Frage zu Schleifmittel-Korngrößen-Angaben von div. Schärfern

Greycap

Mitglied
Beiträge
544
Hallo, mir schwirrt gerade der Kopf. Und zwar habe ich versucht, mir einen (erneuten) Überblick zu verschaffen über die verschiedenen Angaben zur Körnung von Schleifmitteln (Fepa, Ansi, Micron). Natürlich habe ich die Suchfunktion bemüht. Dieser Thread hat die Überlegung heute in Gang gesetzt: http://www.messerforum.net/showthread.php?130000-Spyderco-Double-Stuff-oder-F%E4llkniven-CC4&highlight=f%E4llkniven+dc4, besonders Beitrag Nr. 3.
Zusammen mit der dort ebenfalls verlinkten Übersicht von Schleifmittel-Korngrößen:
https://www.feinewerkzeuge.de/G10019.html
oder auch
https://www.fepa-abrasives.com/abrasive-products/grains
habe ich versucht, einige meiner Schärfmittel einzuordnen.
Für mich ist es logisch, dass bei der europäischen Norm die Spalte FEPA-F relevant ist, wenn es um Steine, Keramikschärfer etc. geht.
Wenn ich z.B. den Victorinox Dualmesserschärfer https://www.amazon.de/Victorinox-43323-Sch%C3%A4rfen-Dual-Messersch%C3%A4rfer-4-3323/dp/B000AR7AKG/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1476811782&sr=8-1&keywords=victorinox+dual+messersch%C3%A4rfer nehme: Der wird mit 360 (mittel) und 1.000 (fein) angegeben. Ich gehe davon aus, dass dies eine FEPA-Angabe ist. D.h. der Stein hätte ca. 23 und 5 Micron. Damit wäre die Keramik also ca. so fein wie eine Diamantfeile von EZE-LAP - https://www.feinewerkzeuge.de/ezelap-diasharpener.html - mit 1.200 (superfein), da 1.200 ANSI 5,5 Micron entsprechen.
Der DC4 von Fällkniven wird mit 25 (Diamant) und 1-2 Micron (Keramik) angegeben. Laut Fällkniven ist die Diamantseite (25 Micron) fein, andere Bezeichnung 600 Mesh. 25 Micron nach FEPA-F (wenn das denn die richtige Tabelle für den Stein ist) entsprechen ca. 340 Grit. Damit wäre die Diamantseite aber weniger fein als der Schleifstab des Dualschärfers von Victorinox, der als mittlere Körnung angegeben wird.

Habe ich da jetzt einen Denkfehler?

Grüße

Greycap
 
Da hast Du Dir gerade die schwerste Verständnisaufgabe herausgesucht.

Zunächst: die Körnungsangaben in Japan beziehen sich auf Wassersteine, weich bis mittelhart gebunden und einzelne Schleifpartikel auf Druck und Reibung bei der Nutzung hin freigegeben. Und selbst da kannst Du ein Schliffbild einer Marke nicht immer mit dem einer anderen Marke gleichsetzen, weil jeder Hersteller andere Bindemittelzusammensetzungen oder Zuschläge zum Polieren zusetzt.

Die amerikanische Mesh Angabe zählt nur Körner pro Fläche, weder die Härte der Körner, noch die Härte der Bindung und auch nicht, wieviel scharfe Oberfläche des Korns aus der Fläche "herausragt" oder wieviel Poren es gibt und wie groß die sind. Und die Form der Körner ist auch von extremer Bedeutung, rundere harmonische Körnerformen machen eine glatte Schneide für Druckschnitt, harte und spröde Körner machen eine scharfe Schneide für den Zugschnitt und polieren mit den Kornfragmenten etwas weiter.

