Herder 1922 - die Legende lebt

pebe

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Herder 1922 - die Legende lebt

Heute kam mein großes Herder 1922 mit Walnuss an. In der aktuellen Situation sind diese ausser aus verstaubten und vergessenen Lagern nur aus zweiter Hand zu bekommen. So auch das meine.

Die Kurzbeschreibung vom Vorbesitzer war, die Klinge sei weitgehend nagelgängig und durchgehend unter 0,2mm hinter der Wate. Eine erste Prüfung ergab leichtes Buckeln auf dem Daumennagel auf den ersten 2/3 der Klinge. Das Nachmessen der Fase habe ich danach erstmal zurückgestellt. Formal genügt mir hier das nachvollziehbare Buckeln.

Die Flanken sind leicht ballig, etwas mehr als bei meinem K-Chef, etwas weniger als ich von einem perfektem Walkschliff vermuten würde.

Obwohl nicht neu, bin ich mit Zustand und Verarbeitungsqualität mehr als zufrieden. Das Nussholz hat eine sehr schöne Farbe, ist auf beiden Seiten sehr gleichmäß und auch sind die Griffschalen nicht zu unterschiedlich, wobei eine Seite deutlich mehr Schwarzanteile besitzt. Es gibt keine offensichtlichen Macken oder störende Unregelmäßigkeiten, alles ist sehr ordentlich und passgenau verarbeitet. Ein Glücksgriff, wie mir scheint.

Da ich gerade telefonisch eine küchennahe Auftragsarbeit meiner besseren Hälfte erhalten hatte, konnte ich umgehend zumindest eine größere Zuccini bemühen. Das 1922er war hier vergleichbar mit dem K-Chef, deutlich besser als das Böker Cottage Craft und alle 3 Solinger nochmal spürbar hinter dem Mazaki Ku.

Wenn man mit dem Böker startet, empfinde ich dieses wirklich als vernünftig schneidendes Messer. Das ändert sich erst mit Umstieg auf die Meisterklasse, wobei das Mazaki je nach Unterlage fast schon zuviel des Guten ist. Wenn ich nicht aufpasse, steckt das Workhorse spürbar fest im Buchenholz beim Schneiden.

Ich hab‘ dann noch einen Apfel auf feinste Zwiebelwürfelgröße geschnitten. Das gleiche Ergebniss mit den 4 Kandidaten, wie zuvor bei der Zuccini. Zusätzlich schwächelt die Spitze des Bökers merklich im Vergleich beim feinen Ritzen, mit dem 1922er geht das aber ganz wunderbar.

Während das Böker ziemlich schlicht daher kommt, das K-Chef mit seiner ergonomischen Grifform mir so gar nicht gefallen will, finde ich das 1922er perfekt für ein klassisches Solinger Kochmesser. Schöne und handliche Proportionen sorgen für einen eleganten Auftritt, kaum Flatspot und die etwas höhere Spitze sind perfekt für den europäischen Wiegeschnitt alter Schule.

Der Kropf sorgt für einen metallischen Abschluss des Holzgriffes, wodurch dieser gut geschützt ist. Auch empfinde ich dies als wertiger und es gefällt mir zudem optisch besser- zumindest an einem europäischen Messer.

Ob der Bart nun Vor- oder Nachteil ist, daran scheiden sich die Geister. Ich für meinen Teil nutze die scharfe Ecke ohne Bart jedenfalls nicht und mehr Schutz für die Führhand ist es in jedem Fall.

Ein bisschen Sorgen bereitet mir der C75. Während der 1.3505 und der 1.2067 meine Patinierarbeiten ganz ausgezeichnet halten, ist diese beim Böker C75 ganz und gar nicht abriebfest. Schon nach der ersten leichten Reinigung mit dem Scotchschwamm war das Meiste runter, bei den anderen ist da gar nix passiert.

Unterm Strich hat mich das Herder 1922 bis hierher nicht enttäuscht. Im Gegenteil.

Im Moment empfinde ich genau dessen leichten Schnitt als das Maß, mit dem ich überwiegend hantieren möchte. Auch hege ich die Hoffnung, das die Klinge trotz feinem Schliff nicht übermäßig empfindlich sein wird, wenn man die gröbsten Arbeiten auslässt.

