Härte ? Beim Sensen Dängeln ????

navajo

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Moinsen

Hier mal eine ganz andere Richtung.

Meine Frage an alle :

Wieviel Härte kann man durch Kaltschmieden ( Dängeln bei einer Sense , Sichel oder einem Messer ) erreichen ????
 
Hallo !
Ich weiß das es möglich ist durch Kaltschmieden das Gefüge zu verzerren und dadurch die Verschleißfestigkeit zu steigern. Ein Verdichten des Materials ist nach meinem Wissen nicht möglich.
Ob der ganze Prozess beim dängeln soweit untersucht ist, das es möglich ist konkrete Auswirkungen, speziell in der danach vorhandenen Härte in Werten angeben zu können interessiert mich auch.
MfG Lars
 
Tja, das geht in der Tat.
Am besten geht diese Kaltverfestigung mit kubisch-flächenzentrierten Werkstoffen, also Cu, Ms, Bronzen. Die Festigkeitsgewinne (und damit die Härtesteigerung) sind erheblich. Das hat man bei den Bronzeschwertern ausgenutzt.

Bei Stahl ist die Sache komplizierter. Im Wesentlichen klappt das hier auch, aber die enorme Höhe der Versetzungsdichte (nicht verwechseln mit der Dichte, das Gerede von "Verdichten durch Schmieden" wie es jeder Spatenfabrikant anbringt, ist ziemlicher Humbug) durch Kaltverformen bringt das Material zum reißen. Jeder Gewinn von Festigkeit durch Kaltverformung wird mit einem Verlust an Zähigkeit erkauft. Je nach Kohlenstoff- und Legierungsgehalt verhalten sich die Stähle unterschiedlich. Kohlenstoffarme Sorten, die auf Kaltumformbarkeit ausgelegt sind (Automobilbau), bringen es durchaus schonmal auf die Verdreifachung des Ausgangswertes, also ca. 40 HRC.

Sollte ich noch genaue Zahlen finden, dann poste ich das mal.

Bei Sensen ists die Frage, die wurden durchaus mit Kohlenstoffgehalten um und über 1% hergestellt, andererseits gibts auch "Blechsensen". Sowas kommt natürlich nie durch Kaltverfestigen an die Härte eines wärmebehandelten Teils heran.

Ich habe zwei Sicheln, eine alte von meinem Vater und eine neuere, letztere läßt sich klasse dengeln und klass umfalten. Die alte Sichel muß man beim Dengeln nett behandeln, da die Kaltverformungsreserve nicht sehr groß ist, die ist nämlich schon federhart, aber dafür bleibt sie auch ne Weile intakt.

Einfache Frage, komplizierte Antwort.
 
Bis jetzt sehr aufschlußreich.

Danke Herbert. :ahaa:

Wenn noch jemand was weiß.........


Bitte nur los bin neugierig.


Grüße Andy
 
Kaltverfestigung von Eisenwerkstoffen hat man teilweise auch schon bei
La-Tene zeitlichen(300 v. Chr.) Funden nachweisen können. U.A. bei einigen Schwertklingen,welche nur aus Eisen bestanden,hat man eine Gefügeverzerrung welche duch Kaltschmieden wohl erzeugt wurde nachweisen können. Was dabei für Härtewerte erzielt wurden weiß ich leider nicht.

Eine Werkstoffverfestigung wärend des Kaltumformprozesses ist aber auch von den Legierungsbestandteilen abhängig. Gerade im Automobilbau speziell in der Fahrwerkstechnik wird sehr häufig ein mit Bohr legierter Werkstoff verwendet. Auch bei Anwendungen wie z.B. Hydroformteile wird die erhöhte Festigkeit des verzerrten Gefügeaufbaues gerne ausgenutzt. Aber auch hier habe ich leider keine konkreten Zahlen.
Werde mal versuchen etwas dazu zu erfahren.
 
Also mal `ne laienhafte Frage: ich war immer der Meinung, das "Dengeln" der Sense (Sichel) hat den Zweck, die Schneide wieder zu "richten". Wenn die Schärfe der Sense (Sichel) mit hartem Material in Kollision kommt, was unweigerlich passiert (Steine, Hartholz usw), gibt es Ausbrüche, aber auch Stellen, wo sich die Schneide umlegt.
Diese Stellen wieder zu begradigen, dazu wurde das Werkzeug gedengelt und anschließend gewetzt.
Dazu gab oder gibt es Dengelhämmer und sogar Dengelmaschinen.
Von "Kaltschmieden" war da nicht die Rede, oder?
Bitte um Aufklärung.

