Frage zur "Härteverteilung" bei selektiv gehärteten Klingen

Floppi

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Wie muss man sich die "Härteverteilung" bei selektiv gehärteten Klingen vorstellen?
Härteverteilung ist vielleicht das falsche Wort. Mich interessiert wie groß der Übergang zwischen hart und weich ist, bzw. wie abgegrenzt die beiden Bereiche sind. Ist also nur der Rücken weich und wird dann langsam härter bis zur Schneide oder gibt's einen plötzlichen Sprung (an der Härtelinie)?
Hat das hier schonmal jemand messtechnisch untersucht? Gibt's Erfahrungswerte? Kann man sowas überhaupt verallgemeinern oder gibt es große Unterschiede bedingt durch Stahltyp und/oder Härte-/Anlassverfahren?
 
wie ich das sehe, wird es wohl einen übergang geben, um spannungen zu vermeiden, häufig um 10 hrc (z.b. schneide/rücken - 60/50 oder maddog 62/52).

wahrscheinlich ist der übergang an der härtelinie - logisch oder?

siehe:

http://www.sumpfratte.com/galerie/br_temperline.jpg


härtelinie nicht mit der schneide verwechseln

p.s. da wird einem schnell klar, warum manche messer so belastbar sind :ahaa:
 
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Ich würde schon auf einen recht aprupten (niedriger mm-Bereich) Übergang tippen.

Eben habe ich mir mal zwei von Roman selektiv (teilweises Eintauchen in Öl nehme ich an) gehärtete und geäzte Klingen angesehen. Rein optisch spielt sich da bei beiden (einmal Feile, einmal Silberstahl) alles innerhalb von 1,4mm ab. Darüber sind genauso wie darunter mit dem unbewaffnetem Auge keine Unterschiede in der Farbe erkennbar und der wenig (?) gehärtete Teil bohrt sich nicht anders als das ungehärtete Material.

Sicher spielen da zwei Dinge zusammen. Zum einen natürlich wie schnell die Kühlung im Bereich um die Oberfläche des Abschreckmittels herum ist und zum anderen, daß ja dann wieder Hitze vom oberen Teil in den unteren fließt und so in einem Übergangsbereich ja auch wieder ein Anlassen stattfindet.
 
floppi, das ist nicht ganz so einfach zu beantworten, wenn man alles erfassen will.
Also zunächst einmal ist es mehr oder weniger kontinuiertlich und nicht sprunghaft. Wenn man einen Stahl abkühlt und differentiell härtet, so kann man als einfachstes Modell den Stirnabschreckversuch nehmen. Ein austenitisierten Stahlzylinder wird stirnseitig mit Wasser angespritzt. Die Abkühlgeschwindigkeit fällt längs der Zylinderachse natürlich ab, mehr oder weniger kontinuiertlich, exponentiell in der Regel. Solange die Abkühlgeschwindigkeit noch ausreicht, Martensit zu erzeugen, also unterhalb der kritischen Abkühlgeschwindigkeit liegt, kriegt man ganz vorn 100% Martensit und dann immer weniger. Unterschreitet man die kritische Abkühlgeschwindigkeit (diese hängt von der Legierung ab), so gibts es etwas Neues, nämlich ein anderes Gefüge. Man wandelt in Perlit um und anschließend landet man in der Bainitstufe. Insofern ist dies dann diskontinuierlich und faltet sich mit dem kontinuierlichen Prozess. Bainit ist nur "ziemlich" hart und dabei aber zäh. Die sogenannten ZTU-Diagramme sind für diese Betrachtungen sehr hilfreich. Das oben gesagte gilt für den gehärteten Zustand. Anlassen kommt noch obendrauf. Aber wir wollten ja das Prinzip kennenlernen. Die ersten systematischen Versuche hierzu wurden übrigens von Réaumur im Jahr 1722 veröffentlicht (genau, das ist der mit der blöden Temperaturskala). Er hatte allerdings keine Abschreckversuche gemacht, sondern Aufheizversuche. Dann konnte man die Gefügeänderungen nach Längsauftrennen des Stabes sehen (fotografieren konnte der nicht, hat er dann gezeichnet. Ich schau mal, ob ich das Bild dazu hier reinkriege). Bei höherlegierten Stählen kommen noch Karbidausscheidungen hinzu.
Aber ich wollte es nicht so kompliziert machen.
Ich hoffe, ich konnte Dir helfen. Wenns zu kompliziert ist, nochmal posten, ich tummel mich gerne auf diesem Gebiet.....
 
