Gefüge bei Klinge aus Feile noch zu retten?

Lanfear

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Ich habe neulich aus Rundfeilen 3 Klingen geschmiedet (siehe hier die obersten 3 http://www.messerforum.net/showpost.php?p=203363&postcount=1).

Nach dem Harten und Anlassen habe ich probehalber an der gekrümmten Klingen mal ein wenig gebogen. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Klinge ließ sich relativ einfach abbrechen.

Ich habe die Bruchstellen mal fotografiert. Zum Vergleich habe ich auch eine Originalfeile (Ich habe noch einige davon) abgebrochen und die Bruchstelle fotografiert. Der Unterschied ist doch beeindruckend heftig.





Da ich jetzt noch 2 Klingen habe und natürlich auch für alle weiteren, bitte ich Euch um Hilfe, wie ich das durch eine entsprechende Wärmebehandlung wieder auf die Reihe bekomme?

Gruß Heiko aka Lanfear
 
Hallo Lanfear,

die Unterschiede im Gefüge sind schon echt heftig, :staun: aber kein Grund zu großer Sorge. Nach dem Schmieden der Klinge ist das Normalisieren zur Erreichung eines feinen Gefüges sehr wichtig. Dabei wird die Klinge langsam im Feuer erhitzt und bis auf Härtetemperatur gebracht. Sobald das Gefüge im Stahl "umklappt" und sich zu Austenit umwandelt, nimmt man(n) die Klinge aus dem Feuer und lässt sie an der Luft abkühlen. Die Umwandlung in Austenit lässt sich bei genauer Betrachtung der Klinge im Feuer erkennen: Wenn das Gefüge "umklappt" dann zieht sich ein Schatten über die Klinge hinweg und der Stahl wird unmagnetisch.
Wenn man diesen Vorgang so c.a. 3 Mal wiederholt, dann sollte sich ein neues und schön feines Gefüge gebildet haben. Die Klinge ist danach fürs Härten gut vorbereitet! :super:

Gruß

Mirco
 
Zuletzt bearbeitet:
Härtetemperatur war viel zu hoch. Es genügt schon 30 Sekunden zu Überhitzen um ein grobes Gefüge zu bekommen. Eher fünf mal normalisieren um das Gefüge wieder fein zu bekommen. In warmen Öl bewegen. Wenn alles richtig war, solltest du von Hand die Klinge nicht mehr brechen können.
Ist immer ratsam, mal einige Probehärtungen vorzunehemen und sich das Bruchbild anzuschauen.
Auf ein gutes Gelingen.

Gruß Hans-Peter
 
Die Tips sind beide richtig!

noch ein weiterer Hinweis, falls Du auch zu lange auf zu hoher Temperatur geschmiedet hast, dann liegt auch Korngrenzenzementit in reichlichen Mengen vor.

Das merkst Du spätestens dann, wenn Du genau das gemacht hast, was schon gesagt wurde und Du nach dem Anlassen bis max. 200° beim Flextest noch Ausbrüche in der Schneide bekommst.
Dann musst Du erst nocheinmal ausgibig Glühen um den Zementit einzuformen.

Das mit den Feilen ist nich immer einfach aber mit Übung durchaus zu meistern!
Daher weiter und mal noch ein paar Versuchsreihen machen, damit Du Erfahrung bekommst.

Solltes Du deutlich über 200° Anlassen müssen, dann ist was faul entweder, das was dir jetzt passiert ist oder das was ich beschrieben hab oder auch dass Feile für die Anwendung die Du vor hast nicht passend ist.

Grüße Roman
 
Danke für die Hilfe.

Noch zum Normalisieren:

Müssen die einzelnen Normalisiergänge dirket hintereinander erfolgen oder ist es unschädlich, wenn ich jeden Abend je einen Durchgang mache?

@Hans-Peter
Wie meinst Du das mit dem "in warmen Öl bewegen"? Zu welchem Zeitpunkt empfiehlt sich das denn? Nach dem Abkühlen? Das wär ein kleines Problem, weil der Elektroofen, so ca. 8 Stunden brauch, um wieder auf 50°C zu kommen.

Gruß Heiko aka Lanfear
 
Normalisieren heits einige sekunden lang ins unmagnetische gebiet erhitzen und dann ablaufenlassen bis man keine glühfarbe mehr sieht.

