Rock'n'Roll
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Boas,
an Allen Elishewitz geht ja früher oder später doch kein Weg vorbei - wie wir jetzt feststellen mußten . Gesehen haben wir schon Einiges vom Großen Meister, gefallen haben uns seine Folder nie so wirklich. Zu verspielt irgendwie. Lieber stringente „Brecheisen“ à la Haslauer! Das erste von Elishewitz designte Messer, das unsere echte Aufmerksamkeit erregt hat, war das Hogue EX-01. Schuld hat - wieder mal - der Chef!
Und dann tauchte letztens ein Full-Titan-Framelock auf der Foren-Verkaufsliste auf - ein frühes Custom aus den Anfängen dieses Jahrtausends. Dieses Messer war auffallend schlicht und hatte eine von der Alltagsnorm abweichende Klinge, deren Design bisher nicht gerade im Mittelpunkt unseres Interesses gestanden hatte. Ehrlich gesagt hat uns auch gereizt, daß es das Modell sein sollte, welches sich oben auf der Homepage von Allen wiederfindet (http://www.elishewitzknives.com/Knives.asp). Die Aura des Besonderen …
Da wir vom Vorbesitzer keine umfassenden Informationen hatten und auch sonst keine bekommen konnten, haben wir eine Email an den Meister selbst geschickt. Kurz und bündig haben wir ihm geschildert, daß wir ein mehr als 10 Jahre altes - aus seiner Werkstatt stammendes - Messer gekauft hätten (es taucht bereits 2004 hier im Forum auf) wobei es sich um das Modell handele, das oben auf seiner Homepage abgebildet ist. Mit einer Antwort hatten wir nicht zwingend gerechnet.
17 Minuten später war sie da. Das Messer auf seiner Homepage ist das „Pirate“. Es wurde eine Reihe von Jahren in verschiedenen Griffvarianten gebaut. Gemacht hat er von der abgebildeten Variante mit „horizontal groove“ eine Größenordnung von 6 bis 10. Das Pirate wird nicht mehr produziert. Wir haben dann etwas recherchiert und herausgefunden, daß das Griffdesign unseres Messers die Bezeichnung „Geneva Stripes“ trägt - eine Technik zur Texturierung von Titan oder anderen hochwertigen Metallen, die der Uhrenproduktion entlehnt ist und (vor allem das Innere) manches edlen Chronographen ziert.
Als es dann in Monte Gordo eintraf und wir es sehr erwartungsvoll ausgepackt haben, waren wir erstaunt, wie filigran das Messer ist. Das erste Öffnen und Schließen war eine Offenbarung. Wir wußten auf Anhieb, daß wir keinen Fehler gemacht hatten. Und waren derart gut gelaunt, daß wir umgehend eine weitere Email mit den ersten drei Fotos des Delinquenten an Allen geschickt und ihm unsere Begeisterung mitgeteilt haben. Folgende Antwort hat er geschickt:
“Now that I see photos of the actual knife it is not a Pirate but a Goblin. It looks like it is in pristine condition. I am glad you are happy with the new addition to your collection. Thank you for the kind words.
Best regards, Allen“
Die Anmerkung, daß sich das Messer offenbar in quasi „jungfräulicher“ Verfassung befinde, geben wir hier gern als ausdrückliches Lob an Tom_B weiter, der es uns verkauft hat. Zu erfahren, um welches Modell es sich tatsächlich handelt, also um ein Goblin, hat uns natürlich besonders gefreut. Allen hat dann noch mitgeteilt, daß er vom Goblin „Geneva Stripes“ - so heißt das Modell konkret - ebenfalls eine Stückzahl von 6 bis 10 gebaut hat.
Wer wissen möchte, wie das Pirate „Geneva Stripes“ - das Messer auf Allens Homepage - aussieht, wird hier fündig: (https://picasaweb.google.com/OlegKonkov/AllenElishewitz#5638162218320430114). „Geneva Stripes“ verwendet Allen noch heute. Ein Beispiel ist folgendes Saboteur-Modell (http://www.elishewitzknives.com/Knives_Detail_Gallery_Saboteur.asp).
