Frage zum Anlassen

danki

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Hallo,
nachdem das Forum doch sehr "ansteckend" ist bin ich vom Klingenverbauer in Richtung Selbstbastler gependelt...
Mein Material ist Feile (Pferd), erster Versuch schon mal gut geklappt aber nachdem ich die Suchfunktion etwas bemüht habe war ich etwas konfus :confused: da für das Anlassen doch sehr verschiedene Werte angegeben werden. Mal halbe Stunde bei 250 Grad, dann etwa 2 mal halbe Stunde bei 200 Grad oder auch noch 2mal (wielange?) bei 160-180 Grad.
Was währe jetzt eigentlich besser und welche Härtewerte kommen bei verschiedenen Zeiten/Temperaturen in etwa raus??
Und welchen Einfluß hat die Klingengeometrie (Größe des Messers) auf den Vorgang?

Schon mal danke für alle bisherige Hilfen

danki
 
Anlaßkurven gibt es wie Sand am Meer. Gerade für Feilen-vorausgesetzt es sind hochwertige Markenfeilen- kann man von den Kurven für Stähle ähnlich 1.2002 oder 1.2008 ausgehen. Die angegebenen Werte sind in der Regel Mindestwerte, die jedenfalls erreicht werden. Das liegt daran, daß die Stahlwerke mit den Angaben eher zurückhaltend sind und weil die garantierten Werte von einem Querschnitt 25 mm vierkant ausgehen.
Zwischen Anlaßzeit und Anlaßtemperatur besteht eine gewisse Abhängigkeit. Bei längerem Anlassen kann man mit der Temperatur heruntergehen und umgekehrt. Die Temperatur ist dabei der wesentlich wirksamere Faktor.
Der Anlaßtemperaturbereich zwischen ca 220 und 300 Grad wird bei normalen Werkzeugstählen in der Regel vermieden, da hier die Blausprödigkeit auftritt.
Das Anlassen ist auch nur ein Teil der Wärmebehandlung und ist in seiner Wirkung von der Vorbehandlung abhängig. Überhitzt gehärtete Stähle sind nicht besonders hart, sondern wegen des vermehrten Restaustenits weicher als korrekt gehärtete. Sie verlieren beim Anlassen die Härte aber langsamer und können nach dem Anlassen die gleiche Härte erreichen, wie der richtig gehärtete Stahl. Qualität haben sie aber trotzdem verloren-Härte ist eben nicht alles.
Zurück zur Ausgangsfrage: 2 mal 30 min bei 180-200 Grad sollte genügen, zur Sicherheit kann man auch noch ein drittes Anlassen hinzufügen. Vorausgesetzt die Wärmebehandlungsschritte vorher waren in Ordnung, müßte eine Härte von 64 HRC + resultieren. Das wird manchem für den normalen Gebrauch als zu hart erscheinen. Dem will ich auch nicht unbedingt widersprechen. Das Problem liegt aber nicht in der Härte als solcher, sondern in der Stahlwahl. Feilenstähle sind billig, meist bekommt man sie umsonst, da man abgenutzte Feilen verwendet. Sie werden daher oft für minderwertig gehalten. Das ist so falsch, wie es nur sein kann. Die guten Feilenstähle entsprechen in ihrer Legierung den Stählen, aus denen man in der Zeit vor dem "Korrosionsbeständigkeitswahn" die feinsten Rasiermesser gemacht hat.
Um ihr Potential wirklich zu nutzen, sollten sie auch heute für Klingen mit feinsten Schneiden verwendet werden- eben hochwertige Kochmesser oder Rasiermesser. Für gröbere Beanspruchungen sind Stähle wie C 60 oder 1.4034 hoch genug angelassen besser geeignet. Es wäre auch schade, ihnen einen Schneidwinkel von 40 Grad + anzuschleifen. Hochlegierte Stähle mit großen Karbiden brauchen das, nicht aber die armen unterschätzten Feilenstähle.
MfG U. Gerfin
 
hi,

die Geometrie spielt nur insofern eine Rolle, dass von ihr die Zeit zum Durchwärmen abhängt. Was sich im Rahmen von Klingen bewegt, macht keine wesentlichen Unterschiede aus, sodass man die Zeit oder Temperatur abändern müsste.

