerfin
 
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