Härtemedien - Wasser, Öl, Emulsionen, Warmbad, Luft

U. Gerfin

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Ein Meinungsaustausch mit Achim und die immer wieder auftauchende Frage nach dem richtigen Härtemedium veranlasst mich, hier einige Grundfragen kurz und für die Klingenhärtung praxisnah darzustellen.

Grundsätzlich unterscheidet man Wasserhärter, Ölhärter und Lufthärter.

Da es bei der Abschreckhärtung darauf ankommt, den im Austenit auf Zwischengitterplätzen gelösten Kohlenstoff sozusagen dort gefangenzusetzen, damit er das Gitter verspannt und die Härtung bewirkt, kommt es darauf an, das Gefüge so abzukühlen, daß er es eben nicht verlassen und sich mit Eisenatomen( oder sonstigen Legierungsatomen) verbinden und in Karbidform ausscheiden kann.

Dabei gilt der Grundsatz, daß legierungsarme oder gar völlig reine Stähle sehr umwandlungsfreudig sind, dem Kohlenstoff also ein Entweichen aus dem Gitter schnell ermöglichen.

Dabei ist die Beweglichkeit des Kohlenstoffs nicht bei allen Temperaturen unter AC 1 gleich.
Für eine gelungene Härtung genügt es, die sogenannte Perlitnase zu vermeiden. Das kann man sich an den ZTU-Schaubildern anschauen und verdeutlichen.

Das Abkühlungsvermögen der einzelnen Medien von ruhender Luft bis zu kaltem Salzwasser ist sehr genau erforscht. Eine ausführliche Zusammenstellung findet sich etwa bei "Wärmebehandlung der Bau- und Werkzeugstähle" Herausgeber Hanns Benninghoff, aber auch bei Haufe, "Werkzeugstähle und ihre Wärmebehandlung".

Entscheidend für dei Abschreckwirkung ist aber nicht nur das Abschreckmittel, sondern logischerweise auch die Masse des abzuschreckenden Gegenstands. Man kann sich sehr leicht vorstellen, daß die Kühlungswirkung des Abschreckmittels an der Oberfläche wirkt während von innen aus einem dicken und heißen Werkstück Hitze nachfließt.

Ich will es hier bei diesen kurzen theoretischen Betrachtungen belassen, bei Bedarf kann das vertieft werden.

Was ergibt sich daraus für die Härtung von Messerklingen ?

Auch hier kann man sich grundsätzlich auf die Angaben in der Literatur verlassen- der Stahlschlüssel gibt verläßlich Auskunft.

Am einfachsten ist es bei den hochlegierten, als Lufthärter bezeichneten Stählen. Ein Stahl, der nach den Angaben in den Härtevorschriften bei 25 mm vierkant in Luft härtet, braucht keine schärfere Abschreckung, schon gar nicht in den kleinen Maßen und Massen einer Messerklinge. Hier ist eher das verläßliche und schonende Aufwärmen auf die hohen Härtetemperaturen ein Problem, weshalb man das Härten dieser Stähle grundsätzlich dem Fachmann mit geeigneten Einrichtungen überlassen sollte.

Ähnlich einfach ist es bei den leicht legierten Stählen, für die Ölhärtung empfohlen wird. Da sie so ausgelegt sind, daß sie bei Ölhärtung die volle Härte erreichen, die ihre Zusammensetzung ermöglicht, macht es weing Sinn, sie schärfer abzuschrecken.

Es bleiben die Wasserhärter.
Dabei handelt es sich um legierungsarme oder reine Stähle mit hohem Umwandlungsvermögen.

Grundsätzlich genügt auch bei ihnen Ölhärtung, um die gewünschte Härte zu erreichen. Es kommt ja nicht auf das Abschreckmedium als solches an, sondern darum, wie schnell das Werkstück abkühlt und insbesondere, ob es an der Perlitnase ohne Umwandlung vorbeikommt.
Eine sehr dünne Folie würde beispielsweise schon im Luftstrom schnell genug kalt, um zu härten, ein Amboß vom 200 Kg braucht eben länger.

Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen: Ultrareine Stähle sind so umwandlungsfreudig, daß sie im entscheidenden Temperaturbereich mit Abkühlungsgeschwindigkeiten von bis zu 1.000 Grad/sec abgekühlt werden müssen, um zu härten, wie es bei aufgekohltem Karbonyleisen festgestellt worden ist.

