Eindrücke zu Wilkins´ Basic Military Field Knife + Nestorkydex - bild- und wortlastig

Headshrinker

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Diese und weitere Bilder in höherer Auflösung im Fotoalbum
http://www.messerforum.net/fotoalbum/showgallery.php?cat=2193


Prolog, kann übersprungen werden

Meine messerseitigen Interessensschwerpunkte liegen seit ein paar Jahren eigentlich in einer ganz anderen Richtung. Dünne rostende Klingen, oller Knochen oder Holz am Griff usw., der langweilige Traditionskram eben. Schneidet und schärft sich toll, greift sich haptisch wie optisch wunderbar.
Aber wenn man mal ehrlich ist: Im Zweifelsfall rosten die Dinger halt ganz ordentlich, wenn man einmal gezwungen sein sollte, sie dreckig zu versorgen. Nagelnd dünne Klingen können brechen. Fernab der Zivilisation möchte ich auch nicht unbedingt mit der Hand vom parierelementlosen Griff auf die Klinge gleiten (und mit blutigen oder klammen Fingern kann das im dümmsten Fall nun mal passieren.) Theoretisch. Praktisch ist der nächste Dschungeltrip noch nicht geplant. Und wenn selbst der „Tempeldiener“ Micarta an sein personal knife pappt, wird da schon was dran sein.
Kurzum, zu diesem Zweck ist in meinem Fundus als eines der wenigen rostträgen Messer ein kleines robustes Feststehendes aus RWL-34 und Micarta von Johann Klemm verblieben. Als Manko ist mir der Griff ein wenig zu klein.

Ende der Vorrede



Im letzten Jahr fiel mir Kevins Modell Basic Military auf. Von den Voraussetzungen genau das, was ich suchte: kompakte Allzweckgröße, aus geeignetem rostträgen Stahl (heißt, kein CPM, kein D2), robuste Geometrie bei noch guten Schneideigenschaften, Handschutz, rutschsicherer Griff aus Kunststoff.
Mittlerweile ist eines bei mir gelandet und ich wollte hier meine Eindrücke schildern.




Klingenlänge 117 mm, Grifflänge 127 mm
Klingendicke max. 4 mm, Gesamtlänge 233 mm
14C28 und braunroteswüstentarnirgendwas Micarta






kurz gesagt: An dem Messer gibt es nichts Ernsthaftes auszusetzen. :super:


Die Klinge hat eine schöne und praxisgerechte Formgebung. Die Kombination aus Flachschliff, langer Fehlschärfe und fast mittelspitzer Form sieht einfach gut aus. Das steingewaschene Finish passt hervorragend dazu und sollte im Gebrauch unempfindlich sein.

Die Mischung aus Flach- und Spitzerl verschwindet nahtlos im Griff. Der zweigeteilte Griff ist passgenau gefertigt, der Übergang ist praktisch nicht zu spüren.





Auch im zerlegten Zustand zeigt sich: Hier hat sich jemand Gedanken gemacht. Der Erl ist überall deutlich gerundet, keine scharfen Winkel, die einen Schwachpunkt darstellen könnten. Der Erl passt haargenau in die Ausfräsungen in den Schalen. Die sechseckigen Gewindehülsen stecken verdrehsicher im Erl. Passt alles bombe und ist augenscheinlich sehr gut gefertigt.














Die Handlage des Messers in meinen mittelkleinen Händen ist sehr gut. Da kneift und rutscht nichts, die Griffkanten sind angenehm abgerundet.







Weiterhin finde ich es gut, dass Kevin das Messer ohne Scheide feilbietet. Meine persönliche Meinung bzw. Erfahrung ist, dass bei den allermeisten Messern, Handgemachten und Großserie, die Scheide qualitativ dem Messer nachsteht oder nicht meinen Vorstellungen entspricht oder beides. Hier hat der Käufer gleich die Möglichkeit, eine Scheide nach Bedarf zu besorgen, ohne erst eine andere mitzahlen zu müssen.



Auch wenn ich vom Messer begeistert bin, ein, zwei Punkte möchte ich noch erwähnen, aber das ist schon Jammern auf dem berühmten hohen Niveau.

Die Schneide ist nicht 100% symmetrisch, heißt, die Schneidfase hat auf beiden Seiten nicht den gleichen Winkel, wodurch die Schneidkante leicht außermittig liegt. Am auffälligsten beim Blick auf die Spitze. Praktisch hat das natürlich keine Auswirkungen, zumindest ist es mir beim Gemüseschneiden nicht weiter aufgefallen.

In dem Bereich über der Schneide wird die Klinge zur Spitze hin dicker. Das stelle ich bei sehr vielen Messern fest und habe ehrlich gesagt nie verstanden, wo da in der Herstellung die Schwierigkeit liegt. Praktische Auswirkungen wird auch das eher nicht haben, und andererseits wird dadurch die Spitze prockelresistenter.

Die linke Griffhälfte hat auf der Vorderkante zur Klinge hin auf kompletter Höhe eine sicht- und spürbare Kante, als ob der Fräser falsch angesetzt hätte.