Gut möglich, dass mir das 1922er als Vorlage dienen wird, wenn ich mir ein rostträges Sandvik oder PM Stahlmesser anfertigen lasse.

grüsse, pebe


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Zuletzt bearbeitet:
Wer noch so ein messer in Pflaume möchte, sollte sich beeilen, an bestimmter stelle findet sich eines für knap 200 euro, an anderer stelle bei einem händler die 18 cm version in pflaume. Ist eventuel OT, aber viele sind nicht mehr zu bekommen.
 
Coole Messersammlung😎, auch wenn manches doppelt ist( kenne ich auch von mir😃)
 
Nicht das Messer doppelt, sondern die Funktion. Ich besitze ebenfalls ein Herder K5, ein Bob kramer und ein Herder 1922. eigentlich hätte eins von den Dreien gereicht.
 
Das in Walnuss suche ich auch noch, ich gedulde mich schon seit Monaten dass Herder da weiter schmiedet...
 
Das Walnuss sieht wirklich Längen besser aus, als mein Pflaume.... hätte damals doch der Geiz nicht gesiegt 😛.

Tolle Sammlung!

Grüße
Chili
 
Ich hab das Office in Walnuss, daher muss aus Vollständigkeitsüberlegungen jetzt alles andere auch in Walnuss her ;)
 
...Äpfel mit Birnen, aber wenn Du das Mazaki mit dem Herder vergleichst in ein paar Stichworten, wie würde dieser Vergleich aussehen?
 
Das ist eine ganz knifflige Frage.

Das Mazaki KU ist „a class of its own“. Da ist schon das optische und auch haptische Erlebnis ein ganz anderes. Und das schneidet bei mir mit.

Ein 6mm starker Rücken, der unten deutlich und stärker buckelt als das Herder, das ist schon ein Schneiderlebnis der besonderen Art. Das geht eher in Richtung Shiro Kamo Orca auf Steroide. Grandios.

Objektiv müsste der Mazaki Stahl um einiges empfindlicher sein als das Herder, dieses Gefühl empfinde ich auch beim schneiden und entsprechend vorsichtig hantiere ich damit. Das würde mir beim Herder nicht passieren, genau diesen robusten Eindruck vermittelt das Herder beim Schneiden trotz des leichten Schnitts - ganz klar ein Vorteil, selbst wenn das sehr subjektiv ist.

Zum aktuellen Zeitpunkt würde ich sagen, dass das 1922er das stimmigste Messer von zwei Dutzend in meiner Sammlung ist. Das gilt selbstredend zunächst nur für mich, meine Arbeitsweise in der Küche und die Nahrungsmittel, die ich überwiegend verwende.

Richtig. Äpfel mit Birnen. Aber beide saulecker.

grüsse, pebe
 
Wieso bekommt man das 1922 so selten?
Herder verdient doch auch nur Geld, wenn Ware über den Tisch geht.
Ich möchte ja jetzt nicht den Teufel nicht an die Wand malen, aber ich habe mir gestern Abend mal die letzten Bilanzen im Bundesanzeiger angesehen. Wieso kommt die Firma trotz einem gewissen „Kultstatus“ nicht auf die Füße?! Aus diesen Zahlenwerken kann man jetzt auch nicht die Welt eruieren, aber bei 70 Mitarbeitern 13000€ „am Giro“ deutet jetzt nicht gerade aufbringen gesundes Unternehmen hin...
 
@Mezza :
Die ursache dürfte in der herstellungsweise liegen. Da diese serie Walk geschliffen wird und diese schleiftechnik wohl nur ein mitarbeiter beherscht. Dieser Mitarbeiter hatte wohl vor einigen Jahren einen unfall und kann seitdem nicht die klingen schleifen. Der Lezte schleifermeister Fehrekamp hat dieses wissen weitergegeben, jedoch wohl nur an eine person. Warum das Walkschleifen so ein geheimnis ist, weis ich nicht. Über die schleifmaschine findet man m.E. auch kaum unterlagen. Ich habe diese informationen von einem Händler, der mit der firmenleitung gut befreundet ist.
 