In einer Zeit, als man sich noch bemühte, besonders reine C-Stähle herzustellen, gelang das gelegentlich so gut, daß diese Stähle selbst in Wasser nicht gleichmäßig hart wurden, sondern weiche Flecken behielten. Sie mußten in Salzwasser oder besser -wegen des Korrosionsverhaltens- in Wasser mit 5-10 % Ätznatron gehärtet werden.
Dadurch brach die Dampfhaut früher zusammen und die Abschreckwirkung war erheblich stärker.

Bei solchen ultrareinen Stählen, zu denen auch die meisten im Rennfeuer erzeugten Stähle gehören, geht es ohne Wasser nicht.

Auch bei "normalen "Wasserhärtern, etwa den Kohlenstoffstählen der ersten Qualitätsstufe, ist Wasserhärtung unbedenklich, wenn auch meist nicht nötig.

Das mal so als grober Überblick.
Die Spezialhärteverfahren wie Warmbadhärtung, gebrochene Härtung, unterbrochene Härtung, Salzbadhärtung, Härtung in Metallbädern lasse ich jetzt mal beiseite. In ihrer Wirkungsweise liegen sie stark vereinfacht zwischen der Wasser- und Ölhärtung und bezwecken eine sichere Härtung mit Verminderung der Rißgefahr.

Ein kurzes Wort noch zur Frage, warum man nicht schärfer abschrecken sollte als nötig:
a) Es bringt keinen Zugewinn an Härte-
Daran hatte man geglaubt, als man den Härtevorgang noch für ein gewaltsames Zusammenpressen des Gefüges hielt, nach der Vorstellung: Körper ziehen sich bei Abkühlung zusammen, also ist das auch bei Stahl so und deshalb wird er durch das Zusammenziehen hart. Alte Härteanleitungen empfehlen deshalb, feine Schneiden in kaltem Quecksilber zu härten-Zur Nachahmung nicht empfohlen.

b) durch zu scharfe Abschreckung erhöht sich die Rißgefahr bis zur Sicherheit, daß Risse auftreten.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Ich zitiere mal aus dem anderen Thema, weil wir da ja OT waren:

Hier ging es um den Stahl C 60 oder 1.1740.
Für diesen Stahl empfehlen Haufe," Werkzeugstähle und ihre Wärmebehandlung", Küntscher und Werner, "Technische Arbeitsstähle" ebenso wie Rapatz Härtung grundsätzlich in Öl, in Wasser nur für einfach geformte Stücke größerer Abmessung.

Wie dort, nicht von mir, festgstellt wurde, ging es wohl eher um CK60 = 1.1221. Das war auch mein Verständnisfehler denn der zwar geringe aber dennoch vorhandene Legierungsgehalt im CK60 gegenüber dem C60 = 1.1740, den man ja auch im Stahlschlüssel wiederfindet, macht m.E.n. einiges aus.

Zu dem C60, respektive allen Stählen von C30 bis C100, empfiehlt der Heat Treater's Guide "water or brine", also Wasser oder wässrige Salzlösung. Beim C95 gibt es zusätzlich noch die Bemerkung "oil quench sections under 3/16 in (1,588 mm)". Bei den weniger kohlenstoffhaltigen Stählen nimmt die empfohlene Dicke, ab der in Öl gehärtet werden kann, bis etwa 6,3 mm zu.

Schumann empfiehlt für reine Kohlenstoffstähle durchgehend Härten in Wasser. Stahlschlüssel ist oben schon erwähnt worden.

Da ich im Moment einen sehr guten Draht zu einem lokalen Labor habe und das Rohmaterial bei mir logischerweise kein problem darstellt, werde ich noch ein paar zusätzliche Versuche machen, die Proben testen und die Ergebnisse hier einstellen. Allerdings habe ich mit 0,6 % C nur den 1.1740. Fürn 1.1221 muss ich erst mal schauen, dürfte aber kein Problem sein.