Ob das ein Spezialfall oder auch bei anderen Exemplaren so ist, weiß ich nicht.




ein paar Worte zur Scheide




Ich habe das Messer aus minimum dritter Hand erworben. Einer der Vorbesitzer hatte von Nestor/Alfred Wolter eine sandfarbene Kydexscheide mit Lederfutter anfertigen lassen, ein weiterer Vorbesitzer hat den kydex-ledernen Gürteladapter von Nestor dazu erworben.
Das ist das erste Mal, dass ich eine Scheide von Nestor in Händen habe und ich muss sagen, von der Verarbeitungsqualität her ist die Hülle super gemacht. Schöne Form, gerade so groß, wie sie sein muss, passt gut zum Messer und hält dieses absolut sicher fest.













trotzdem einige Kritikpunkte

Ein Lederfutter im Kydex mag eine gute Sache sein, wenn man Kratzer auf der Klinge verhindern möchte (ob das bei einer Stonewashed-Klinge notwendig ist, weiß ich nicht). Allerdings macht man damit in Bezug auf ein Outdoormesser, das auch benutzt werden soll, einen (für mich den entscheidenden) Hauptvorteil von Kydex zunichte: die Feuchtigkeitsunempfindlichkeit. Ich finde Kydex nicht sonderlich schön, aber man kann ein Messer eben auch mal schweißig oder sonstwie verdreckt reinstecken und die Scheide später ausspülen. Mit Lederfutter: :rolleyes:

Hier kommt verschärfend hinzu: Die Scheide hält nicht durch Einrasten im Griffbereich des Messers, sondern hauptsächlich durch den extrem strammen Sitz an der Klinge.



An diesem Punkt erhöht sich beim Einführen des Messers bereits der Widerstand.



Ab hier lässt sich das Messer nur mit hohem Druck hineinschieben.


Das Messer muss also stets penibel gereinigt werden, weil man jegliche Anhaftung sonst wunderbar ins Lederfutter schmiert. Ziemlich unpraktisch, finde ich.
Ein Ziehen des Messers mit einer Hand in einer Bewegung ist nicht möglich, mehrfach muss nachgefasst werden, um das Messer gegen die hohe Haltekraft stückweise zu befreien.




Der Gürteladapter ist eine schöne Idee und passt optisch super zu Scheide und Messer.







In der vorliegenden Form allerdings hat er zwei entscheidende Schwächen.

Die beiden Kreuzschlitzschrauben sowie die beiden Gewindehülsen sind jeweils gleich lang und nicht allzu großzügig bemessen. Die untere Hülse reicht, um den Gummipuffer aufzustecken. Bei der oberen Schraube kommt die Dicke des Leders hinzu, die Folge: Der Puffer wird nur von der Schraube geführt und die Schraube greift nur mit ca. 1/3 Umdrehung in der Gewindehülse, auch wenn man den Puffer ausnutzt und die Schraube ordentlich fest anzieht. Leichtes Lösen der Schraube genügt und sie kommt einem entgegen.






Zum zweiten ragt der untere Hülsenkopf in den ohnehin engen Raum zwischen Kydex und Leder. Besonders scharfkantig ist der Kopf nicht, aber es hat gereicht, meinem Gürtel einen deutlichen Kratzer zu verpassen.

 
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Nachspiel

Das Messer gefällt mir sehr gut. Die genannten Kritikpunkte sind pillepalle und das Messer eh zum Gebrauch vorgesehen.
Ich halte das Teil für einen ziemlich großen Wurf. Für knapp 200 Euro erhält man ein durchdachtes, robustes und gut gemachtes Messer aus deutscher Produktion und hat dazu noch die Wahlmöglichkeit aus verschiedenen Griffmaterialien und -farben. Inklusive Wunschscheide sollte man damit deutlich unter 300 Euro bleiben und hat ein top Outdoormesser.


Die Scheide hinterlässt bei mir einen zwiespältigen Eindruck. Gut geeignet ist sie für Transport und Aufbewahrung eines Messers, das keine Kratzer bekommen soll und nach Gebrauch trocken und sauber versorgt wird. Mit dem Gürteladapter kann ich nichts anfangen und werde das Messer wohl in der nackten Hülle mitführen. Mal schauen, ob ich mir mittelfristig etwas anderes besorge. Es wird schon schwierig, das Messer im Revier zum Aufbrechen zu verwenden. Selbst wenn man Wasser dabei hat, ganz sauber bekommt man das Messer erst zuhause und was man ins´s Lederfutter schmiert, das bleibt einem wohl erstmal erhalten.




Gegebenenfalls ergänze ich hier weitere Erfahrungen mit dem Messer.