Servus,

es hat seine Zeit gedauert und ich habe eigentlich nicht mehr daran geglaubt, dass mit noch ein 1922er zufliegt, mit dem ich meinen Frieden mache. :steirer: :D

Jetzt ist es tatsächlich passiert, ich hab eines bekommen ( 23er Nuss, rostfähig ) das nur ganz winzige Schwächen aufweist, von Makel oder Mangel überhaupt nicht zu sprechen. Das Eine ist ein leichter Overgrind kurz vor dem mächtigen Kropf, der nach dem ersten Grundschliff entfernt wird. Im Schatten des gewaltigen Bartes sind die üblichen Eckerln gekittet, dass aber sauber und in richtigem Farbton, so das man das real kaum wahrnimmt. Ein winziger Spalt an Griffende, den ich nur abschleifen brauche komplettiert die minimalen optischen Schwächen.

Ansonsten ein Traum. Nagelgängig, schöner Schliff, für Herder ein traumhaft versäuberter Griff, kein Verzug. Jetzt kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass Herder das beste deutsche Kochmesser fertigen kann, wenn alles stimmt. 😉🙃

Jetzt ein paar Bildchen dazu:

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Ich habe jetzt echt eine Freude mit dem 1922er und hab meines jetzt gefunden. Es ist aus Dritter Hand und rausgesucht hat das jemand, der viel von Kochmessern versteht. 😉

Gruß, güNef
 
Sehr schön.

Das freut‘ mich für Dich, dass es endlich mit einem Exemplar in GMN Format (güNef-Messer-Norm) geklappt hat. :irre:

Bin schon auf die Patinaentwicklung gespannt oder wird das coffiniert?

grüsse, pebe
 
Servus,

ich lass die Klinge erstmal völlig natürlich färben und erst wenn das hässlich wird, denke ich eine erzwungene Patina an. Was ich sofort bemerkt habe, ist die völlig Abwesenheit von FR, wenn man davor mit einem dahingehend optimierten Messer gearbeitet hat. Der Unterschied zeigt sich da schon sehr deutlich. FR ist keine Kopfgeburt sondern tatsächlich eine merkbare Eigenschaft die man erlebt haben muss um den Unterschied schätzen zu können.
Ein Herder ist wie die Jahreszahl 1922 ankündigt: Ein Messer wie damals. 😉

Gruß, güNef
 
Häßliche Verfärbungen oder besser Flugrost gibt es ganz ohne Benutzung.

Man möchte glauben, das Herder hat einen eingebauten Nutzungs- bzw Nichtnutzungsindikator. Angeregt von güNef‘s Bericht habe ich heute, nach mind. 4 Wochen mal wieder das 1922er für das Gamba-Peperoni-Knoblauch Prozedere gezückt und dabei große und kleine Pixel auf der vorher makellosen Klinge entdeckt. 😫

Stimmt. 1922 war auch rostig..

grüsse, pebe


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Ich habe meinen Herder 1922 (neu, Walnussgriff, 23cm Klinge) seit fast einem Jahr...
Sauber verarbeitet, keine Defekte oder Mängel, gleich nach dem Auspacken den Griff mit Leinöl imprägniert, bis heute mein absolutes Lieblingsmesser welches man mit 2-3 Minuten auf einem 5000er Stein und Abziehleder auf eine fast idiotische Schärfe bringen kann. Die Gebrauchsschärfe hält auch wochenlang, die entsprechende Schneidunterlage vorausgesetzt.

Bezüglich des Rostschutzes, habe ich den folgenden Weg gewählt. Gleich nach dem Kauf hat die Klinge relativ stark auf Gemüsesäfte reagiert (besonders die Aubergine leistete da ganze Arbeit) so dass ich das Messer immer nach dem Waschen mit dem guten alten Ballistol eingeölt habe. Das ging so mindestens ein halbes Jahr, bis ich merkte dass die Klinge nach und nach so patiniert war dass sie sich nun kaum verfärbt hat. Dann habe ich das Öl weggelassen, und nun ist es irgendwie ein Selbstläufer. Kein Rost, kaum Verfärbungen, vorausgesetzt man wäscht und trocknet das Messer jedes mal anständig nach der Benutzung.
 
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