Sehr harte Keramiksteine wie der Fällkniven oder der Spyderco verhalten sich komplett anders als Wassersteine. Du kannst den Spyderco Fine mit dem Abrichten und verfeinern auf Diamantplatten selber auf Spyderco Ultra Fine Schleifbild bringen und weit höher. Und ist der dann zu glatt hilft das Anreiben mit Diamantpaste. Sagen kann Dir dazu kaum jemand was, sowas mit dem Spyderco auszuprobieren dauert extrem lange, weil alleine das erste Abrichten eine unglaubliche Schufterei ist. Der Fällkniven CC4 ist zum Auspobieren perfekt: nicht so extrem hart wie der Spyderco und klein genug um zügig durch die Diamantkörnungen zu gehen. Die schwarze Seite solltest Du irgendwo zwischen J2500 bis J8000 hinkriegen, die weiße Seite - who knows? Vergiß nicht, solche extrem harten Steine benutzt niemand zum Polieren großer Flächen, damit macht man nur die Schneidekante entweder als Mikrofase oder voll aufgelegt und dann wirkt der Stein eben nur vorne auf die Schneide bei den Schüben mit der Schneide voran.

Die deutschen Hertseller geben oft eher grob/mittel/fein/sehr fein an. Extrafein und ultrafein siehst Du dann schon nicht mehr. Es gilt: grob für Ausbesserungen und Scharten oder komplettes Umschleifen der Messergeometrie auf einen anderen Winkel. Mittel und Fein für den perfekten Grundschliff, sehr gute Zugschnittfähigkeit und grundlegende Druckschnittfähigkeit, Sehr Fein für Zugschnittmesser mit Mikrofase zu Verbesserung der Schnitthaltigkeit oder vollverfeinerte Schneidfasen für sehr guten Druckschnitt. Danach wird nur noch poliert, das verändert die Schnitthaltigkeit und die Sauberkeit beim Druckschnitt (Holzwerkzeuge, Rasiermesser, Mikroskopiemesser).
Ein anderer harter Steintyp zum Ausprobieren sind die Lapport Rekord Brocken und die Müller Super Arkansas. Die gibts auch als kleine Banksteine, sogar recht billig. Die kannst Du irgendwo vom Grundschliff bis zum Feinschliff und sogar zum Glätten von Normalmessern nehmen. Alles eine Frage der Oberflächenvorbereitung und anschließenden gezielten Nachpolier- oder Abstumpfmaßnahmen.

Bei Diamantplatten kannst Du nur durch Benutzung eine andere Körnerform und ein etwas feineres Schliffbild bekommen, obwohl die Mesh Angabe immer gleich bleibt. Und Diamantplatten sind immer extrem aggressiv, weil das Schleifkorn voll aus der Fläche rausragt, bei jedem anderen Schleifstein ist der Zwischenraum mit Bindemittel oder Polierzusätzen gefüllt. Und Diamanten sind immer die härtesten Körner, damit kannst Du selbst die nächtgrößten Härten schleifen. Schleif mal mit einem 600er Siliziumkarbidstein eine 400er Diamantplatte an. Der Siliziumcarbidabrieb ist das beste Reinigungsmittel für verstopfte Diamantplatten das Du kriegen kannst. Jedenfalls wenn die Siliziumkarbidsteine weicher gebunden sind, dann setzen sie Körner frei wie wild. Beit sehr hart gebundenen keramischen Siliziumcarbidsteinen würde ich das nicht probieren, da machst Du nur die Oberfläche platter, viel Körner werden da nicht freigelegt.

Willst Du das eher verstehen oder damit herumexperimentieren, oder hast Du eine konkrete Vorstellung der Anwendung?
 
Zuletzt bearbeitet:
Verstehen kann glaube ich nicht mehr der Anspruch sein...:hehe:
Letztendlich zielte die Frage in die Richtung der Anwendung. Hauptsächlich halte ich mit den Tools Taschenmesser scharf. Und habe im Grunde mit den verschiedenen Schärfern herumexperimentiert. In dem Zug kam die Frage auf, inwieweit die Schärfer sich hinsichtlich ihrer Körnung unterscheiden, ob sie kombinierbar sind. Und bei welchem Bearbeitungsschritt sie in dem Fall sinnvollerweise zum Einsatz kommen, ohne das die Feinheit bei einem zusätzlichen Schritt wieder reduziert wird. Daher der Versuch, die Schärfer in so eine Korngrößentabelle einzuordnen und untereinander vergleichbar zu machen. Da es sich um verschiedene Materialien handelt, die alle anders arbeiten, reagieren, scheint mir das nach den Erläuterungen ein wenig naiv.