Nun wenn Du willst kanst Du das natürlich jeden aben vor dem bettgehen machen :glgl:
 
Normalisieren machen wir so: kurzeitig alle Klingenteile etwas über dem Magnetpunkt bringen, abkühlen lassen bis die Klinge nicht mehr glüht, wider auf Temperatur bringen u.s.w.. Gut zu gebrauchen sind die Magneten aus dem Schweißerbedarf. Wir haben den Magneten in einem alten Metalleimer untergebracht, so haben wir bei wechselnden Lichtverhältnissen eine bessere Kontrolle. Einerseits wird das Gefüge verfeinert, anderseits können die Augen besser einschätzen wie der Farbunterschied Eimer Feuer ist. Roman erzählte so schön von Denig und seiner Papiertüte. Bei uns hätte die Tüte nur ein kurzes Leben.

Feilen sind in der Regel Wasserhärter, bei kleinen Querschnitten reicht auch Öl aus. Die Martensitbildung ist aber nur an der Oberfläche, zwischen 0,5 bis max, 2 mm. Da die Schneide selten dicker ist wie 3 mm, haben wir hier durchgehend Martensit. Im dickeren Rücken tritt dann unteres Bainit auf. Es hat ähnliche Eigenschaften wie Federstahl.
Ein weiterer Vorteil der Ölhärtung ist, dass es nicht zu Härterissen kommt. Wir haben einige Klingen schon durch Härterisse verloren.
Mit der Bewegung hat es folgendes auf sich, Messer zum Härten in kaltes Öl gehalten erzeugt nur eine dünnen Mantel an Martensit. Erwärmen wir das Öl, so kühlt es schneller ab. Diesen Effekt können wir durch das Bewegen der Klinge im Öl verstärken. Eine Klinge unbewegt in heißem Wasser soll langsamer abkühlen als eine bewegte Klinge in Öl (werden dies noch genauer untersuchen).
Sorgfältiges Arbeiten und Erfahrung sind besonders beim Härten im Feuer wichtig. Damastklingen härte ich nie im Unterricht, meine Fehlerquote ist da zu hoch.

Im Schmiedecafe hatte ich mal ein konkretes Beispiel aufgezeigt. Eine falsch gehärtete Klinge bricht bei einer Belastung die Kind mühelos aufbringen kann, optimal gehärtet, kann sich ein Erwachsener auf die Klinge stellen, ohne das sie zerbricht. Über den Werbefilm eines Messerherstellers musste ich einfach lächeln. Dieser Querschnitt aus einem reinen C Stahl optimal gehärtet und er würde noch nicht mal brechen, wenn wir ein Auto daran hängen.

Gruß Hans-Peter
 
Das Wesentliche ist hier schon gesagt worden. Ich will deshalb hier nur ein paar zusätzliche Tips geben: Feilenstähle werden oft unterschätzt, weil man günstig an sie herankommt. Gute Feilen haben aber eindeutig das Potential für feinste und durchaus stabile Schneiden. Die alten Rasiermesser waren aus ganz ähnlich legierten Stählen.
Zum Normalglühen: Es gibt eigentlich in jedem vernünftigen Stahlbuch ein Eisen-Kohlenstoff - Teildiagramm, in dem die Temperaturbereiche für die einzelnen Wärmebehandlungsschritte angegeben sind. Danach kann man sich richten,wenn man es mit unlegierten oder nur leicht legierten Stählen zu tun hat.
Für Feilenstähle kann man das Diagramm ohne Korrektur zugrundelegen.
Da das Normalglühen der Kornverfeinerung der Matrix dient, ist es sinnvoll, die Erwärmung und Abkühlung relativ zügig vorzunehmen. Ein mildes Härten mit anschließendem Weichglühen ist zur Kornverfeinerung der Matrix am wirksamsten.
Korngrenzenzementit ist wegen der dadurch verursachten Versprödung sehr schädlich und muß nach Möglichkeit vermieden werden. Mittel hierzu sind kurzes Halten auf Schmiedetemperatur, ausreichend kräftiges Verschmieden bis zur korrekten, nicht zu hohen Endtemperatur
und relativ zügiges Abkühlen. Ist er erst einmal entstanden, hilft Normalisieren und Weichglühen, in hartnäckigen Fällen mildes Härten und Weichglühen.
Die Gefügebilder der Bruchstellen der Feilen sprechen Bände-hier sieht man, was man durch falsche thermomechanische Behandlung an Schaden anrichten kann. Auch dieser Schaden wäre noch zu beheben, wenn man die Stücke ausreichend überschmieden könnte. Man könnte mal eine Damastprobe damit machen- aber mehr in der Hoffnung auf Lernerfolge als auf einen Superdamast.
MfG U, Gerfin
 
Extrem lehrreicher Thread, das hier. Schade nur, dass Du, Lanfear, dafür das Lehrgeld gezahlt hast.