Mal von den Versprödungserscheinungen zwischen 220 und 300°C abgesehen, muss man das auch nicht so genau nehmen. Passende Materialwahl, Geometrie und Härtung machen sich erheblich stärker bemerkbar, wie die Anlassstemperatur.
Ich habe neulich für meinen Sohn eine kleine 2mm starke Klinge aus 1.2842 gemacht. Da er sie gerne selber härten wollte, habe ich eine kleine Ytongesse gebastelt, die von einem Hartlötbrenner befeuert wird - reicht nicht zum Schmieden, aber eine Bruchprobe zeigte beim Härten ein sehr feines Korn und gute Härteannahme. Da es schon spät war und ich nur einen Gasbackofen ohne Temperaturanzeige habe, habe ich die Klinge 2 mal 45 min in Wasser gekocht (auf einer Platte natürlich, nicht im Ofen). Das Messerchen ist wirklich gut geworden und verkraftet auch den nicht immer so sorgsamen Umgang meines Sprößlings beim Schnitzen recht gut.

U.Gerfin hat, soweit ich mich recht erinnere, einmal von einer Schmiedevorführung berichtet, bei der eine Klinge nur kurz auf einer im Feuer ligenden Stahlplatte erhitzt wurde bis sie sich gelblich färbte. Danach hat die Klinge einen Stahlnagel durchtrennt.

Du wirst wahrscheinlich keinen Unterschied im Gebrauch zwischen einer bei 150°C und 200°C angelassenen Klinge merken.

Gruß,
torsten
 
Hallo
Da ich zur Zeit mal wieder zum Messermachen kam, hab ich mal ein paar Klingen gehärtet. Der Stahl war mal wieder mein heißgeliebtes Petonschneideblatt. Ich nehme an, es liegt in der Richtung von einem C80 Stahl.
Alle drei Klingen haben den Glasritz test bestanden und nun das Problem, auch nach dem Anlassen (dreimal ca. 1-1/5 h bei 200°) ritzen sie Glas wie davor. Bei den kleineren Messern jukt mich das nicht, die werden eh in der Küche arbeiten. Aber für mein großes Bowie, mit Ofenkitt gehärtet, ist mir das ein bissel zu hart. Wie kann ich da die Härte etwas senken ohne in die Blausprötigkeit zu kommen?

Ach ja, ich klaube zwar dass es keinen unterschied macht, aber ich lege die Klingen nach dem Anlassen mal 1-2 Tage ins Gefrierfach, wahrscheinlich nur -5°. Kann das dennoch positive auswirkungen haben?
 
Hallo,

Ich schliesse mich da mal an.

Ich möchte mir eine Klinge aus 1.2519 Härten lassen.

Ich strebe eine recht hohe härte zwischen 60 und 64 HRC an. Laut meinem Stahlschlüssel gelingt das mit Temperaturen von ungefähr 100-200 Grad.

Es handelt sich um ein Klappmesser für reine (und auch feine) Schneidarbeiten. Klingenstärke am Rücken etwa 3 mm (eher weniger).

Gibt es Nachteile im Bezug auf die hohe Härte? Das der Stahl dann recht spröde ist ist mir klar, er muss aber auch keinen Querbelastungen standhalten. Ich möchte die von den Schneideigenschaften her beste Wahl treffen.

Sollte die Klinge doch stärker angelassen werden?

Vielen Dank,
Christoph
 
hi,

noch mal: durch das Anlassen bekommt man meistens keinen komplett anderen Stahl. 1.2519 ist ein Stahl für feine Schneiden. Wenn groberer Einsatz geplant ist, dann müsste ein anderer Stahl und/ oder andere Geometrie her - sprich eine andere Konstruktion.