Danke für die ausführliche Antwort.
 
Verstehen kann glaube ich nicht mehr der Anspruch sein...:hehe:
Letztendlich zielte die Frage in die Richtung der Anwendung. Hauptsächlich halte ich mit den Tools Taschenmesser scharf. ...
Danke für die ausführliche Antwort.

Also das mit dem Verstehen kommt mit der Zeit. Irgendwann achtet man weniger auf die Herstellerangaben, sondern mehr auf die Anwendererfahrungen, und da bist Du hier goldrichtig. :super:

Bei Taschenmessern kommt es darauf an, ob Du eher faseriges Material oder holzartige Materialien bearbeitest. Papier und Pappe profitieren von einer Schneide mit Mikrozahnstruktur, Holzbearbeitung klappt am besten mit durchgehend auf hohe Politur gebrachten Schneidfase. Solange der Hauptschliff das Schärfen mit den höheren Steinen noch erlaubt, muss auch kein neuer Grundschliff gemacht werden.

Ich mag für kleine Messer auch kleine Steine sehr, Fällkniven, Spyderco double (hab ich nicht), die billigen chinesischen 10cm Steine (muss man mit Diamantplatten gut vorbereiten). Ansonsten stehe ich auf härtere Japaner, die Shaptons finde ich ausgezeichnet, die werden eigentlich auch vom Kochmesserlager, den Bushcraftern und den Holzbearbeitern gerne verwendet. Oder den Jagdbegeisterten. Ich verwende die gerne für meine Rasiermesser. Du siehst, wenn man erstmal seine Linie gefunden hat, hat man freie Auswahl was für Messer man damit ausprobiert.

Wenns etwas preiswerter als die Shaptons sein soll: sowas wie der Lapport Rekord Brocken ist in der Bucht in unterschiedlichen Formaten sehr preiswert unterwegs. Und der reicht fürs Ausbessern und das normale Schärfen Jahrzehnte. Und wenn Du danach die Schneide etwas glatter und langlebiger oder etwas schärfer für den Druckschnitt machen willst sind die künstlichen Arkansas Steine (Lapport Rekord Arkansas, Müller oder Linder Super-Arkansas) mit der geeigneten Verfeinerung auf einer Diamantplatte gut. Ich hab meinen Rekord Arkansas mit einer 600er Diamantplatte verfeinert/abgerichtet und danach kann ich mich mit dem Rasiermesser vergnügen. Ist aber eher so die Rasur-Einsteigerklasse, für andere robustere Messer sollte das aber für alle Heldentaten ausreichen.

Als Diamantplatten würde ich billige chinesische empfehlen, 150er und 400er. Die gibts bei Aliexpress im 23x8cm Format zwischen acht und neun Euro.

Einfach immer weiter Ausprobieren, irgendwann kommen die kleinen Aha-Erlebnisse und das baut man mit der Übung weiter aus. Ist mehr ein learning-by-doing Erlebnis, als das rational wisschenschaftliche Erforschen. Der Forscherdrang kommt dann später, wenn Du ausreichend viel kannst und einfach rumspielst! :D

Sofern Du bereits etwas zwischen J800 und J1500 (F320 und F600) hast: einfach weiter ausprobieren, die Schärfe kommt mit der Übung.
 
Danke für die umfassende "Aufklärung" und die zahlreichen Tipps.
Meistens wechsel ich den Schärfer nach "Lust und Laune". Irgendwann gibt es vielleicht dann auch ein konstantes Ergebnis. Eine gute Gebrauchsschärfe klappt schon, Rasierschärfe, die in diversen Videos dem DC4 zugesprochen wird...eher nicht.
 
Zurück