Aber was wäre, wenn Du - dem Vorschlag von U. Gerfin folgend - die Stücke nochmal überschmiedest, mit Hinblick auf die Randbedingungen, dann normalisierst, weichglühst usw, und dann nochmal die Sache brichst und fotografierst ? Hätte echt was, und das wäre eine feine Sache und würde sich prima mit dem was hpkb gesagt hat, ergänzen.
Die Bruchstücke abtreffen mit der Bruchfläche und aufbewahren.

Würdest Du das machen?

Eine neugierige Gemeinde wartet drauf.....
 
Hallo Freunde,

ich mache folgendes um ein feines Gefüge zu bekommen.
Ich schmiede zuerst den Umriß der klinge fertig.
Als letzten schritt schmiede ich die Schneide aus. Dabei erwärme ich nur noch auf die Umwandlungstemperatur und schmiede bis die Klinge gerade noch erkennbar glüht.
Danach kommt das Weichgluhen.
Auf diese Weise habe ich schon einige Klingen hergestellt und war mit dem Ergebniss immer zufrieden.
Einige Proben die ich gehärtet und danach zerbrochen habe, zeigten ein feines samtartiges Gefüge wie gute Feiten.

Dex
 
Wie angedroht:

Ich habe jetzt 5x normalisiert und neu gehärtet. Ich habe zur Probe nochmal ein Stück von der Klinge und zum Vergleich ein mit normalisiertes Feilenstück abgebrochen und Fotos gemacht.



Das Gefüge der Klinge sieht im Randbereich immer noch optimal aus, die Verbesserung ist aber doch deutlich erkennbar.

Das Normalisieren habe ich in einem Elektroofen gemacht. Temperatur waren 830°C. Kurz nach Erreichen der 830° habe ich den Ofen dann ausgemacht und im Ofen abkühlen lassen. Das dauert dann bis auf 50° runter so ca. 8 Stunden. Beim letzten Durchgang hatte ich den Ofen vergessen auszumachen. Da war die Haltezeit bei 830° dann so ca. 18 Stunden. Die zwei noch intakten Klingen haben bei der Prozedur erheblich an Masse zugunsten von Oxid eingebüßt.
Entweder nicht so lange drinlassen oder Härtefolie verwenden.

Die beiden Klingen habe ich dann bei ca. 200° anderthalb Stunden angelassen. Die eine habe dann in den Schraubstock gespannt und sie seitlich gebogen. Die Klingenspitze dabei um ca. 15mm ausgelenkt. War überhaupt kein Problem.

Vielen Dank noch mal für Eure Hilfe. Ich werde beim nächsten Mal deutlich mehr Augenmerk auf Überhitzung beim Schmieden und Härten legen.

Gruß Heiko
 
Heiko, zum NOrmalisieren die Klingen nicht so lange abkühlen, sondern an Luft, also aus dem Ofen rausholen.

Die Klingen, die so lange drin waren, solltest Du auch mal brechen. Nicht nur die Entkohlung, auch eine starke Kornvergrößerung sollte dann zu sehen sein. Überzeiten.

also, wie schon mal gesagt, leider zahlst Du das Lehrgeld, aber Du lernst ne Menge dabei. Und das ist jetzt keine Ironie.

Also, Überhitzen ist schlecht, Überzeiten aber auch.

Wenn Du das dann siehst, wird Dir alles wieder klar.

Danke für Deine Ausführungen in diesem Thema. Ich finds interessant.
 
Es ist auch hilfreich mal die Posts genauer zu lesen


Normalisieren heist einige Sekunden lang ins unmagnetische Gebiet erhitzen und dann ablaufenlassen bis man keine Glühfarbe mehr sieht
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Normalisieren machen wir so: kurzeitig alle Klingenteile etwas über dem Magnetpunkt bringen, abkühlen lassen bis die Klinge nicht mehr glüht, wider auf Temperatur bringen u.s.w..

Da das Normalglühen der Kornverfeinerung der Matrix dient, ist es sinnvoll, die Erwärmung und Abkühlung relativ zügig vorzunehmen.
 
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