Härten fehlgeschlagen

Radol

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Hallo erst mal...

Nach tagelangem Lesen in diesen Forum hat mich die Lust gepackt und ich habe über Weihnachten mein erstes eigenens Messer hergestellt. Dazu habe ich ein Stück 1.2842 Flachstahl drei Tage lang mit der Feile bearbeitet. Stolz bin ich mit meinem Rohling nach dem Weihnachtsurlaub in die Werkstatt in der Firma in der ich arbeite gegangen um zu zeigen, dass ich über Weihnachten fleißig war. Dort bot man mir auch gleich an, die Klinge zu härten.
Ich war davon recht begeistert, da ich dachte, heute Abend wieder weiter an dem Messer arbeiten zu können. Nach dem Härten habe ich noch eine Härtemessung durchführen lassen und: nur 54 statt den gewollten 60 HRC. Vermutlich ist die Temperaturregelung des Anlassofens defekt. Nach Anlassfarbe waren es 290...300°C statt 240 °C....

54 HRC sind mir zu wenig. Was kann man tun, um meinem Rohling noch zu retten?
Kann der Stahl noch mal gehärtet werden?
Muss er zuvor unbedingt weichgeglüht werden (der Ofen wird auch noch für die Produktion benötigt)?
Wenn ja, wie lange muss er bei welcher Temperatur geglüht werden und wie lange (langsam) muss er abkühlen?
Müssen Maßnahmen getroffen werden um den Kohlenstoffgehalt wieder zu erhöhen (so etwas wie in Papier einwickeln vor dem Glühen, gehärtet wird in einem Elektroofen)?
Es währe sehr nett, wenn mir jemand eine genaue Prozedur sagen könnte.

Da ich mir bei meinem ersten Werk sehr viel Mühe gegeben habe, währe es sehr schade, wenn es nur für die Vitrine taugen würde...

Vielen Dank für die Hilfe

Olli
 
Hallo Olli !
Ich denke, Dein Messer ist problemlos zu retten. Da es bereits gehärtet ist, ist das Weichglühen nicht so entscheidend. Aus dem gehärteten Zustand scheiden sich die Karbide nämlich am leichtesten fein verteilt aus. Du könntest das Ganze selbst in einem Keramikofen machen. Wichtig ist, daß die Klinge erst mal langsam erhitzt wird, weil sie im gehärteten Zustand gegen schnelles Erhitzen noch empfindlich ist.
Wenn die Klinge vor dem Härten ordentlich weichgeglüht war, wovon eigentlich auszugehen ist, könnte man auf das Weichglühen streng genommen sogar verzichten. Da das Ergebnis des Härteversuchs aber recht ungewöhnlich ist, muß dabei etwas schief gelaufen sein und man sollte alleVorkehrungen treffen, um wenigstens beim zweiten Mal ein ordentliches Ergebnis zu erreichen. Deshalb zur Vorsicht: Weichglühen durch langsames Hochfahren auf 72o Grad. Die Abkühlung braucht nicht besonders langsam zu sein, da es ja nur auf ein zum Härten geeignetes Gefüge und nicht auf besonders gute Bearbeitbarkeit ankommt. Eien besondere Haltezeit ist auch nicht zu beachten.
Das erneute Härten würde ich von 8oo Grad in Öl vornehmen. Da die Haltezeit auf Temperatur kurz ist-5 Minuten genügen- brauchst Du Dir auch über den C- Verlust eigentlich keine Gedanken zu machen. Einpacken in einem Rohr mit Holzkohle oder mit Papier hilft die Oberfläche zu schützen, erschwert aber die Temperaturbeobachtung und verlängert die Haltezeit. Bei einer Anlaßtemperatur von 24o Grad, sollte die Härte eigentlich noch bei 6o HRC oder eher noch darüber liegen. Ich habe deshalb die Befürchtung, daß in der Werkstatt etwas gründlich daneben gegangen ist. 1.2842 ist durch seinen hohen Mangangehalt schon recht anlassbeständig und sollte selbst bei 3oo Grad noch 58 HRC erreichen. Als Fehlermöglichkeiten könnte ich mir vorstellen:
1. Die Klinge ist weit überzeitet, also viel zu lange auf Temperatur gehalten worden. Das Ergebnis wäre eine Randentkohlung und Grobkorn.
In diesem Fall wäre eine Normalglühbehandlung wichtiger als das Weichglühen. Aufkohlen der Oberfläche wäre ideal, anschließend dann wieder weichglühen und erneut härten.
2. Die Klinge ist zu mild abgeschreckt worden. 1.2842 ist zwar in kleinen Abmessungen schon lufthärtend, die richtige Härte erreicht er aber doch erst bei einer Ölhärtung. In diesem Fall wären keine besonderen Maßnahmen nötig. Erneutes korrektes Härten und Anlassen genügt.
3. Die Klinge ist wesentlich zu hoch angelassen worden. Auch in diesem Fall wären keine besonderen Maßnahmen außer einer erneuten richtig durchgeführten Härtung erforderlich.
Es ist also zu klären, was schief gelaufen ist und der Fehler dürfte relativ problemlos zu beheben sein.
Gruß Ulrich
 
Bei allem Respekt gegenüber guten Härtetips.
Wenn es Dein erster Versuch ist, und Du Dir so viel Mühe gemacht hast: Gebe es zu einem Messerschmied hier im Forum (Borger, Claymore etc.) oder zu einer Härterei über Deine Firma. Viele Härtereien härten 3 mal pro Woche 2842. Da bekommst Du Dein Messer flott zurück und freust Dich über das Ergebnis.

