Erster Eindruck: STEELTAC Resolution

fuchs

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Seit 5 Tagen trage ich nun das Resolution als EDC – Zeit für eine erstes Resümee.

Fotos habe ich nicht gemacht. Sie existieren hier ja bereits in ausgezeichneter Qualität.

Erster Eindruck, als ich das Köfferchen öffnete: Das Messer ist hübsch und - klein. Es wirkt auf den ersten Blick wie ein Miniatur-Outdoormesser mit kräftigen G 10-Schalen und einer fein polierten Klinge.
Bevor man sich den anderen Spielsachen im Koffer widmet, nimmt man es in die Hand und schaut genauer: Aha, da ist die blaue Zwischenlage unter dem schwarzen G-10, bei schlechtem Licht kaum zu sehen. Und der polierte Clip – der sieht wirklich fein aus.
Anpassung der Griffschalen an das Metall: tadellos, da ist kein Spalt und steht nichts über. Der Clip sitzt genau richtig, nämlich mit einem kleinen Luftspalt zur Griffschale, der das Einclippen in die Tasche erleichtert. Das G-10 ist schon rau genug, um die Hosentaschen zu stressen...
Dann mal die Klinge genauer anschauen: fein satiniert, fast schon poliert auf der Schneidefläche, etwas gröber gebürstet der Ricasso und der halbe Rücken.
Das Filework der Daumenauflage ist genau richtig lang und nicht zu scharfkantig . Da gibt es nichts zu meckern. Auch die Griffgestaltung ist optimal. Das Messer schmiegt sich in die Hand, jeder Finger findet sofort seine Position. Auf der Unterseite sind die Kontaktflächen für die Finger nicht poliert, sondern rau gelassen. Das erhöht die Griffigkeit – sehr durchdacht. Die hier bereits monierten hohen Schraubenköpfe stören mich nicht. Keinesfalls drücken sie beim Zugreifen im Handteller. Scharfkantig oder störend ist hier nichts, aber ein Handschmeichler ist das Resolution auch nicht, das verhindert schon das G 10 und das insgesamt eher funktional-militärische Design des Messerchens.
Dann die erste Überraschung: Die Klinge ist scharf. Halt, nein – sie ist sauscharf! Ich kann mich nicht erinnern, jemals ein Messer aus der Box genommen zu haben, das mit einer solch rasiermesserartigen Schärfe daher kommt. Sie hat aber nichts Bissiges, sondern wirkt beim Schneiden ehe sanft-gefährlich wie eine kleine Raubkatze. Sie geht eben einfach durch, egal ob durch Papier (man braucht keine Schneidebewegung zu machen, heranhalten und nach unten drücken genügt) oder Obst, Tomaten, Fleisch oder – eine Herausforderung für die meisten Klingen – das Öffnen der Chipstüte, die verdammt noch mal wieder auf dem abendlichen Wohnzimmertisch liegt. Dieses fiese Plastikmaterial hat gegen das Resolution (leider) keine Chance...
Hier kommen sicher der perfekte Hohlschliff und der Stahl positiv zusammen, der fantastische Schneideigenschaften zu haben scheint. Über seine Schnitthaltigkeit kann natürlich noch nichts gesagt werden.

Dann die zweite Überraschung: Man steckt das Messer in die Scheide und – tut sich schwer. Die Klinge gleitet sanft hinein, bis der angeschliffene Teil endet. Nun stockt die Sache und lässt sich nur mit Nachdruck hineinschieben. Lustig wird’s beim Herausziehen. Es geht schwer, sehr schwer. Man muss die winzige Scheide schon ordentlich festhalten und dabei aufpassen, dass der Zeigefinger nicht gerade da liegt, wo gleich mit einem Ruck die eben noch so gelobte Schneide herausfährt – das wäre fatal!
Dann ist das Messer doch noch rausgekommen und bringt gleich was mit: schwarze Krümel oder besser gesagt Fusseln von der Mikrofaser der Innenbeschichtung des Kydex. Das wirkt nicht ganz so wertig wie der Rest. Ich denke, die Beschichtung kann nicht für die Schwergängigkeit des Vorgangs verantwortlich gemacht werden – im Gegenteil müsste sie eher ein besseres Gleiten ermöglichen. Die Scheide ist m.E. schlicht zu eng. Dazu kommt, dass man beim Übergang der Schneide zum Ricasso besser die Kanten gebrochen hätte. Sie sind verantwortlich für die schwarzen Krümel. Nachdem ich in den paar Tagen das Messer vielleicht 40 oder 50 mal herausgezogen und hineingesteckt habe, geht es besser und die Fusseln haben sich auch verkrümelt. Aber das Ganze ist arg eng, gerade an der Schneide, was außerdem leicht dazu führen kann, dass man bei geringster Verkantung ins Kydex schneidet. Das ist ärgerlich.
Außerdem frage ich mich, wie man das Messer einhändig ziehen soll, wenn es am Gürtel getragen wird. Wahrscheinlich zieht man sich die Hose bis unter die Achseln. Da ich es erworben habe, um es in die Tasche eingeclippt zu tragen, ist das für mich kein Beinbruch, aber ich meine, letztlich ist es wie beim TÜV: Was dran ist, muss auch funktionieren.
An der Scheide könnte also noch nachgebessert werden.

