Hartes Urteil wegen Messer in der Tasche

luftauge

Premium Mitglied
Beiträge
6.877
Heute in unserem Sonntagsblättchen dem "Wecker", ist eine gratis Ausgabe der Ostfriesenzeitung, Leer. Artikel ist etwas gekürzt wiedergegeben.

+++
Beim Klau eines 4,90€ teuren Päckchen Tabaks hatte der Leeraner ein Messer in der Tasche. Urteil: sechs Monate auf Bewährung.

Leer. Ein halbes Jahr Knast zur Bewährung ausgesetzt wegen Diebstahls eines Päckchen Tabaks.
- 80h gemeinnützige Arbeit
- 12 Monate Bewährungshelfer zur Seite

Der Mann hatte sein Arbeitsmesser in der Tasche, das er bei seiner beruflichen Tätigkeit in einer Radwerkstatt benutzt. Ob der Dieb das Messer verwenden wollte oder nicht, sei nicht entscheidend erklärte die Richterin.
Laut Gesetz reicht die Verfügbarkeit, bzw. die Gebrauchsbereitschaft bereits aus. Es reiche, wenn demjenigen bewusst sei, dass er das Messer dabei habe. Daher lautete der Tatvorwurf nicht auf einfachen Diebstahl, sondern auf Diebstahl mit Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeugen.

"Das kann man nur als extreme Dummheit bezeichnen, sich für einen Diebstahl von geringwertigen Sachen, in diesem Fall im Wert von 4,90€, eine Freiheitsstrafe einzuhandeln".
Die Staatsanwältin habe sogar sieben Monate gefordert, weil der Angeklagte bereits fünf Vorstrafen kassiert hätte. Dass die unter anderem wegen Körperverletzung und Diebstahl zehn Jahre zurück lagen, spiele keine Rolle, sagte sie in ihrem Plädoyer.

Hervorhebungen von mir
+++

Nicht zu glauben, dass der Rechtsbeistand das "kampflos" so hat durchgehen lassen, wenn der Mann von der Arbeit eben schnell zum Tabakladen rüber ist, nicht darauf hinauszukommen, dass es ihm eben deshalb nicht bewusst war, ein Arbeitsmesser dabei zu haben...
Möglicherweise waren aber wirklich die Vorstrafen das entscheidende Kriterium.

Um welches Muster oder welchen Typ Messer es sich handelte, wurde in dem Artikel übrigens nicht erwähnt, das Begleitbild zum Artikel zeigt ein VI, was aber wohl nur das Taschenmesser in seiner eigentlichen Harmlosigkeit im Gegensatz zum Tatbestand ansich verdeutlichen soll.

Ich werde noch im OZ-Archiv online nachsehen, ob der Artikel auch dort verfügbar ist, wenn nicht, werde ich dort mal anrufen, die kennen mich mittlerweile wegen solcher Nachfragen zur online Verfügbarmachung :glgl:

Gruß Andreas
 
Der Diebstahl ist verwerflich und nicht zu entschuldigen.

Aber bei dieser Sache wird mal wieder deutlich, wie sehr die Einschätzung einer Tat und die Festsetzung der Strafe innerhalb des Strafrahmens abhängig ist von der Psychologie sprich den Vorurteilen des Richters. Ein Messer ist also in jedem Falle eine "Waffe"!?

Eine Rolle hat vielleicht auch gespielt, dass es sich um eine Richterin gehandelt hat?

Man stelle sich vor, der Dieb hätte statt eines Arbeitsmessers (wie auch immer das aussah) ein vom Gesetzgeber ausdrücklich erlaubtes feststehendes Messer mit sagen wir mal 11 cm langer Klinge in der Scheide am Gürtel bei sich gehabt...

Da wären sicher noch ein paar Monate dazugekommen.
 
Der Diebstahl ist verwerflich und nicht zu entschuldigen.

Ein Messer ist also in jedem Falle eine "Waffe"!?
Verwerflich so oder so, aber in diesem Fall auch noch saudumm, weil der Mann offenbar wenigstens eine geringbezahlte Arbeitstelle hat(te) - Fahrräder sind bei uns ein wichtiges Fortbewegungsmittel, und die Fahrradläden "brummen"...
Es gibt bei uns nicht sehr viele Fahrradwerkstätten, ca. 4-5, davon drei große und einen kleinen Familienbetrieb, darum vermute ich, dass es eine von zweien unmittelbar an großen Einkaufszentren ist, von denen die eine in einem Einkaufszentrum integriert ist...