Wir haben dann bei näherer Inaugenscheinnahme festgestellt, daß nicht nur der Name „Geneva Stripes“ an eine Uhr erinnert. Auch die feinen Strukturen und das Finish ähneln in ihrem gesamten Erscheinungsbild eher einem hochwertigen Chronographen als einem Folder. Das Goblin können wir uns sehr gut in Gesellschaft einer Omega Seamaster, dem (kleinen) silbernen Dupont und einer Ray Ban auf dem Ledersitz eines Wissmann-Roadsters vorstellen . Hier treffen Messerbauer-Genius, Detailverliebtheit und Fertigkeiten eines Uhrmachers auf hohem Niveau zusammen. Klar geht deutlich mehr Verspieltheit. Finden wir (gelegentlich) auch irgendwie cool. Aber am Goblin gefällt uns besonders die Perfektion bei der gleichzeitigen - einem EDC für besondere Anlässe unserer Wahl angemessenen - Schlichtheit.
Wer eine Vorstellung von der Funktionalität bekommen möchte, ohne das Messer in die Hand nehmen zu können, der sollte sich das Wort Klingenspiel einmal auf der Zunge zergehen lassen. Und dem Begriff Klingenspiel dabei die Bedeutung zukommen lassen, die ihm ureigentlich dem Wohlklang nach zusteht. Pitter hat mal angemerkt, als wir ein Messer sehr gelobt haben, es komme immer darauf an, welche Vergleichsmaßstäbe man anlege und gemeint, wenn das Spektrum der Messer, die man aus eigener Erfahrung kennt, gering ist, könne dem Urteil nicht gerade überragender Wert beigemessen werden. Nun, man lernt dazu …
Wir mögen - zugegebenermaßen - das Wort Eleganz nicht besonders, aber hier ist es angebracht! Hätten wir einen Anzug - da wäre es perfekt aufgehoben. Was nicht heißen soll, es sei nicht ebenso gut in der Tasche einer 501 unterwegs. Wir haben es ausprobiert! Der „Edel-Flachmann“ vor dem Herrn - diese Offenbarung an Look and Feel - ist mit seiner schlanken Gestalt und den - auf einer Lidl-Elektronik-Waage persönlich ermittelten - exakten 100 Gramm das Tragefreundlichste, was wir in dieser Größenordnung jemals in der Hand hatten. Mit dem exzellenten Clip sitzt es gut gesichert und ist - bei Bedarf - leicht wieder zur Hand. Daß es dazu auch mehr als taschenfreundlich ist, versteht sich ob seiner matt polierten Oberfläche und den längs zur Ziehrichtung verlaufenden Grooves von selbst.
Wenn man es dann erneut in der Hand hält und öffnet, kommt gleich wieder Freude auf. Mit dem in 5 Stufen angeordneten - leicht angerauhten - Titan-Klingenheber (den schlichten Begriff „Thumbstud“ wollen wir ihm nicht zumuten) schiebt der Daumen die Klinge mit einer Leichtigkeit auf, daß es einen wundert. Wie von selbst erreicht sie ihr Ziel. Die Lockbar rastet ein. Das Goblin ist definitiv fixed!! Und der Klingengang p ….
Die nächste echte Überraschung ist die Spannung der Titanfeder. Beim ersten Entriegeln sind wir fast erschrocken, so einfach geht das. Wir haben - Namen wollen wir mal nicht nennen - Titan-Framelocks an Bord, da bricht man sich bisweilen den Daumen, wenn man sie entriegelt. Schlimmstenfalls muß man auch schon mal zum Schraubenzieher greifen, weil sie so „verklemmt“ sind. „Männermesser“ heißt gelegentlich die hierfür bemühte Umschreibung. Wir finden, ein solcher Lock ist schlichtweg eine Zumutung!!
Im Prinzip erstklassige Messer, die zu Hause bleiben, weil sie einem von der Bedienung her auf den Senkel gehen. Im „günstigsten“ Fall lassen sie sich dazu auch noch genauso wurstig öffnen, wie sie geschlossen werden. Wir räumen ein, daß es nicht einfach ist, den richtigen Kompromiß zwischen angemessener Stabilität und Bedienungsfreundlichkeit zu finden. Und wir meinen hier auch nicht den gut abgestimmten und soliden Lock eines Large Regular Sebenza, eines Strider SNG oder eines Haslauer-Folders - das sei, um jedwedem Mißverständnis vorzubeugen, ausdrücklich erwähnt.
Beim Goblin jedenfalls stimmt das Zusammenspiel der einzelnen Bauteile auf das Vortrefflichste. Die Feder ist stramm und stabil genug, um die Klinge solide fest zu halten und dabei so flexibel, daß die Benutzung eine Freude ist und sie gleichzeitig den - auf Teflonwashern laufenden - hyperleichten Gang der Klinge beim Öffnen und Schließen nicht behindert. Auch ist der Clip (tip down only) so gesetzt, daß er nicht auf die Feder drücken kann.