Andere Besitzer und Nutzer des Modells sind hiermit explizit aufgefordert, ihre Eindrücke und Meinungen zu schildern! Und immer her mit Bildern! :D




Ergänzung (einen neuen Beitrag ist das wohl kaum wert)
... Und bevor nochmals sinnfrei über die
eingeschränkte jagdliche Nutzbarkeit oder
warum ein Holster für ein Messer mit DLC-
Beschichtung ein Lederfutter braucht
spekuliert wird:
der Kunde hat es so bestellt.
Nestor ...
(von hier: http://www.messerforum.net/showthread.php?75918-Neue-Kydexe&p=929751&viewfull=1#post929751)

Zum letzten Satz muss man nichts sagen.
Ansonsten: Ich behaupte, ich schreibe hier über nichts, was ich nicht beurteilen kann. Meine Aussagen sind begründet, man zeige mir bitte die Spekulation. Und was sinnfrei ist oder nicht, mag jeder anders beurteilen. Nachdem ich Obiges gelesen hatte, war ich schon versucht, das Ganze beim letzten Bock zu dokumentieren, dabei hatte ich das Messer. Doch dafür die Scheide versauen? Außerdem fotografiert es sich allein bei der Arbeit so schlecht.
Eventuell habe ich etwas über´s Ziel hinausgeschossen. Wenn man sich durch Kritik am Produkt auf den Schlips getreten fühlte, könnte man ja auch Kontakt aufnehmen, anstatt in irgendeinem anderen Beitrag, der nichts damit zu tun hat, Spitzen loszulassen. Fände ich zumindest professioneller.
Bemerkenswert auch, dass nicht auf die Kritik am Adapter eingegangen wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für den Bericht und die tollen Fotos! Vor allem die Fotos mit abgenommenen Griffschalen fand ich sehr interessant. Kevin macht durchdachte Messer, er müsste sie m. E. nur etwas besser vermarkten. Solche Bilder, die den starken Erl zeigen, wären doch sehr verkaufsfördernd auf seiner eigenen Homepage.

Ich mag mein BMFK sehr gern und finds schade, dass ich so selten dazu komme, es zu tragen.

Hier stehen auch noch ein paar Eindrücke, u. A. von mir:
http://www.messerforum.net/showthread.php?109601-Basic-Military-Field-Knife-auf-Lager

Prinzipiell finde ich es ja auch nicht schlecht, dass das Messer nicht mit einer eigenen Scheide geliefert wird und man sich so aussuchen kann, wie man das Messer trägt. Aber es wäre schön, wenn als Hilfestellung direkt vom Messermacher ein paar Scheidenbauer genannt würden, die eine passende Scheide anbieten und nicht das Messer benötigen, um sie anzufertigen. In Leder, Kydex und gerne auch Cordura. Wenn man als Käufer nicht so in der Materie drin ist und die üblichen Verdächtigen aus dem Forum kennt, tut man sich sonst evtl. recht schwer.
 
Stimmt schon. Kevin selbst bietet ja zumindest eine schwarze Lederscheide von Viktor Bärwald an (er nennt ihn allerdings Bauerwald). Und für ein anderes Messermodell scheint er einen Kydexbäcker an der Hand zu haben.
 
@Headshrinker
Schönes, ausführliches Review mit ausgezeichneten Bildern. Haste fein gemacht :steirer:
Ich habe Dir ja gesagt, dass ich das Wilkins sehr bald vermissen werde. Du hast mit diesem Review ordentlich nachgeholfen. Schönen Schrank auch! :(

Bin auf weitere Berichte insbesondere bzgl. des Gebrauchs gespannt. Hier würden mich insbesondere Aussagen zur Haptik unter langem Gebrauch sowie zu Schneideigenschaften und Schnitthaltigkeit interessieren.

Gruß
 
kleines Update



Das Wilkins wurde ab und an zum Obst- und Gemüseschneiden benutzt. Dabei schnitt es so gut, wie Messer mit 0,5 - 0,8 mm Klingendicke über der Schneide und ca. 40° Schneidenwinkel halt so schneiden. Gut, aber Küchenmesser machen´s besser.


Vorgestern hab ich beim Aufbrechen vom Bock dat kleene schmale Boll ein wenig geschont und zunächst das Schloss mit dem Wilkins geöffnet. Danach hab ich mit dem Messer noch das Brustbein durchtrennt. Dabei war ich nicht zimperlich und hab auch mal etwas seitlich verkantet und Druck auf den Klingenrücken ausgeübt.
Nu ist ein Rehbock wahrlich keine Mammutaufgabe für ein Messer, aber Knochen bleibt Knochen.


Die Schneide hat keinerlei Blessuren erlitten und ist so scharf wie vorher, Punkt. :super:
 

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Grüß dich,
Danke für die tolle Beschreibung dieses Messers, vielleicht kann ich auch einmal eines ergattern!
Hast du das Messer schon einmal nachgeschärft? Wenn ja,wie schleift sich der Stahl, die Schärfe hält er glaube ich recht gut!
Beste grüße
Munin
 
Danke dir!

Nein, hab es noch nicht geschärft.

Wie im ersten Absatz erwähnt, suchte ich etwas aus "geeignetem rostträgen Stahl". Heißt für mich: kein ewig scharfes sprödes Karbidmonster mit Schneidenwinkel jenseits der 50°, sondern einigermaßen schnitthaltig und gut nachzuschärfen. 440er, AUS8, 12C27 wären so Kandidaten. Denke, da passt der 14C28 ganz gut.
 
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