Genau hingesehen - Messerklingen nach dem Schärfen …

Rock'n'Roll

MF Ehrenmitglied
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Zunächst einmal - und hoffentlich - verbessert das Schärfen die Schneidfähigkeit einer Klinge. Für eine konkretere Beurteilung des Ergebnisses ist es hilfreich, wenn man ein Mikroskop zur Hand hat. Angefixt von güNef hatte ich mir vor längerer Zeit ein Lichtmikroskop zugelegt. Die folgenden vier Bilder zeigen als Beispiel, was man bei bis zu 500facher Vergrößerung zu sehen bekommt.

01 Para 3 ab Werk.jpg 02 Sage 5 ab Werk b.jpg 03 Opinel nach 4 K.jpg 04 Froberg Custom nach 12 K.jpg

Die ersten beiden zeigen ein Para 3 und ein Sage 5 ab Werk. Man sieht Wellen auf der Primärfase und ebensolche - wenn auch kleinere - auf den Sekundärfasen. Es macht also offensichtlich Sinn, hier ein Schleifmedium heranzuziehen. Ohne Mikroskop ist die Struktur nicht erkennbar.

Wenn man dann schärft, sieht die Sache folgendermaßen aus. Als Beispiele zeigen Bild 3 und 4 ein Opinel nach Schleifleinen 4 K und ein Froberg Custom nach Schleifleinen 12 K. Das sieht schon deutlich besser aus. Insbesondere beim Froberg, dessen kompletter Klingenanschliff schon von Haus aus einen sehr guten Eindruck hinterläßt. Man sieht einen mehr oder weniger glatten Klingenspiegel mit fein geschlossener Schneide …

So weit so gut. Wenn wir jedoch genau hinsehen, sieht die Sache etwas anders aus. Einige werden Todd Simpson kennen - auf jeden Fall die Rasiermesserfraktion. Todd betreibt seit einigen Jahren den Blog scienceofsharp.com. Er betrachtet Klingen unter einem Elektronenmikroskop. Und zeigt auf, wie sie nach dem Schärfen mit verschiedenen Medien konkret aussehen.

Der Blog enthält fabelhafte Bilder bei bis zu 20.000facher Vergrößerung. Z.B. die von den bauklotzgroßen Karbiden einer Maxametklinge.

Sehr interessant ist der Beitrag über die Wirkung verschiedener Schärf-Medien auf eine Klinge. Man kann sehen, daß ein Wetzstahl eine Klinge nicht schlicht und einfach wieder „aufrichtet“, sondern daß Material abgetragen wird.

Es gibt sehr schöne Bilder von der Oberfläche einzelner Schleif-Medien und dem Abtrag, den sie auslösen. Beispielsweise hier von Shapton-Steinen.

Hier gibt es ein Tabelle, die zeigt, wie groß der Abtrag diverser Schleifmedien ist (Sigma, Chosera, King, Shapton, Atoma, DMT). Bei den DMT-Platten ist der Abtrag umso größer, je feiner die Körnung ist. Todd erklärt, warum das so ist …

Wunderbar auch, wie es ausschaut, wenn sich ein Korn aus Sandpapier löst und in der Facette einer Klinge eingräbt.

Es gibt viel zu sehen und zu lesen in diesem Blog :super:

R’n‘R
 
Hallo R’n‘R,

danke für den schönen Beitrag! Wo ich diese Bilder sehe und deinen Beitrag über das Herder 1922 Spickmesser noch im Ohr habe: Schleifst du eigentlich alle deine Küchenmesser auf Mircomesh/Mousepad leicht ballig auf Null, ohne eine (Micro)Fase in stumpferem Winkel (30-40° Gesamtwinkel) anzulegen? Hast du da keine Probleme mit Ausbrüchen bzw. sich schnell umlegenden Schneiden?

Gruß,
Daniel
 
Moin Bukowski,

Schleifst du eigentlich alle deine Küchenmesser auf Mircomesh/Mousepad leicht ballig auf Null, ohne eine (Micro)Fase in stumpferem Winkel (30-40° Gesamtwinkel) anzulegen?