Klar ist, daß das Goblin weder als Feuerwehr-Einsatz-Messer noch zum Holzfällen konzipiert wurde. Kein Brecheisen also. Mit seiner schlanken, recurven und hohlgeschliffenen Klinge ist es eher für die feineren Aufgabenstellungen geeignet. Und bezogen darauf stimmt hier das Gesamtkonzept. Ein filigraner Gentleman-Framelock par excellence!
Wenn man mal genau hinsieht
Dann stellt man fest, daß die Titanoberfläche der Griffschalen etwas feiner poliert ist, als diejenigen beim Sebenza. Dennoch ist die Griffigkeit - bedingt durch die Struktur der „Geneva Stripes“, die ja nicht nur mehr oder weniger optischer Natur sind, wie bei Uhren, sondern echte Vertiefungen von mehr als einem halben Millimeter - ausgezeichnet.
Die Klingenachse ist beidseitig mit einer Edelstahl-Stirnlochschraube (ähnlich der des ursprünglichen Umnumzaan) versehen. Darüber hinaus ruhen die Griffschalen auf zwei Stoppins (hierzu später noch ein kleiner Exkurs) und einem schwarzen, mittig verbauten G-10-Backspacer von 5,7 cm Länge. Befestigt ist er mit 3 Schrauben - ebenso Torx (T5), wie diejenge vom Clip und vom Klingenheber (T6). Die hinteren 3 cm des Griffs sind weder mit stand-offs noch mit einem Lanyardhole ausgestattet. Man hat hier durch die „freischwebenden“ Griffschalen hindurch einen herrlichen Blick auf die Klinge. Der Stabilität tut das keinen Abbruch. Der Optik tut es gut. Btw, ein Lanyard sähe an diesem Messer albern aus.
Mit dem wohlgeformten Clip in ebenfalls feinem Finish hat Allen Elishewitz einen deutlichen Akzent gesetzt, steht der doch - entgegen der mit 9 mm beachtlichen Schlankheit des eigentlichen Messers - an seiner Wurzel 6,5 mm vom Griff ab. Das eigentliche Highlight des Goblin aber ist - was auch sonst - die Klinge. In ihrer Gesamtheit ein stromlinienförmig geschwungenes, mit hochgezogenem Hohlschliff versehenes, flach ausgeschliffenes, recurves Clippoint-Edel-Schneidgerät mit falscher Schneide, das vom Meister längs satiniert wurde. Ein knappes, aber hinreichendes Ricasso und die daran anschließende Schleifkerbe sorgen für sicheres Schließen und Wartungsfreundlichkeit. Die Klinge verjüngt sich zu einer exorbitant filigranen Spitze.
Sie läuft von A bis Z innerhalb der Griffschalen, die Klingenrampe lugt an keiner Stelle hervor. Dennoch bedarf die Rampe einer besonderen Würdigung, da sie wesentliches Stilelement des Goblin ist. Verläuft eine Klinge am Klingenrücken in der Regel gerade oder in leichten Bögen durchgehend bis zum Griffende, findet sich beim Goblin zwei Zentimeter vor demselben eine rechtwinklige, 4 mm tiefe Stufe, die dann in die abgerundete Klingenwurzel übergeht.
Die Stufe verläuft nicht einfach 90 Grad. Vielmehr ist sie ihrerseits noch einmal im Winkel von 45 Grad abgeschrägt. Sehr schön!! Zwischen dieser Stufe und den Griffschalen ist ein Stück ausgespart, damit der Blick auf dieses Klingen-Prachtstück frei bleibt. Und auf den 5stufigen Titan-Klingenheber. Gegenüber - auf der Clipseite - fällt der Blick auf das fein säuberlich gravierte Elishewitz-Logo, eine kunstvoll geschwungene Linie, die in einen Schwanenhals mündet. Ansonsten ist die Klinge frei von allem „Übel“ …
Die „Treppe“ in der Klinge führt nun dazu, daß 2 Stoppins verbaut wurden. Der Stoppin, an den die Klinge im geschlossenen Zustand anschlägt, wird nämlich von der geöffneten Klinge nicht erreicht, da ja - durch die „Treppe“ bedingt - ein Stück aus dem Klingenrücken herausgeschnitten wurde. Also gibt es einen zweiten Stoppin ganz am Griffende. Hier schlägt die Klinge mit der Stufe an, wenn sie im geöffneten Zustand verriegelt. Aber auch zwei Stoppins passen optisch ins Gesamtbild. Dezent und aus blankpoliertem Edelstahl gehören sie wie selbstverständlich genau dahin, wo sie sind.
