Ein Klassiker im neuen Gewand - Mercator Messing

[Nick]

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Moin Zusammen,

in den letzten Monate ist es bei mir in Bezug auf das Ansammeln von Messern quantitativ deutlich ruhiger geworden, woran die Herren Hauschild und Kovac (Attila) eine gewisse Mitschuld haben. Dies ist ist dem Umstand geschuldet, dass in Anbetracht ihrer Werke meine Lust auf Standard- bzw. Serienprodukte nahezu auf den Nullpunkt sank.
Nun hat es aber doch ein Serienprodukt geschafft, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Was war der Ausschlag? Modernste Materialien, ein noch nie gesehenes Design, ein in geheimsten Laboren ersonnener Mega-Stahl?
Mitnichten.
Ich bin fast geneigt zu behaupten, das genaue Gegenteil der genannten Möglichkeiten hat mich mit seiner schlichten Genialität in seinen Bann gezogen.

Die Rede ist von einem der Traditionswerke deutscher Messerbaukunst, dem Mercator.

Nun besitze ich keine Präferenzen oder gar Vorlieben für monarchische Systeme, dieser "Kaiser" verdient aber doch ein wenig Huldigung.

Ein kurzer Blick in die Geschichte:

Im Jahre 1856 wurde die Firma Heinrich Kaufmann und Söhne - India-Werke - in Solingen gegründet, und erlangte dank unterschiedlichster Produkte im Bereich der Stahlwaren bald weltweite Bedeutung, insbesondere im Handel mit Britisch Indien.
1867 begann die Firma mit der Herstellung des sogenannten "Mercator-Messers, dessen Bezeichnung aus der lateinischen Übersetzung des Namensgebers "Kaufmann" herrührt.
Das Messer kam in unterschiedlichen Ausführungen, z.B. als mehrteiliges Messer mit Korkenzieher, Ahle und Dosenöffner auf den Markt. Der Klassiker war allerdings ein ebenso simples wie praktisches Ein-Klingen-Modell, dessen Klinge in einem schwarz lackierten Eisenkasten untergebracht und durch ein "Midlock"-System, also einem mittig sitzenden Verschluss, bestehend aus zwei Federn, arretierbar war. Dadurch wurde eine extrem flache Bauweise realisiert und fand so eine große Verbreitung, auch die Altvorderen hatten bereits eine Vorliebe für "EDC" ;)
Der inoffizielle Name "Kaiser-Wilhelm-Messer" ist der großen Beliebtheit des Mercators zu Zeiten ebendieses Monarchen geschuldet, so soll das Messer insbesondere bei den Soldaten sehr verbreitet gewesen sein, ohne jedoch ein offizieller Ausrüstungsgegenstand gewesen zu sein.
Nach Auslaufen des Patents in den 1920er Jahren wurde das Messer auch von anderen Herstellern produziert.
Nach Ende des zweiten Weltkriegs wurde das Messer von amerikanischen Soldaten in die USA mitgenommen und erfreute sich auch dort großer Beliebtheit, hier unter dem Namen "Black-Kat-Knife", ausgehend von der ursprünglich eingestanzten Katze auf dem Griff.
Der ursprüngliche Hersteller, Kaufmann und Söhne, ging leider 1995 in den Konkurs, seitdem ist die Firma Otter in Solingen alleiniger Produzent des Mercators.
Nun fand ich dieses Modell dank seiner Einfachheit und aufgrund der historischen Relevanz schon immer interessant, es fand bisher aber nicht Einzug in meine kleine Sammlung oder gar in die Hosentasche. Daran änderten auch verschiedene Ausführungen (kleines Modell ohne Verriegelung, Modelle in blau, rot und mit moderneren Musterungen, selbst als "Multi-Modell" mit weiteren Werkzeugen) nichts. Bis ich Ende letzten Jahres auf der Hompage von Otter schließlich eine neue Variante entdeckte, die schließlich und endlich der eigentliche Inhalt dessen sein soll, worauf ich seit fast 500 Wörtern hinaus will:

Das Mercator in Messing-Ausführung:

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Ja, so einfach kann zuweilen Faszination sein. Kein neuer Mega-Stahl, sondern simpler C75. Erfreulicherweise (und bisher meiner Erfahrung nach nicht unbedingt eine Stärke von Otter) mit einem scharfen, dünn ausgeschliffenen Flachschliff.
Keine modernsten Materialien, sondern altehrwürdiges Messing.

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Kein bahnbrechender neuer Mechanismus, sonder ein bereits im 18. Jahrhundert entwickelter Rückenfederverschluss, der zu meiner Freude die Klinge bombensicher und spielfrei feststellt.

Optisch ist wohl der größte Unterschied zum historischen Modell, dass sich statt der Katze nun erklärlicherweise ein Otter auf der Griffschale befindet :steirer:

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Geblieben sind die extrem flache Bauweise, die dennoch eine gute Handlage ermöglicht, sowie eine knapp 9 cm lange Klinge, die aufgrund ihrer Form und der feinen Schneide ein hervorragendes Messer für den Alltag abgibt.