Eine Frage noch an Ulrich: Quecksilber hast Du ja bereits erwähnt. Die bedenklichen Auswirkungen kann sich jeder bildlich ausmalen. Roman wollte sich vor ein paar Jahren mal ein Bleibad machen, allerdings wegen der erforderlichen Temperaturen wohl eher zum Erhitzen als zum Abschrecken. Aber kennst Du jemanden, der mal versucht hat ein Abschreckbad mit Woodschem oder besser (weil ohne Cadmium) Roses Metall zu benutzen? Das sollte für's Bainit-Härten prima sein.
 
Das 1/16 in hat 1,588, und drei davon wohl die von Dir monierten 4,76. Bei seinem Beitrag steht ja auch kein "=" dazwischen. Missverständlich vielleicht, aber nicht falsch.
gruß tuzzi
 
Nö, chamenos, da änder ich mal nix dran, denn es ist ein Zitat und so steht es da im HTG. Dass die 3/16" mehr als 1,588 mm sind ist auch klar.
 
ugerfin, wie würdest du
- 1.1545

- 1.2002

härten?

wasser mit äznatron ? oder öl, oder einfaches wasser?
ich hätte zugang zu osmosewasser

danke!
 
Hallo U. Gerfin,
danke für die schöne Zusammenfassung, war doch nicht so umfangreich wie ich dachte um alle Stähle abzuhandeln...
Ich habe aber noch zwei Fragen:
1.:
Die Härtung steht ja immer zwischen den beiden Polen Materialbelastung (bis zum Riss) und erzielbare Härte (möglichst hoch).
Man liest in den Büchern ja immer, dass ein Werkstoff bei schärferer Abschreckung eine höhere Härte erzielt, wobei beide Abschreckmedien (sanft und scharf) an der Perlitnase vorbeikommen.
Ich habe das bis jetzt so verstanden, dass die erzielte Härte im Bereich vor der Perlitnase direkt von der Abkühlgeschwindigkeit abhängt.
Die Materialbelastung ist hier natürlich außen vor gelassen.
Für mich als notorischen differenziell WBler ist das besonders interessant.
Bei nicht sehr umwandlungsfreudigen Stählen wie 1.2842 habe ich einen Bereich über dem Härtemedium, der noch nicht in der Perlitnase liegt, trotzdem gehärtet aber eben nicht so stark wie im Härtemedium selbst.
So habe ich es durch meine (allerdings bescheidenen und subjektiven) Härtetests auch festgestellt: kontinuierlich abnehmende Härte.
Umwandlungsfreudige Stähle wie der Ck60 scheinen da etwas anders zu reagieren (Deutlichere Härtegrenze).
Also ganz einfach gefragt:
Liegt im Bereich vor der Perlitnase eine eher gleichmäßige Härte bei unterschiedlichen Abkühlgeschwindigkeiten oder ist die erzielte Härte in dem Bereich noch durch die Wahl des Abkühmediums wesentlich zu erhöhen?
2.:
Verhoeven schildert die Abkühmechanismen beim Härten sehr anschaulich und gibt auch für unterschiedliche Härtemedien die jeweiligen Kühlleistungen wieder.
Leider habe ich für exotische Härtemedien wie Pflanzenöl keine Hinweise gefunden.Gibt es dazu irgendwo Daten?

Grüße
less
 
Ich würde sowohl 1.1545 wie auch 1.2002 in Öl härten.
Gegen eine Wasserhärtung ist beim Stahl 1 wenig zu sagen, beim Stahl 2 wäre ich schon eher vorsichtig.

Beide Stähle werden bei den kleinen Abmessungen voll hart-jedenfalls jenseits der 60 HRC.

Daß unterschiedliche Härtemedien leicht unterschiedliche Härtewerte erzeugen, auch wenn die Kühlkurve die Perlitnase nicht schneidet, ist bekannt.
Die Mechanismen, die zu dieser Erscheinung führen, lassen sich in etwa wie folgt beschreiben: Bei der milderen Härtung kann nach dem Passieren der Perlitnase und dem Abkühlen auf Raumtemperatur ein gewisser Anlaßeffekt auftreten. Ein schnellerer Durchgang durch den Temperaturrahmen von Martensitstart bis Martensitbildung Ende könnte zu weniger Restaustenit führen.
Exakte Formeln dafür gibt es meines Wissens nicht, Untersuchungen zeigen aber die Ergebnisse und lassen diese Rückschlüsse mit einiger Sicherheit zu.