Schlimmer :p ... Nicht nur die. Sondern auch die meisten meiner Fixed und Klappmesser. Die Barkies sowieso (A2 und CPM 3V). Und wenn da zuviel hinter der Wate steht, bereinige ich das. Ferner meine Boll, Froberg, Attilas Klapper. Auch diverse Spydies, die ich diesbezüglich verändert habe. Ein Para Millie 2 mit 52100-Klinge ist durchgehend ballig auf Null jetzt.

Und Probleme habe ich damit keine. Wenn der Stahl das hergibt - und das ist bei obigen Messern definitiv der Fall - gibt es für mich nichts Schöneres, als die maximal mögliche Schneidfreude zu genießen, die dadurch ermöglicht wird. Zudem kann ich so alle Messer durch schlichtes Abziehen auf Schleifleinen scharf halten.

Wenn es mal einen Mikro-Chip gegeben hat - was äußerst selten passiert - ziehe ich die Klinge ein paarmal über den Sinterrubin, bis er weg ist und nehme dann wieder die Schleifleinen, lasse die Klinge dann einmal von 1.800 bis 12.000 drüberlaufen und alles ist wieder schön.

Alle anderen Schärfmedien habe ich zu den Akten gelegt (Shapton Glass, Leder mit Paste, Sharpmaker). Ein Satz Schleifleinen reicht bei regem Gebrauch etwa 6 Monate. Kostet dann wieder 20,- € und weiter geht's.

Auch in der Küche hatte ich bisher kein Problem mit den Solingern oder dem Masakage Nakiri, Kamo-to Solisten-Santoku. Ich choppe allerdings auch eher weniger.

Meine Klappmesser und Fixed halten die Beanspruchung bei der Arbeit mit harten Hölzern (Eukalyptus, Olive ...) gut aus. Bestes Beispiel der Sündenbock von Daniel Boll. Den habe ich schon reichlich malträtiert. Die niedrig legierten Wolframstähle (hier 1.2516) sind erstklassig und haben auch bei filigraner Geometrie Stehvermögen.

R'n'R
 
Echt interessant, das eröffnet neue Perspektiven. Ob solche dünn ausgeschliffenen Schneiden auch bei mir halten, würde mich mal interessieren. Das auszuprobieren würde mich schon reizen, zumal die Kosten ja wirklich überschaubar sind.

Ich schleife (inklusive Ausdünnen der Klingenflanken) aktuell ausschließlich auf Banksteinen (Shapton Pro, Naniwa Pro und Trad, Imanishi) und halte die Schärfe mit Dick Micro oder Dickoron Classic. Stähle die zum wetzen nicht geeignet sind, bekommen Touch-Ups auf Kitayama, Shapton Pro 12k o.ä.

Zum Kauf eines Mikroskops konnte ich mich noch nicht durchringen, obwohl ich diese wissenschaftliche Betrachtungsweise des Schleifvorgangs wirklich interessant finde.

Gruß,
Daniel
 
Was das Mikroskop angeht, habe ich mich lange gesträubt. Brauch ich nicht so'n Zeug :p! Aber ich muß sagen, daß ich sehr froh bin, es doch getan zu haben. Man schnallt erstmal ab, wie zum Teil katastrophal eine als bestens geschärft eingeschätzte Klinge bei näherer Betrachtung aussehen kann.

Wenn die Schneide dann unter dem Mikroskop fein geschlossen erscheint, ist sie das bei Inspektion unter einem Elektronenmikroskop zwar immer noch nicht, aber man hat ein für den Gebrauch gut geeignetes Exemplar zur Hand, das einer "Zerstörung" durch Gebrauch deutlich mehr Widerstand entgegensetzt.

Und eine ballig auf Null geschliffene Klinge läßt sich ja bei Nichtgefallen schnell wieder mit einer Mikrofase versehen.

R'n'R
 
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