Darf mit dem Goblin auch geschnitten werden??
Diese Frage kommt einem in den Sinn, wenn man das filigrane Edel-Schneidgerät betrachtet und in der Hand hält. Sagen wir mal so - Obst und Gemüse sollten bei der Klinge ein Leichtes sein. Unseren morgendlichen Apfel hat es allerfeinstens geschält und geteilt. Und selten wurde eine Paprika vornehmer filetiert . Die fein hohlgeschliffenen 3 mm der 154CM-Klinge mit ihrer hauchdünnen Spitze bereiten reinstes Küchen-Schneidvergnügen.
An einen Korken haben wir uns auch noch heranbegeben. Und ein bleistiftstarkes Hölzchen angespitzt. Eine irgendwie geartete derbe Holzerei aber mußte ausfallen. Für ein, zwei Fotos war das Goblin mal mit im Wald. Doch es bleibt als Gentleman für den reinen Genuß bestimmt und für die Schwärmerei vom Schönen, Wahren und Guten …
Wir haben dann noch verglichen
Neben einem Les George VECP 2.0, einem Umnumzaan oder den „Taktikern“ aus dem Hause Hasenfuß wird erst richtig ersichtlich, wie zierlich das Goblin ist. Schon bei der Draufsicht. Am ehesten vergleichbar in Gestalt und Größe ist es mit dem Brad Southard. Wer weiß, wie gut jenes in einer Hosentasche untergebracht ist, der wird staunen, wenn er Goblin und Brad Southard nebeneinandergestellt von hinten betrachtet. Zwei Welten! Und selbst das Large Regular Sebenza wird bei dieser Betrachtungsweise neben dem Goblin noch zu einem Brocken. Ähnliches gilt für die Klingenspitze der drei Aspiranten.
Nimmt man zwei Messer mit (das kann vorkommen), dann ist das Kleinere in der Regel für die Feinarbeit und das Große für’s Grobe zuständig. Wenn das Elishewitz Goblin neben „Lil‘ Devil“ - unserem Small SBH von Hasenfuß - zu liegen kommt, kehren sich die Verhältnisse um .
Das Ding mit den Stoppins - ein Exkurs
Noch einmal zurück zu den Stoppins. Das Goblin hat ja zwei. Das Large Regular Sebenza hat - wie die meisten Folder - einen. Hier schlägt die Klinge sowohl in geöffnetem als auch in geschlossenem Zustand an. Der Brad Southard hat gar keinen. Könnte man meinen. Jedenfalls ist keiner zu sehen. Doch er ist vorhanden, aber integriert verbaut (ist hier prima zu sehen: http://www.messerforum.net/showthre...-Brad-Southard-Folder&highlight=brad+southard).
Das Umnumzaan hat in Gestalt der zwei fetten Klingenheber 2 Stoppins („The thumb lug doubles as the stop pin, ensuring a solid lockup.”) Auch diese stoppen die Klinge in geöffnetem wie in geschlossenem Zustand.
Die ZT-Flipper ZT 560 und 566 haben je 3. Den einen im Griff, an dem die Klinge (der Flipperhebel) im geschlossenen Zustand anschlägt. Er sitzt ein Stück näher am Griffende, zwischen Griffende und Flipperhebel, sonst würde der Hebel ja mit dem Stoppin kollidieren. Die beiden Thumbstuds dienen dann gleichzeitig als Bremse für die geöffnete Klinge.
Nicht so beim Hasenfuß-Flipper. Der hat zwar auch 3 Stoppins. Aber der im Griff verbaute sitzt so weit vom Griffende entfernt, wie bei anderen Non-Flipper-Foldern auch. Das funktioniert deswegen, weil der Knubbel so kurz ist, daß er den Stoppin ungehindert passieren/unterlaufen kann …
Womit wir - nach dieser kurzen „philosophischen“ Betrachtung - mit unserer Schwärmerei betreffs des Elishewitz Goblin zum Schluß kommen wollen. Für uns ein beispielhaftes Messer, was Funktionalität und Schneideigenschaften eines Folders dieser Größenordnung angeht. Ein Messer, das wir - seines Bedienungs-Komforts wegen - immer wieder gern in die Hand genommen haben und dessen schlichte Schönheit uns auch weiterhin Augenweide sein wird.