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Bei dieser Version ist ein vielleicht praktisch nicht notwendiges, aber aus meiner Sicht sehr dekoratives Lederband enthalten, optional ist auch eine Ledersteckscheide erhältlich.


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Eine solche wird für mich aber erstmal nicht notwendig sein, ich freue mich gerade wie Bolle auf die bald beginnende Patina am wundervollen Griff und ebenso an der Klinge, die diesem Klassiker einen ganz eigenen Charme verleihen wird.



Ich hoffe, Euch hat diese kleine Vorstellung ebenso Freude bereitet wie mir, vielleicht kann der eine oder andere auch eigene Erfahrungen zu diesem Messertyp beitragen.

Beste Grüße,

Nick

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Moin Nick,

vielen Dank für die Präsentation dieses schönen Messerchens. Kommt sofort auf die Wunschliste auf einen der oberen Plätze. Carbon und Messing. Die Kombi gefällt mir schon bei meinen Higonokami so gut. Nun als "richtiges" Taschenmesser zu akzeptablem Preis :super: ...

LG R'n'R
 
Ganz feines Teil, ich hab das schwarze, das hier gezeigte kommt mit Sicherheit dazu! Schöne Bilder eines schönen Messers.
Mir geht's genauso, es kamen viele customs, Serienmesser gingen und Serie kam nicht dazu!
Gruß, olli

@peter, soll ich es dir mitbringen?
 
Servus.

Ich hoffe, Euch hat diese kleine Vorstellung ebenso Freude bereitet wie mir

na absolut, eine tolle Vorstellung! :super:

Folder interessieren mich ja weniger, aber das gezeigte gefällt und R'n'R hat den Reiz von Carbonstahl und Messing flugs erkannt!
Dem unterliege ich auch!

Danke für die güldene Verführung/Vorführung!

Gruß, güNef
 
Besten Dank für Dein Review [Nick],
endlich mal eine Messerbetrachtung die im Endeffekt nicht so teuer wird.

Die Combo Messing/Carbon finde ich auch herrlich oldschool.
Auf meinem Schreibtisch liegen drei Messer bereit - ein Higonokami, ein Svord Peasant mit Messinggriff ( dafür könnte ich Jenni immernoch knutschen:)) und ein Mercator mit schwarzem Griff, welches dort wohl die längste Zeit gelegen haben wird:haemisch:

Danke fürs Zeigen
Excalibur
 
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Klasse. Danke für die Vorstellung, bin infiziert! Hab bisher das normale schwarze (oft dabei) und den großen Mehrteiler (Schublade), träume zwar immer wieder mal von einem Mercator in Titan mit Niolox-Klinge, aber das hier ist genauso interessant.
 
Tagtäglich habe ich ein Mercator Carbon (s. "Die Geschichte meines EDC" hier im Forum) in der Jackentasche und den Kaweco Lilliput Messing-Füller, sowie den Midori Messing-Taschenbleistift in der Hemd- oder Hosentasche als EDC. Beim Lesen Deiner Vorstellung bekam ich Schnappatmung und Bluthochdruck! :irre:

Da schaut man seit Jahren regelmäßig bei den Otters vorbei und dieses schöne Ding hätte ich ohne Messerforum wohl übersehen... Vielen Dank!
 
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Uiuiuiuiui!

Das Mercator hab ich ja schon lange im Hinterkopf... das schwarze haben wir ja schon zuhause liegen... aber die Messingversion ... geil :super:
Danke für den Review!
 
Wahnsinn! Das könnte Otter doch als Sammlerversionen weiterführen - verschiedene Metall-Griffmaterialien: Messing, VA gebürstet, Alu, Titan (bei den Abmessungen müsste doch sogar Kupfer gehen), als Edelversion Mokume..........
 
Setz denen doch keinen Floh ins Ohr, wir müssen es dann doch nur wieder ausbaden [emoji1].

Bin jedenfalls auch schon höchst interessiert. [emoji106]
 
Vielen Dank für den Hinweis, ein schickes Teil. Bei einer Version in VA oder Titan mit rostfreier Klinge wäre ich der erste Kunde...
 
Moin Zusammen,

vielen Dank für Eure netten Rückmeldungen!

Ja, dieses Modell hat durchaus noch Potential, erstaunlich für so einen "alten Sack". :steirer:
Erfreulicherweise zeigt Otter in letzter Zeit die Ambition, die Klassiker weiter zu verbessern und in guter Verarbeitung anzubieten, so ja auch das neue Ankermesser aus dem Hause.