Ich habe hier schon mehrfach von ca. 59HRC harten 1.2519 Klingen gelesen. Die müssten also bei rund 300°C angelassen worden sein. Geht also schon, aber ich finde es nicht optimal. Wenn man sich die Kerbschlagzähigkeitskurven anschaut, die in der Literatur immer auftauchen, wenn es um Versprödung zwischen 200 und 300°C geht, so zeigt sich ein Anstieg der Zähigkeit erst jenseits von 300°C. Klar lassen sich die Labortestergebnissen nicht auf Messer 1:1 übertragen und die Besitzer waren mit den 1.2519 Klingen wohl auch recht zufrieden, ein fader Beigeschmack bleibt für mich aber trotzdem.

1.2519 bei 60HRC++ dürfte für feine Schneidaufgaben beim Klappmesser aber eigentlich kein Problem sein, wenn die Härtung gut ist und die Geometrie stimmt.

Glashärte für ein Bowie (als Auch-Haumesser) ?
Da musst Du Dich wohl oder übel entscheiden - das kann Dir keiner abnehmnen. Ich weiß ja nicht, wie hart es rangenommen wird.
Zudem kann es auch sein, dass die Versprödungserscheinung nicht sonderlich ausgeprögt auftritt - es kann, muss aber nicht sein!

Mit dem "Tiefkühlen" würde ich das allerdings nicht in Verbindung bringen.
Zum Tiefkühlen allgemein: Es gibt Stähle (vor allem die höher legierten), bei denen die Umwandlung zu Martensit (dem gehärtetem Gefüge, dass wir anstreben) nicht bei Raumtemeratur abgeschlossen ist, sondern erst bei unter 0°C. Beim normalen Abschrecken/ Abkühlen während des Härtens bleibt also noch ein Rest des Gefüges austenitisch. Dieser "Restaustenit" kann zum einen durch Anlassen beseitigt werden, zum Anderen durch Tiefkühlen. Dabei sind jedoch tiefere Temperaturen wie -5°C erforderlich. Ist die Umwandlung nämlich z.B. durch Abschrecken in 20°C warmen Öl zum Stillstand gekommen, so ist eine deutliche Unterkühlung erforderlich, damit sie wieder anläuft - sprich Spiritus und Trockeneis oder Stickstoff. Zweitens sollte möglichst wenig Zeit dazwischen verstreichen, da sich sonst der Restaustenit stabilisiert.

gruß,
torsten
 
Danke Torsten
Ich werde es mal so lassen wies ist, für kleine Hauereien wird es schon passen. Bäume will ich keine damit fällen. Die kleineren Messer, hab ich Selektiv nur an der Schneide gehärtet 2x die haben bei sehr feiner Schneide einige Schläge in ne Eisenstange überstanden, erst als ichs übertrieb hatte ich nen Ausbruch, ich hoffe das der Bowie ähnlich gut gehärtet ist. Jedenfalls ist er mir eh etwas zu leicht :hehe:
 
Hallo,

ch habe hier schon mehrfach von ca. 59HRC harten 1.2519 Klingen gelesen. Die müssten also bei rund 300°C angelassen worden sein. Geht also schon, aber ich finde es nicht optimal. Wenn man sich die Kerbschlagzähigkeitskurven anschaut, die in der Literatur immer auftauchen, wenn es um Versprödung zwischen 200 und 300°C geht, so zeigt sich ein Anstieg der Zähigkeit erst jenseits von 300°C. Klar lassen sich die Labortestergebnissen nicht auf Messer 1:1 übertragen und die Besitzer waren mit den 1.2519 Klingen wohl auch recht zufrieden, ein fader Beigeschmack bleibt für mich aber trotzdem.

1.2519 bei 60HRC++ dürfte für feine Schneidaufgaben beim Klappmesser aber eigentlich kein Problem sein, wenn die Härtung gut ist und die Geometrie stimmt.