Allen Elishewitz Goblin „Geneva Stripes“
Gesamtlänge: 20,3 cm
Länge geschlossen: 11,5 cm
Klinge: 154CM
Klingenlänge: 8,7 cm
Klingenstärke: 3 mm
Framelock, Teflonwasher
Griffstärke: 9 mm (inkl. Clip 15,5 mm)
Griffhöhe: zwischen 2 und 2,9 cm (an der Klingenachse)
Griffmaterial: Titan
Klingenheber: Titan (Treppenförmig in 5 Stufen)
G-10-Backspacer
Griffschrauben: Torx T6 (Klingenheber) und T5 (Griff und Clip)
2 Stoppins
Clip: Tip-Down
Kein Lanyardhole
Gewicht: Exakt 100 Gramm
Lederetui
And here comes The Nice …
Das Goblin
Im Ganzen
Im Schnitt und in der Hand
Im Detail
Im Vergleich
Die Jukebox mit den Small Faces: „Here Comes The Nice“
Um einige angenehme Erfahrungen reicher aus Monte Gordo
Johnny & Rock’n‘Roll
an Allen Elishewitz geht ja früher oder später doch kein Weg vorbei - wie wir jetzt feststellen mußten . Gesehen haben wir schon Einiges vom Großen Meister, gefallen haben uns seine Folder nie so wirklich. Zu verspielt irgendwie. Lieber stringente „Brecheisen“ à la Haslauer! Das erste von Elishewitz designte Messer, das unsere echte Aufmerksamkeit erregt hat, war das Hogue EX-01. Schuld hat - wieder mal - der Chef!
Und dann tauchte letztens ein Full-Titan-Framelock auf der Foren-Verkaufsliste auf - ein frühes Custom aus den Anfängen dieses Jahrtausends. Dieses Messer war auffallend schlicht und hatte eine von der Alltagsnorm abweichende Klinge, deren Design bisher nicht gerade im Mittelpunkt unseres Interesses gestanden hatte. Ehrlich gesagt hat uns auch gereizt, daß es das Modell sein sollte, welches sich oben auf der Homepage von Allen wiederfindet (http://www.elishewitzknives.com/Knives.asp). Die Aura des Besonderen …
Da wir vom Vorbesitzer keine umfassenden Informationen hatten und auch sonst keine bekommen konnten, haben wir eine Email an den Meister selbst geschickt. Kurz und bündig haben wir ihm geschildert, daß wir ein mehr als 10 Jahre altes - aus seiner Werkstatt stammendes - Messer gekauft hätten (es taucht bereits 2004 hier im Forum auf) wobei es sich um das Modell handele, das oben auf seiner Homepage abgebildet ist. Mit einer Antwort hatten wir nicht zwingend gerechnet.
17 Minuten später war sie da. Das Messer auf seiner Homepage ist das „Pirate“. Es wurde eine Reihe von Jahren in verschiedenen Griffvarianten gebaut. Gemacht hat er von der abgebildeten Variante mit „horizontal groove“ eine Größenordnung von 6 bis 10. Das Pirate wird nicht mehr produziert. Wir haben dann etwas recherchiert und herausgefunden, daß das Griffdesign unseres Messers die Bezeichnung „Geneva Stripes“ trägt - eine Technik zur Texturierung von Titan oder anderen hochwertigen Metallen, die der Uhrenproduktion entlehnt ist und (vor allem das Innere) manches edlen Chronographen ziert.
Als es dann in Monte Gordo eintraf und wir es sehr erwartungsvoll ausgepackt haben, waren wir erstaunt, wie filigran das Messer ist. Das erste Öffnen und Schließen war eine Offenbarung. Wir wußten auf Anhieb, daß wir keinen Fehler gemacht hatten. Und waren derart gut gelaunt, daß wir umgehend eine weitere Email mit den ersten drei Fotos des Delinquenten an Allen geschickt und ihm unsere Begeisterung mitgeteilt haben. Folgende Antwort hat er geschickt:
“Now that I see photos of the actual knife it is not a Pirate but a Goblin. It looks like it is in pristine condition. I am glad you are happy with the new addition to your collection. Thank you for the kind words.
Best regards, Allen“
Die Anmerkung, daß sich das Messer offenbar in quasi „jungfräulicher“ Verfassung befinde, geben wir hier gern als ausdrückliches Lob an Tom_B weiter, der es uns verkauft hat. Zu erfahren, um welches Modell es sich tatsächlich handelt, also um ein Goblin, hat uns natürlich besonders gefreut. Allen hat dann noch mitgeteilt, daß er vom Goblin „Geneva Stripes“ - so heißt das Modell konkret - ebenfalls eine Stückzahl von 6 bis 10 gebaut hat.