Nein, der § sagt "Waffe oder gefährliches Werkzeug [bzw. gefährlicher Gegenstand - habe den § gerade nicht zur Hand]" - also eins von beiden, und dies war ein laut Artikel ein Arbeitsmesser (unbekannten Typs). Ich vermute, dass der beteiligte Anwalt schon genau wusste, warum im Verfahren von einem Arbeitsmesser die Rede sein soll, damit eben der Waffenbegriff die Strafe nicht zusätzlich erschwert...

Gruß Andreas
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Mann hatte sein Arbeitsmesser in der Tasche, das er bei seiner beruflichen Tätigkeit in einer Radwerkstatt benutzt. Ob der Dieb das Messer verwenden wollte oder nicht, sei nicht entscheidend erklärte die Richterin.

Das ist herrschende Meinung - was heisst, dass es zumindest in der Rechtswissenschaft, auch andere Meinungen dazu gibt. Das hatten wir doch schon: http://www.messerforum.net/showthread.php?t=67779

Der von mir dort angegebenen Aufsatz von Dr. Peter Kasiske (http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/08-08/index.php?sz=10) behandelt das Grundsätzliche doch recht anschaulich und nachvollziehbar.



Pitter
 
Aber bei dieser Sache wird mal wieder deutlich, wie sehr die Einschätzung einer Tat und die Festsetzung der Strafe innerhalb des Strafrahmens abhängig ist von der Psychologie sprich den Vorurteilen des Richters. Ein Messer ist also in jedem Falle eine "Waffe"!?

Im Sinne des WaffG oder im Rahmen der Strafrechts? Halte das doch bitte erstmal auseinander.

Eine Rolle hat vielleicht auch gespielt, dass es sich um eine Richterin gehandelt hat?

Vielleicht. Vielleicht war auch das Wetter schlecht.

Man stelle sich vor, der Dieb hätte statt eines Arbeitsmessers (wie auch immer das aussah) ein vom Gesetzgeber ausdrücklich erlaubtes feststehendes Messer mit sagen wir mal 11 cm langer Klinge in der Scheide am Gürtel bei sich gehabt...

Da wären sicher noch ein paar Monate dazugekommen.

Kann gut sein. Und dann? Lies halt bitte mal StGB §242ff zum Thema Diebstahl und Diebstahl mit Waffen. Damit nach StGB §242 verurteilt werden kann, ist uA Voraussetzung:

"(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
1. einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter
a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch
Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,"

"mit sich führt" - das reicht. Von Anwenden steht da nix.

Das gibt dann eben ein paar Punkte mehr, als einfacher Diebstahl. Der wird "mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Diebstahl mit Waffen "Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren" - Geldstrafe sieht der Gesetzgeber in diesem Fall nicht vor. Sprich, die Richterin war schon am unteren Anschlag dessen, was als Strafe vorgesehen ist.

Dumm gelaufen.

Pitter
 
Der Kommentar verlangt lediglich, dass das "gefährliche Werkzeug"
geeignet ist, erhebliche Verletzungen beifügen zu können, was man
IMO generell mit fast allem kann. Allerdings fordert der Kommentar
auch eine "konkrete Gerbauchsabsicht", weil diese bei der Umsetzung
eines Diebstahls doch erst ein erhötes Strafmass rechtfertigen würde.

Ein reines Mitsichführen ohne jeglichen Zusammenhand mit der Tat
bzw. Tatbegehung, also auch ein Wissen, dass der Täter ein solches
Werkzeug mitsichführt ist strittig. Der Gesetzgeber hat hier anscheinend
mal wieder ordentlich gepennt! :confused:
 
Allerdings fordert der Kommentar
auch eine "konkrete Gerbauchsabsicht", weil diese bei der Umsetzung
eines Diebstahls doch erst ein erhötes Strafmass rechtfertigen würde.

Ein reines Mitsichführen ohne jeglichen Zusammenhand mit der Tat
bzw. Tatbegehung, also auch ein Wissen, dass der Täter ein solches
Werkzeug mitsichführt ist strittig.
Warum ?
Steht ja schon im § 242 (1) 1. a, dass das Mitführen reicht. Von daher *vertretbar* - die Auslegung des unbedachten Mitführens als erschwerenden Tatbestand wurde uns in der Ausbildung Mitte der 1980er Jahre schon so gelehrt, das ist also nicht neu.

Nur dass es wegen eines geringfügigen Werts auch schon so ausgelegt wird, und das im *eindeutigen* Zusammenhang mit der Arbeit, ist schon etwas heftig.

Gruß Andreas
 
Nein neu ist da nichts. Jedoch fordern einige Rechtsgelehrte eine
Änderung. Gerade dieser Fall zeigt es ja. Klar der Tatvorwurf ansich bleibt
stehen. Allerdings ist hier eben keine Verwendungsabsicht erkennbar.
Na klar gibt der Paragraph das her, es geht ja eben darum, dass er
das hergibt...;)
 
Zurück