Klaus hat auf den Kern des Problems hingewiesen: Warum soll man bei den fast unzähligen Möglichkeiten geeigneter Werkzeugstähle, bei denen man zwischen "fast unzerstörbar" bis "rasiermessergeeignet" wählen kann, noch aufkohlen, um ein Messer zu machen?
Technisch schwierig ist der Vorgang allerdings nicht. Er kostet nur etwas Zeit. Die klassische Technik, mit der man das Ausgangsmaterial für den gerade für Schneidwerkzeuge besonders geeigneten Raffinierstahl hergestellt hat, war das Aufkohlen in großen Kisten in Holzkohle. Dabei wurden große Mengen aufgekohlt und der Vorgang dauerte mit Hochheizen und Abkühlen bis zu drei Wochen.
Das Verfahren läßt sich beschleunigen, wenn der Holzkohle Stoffe beigemischt werden, die gewisse katalisatorische Wirkungen haben. Verkohltes Leder, verkohltes Horn u. ä. führen nicht nur Kohlenstoff, sondern in gewissem Maß auch Stickstoff zu und beschleunigen die C-Aufnahme.
Der berühmte Naturforscher Reaumur hat umfangreiche Versuche mit allen möglichen Mischungen der Aufkohlungsmittel gemacht. Das ist in dem Buch "Die Kunst des Messerschmieds" nachzulesen.
Heute sind bewährte Aufkohlungsmittel im Handel, bei denen sich die Aufkohlungstiefe und die Höhe des C-Gehalts recht gut einstellen läßt.
Zum Spielen braucht man aber gar nicht viel: Das klassische Einsatzpulver besteht aus Holzkohlengrus als C-Träger und Bariumcarbonat als Katalysator und wird im Verhältnis 90 zu 10 bis 60 zu 40 eingesetzt. Bei ca 950 Grad erreicht man eine Aufkohlungstiefe von etwa 1mm und ca 0,8-0,9 % C in 4 Stunden. Bei höheren Temperaturen wird die C-Aufnahme beschleunigt und der C-Gehalt kann in den Randzonen bis 1,8 % und mehr ansteigen.
Da beim Aufkohlen kaum sonstige Oberflächenreaktionen stattfinden, kann man eine Klinge aus Einsatzstahl fertig schleifen und dann aufkohlen. Begeisternd wird die Leistung aber dann auch noch nicht sein, weil durch die lange Erhitzung ohne Verformung sowohl das Matrix- wie auch das Karbidkorn grob ausfällt und die Karbide sich zusätzlich auf den Korngrenzen abgesetzt haben, also den für die mechanischen Eigenschaften ungünstigen Korngrenzenzementit gebildet haben. Das kann man wieder durch scharfes Normalisieren oder doppelt/dreifach Härten beseitigen und bekommt dann in der Tat eine schneidhaltige und äußerst bruchfeste Klinge- etwa so, als hätte man gleich C75 genommen.
Bei kleinen Gegenständen kann man auch die Reduktionszone eines guten Schmiedefeuers zum Aufkohlen nutzen. Ich mache das gern bei Pfeilspitzen, die ich aus Baustahl schmiede, die aber durch hohes Erhitzen eine beachtliche Randaufkohlung erfahren. Meine Beschußversuche mit 2,5 mm Eisenblech habe ich mit diesen Spitzen gemacht und sie überstanden sie ohne Beschädigung (Natürlich Bodkinspitzen und keine Broadheads).
MfG U. Gerfin