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ein systematischer Versuch aus 1722

so, ich hab das Bild gefunden. Also von links nach rechts wurde aufgeheizt, links also Grobkorn vom Überhitzen, dann das optimale Härtegefüge, ganz rechts die alte Schmiedetextur.
 

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Differentielles Härten

Vieles hängt davon ab, ob ein homogener oder ein zusammengesetzter Körper aus Stahl gehärtet werden soll. Bei traditionellen japanischen Klingen fällt die Härte von der Schneide bis zum Rücken von ca. HRC 62 bis ca. HRC 47 ab. Ob das bei allen Japan-Klingen so ist, weiß ich nicht sicher; man kennt jedenfalls viele Variationen des inneren Aufbaus.

Diese großen Unterschiede ergeben sich nicht allein durch den Härtevorgang, sondern auch dadurch, dass im Schneidenbereich ein höher härtbarer Stahl (bis 1,2% C) Verwendung findet, an der Flanke, im Kern und am Rücken jedoch flexiblere, weichere Stähle mit geringerem C-Gehalt.

Der HAMON - die Härtelinie - kann sehr schmal (Millimeterbereich) sein, aber auch mehrere Millimeter breit sein. Bei Japanklingen stellt er sich durch die spezielle Schleiftechnik mit relativ weichen Steinen (die sich recht schnell abtragen) anders dar als bei "westlichen" Stücken. Die Martensitkristalle treten wie kleine Spiegel erhaben aus der Oberfläche hervor, weil der weniger harte umgebende Stahl etwas stärker abgetragen wird. Dadurch nimmt man auch mit dem bloßen Auge den Martensit als feinen "Nebel" oder kleine "Glanzpunkte" wahr. Viele andere Formationen und Strukturen aus Martensit (die alle spezielle Namen haben und deren Kombination typisch für bestimmte Schmiede bzw. Stilrichtungen/Schulen sein kann) können ebenfalls auftreten und so die Härtelinie bilden.

Bei japanischen Klingen guter Qualität treten trotz dieser großen Härteunterschiede keine Spannungen auf. Es gibt aber viele mäßige Klingen, die durchaus Fehler wie Risse in der Schneide durch zu hohe Gefügespannungen aufweisen. Beim Einsatz kann es dann natürlich zu Brüchen kommen, was auch in Japan nicht ungewöhnlich war. Allerdings sollte man berücksichtigen, dass Schlagtechniken für eine lange Klinge mit sehr harter Schneide die höchstmögliche Belastung (nach dem Verbiegen) darstellen.

Gruß

sanjuro
 
Verlauf von Hamon und Härtelinie

Da hätte ich auch eine Frage:
Claymore und Markus Halbach hatte ich auch schon mal danach gefragt, vielleicht nicht "konkret" genug:
Gibt es für den traditionellen Hamon oder die "normale = moderne" Härtelinie eigentlich sowas, wie einen "idealen" Verlauf, oder besser: eine ideale Form ?
Markus erklärte dazu, dass die japanischen Hamons bestimmten "Schulen" zugeordnet werden :confused: (Epochen ?, Dynastien ?, Meistern ?, Regionen ?)

Soll heissen, kann man die Linie/den Übergangsbereich, so gestalten, dass die mechanische Belastbarkeit hinsichtlich Torsion, Schock und Biegung noch besser wird ? Nicht so sehr bei Schwertern, sondern bei Messern mit ca. 25 - 30cm KL.

Ähnlich einer Sinuskurve, die vom Griff in Richtung Klingenspitze sowohl in der Amplitude als auch in der Wellenlänge allmählich kleiner und flacher wird, bildlich gesprochen eine gerundete Verzahnung zwischen Hart und Weich.
Die Hamons, die schon zu sehen bekam, sind/waren entweder zackig, annähernd gerade und eher selten gleichmässig wellenförmig (kann natürlich auch am "unnützen" Mehraufwand liegen).