Der Rest in der Box: Tek-Lok, Ersatzschrauben, Torxschlüssel, Anleitung (in der keine umwerfenden Neuigkeiten stehen – Trageweisen, lebenslange Garantie, unterschriebene Seriennummer etc.) und Lanyard.
Der Hersteller empfiehlt, den Lanyard als Ziehhilfe am Messer zu befestigen, wenn es am Gürtel getragen wird. Beim Tragen in der Tasche soll man den Lanyard unten an der Scheide befestigen, damit man es besser aus der Scheide ziehen kann (sic!). Ich habe das nicht probiert, da ich den langen Lanyard nicht zusätzlich zum Messer in der Hosentasche haben möchte. Das ist ja gerade der Vorteil dieses Messer: Man hat es wie einen Folder eingeclippt in der Tasche. Die Länge ist angenehm, es trägt nicht auf und stört selbst beim Sitzen nicht.

Sinn oder Unsinn dieser Beigaben kann diskutiert werden. M.E. erschließt er sich aus der Frage nach dem Kunden. Für einen Messerfreak mit mehr als zehn Messern in der Vitrine hätten es die Ersatzschräubchen wahrscheinlich getan. Einen passenden Torxschlüssel haben wir wohl alle rumliegen, einen Tek-Lok auch und selbst ein überzähliger Lanyard dürfte sich irgendwo anfinden.
Wenn jemand sich aber dieses Messer als Bestandteil seiner Ausrüstung kauft, der eine ganz andere Beziehung zu Messern hat als wir, sie einfach als Werkzeug in seinem Alltag sieht, dann freut er sich sicher über das Köfferchen mit Inhalt, das ihn außerdem wahrscheinlich an den Koffer erinnert, in dem einst seine Glock, H&K oder was weiß ich zu ihm kam.

Über die Frage, ob das Messer ohne den Koffer billiger hätte sein können und um wie viel, will ich hier nicht spekulieren. Die Antwort, ob der Preis eines Messers zu hoch oder angemessen ist, liegt einzig im Auge des Betrachters. Und es gibt sicher etliche, die sich Messer kaufen und denen EUR 100.- rauf oder runter nicht allzu viel ausmachen – unter uns und unter den anderen (s.u.)

Damit komme ich zu einer Frage zu diesem Messer, die sich mir nach einiger Zeit aufdrängte und die nicht direkt mit der Qualität und seinen Eigenschaften als Messer zu hat, sondern mit der Marketingseite des Produktdesigns:

Für welche Zielgruppe ist das Produkt gedacht?

Die Steeltac-typische Werbung lässt den Schluss zu, dass das Resolution sich an Angehörige im weitesten Sinne des Sicherheitssegmentes wendet, insbesondere an Personenschützer - der schicke Anzugträger Franz Gärtner soll wohl diese Assoziation nahe legen. Dafür passt es bestimmt. So einer will ja nicht irgendeinen alten Feitel hervorzaubern, wenn er nach einem Messer gefragt wird oder eins braucht, und erst recht kein Schweizer – das wäre absolut uncool.
Nun gibt es ja nicht allzu viele Franz Gärtners. Polizisten gehören z.B. auch zum Sicherheitssegment. Die, die ich kenne, musste ich allerdings erst ein wenig missionieren, was Messer anbelangt. Es gelang mir auch nicht bei jedem, ihn von seinem Herbertz oder Noname-Baumarktmesser wegzubringen. Zum Resolution könnte ich wohl kaum einen der Sheriffs aus meinem Bekanntenkreis überreden. Da wäre ja glatt ca. 1/5 des Gehalts weg...

Also ist das Resolution doch eher für Spinner wie uns gedacht, die sich durch die Jahre ihrer Leidenschaft an dreistellige Beträge gewöhnt haben? Dafür scheint es mir wieder zu praxisorientiert („noch nicht mal Damast“), auch wegen der G 10 Schalen, dem Understatement, mit dem es daher kommt und dem insgesamt rauen Charme des Winzlings.
Irgendwie ein Rätsel, wie der Hersteller hier auf Stückzahlen kommen will...

Egal, mir gefällt der kleine Hybride und so lange die Scheide der einzige Kritikpunkt bleibt, ist die Gesamtnote gut bis sehr gut. Und er sichert seinem Besitzer einen Hauch von Exklusivität – ein Massenprodukt wird das nie. Ich freue mich schon darauf, irgendwann Franz Gärtner zu treffen und zu seiner Verblüffung das gleiche Messer herauszuziehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Befestigst Du den Lanyard an der Scheide, wenn das Messer in der Hosentasche getragen wird, soll beim ziehen des Messers die Scheide am Lanyard überm Hosentaschensaum baumeln. Der Lanyard bleibt in der Hosentasche, quasi verklemmt, und hält das Ding dort.

Beim zurück stecken hast Du die Wahl, Robin Hood - mäßig, freihändig, mit dem Messer in den Scheidenmund zu treffen, oder eben, nicht ganz Robin Hood - mäßig, vorbei ins eigene Bein zu stechen :D, oder eben zweihändig vorzugehen.
 
Hört sich theoretisch gut an, klappt aber in der Praxis nicht mal ansatzweise. Der Lanyard kommt locker mit raus.
Die Scheide sitzt auch jetzt noch ziemlich stramm, wenn auch nicht mehr so bombenfest wie anfangs.

Egal, es geht auch zweihändig. Das Kleine macht sich ansonsten gut im Alltag.
 
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