An sehr dünnen Stahlplättchen haben Rose und Rademacher Härteversuche vorgenommen und dabei selbst bei einfachen C-Stählen mit ca 0,7 % C hohe Härten bis 70 HRC festgestellt.
Ähnliche Ergebnisse zeigen sich beim Induktionshärten von Sägezahnspitzen, wo ebenfalls bei einfachen Stählen, sogar solchen mit Nickelanteilen, bei denen man an sich keine Höchstwerte erwartet, Härtewerte um 70 HRC erreicht werden.

Weshalb ich im Zweifelsfall doch für die mildere Abschreckung plädiere, hat zwei Gründe. Einmal ist die Rißgefahr geringer und zum andern scheint sich die Härte beim Anlassen auszugleichen. So schreibt Haufe "Werkzeugstähle und ihre Wärmebehandlung" S. 68: "Werden Rockwellhärten von 60-62 HRC verlangt, so können alle Werkzeuge, die nach dem Härten Rockwellwerte von 62-67 RC aufwiesen, gleichzeitig bei etwa 230-250 Grad angelassen werden. Die unterschiedlichen Rockwellhärten gleichen sich beim Anlassen aus".
Das bezieht sich natürlich nur auf gleich legierte Stähle.
Man kann sich das so erklären, daß die beim Härten weniger hart gewordenen Stähle schon einen gewissen Anlaßvorgang hinter sich haben und deshalb auf das Anlassen langsamer reagieren.

Hier würde sich ein einfacher Test anbieten: Je 10 Stücke 1.1545 sollten in Wasser gehärtet werden und 10 weitere in Öl. Wenn es sich um kleine Teile handelt-2 mm Dicke wäre interessant- müßte die Wasserhärtung Werte zwischen 65 und 69 HRC ergeben, die Ölhärtung
63 -65. Anlassen 2 mal 30 Min bei 200 Grad müßte zeigen, ob die Härte sich ausgleicht.

Zu der Abschreckwirkung der einzelnen Medien gibt Haufe einen guten Überblick, sehr ausführlich wird das im Buch: Wärmebehandlung der Bau- und Werkzeugstähle" Herausgeber Hanns Benninghoff behandelt.
Dort werden auch die Öle in einem eigenen Kapitel behandelt ( S. 107-115) und anderen Abschreckmitteln gegenübergestellt.
Grob gesagt härten danach mineralische Öle- die eigentlichen Härteöle- etwas schärfer als Salz- oder Metallschmelzen und milder als Fettöle= tierische und pflanzliche Öle. Emulsionen= wässrige Lösungen liegen wieder etwas über den Fettölen, wobei es überdeckende Bereiche gibt, Wasser und schließlich Salzlösungen härten am schärfsten.

In jedem Bereich von Luft bis Salzlösung gibt es Abstufungen- schon Wasser unterschiedlicher Herkunft kann verschiedene Abschreckwirkungen haben, von Temperatur und Ruhe oder Bewegung des Bades ganz abgesehen.
Insgesamt läßt sich ein Bereich der Abschreckgeschwindigkeiten von 2Grad/sec- bis 3000 Grad/sec einstellen.
Da müßte für jeden Zweck etwas dabei sein.

Mit richtig eingestellten Warmbädern kann auch die Bainithärtung durchgeführt werden, mit guten Härtewerten und hohem Zähigkeitsgewinn-allerdings erkauft mit Elastizitätsverlust- dazu kann auf die ausgezeichneten Ausführungen von Verhoeven verwiesen werden. Für mich kommt das schon mangels Ausrüstung nicht in Frage, Versuche lohnen sich aber sicher.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Hallo U. Gerfin,
ganz herzlichen Dank für diese erhellenden Ausführungen!

Trotz meiner Werkstoffkundevorlesungen als Grundlage (vor langer zeit) und meines beständigen Interesses an dem Werkstoff Stahl bei Schneidwaren tauchen immer wieder Fragen auf, bei denen ich nicht weiterkomme.
Deine Antworten auf diese Fragen haben mir sehr geholfen!
Da fügt sich das Bild dann plötzlich sehr stimmig zusammen.

Grüße less
 
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