Wer wissen möchte, wie das Pirate „Geneva Stripes“ - das Messer auf Allens Homepage - aussieht, wird hier fündig: (https://picasaweb.google.com/OlegKonkov/AllenElishewitz#5638162218320430114). „Geneva Stripes“ verwendet Allen noch heute. Ein Beispiel ist folgendes Saboteur-Modell (http://www.elishewitzknives.com/Knives_Detail_Gallery_Saboteur.asp).
Wir haben dann bei näherer Inaugenscheinnahme festgestellt, daß nicht nur der Name „Geneva Stripes“ an eine Uhr erinnert. Auch die feinen Strukturen und das Finish ähneln in ihrem gesamten Erscheinungsbild eher einem hochwertigen Chronographen als einem Folder. Das Goblin können wir uns sehr gut in Gesellschaft einer Omega Seamaster, dem (kleinen) silbernen Dupont und einer Ray Ban auf dem Ledersitz eines Wissmann-Roadsters vorstellen . Hier treffen Messerbauer-Genius, Detailverliebtheit und Fertigkeiten eines Uhrmachers auf hohem Niveau zusammen. Klar geht deutlich mehr Verspieltheit. Finden wir (gelegentlich) auch irgendwie cool. Aber am Goblin gefällt uns besonders die Perfektion bei der gleichzeitigen - einem EDC für besondere Anlässe unserer Wahl angemessenen - Schlichtheit.
Wer eine Vorstellung von der Funktionalität bekommen möchte, ohne das Messer in die Hand nehmen zu können, der sollte sich das Wort Klingenspiel einmal auf der Zunge zergehen lassen. Und dem Begriff Klingenspiel dabei die Bedeutung zukommen lassen, die ihm ureigentlich dem Wohlklang nach zusteht. Pitter hat mal angemerkt, als wir ein Messer sehr gelobt haben, es komme immer darauf an, welche Vergleichsmaßstäbe man anlege und gemeint, wenn das Spektrum der Messer, die man aus eigener Erfahrung kennt, gering ist, könne dem Urteil nicht gerade überragender Wert beigemessen werden. Nun, man lernt dazu …
Wir mögen - zugegebenermaßen - das Wort Eleganz nicht besonders, aber hier ist es angebracht! Hätten wir einen Anzug - da wäre es perfekt aufgehoben. Was nicht heißen soll, es sei nicht ebenso gut in der Tasche einer 501 unterwegs. Wir haben es ausprobiert! Der „Edel-Flachmann“ vor dem Herrn - diese Offenbarung an Look and Feel - ist mit seiner schlanken Gestalt und den - auf einer Lidl-Elektronik-Waage persönlich ermittelten - exakten 100 Gramm das Tragefreundlichste, was wir in dieser Größenordnung jemals in der Hand hatten. Mit dem exzellenten Clip sitzt es gut gesichert und ist - bei Bedarf - leicht wieder zur Hand. Daß es dazu auch mehr als taschenfreundlich ist, versteht sich ob seiner matt polierten Oberfläche und den längs zur Ziehrichtung verlaufenden Grooves von selbst.
Wenn man es dann erneut in der Hand hält und öffnet, kommt gleich wieder Freude auf. Mit dem in 5 Stufen angeordneten - leicht angerauhten - Titan-Klingenheber (den schlichten Begriff „Thumbstud“ wollen wir ihm nicht zumuten) schiebt der Daumen die Klinge mit einer Leichtigkeit auf, daß es einen wundert. Wie von selbst erreicht sie ihr Ziel. Die Lockbar rastet ein. Das Goblin ist definitiv fixed!! Und der Klingengang p ….
Die nächste echte Überraschung ist die Spannung der Titanfeder. Beim ersten Entriegeln sind wir fast erschrocken, so einfach geht das. Wir haben - Namen wollen wir mal nicht nennen - Titan-Framelocks an Bord, da bricht man sich bisweilen den Daumen, wenn man sie entriegelt. Schlimmstenfalls muß man auch schon mal zum Schraubenzieher greifen, weil sie so „verklemmt“ sind. „Männermesser“ heißt gelegentlich die hierfür bemühte Umschreibung. Wir finden, ein solcher Lock ist schlichtweg eine Zumutung!!