Grüße
Matthias.
 
Matthias schrieb:
... Diese Stellen wieder zu begradigen, dazu wurde das Werkzeug gedengelt und anschließend gewetzt...

Das dürfte der eine Grund gewesen sein, der andere lag wohl darin, die Schneide auszudünnen und insofern zu schärfen.

Hans
 
Im Prinzip ist das Dengeln nichts anderes, als "kalte" Treibarbeit in Stahl. Dafür werden speziell geformte Hämmer, bzw. geformte Finnen benutzt. Sie sind nicht wie beim Schlosserhammer gerade, sondern gewölbt, und der gesamte Körper ist ebenfalls nicht gerade, auch gewölbt. Im Prinzip wie ein Pilzkopf, den man parallel zur Mitte abgeschnitten hat.
Der Dengelamboss, wenn man ihn so nennen will, ist ebenfalls leicht gewölbt, ähnlich wie die Bahn eines Schlosserhammers.

Beim Dengeln arbeitet man vom Rücken zur Schneide, und treibt (=dünnt) zur Schneide hin aus, mit dem Streicher wird dann der Grat entfernt.

Gruß Andreas
 
Kaltverfestigung durch hohen Druck funktioniert auch bei gehärteten Stählen. An einer Stanze aus 1.2080 ist mal an der abgestumpften Druckfläche ein Wert in der Gegend von 80 HRC festgestellt worden. Technisch nutzbar ist der Vorgang bei gehärteten Werkzeugstählen nicht, da der Festigkeitsverlust durch Risse jeden theoretisch erreichbaren Vorteil zunichte machen würde.
Es gibt zwei Ausnahmen:
1. Der von Natur aus austenitische Manganhartstahl hat bei guter Zähigkeit eine so hohe Neigung zur Kaltverfestigung, daß das bei Brecherbacken in Steinbrüchen o.ä. ausgenutzt werden kann. Die erreichbare Festigkeit liegt bei 55 HRC. Für schneidende Werkzeuge wird dieser Stahl nicht benutzt: es gibt Besseres.
2. Das Dengeln der Sensen. Sensen werden aus einfachen C- stählen, gelegentlich leicht mit Vanadium legiert, hergestellt. Sie werden nach dem Schmieden und Vorschleifen ganz normal gehärtet und dann so hoch angelassen, daß sie eine zähe Federhärte erlangen. Meistens geht man über die hellblaue Anlassfarbe hinaus. Die Belastung einer Sense im Betrieb ist aber weitaus höher als man denkt. Dabei geht es nicht darum, daß man nicht auf Steine oder Holzknorzen hackt- das sollte einem guten Mäher nicht passieren. Schon normale Grashalme und noch viel mehr trockne Getreidehalme enthalten aber eine ganze Menge Kieselsäure , deren Einlagerungen eine hohe Verschleißwirkung haben. Sensen und Sicheln, die mit der üblichen Anlasshärte eingesetzt würden, würden dadurch sehr schnell abstumpfen. Durch das Dengeln
wird zweierlei bewirkt: Die Schneide wird nach vorn gezogen und ausgedünnt. Dadurch wird sie wesentlich schärfer. Außerdem erfährt sie eine deutliche Kaltverfestigung und bleibt deshalb auch länger scharf. Ich mähe meine Wiese sehr gerne mit der Sense. Als ich mir nach 4o Jahren eine neue Sense zugelegt habe, die angeblich mähfertig geschärft war, mußte ich sie gleich mehrfach durchdengeln, bevor sie wirklich brauchbar war. Eine robuste Schneide entsteht auf diese Weise natürlich nicht. Steine und Holz muß man dann noch vorsichtiger vermeiden als vorher. In feuchtem, hohen Gras ist es aber geradezu ein Vergnügen, mit einer gut gedengelten und geschärften Sense zu arbeiten.
Bei geeigneter Vorbehandlung passenden Materials und unter der Voraussetzung, daß man den Prozeß so steuern kann, daß Versprödung und Rißbildung vermieden werden können, könnte man auch andere Schneiden auf diese Weise schärfen. Der Vorteil wäre ein Schärfen ohne Materialverlust. Ich bin skeptisch, man sollte aber ruhig mal darüber nachdenken !
MfG U. Gerfin
 