Gawan,
Deine Geschichte hat mich bei dieser Anschaffung durchaus inspiriert, da es mir doch recht ähnlich geht wie Dir. Gerade in der Einfachheit kann ein überaus großer Reiz liegen, zumindest wenn Qualität und Design stimmen. Ich bin schon gespannt, wie das neue Modell Dir gefallen wird :hehe:

Gruß,

Nick
 
Ich bin schon den ganzen Tag am Schneeschaufeln, damit der Paketträger nur ja hier ankommt....
Das Mercator ist einfach ein Design, welches funktioniert. Wenn etwas solange auf dem Markt ist, dann muß das Gründe haben. Einzig beim Zerteilen eines riesigen Fladenbrotes hat es versagt, weil es einfach keinen Bauch an der Klinge hat. Da mußte dann das Swede 88 ran. - Womit dann auch für die Göttergattin der Beweis ad oculi demonstriert ward, daß Werkzeugabstufungen notwendig sind.
 
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Und wegen diesem tollen Bericht schmerzen mir jetzt die Finger. Meine Frau hat mich beim bestellen erwischt und das Notebook zugeschlagen bevor ich bestätigen konnte :(
 
Das "güldene Schwert" ist angekommen! :super: Da ich schon die rostende Carbon-Variante besitze, habe ich mir die Messingvariante mit Stainless-Stahl ausgesucht.

Der erste Eindruck: Einfach schön!:applause:

Eine kleine Delle an der Griffecke und ein winziger Kratzer sollten bei einem 50-€-Messer mal erwähnt werden, stören mich aber nicht. Das Otter-Signet macht schön was her.

Viel besser ist die Zentrierung der Klinge: Sie liegt eingeklappt genau mittig, was man bei meinem alten Messer wahrlich nicht sagen kann. Der Nagelhau ist wesentlich dezenter als früher.

Liegt es an einem Knick in meiner Optik, aber zuerst dachte ich, die Klinge sei schmaler. Meine China-Plastik-Schieblehre meint, die Klingen seien gleich breit - dann aber fehlte was, denn die alte Karbonklinge ging schon tausend mal über den Stein und durch das weggeschliffene Material müßte sie logischerweise schmaler sein, als ein neues Messer. :confused:

Getäuscht habe ich mich auch in der Klingendicke: Zuerst dachte ich, das Messingmesser habe eine dünnere Klingendicke. Das wäre mir auch nicht unrecht gewesen! Beim genauen Hinsehen erkennt man aber, daß die Kanten des Klingenrückens gebrochen sind, was in der Draufsicht einen schmaleren Fuß macht und ein kleines, aber feines Detail ist.

Ein weiterer, minimaler Unterschied besteht darin, daß der "Buckel" des Verriegelungshebels etwas kantiger ist, was sogar eine bessere Daumen. Beim alten Modell ist das etwas runder. Ich nehme jetzt mal nicht an, daß ich den mit meinem Daumen durch den Gebrauch rundgeschliffen habe...:staun:

Die Auslieferungsschärfe war akzeptabel - Manche würden es "Gebrauchsschärfe" nennen. Als carbonstahlverwöhnter Haarespalter werde ich da in nächster Zeit noch herumexperimentieren.

Die Lieferung kam in einem Pappkistchen, worin das Messer in Packpapier eingeschlagen war: Nostalgisch wie im alten Kaufmannsladen und umweltfreundlich! Ich mag das!
Ein kleiner Beipackzettel zur Pflege und -ganz nett!- ein Ballistoltüchlein lagen bei.

Den Rest des Abends macht es hier dann jetzt klick - klack - klick - klack... :D:D:D
 
Moin Gawan,

danke für Deine Einschätzung und Unterscheide zur Standard-Version, das bestärkt mich in meinem Eindruck, dass Otter eine Schippe drauf gelegt hat, eben nicht nur in der Materialwahl.

Anbei mal ein aktueller Stand bzgl. der "Patinasierung", das macht richtig was her, ich hätte nicht gedacht, dass so ein simples Serienmesser mich noch mal so erfreuen könnte...

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Sven, so etwas bestellt man gefälligst auch ohne die Anwesenheit der Finanzaufsicht. :hehe:
 
Jaaa mit Damstklinge, das wäre absolute Weltklasse!! Wann kann man damit rechnen (mal bei Otter nachfragen)?

Habe nun auch seit gestern das Messingmercator mit Carbonstahlklinge und Lederbanderl am Mann und ich muß sagen ich bin begeistert! Reduziert auf das Wesentliche, leicht, schmal und toll verarbeitet!

Vielen Dank an Nick für die Vorstellung und damit quasi Wiedererweckung dieses Klassikers bei mir!

Fotos des Messers folgen in diesem Thread - aber natürlich erst mit Patina.

Gruß

Christoph
 
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Moin,

uuups, war das ein Verkaufsstand von Otter? Edel edel, wäre wirklich interessant zu erfahren, ob Otter das in Serie herausbringt. Danke für das Bild.

Chris, schön, dass Dir das Messer auch so gut gefällt, ich freue mich auf Bilder.

Gruß,

Nick
 
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