Danke für die ausführliche Erklärung. Die unterstützt mein vorhaben in Punkto Wärmebehandlung die für die Schneideigenschaften beste Whal zu treffen.

Ganz Nebenbei: Gibt es ein zuviel des "Guten" in punkto Härte? (Neben dem Verlust der Flexibilität)

Grüße
Christoph
 
hi,

hier noch mal als Beispiel so ein Schaubild, dass den Bezug zwischen Anlasstemperatur und Kerbschlagzähigkeit herstellt:
anlasssproedigkeit.png


Quelle: http://www.tardy.de/1214.html

Klar wird hier mit anderen Probeabmessungen gearbeitet, trotzdem macht man nichts falsch, wenn man den Stahl so auswählt, dass man seine Zielhärte erreicht, ohne in diesem Bereich anzulassen, sprich c(k) 60 oder aber auch 1.2550 oder 1.2552 (wenn Karbid mit dabei sein soll) für Haumesser nimmt.

@Hamurra-e: wahrscheinlich ist es auch das Beste, die Härtung so zu lassen und ggf. den Einsatzzweck
anzupassen, anstatt nachträglich noch an der Härte schrauben zu wollen und möglicherweise mehr kaputtzuoptimieren als Gutes zu tun.

@Black_Chicken: klar, zu viel ist zu viel. Feinwinklige Klingen benötigen aber eine höhere Härte, damit die Schneide sich nicht umlegt. Logischerweise schrumpft dabei die Sicherheitsreserve. Aber: je feinwinkliger, desto weniger Keilwirkung und Kraft beim Schneiden - und das schöne an 1.2519 oder auch Feilenstahl ist ja, dass sich feine Schneiden bei völlig ausreichender "Flexibilität" daraus machen lassen. Dann kommt noch die Geometrie dazu:
Für ein Messer mit dem Querschnitt wie bei einem Opinel z.B. (mal Brotzeit machen, ein Päckchen aufschneiden, `nen Futtersack öffnen - für mich ein EDU eben) finde ich 1.2519 bei 200° angelassen eine gute Wahl.

Wenn Schocklasten (Haumessser) hinzukommen oder aber derber Gebrauch (Querbelastung) muss die Scneidendicke erhöht werden und die Härte reduziert - hängt ja alles zusammen.


Gruß,
torsten
 
Danke für die Exakten Angaben. Das erste ist eigentlich gut geworden. War ein ganz kleines Schnitzmesser for meinen Sohn (12 Jahre), habe es Ihn auch selbst feilen lassen und nur "nachgefeilt. Sieht aber so aus als ob es nicht sein letztes ist. Und mir hat das soviel Begeisterung verpasst (besonders die erreichte Härte) das ich angefangen habe eines für mich zu machen. Dieses ist natürlich etwas größer und wir mehr belastet werden. Darum die Frage, einfach weil ich denke das dann eben auch leicht mehr falsch gemacht werden kann.
Danke Gerfin! Spricht eigentlich etwas außer Verschwendung gegen die verwendung von Feilenstahl bei etwas dickeren Messerklingen?
Meines soll in etwa 10-12 cm lang und am rücken 5-6 mm werden. Mit einfachem "Schneidfreudigem" Flachschliff.

Grüße

danki
 
Nachdem mein Messerchen jetzt schon länger fertig ist, habe ich endlich daran gedacht Euch mal ein bild zu zeigen:
4883271824065.jpg
m_feile von danki - Album.de[/URL][/IMG]

Klinge war eine Feile von Pferd, habe wert darauf gelegt das eingestanzte Pferdchen zu erhalten. Griff ist ein stück Plaumenbaum, mit Parkettöl behandelt.
Ist seeehr Schneidfreudig:super:, bin eigentlich dafür, das ich alles nach Augenmaß gefeilt hatte, schon recht zufrieden.

Danke nochmal an Gerfin wg. der "vereinfachten" Wärmebehndlung!

Schneidige Grüße

danki
 
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