Hallo U. Gerfin!
In deinem Text schreibst Du, Sensen und Sicheln die mit normaler Anlasshärte eingesetzt werden, sind kurz drauf schon bald stumpf.
Ich habe es so verstanden, das härterer Stahl, (über federstahlhärte)
stärker von der Kieselsäure angegriffen wird und die feine Schärfe recht schnell weggeätzt wird. Eine geringere Härte in Verbindung mit Dengeln bringt aussreichenden Schutz.
Das bedeutet eigentlich auch, das ein Messer das aus 1.2206 besteht und eine entspechend hohe Härte (ca 65 HRC) aufweist, zB unter dem Einfluss von Tomatensäure recht schnell an Schärfe einbüßt. Das meine ich auch schon beobachtet zu haben. Noch aggressiver sind übrigens tomatenhaltige Grillsoßen, da kann man den Klingen genauso wie bei Einwirkung von Zitronensaft beim anlaufen zusehen.
Ist zum Tomaten schneiden also ein minder C- haltiger Stahl besser geeignet?
MfG Lars Scheidler
 
Naja, ich lasse mich ja gerne belehren! :D
Ein "guter Mäher" bin ich nicht, und überhaupt ist ja die Fertigkeit, mit der Sense zu mähen, nicht mehr sehr verbreitet.
Allerdings glaube ich nicht, daß feindliche Berührungen mit Stein und Holz usw. immer vermieden werden können, auch nicht vom zitierten guten Mäher.
Schärfen ohne Materialverlust - schöne Sache.
Allerdings ist dengeln auch eine hohe Kunst, wie ich mir sagen ließ.

Es grüßt
Matthias,
der wieder was gelernt hat.
 
Vorsicht, Tomatensäure!

Lars Scheidler schrieb:
..Ich habe es so verstanden, dass härterer Stahl, (über Federstahlhärte) stärker von der Kieselsäure angegriffen wird und die feine Schärfe recht schnell weggeätzt wird. Eine geringere Härte in Verbindung mit Dengeln bringt ausreichenden Schutz....Das bedeutet eigentlich auch, dass ein Messer, das aus 1.2206 besteht und eine entspechend hohe Härte (ca 65 HRC) aufweist, zB unter dem Einfluss von Tomatensäure recht schnell an Schärfe einbüßt....

Guten Abend, Lars!

Nicht jede Säure ist ätzend im populären Sinn. Kieselsäure ist SiO2, an anderem Ort auch Sand oder Quarz genannt. In Pflanzen liegt sie als Kristall in den Zellen vor und ist Bestandteil der Festigkeit gebenden Strukturen (durch den hohen Kieselsäuregehalt wird ein besonders großes Gras, nämlich Bambus, so hart).

Wenn Du also mähst, dann fährt die Sense quasi durch einen Wald von feinstem Schmirgelpapier - da versteht jeder, dass sie davon schnell stumpf wird!

Auch andere Pflanzen enthalten Kieselsäure. Der Ackerschachtelhalm beispielsweise hat seinen Trivialnamen "Zinnkraut" daher, dass er als ideales Putzmittel für Zinngeräte und -gefäße verwendet werden konnte.

Die gemeine Tomatensäure (lat.: acidum tomaticum var. solani lycopersici) ist eine Fruchtsäure wie Zitronen- oder Ascorbinsäure (die man ohne größere Verätzungen zu sich nehmen kann, wenn man bei normaler Dosierung bleibt). Diese leichten Säuren können C-Stähle durchaus angreifen, und eine superfeine Schneide könnte dabei in der Tat Schaden nehmen. Da hilft dann nur häufiges Putzen, das man vor allem auch deshalb nicht vergessen sollte, weil sich der Geschmack von Obst und Gemüse unter dem Einfluss von Eisenionen unangenehm verändern kann.

Ich musste früher unsere C-Stahl-Küchenmesser mit einem Flaschenkorken, den man kurz anfeuchtete, und etwas aufgetupftem ATA oder VIM blank putzen. War eine gute Übung.

Gruß

sanjuro
 
Dengeln

Matthias ...Allerdings glaube ich nicht schrieb:
Matthias,

das ist in der Tat eine Kunst, denn wenn man zuviel Material in die Schneide treibt oder zuviel "Drang" erzeugt, kann das durchaus zu einer welligen Sensenklinge führen.

Das kunstvolle Mähen, das Ulrich beschreibt, vermeidet das gefürchtete "Umgraben mit der Sense", was Anfängern gern passiert. Aber der Kontakt mit "feindlichen" Fremdkörpern ist nach meiner Beobachtung auch stark von der Örtlichkeit abhängig - nicht immer findet man eine stein- und holzfreie Wiese vor. Und in meinem Garten schon gleich gar nicht...

Gruß

sanjuro
 
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