Im Prinzip erstklassige Messer, die zu Hause bleiben, weil sie einem von der Bedienung her auf den Senkel gehen. Im „günstigsten“ Fall lassen sie sich dazu auch noch genauso wurstig öffnen, wie sie geschlossen werden. Wir räumen ein, daß es nicht einfach ist, den richtigen Kompromiß zwischen angemessener Stabilität und Bedienungsfreundlichkeit zu finden. Und wir meinen hier auch nicht den gut abgestimmten und soliden Lock eines Large Regular Sebenza, eines Strider SNG oder eines Haslauer-Folders - das sei, um jedwedem Mißverständnis vorzubeugen, ausdrücklich erwähnt.
Beim Goblin jedenfalls stimmt das Zusammenspiel der einzelnen Bauteile auf das Vortrefflichste. Die Feder ist stramm und stabil genug, um die Klinge solide fest zu halten und dabei so flexibel, daß die Benutzung eine Freude ist und sie gleichzeitig den - auf Teflonwashern laufenden - hyperleichten Gang der Klinge beim Öffnen und Schließen nicht behindert. Auch ist der Clip (tip down only) so gesetzt, daß er nicht auf die Feder drücken kann.
Klar ist, daß das Goblin weder als Feuerwehr-Einsatz-Messer noch zum Holzfällen konzipiert wurde. Kein Brecheisen also. Mit seiner schlanken, recurven und hohlgeschliffenen Klinge ist es eher für die feineren Aufgabenstellungen geeignet. Und bezogen darauf stimmt hier das Gesamtkonzept. Ein filigraner Gentleman-Framelock par excellence!
Wenn man mal genau hinsieht
Dann stellt man fest, daß die Titanoberfläche der Griffschalen etwas feiner poliert ist, als diejenigen beim Sebenza. Dennoch ist die Griffigkeit - bedingt durch die Struktur der „Geneva Stripes“, die ja nicht nur mehr oder weniger optischer Natur sind, wie bei Uhren, sondern echte Vertiefungen von mehr als einem halben Millimeter - ausgezeichnet.
Die Klingenachse ist beidseitig mit einer Edelstahl-Stirnlochschraube (ähnlich der des ursprünglichen Umnumzaan) versehen. Darüber hinaus ruhen die Griffschalen auf zwei Stoppins (hierzu später noch ein kleiner Exkurs) und einem schwarzen, mittig verbauten G-10-Backspacer von 5,7 cm Länge. Befestigt ist er mit 3 Schrauben - ebenso Torx (T5), wie diejenge vom Clip und vom Klingenheber (T6). Die hinteren 3 cm des Griffs sind weder mit stand-offs noch mit einem Lanyardhole ausgestattet. Man hat hier durch die „freischwebenden“ Griffschalen hindurch einen herrlichen Blick auf die Klinge. Der Stabilität tut das keinen Abbruch. Der Optik tut es gut. Btw, ein Lanyard sähe an diesem Messer albern aus.
Mit dem wohlgeformten Clip in ebenfalls feinem Finish hat Allen Elishewitz einen deutlichen Akzent gesetzt, steht der doch - entgegen der mit 9 mm beachtlichen Schlankheit des eigentlichen Messers - an seiner Wurzel 6,5 mm vom Griff ab. Das eigentliche Highlight des Goblin aber ist - was auch sonst - die Klinge. In ihrer Gesamtheit ein stromlinienförmig geschwungenes, mit hochgezogenem Hohlschliff versehenes, flach ausgeschliffenes, recurves Clippoint-Edel-Schneidgerät mit falscher Schneide, das vom Meister längs satiniert wurde. Ein knappes, aber hinreichendes Ricasso und die daran anschließende Schleifkerbe sorgen für sicheres Schließen und Wartungsfreundlichkeit. Die Klinge verjüngt sich zu einer exorbitant filigranen Spitze.
Sie läuft von A bis Z innerhalb der Griffschalen, die Klingenrampe lugt an keiner Stelle hervor. Dennoch bedarf die Rampe einer besonderen Würdigung, da sie wesentliches Stilelement des Goblin ist. Verläuft eine Klinge am Klingenrücken in der Regel gerade oder in leichten Bögen durchgehend bis zum Griffende, findet sich beim Goblin zwei Zentimeter vor demselben eine rechtwinklige, 4 mm tiefe Stufe, die dann in die abgerundete Klingenwurzel übergeht.