Beste Grüße

Gerhard
 
Vielen Dank für euere schnellen Antworten.

@ Ullrich
Der Fehlermöglichkeit Nummer eins könnte auch aufgetreten sein. Der Techniker, der mir zur Seite Stand, hat sich an die Angaben aus dem Stahllexikon der Fa. Recknagel gehalten, also 15 Minuten Haltezeit bei 820°C. Da 5 Minuten schon ausreichen, war das vielleicht etwas viel.
Wie geht eine Normalglüßbehandlung von statten und wie kann man das Aufkohlen der Oberfläche am besten realisieren?

@ Gerhard
Unserem Techniker tut das ganze furchtbar leid und er würde es gerne wieder in Ordnung bringen. Wenn es ihn nicht zu sehr in seiner Ehre kränkt, ist es vielleicht am besten, das gute Stück einem Experten zu überlassen, bevor es dann wirklich hin ist.
 
Ein Freund von mir hatte beim Härten von 1.2842 und Feile (im Härteofen) ein ähnliches Problem.
Bei korrekter Härtetemperatur kamen die Klingen nicht auf die zu erwartende Härte.

Ursache war vermutlich der Temperaturverlust beim Öffnen des Ofens.
Bis der Ofen wieder auf Temperatur war gingen schon einige Minuten ins Land, die eigentlich als Haltezeit ausreichend waren, aber aufgrund der zu niedrigen Temperatur nicht dazu ausreichten die Klinge komplett auf Härtetemperatur zu bringen.
Als er beim nächsten mal das berücksichtigt hatte, klappte es Prima.

Es bedarf da unter Umständen einiger Testläufe wenn man das Verhalten des Ofens auf die zu härtenden Werkstücke abstimmen will.




gruß

Peter
 
Normalglühen wird in der DIN bei überperlitischen Stählen als Erhitzen kurz über Ac 1 beschrieben. Da es um die Kornverfeinerung und Homogenisierung geht, muß "umgekörnt" werden, also von Ferrit zu Austenit und zurück. Eine durchaus brauchbare Methode ist die Erwärmung auf ca 77o Grad- mit der Magnetprobe gut kontrollierbar- und abkühlen an ruhender Luft.
Aufkohlen ist die Anreicherung der entkohlten Oberfläche durch Einwirkenlassen Kohlenstoff abgebender Mittel. Solche Mittel gibt es im Handel, z.B. bei der Fa. Nabertherm in Flörsheim. Man kann sie auch selbst zusammenstellen. Ein klassisches Mittel ist die Mischung von Bariumkarbonat mit Holzkohle. Bariumkarbonatstäube sollen aber recht gesundheitsschädlich sein. Verkohlte Lederreste in einem entsprechenden Rohr geben zusätzlich noch etwas Stickstoff in die Oberfläche ab. Das Problem jeder Einsetzbehandlung ist die recht hohe erforderliche Temperatur- meist um 9oo Grad und die Dauer der Behandlung. Deshalb ist es nach der Aufkohlbehandlung erforderlich, das Korn wieder zu verfeinern, etwa durch eine der eigentlichen Härtung vorausgehende milde Härtung.
Als ersten Schritt würde ich die Klinge einfach noch einmal korrekt härten lassen. 1.2842 ist ein unkomplizertes und dankbares Material, sodaß davon auszugehen ist, daß dies schon zum Erfolg führt.
Gruß Ulrich.
 
es hat geklappt...

Erst einmal vielen Dank für Eure sachkundige Hilfe!

Im Moment mache ich hier gerade mein Fachpraktikum und da man dabei ja auch was Lernen soll, habe ich die Wärmebehandlung in meine eingenen Hände genommen.
Ich habe heute die Klinge Normalgeglüht und erneut gehärtet. Nach dem Anlassen hat die Härtemessung 60,2 HRC ergeben. :)

Sehr geholfen hat mir dabei auch die Firma Recknagel. Dort hat man mir geduldig meine (teilweise sehr grundlegenden) Fragen zum Ablauf der Wärmebehandlung beantwortet.

Nun kann ich weiter an dem Messer arbeiten. Durch das zweimalige Härten ist die Oberfläche etwas mitgenommen, da werde ich noch etwas Spaß beim Schleifen haben.

Vielen Dank noch mal

Olli
 
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