Gruß Andreas
 
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Härtelinie/HAMON

Der HAMON (japanische Substantive haben weder Artikel noch Plural-Endungen) ist recht einfach und wenig aufwendig zu bewerkstelligen: die Klinge wird komplett (!) mit einem speziellen Tonschlamm überzogen, der beim Trocknen so wenig schwindet, dass er nicht abfällt. Die Stärke beträgt etliche Millimeter. Sodann wird mit einem dünnen Bambus-Spatel im Bereich der Schneide (YAKIBA) ein Teil des noch dickflüssigen Auftrags wieder entfernt. Die Technik, mit der das geschieht, bewirkt später den Verlauf des HAMON. Der Schlamm wird, anders als häufig angenommen, im Bereich der Schneide nicht völlig entfernt. Das bewirkt einen kleinen Schutz vor Entkohlung und Verzunderung beim Härten.

Viele hervorragende Schmiede haben nur einen schmalen geraden oder kaum wahrnehmbar wellenförmigen (SUGUHA)-HAMON produziert (z.B. ICHIMONJI-Schule, YAMATO TEGAI u.a.), andere (wie der berühmteste aller Schmiede, MASAMUNE) haben spektakuläre Verläufe erzeugt bis hin zum "fleckenförmigen" HITATSURA-HAMON, der die gesamte Klinge überzieht.

Ein Anlassen (auf einem glühenden Kupferblock) war nur üblich, wenn die Klinge seitlich verzogen war. Die Form war übrigens schon nach dem Schmieden ausgebildet; es ist keinesfalls so, dass die Biegung durch das Härten entstand!

Es gibt keine Norm für besonders gute "Verzahnung" bzw. keinen HAMON, der besondere Festigkeit verspricht. Bedeutsamer für die Festigkeit ist der innere Aufbau der Klinge. Aber je nach Einsatz (Reiterklinge bzw. KATANA für Fuß-Soldaten, Körpergröße, Kampftechniken, Körperkräfte etc.) gab es unterschiedliche Längen und Formen, die sich im Einsatz bewährt hatten.

Gruß

sanjuro
 
"
Ein Anlassen (auf einem glühenden Kupferblock) war nur üblich, wenn die Klinge seitlich verzogen war. "


das hab ich auch schon im buch von denning gelesen , kann es mir nicht recht vorstellen ,kein anlassen , die schneide müßte doch elend spröde sein ??????????????
 
Bene686 schrieb:
"
Ein Anlassen (auf einem glühenden Kupferblock) war nur üblich, wenn die Klinge seitlich verzogen war. "


... die schneide müßte (dann) doch elend spröde sein ??????????????

Ist sie auch. Aber ähnlich wie bei Norweger-Messern (Drei-Lagen-Stahl in Sandwich-Bauweise) resultieren überraschend gute Gesamteigenschaften aus der Kombination von eigentlich unvereinbaren Einzeleigenschaften.

Der elastische Klingenkörper eines KATANA kann den Schock eines schweren Schlags meist so abfangen, dass die Klinge keinen Schaden nimmt. Dabei muss man berücksichtigen, dass die Klinge auf "Schnitt" gebaut ist. Sie wird also nicht wie eine Axt für den stumpfen Hieb eingesetzt, sondern geht - im Idealfall - durch den gegnerischen Körper hindurch. Dadurch vermindert sich die Auftreffwucht (ähnlich wie eine "Knautschzone" beim Auto), und die Klinge übersteht den Schlag. Hinzu kommt, dass es einen Punkt an der Klinge gibt (MONOUCHI), die nicht nur die meiste Energie im Schlag abgibt, sondern auch die resultierenden Schwingungen so an den Klingenkörper weitergibt, dass sie am besten abgebaut werden können.

Natürlich geht jede KATANA-Schneide kaputt, wenn sie z.B. auf massives Metall oder Stein trifft. Daher sagte der zum Tode Verurteilte zu seinem Henker, der ihn mit einem neuen KATANA hinrichten sollte und ihm den (TAMESHIGIRI-)Schlag quer durch die Körpermitte ankündigte: Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich Steine gefressen, um Dir die Klinge zu verderben!

Mahlzeit!

sanjuro
 
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