Die Stufe verläuft nicht einfach 90 Grad. Vielmehr ist sie ihrerseits noch einmal im Winkel von 45 Grad abgeschrägt. Sehr schön!! Zwischen dieser Stufe und den Griffschalen ist ein Stück ausgespart, damit der Blick auf dieses Klingen-Prachtstück frei bleibt. Und auf den 5stufigen Titan-Klingenheber. Gegenüber - auf der Clipseite - fällt der Blick auf das fein säuberlich gravierte Elishewitz-Logo, eine kunstvoll geschwungene Linie, die in einen Schwanenhals mündet. Ansonsten ist die Klinge frei von allem „Übel“ …
Die „Treppe“ in der Klinge führt nun dazu, daß 2 Stoppins verbaut wurden. Der Stoppin, an den die Klinge im geschlossenen Zustand anschlägt, wird nämlich von der geöffneten Klinge nicht erreicht, da ja - durch die „Treppe“ bedingt - ein Stück aus dem Klingenrücken herausgeschnitten wurde. Also gibt es einen zweiten Stoppin ganz am Griffende. Hier schlägt die Klinge mit der Stufe an, wenn sie im geöffneten Zustand verriegelt. Aber auch zwei Stoppins passen optisch ins Gesamtbild. Dezent und aus blankpoliertem Edelstahl gehören sie wie selbstverständlich genau dahin, wo sie sind.
Darf mit dem Goblin auch geschnitten werden??
Diese Frage kommt einem in den Sinn, wenn man das filigrane Edel-Schneidgerät betrachtet und in der Hand hält. Sagen wir mal so - Obst und Gemüse sollten bei der Klinge ein Leichtes sein. Unseren morgendlichen Apfel hat es allerfeinstens geschält und geteilt. Und selten wurde eine Paprika vornehmer filetiert . Die fein hohlgeschliffenen 3 mm der 154CM-Klinge mit ihrer hauchdünnen Spitze bereiten reinstes Küchen-Schneidvergnügen.
An einen Korken haben wir uns auch noch heranbegeben. Und ein bleistiftstarkes Hölzchen angespitzt. Eine irgendwie geartete derbe Holzerei aber mußte ausfallen. Für ein, zwei Fotos war das Goblin mal mit im Wald. Doch es bleibt als Gentleman für den reinen Genuß bestimmt und für die Schwärmerei vom Schönen, Wahren und Guten …
Wir haben dann noch verglichen
Neben einem Les George VECP 2.0, einem Umnumzaan oder den „Taktikern“ aus dem Hause Hasenfuß wird erst richtig ersichtlich, wie zierlich das Goblin ist. Schon bei der Draufsicht. Am ehesten vergleichbar in Gestalt und Größe ist es mit dem Brad Southard. Wer weiß, wie gut jenes in einer Hosentasche untergebracht ist, der wird staunen, wenn er Goblin und Brad Southard nebeneinandergestellt von hinten betrachtet. Zwei Welten! Und selbst das Large Regular Sebenza wird bei dieser Betrachtungsweise neben dem Goblin noch zu einem Brocken. Ähnliches gilt für die Klingenspitze der drei Aspiranten.
Nimmt man zwei Messer mit (das kann vorkommen), dann ist das Kleinere in der Regel für die Feinarbeit und das Große für’s Grobe zuständig. Wenn das Elishewitz Goblin neben „Lil‘ Devil“ - unserem Small SBH von Hasenfuß - zu liegen kommt, kehren sich die Verhältnisse um .
Das Ding mit den Stoppins - ein Exkurs
Noch einmal zurück zu den Stoppins. Das Goblin hat ja zwei. Das Large Regular Sebenza hat - wie die meisten Folder - einen. Hier schlägt die Klinge sowohl in geöffnetem als auch in geschlossenem Zustand an. Der Brad Southard hat gar keinen. Könnte man meinen. Jedenfalls ist keiner zu sehen. Doch er ist vorhanden, aber integriert verbaut (ist hier prima zu sehen: http://www.messerforum.net/showthre...-Brad-Southard-Folder&highlight=brad+southard).
Das Umnumzaan hat in Gestalt der zwei fetten Klingenheber 2 Stoppins („The thumb lug doubles as the stop pin, ensuring a solid lockup.”) Auch diese stoppen die Klinge in geöffnetem wie in geschlossenem Zustand.
Die ZT-Flipper ZT 560 und 566 haben je 3. Den einen im Griff, an dem die Klinge (der Flipperhebel) im geschlossenen Zustand anschlägt. Er sitzt ein Stück näher am Griffende, zwischen Griffende und Flipperhebel, sonst würde der Hebel ja mit dem Stoppin kollidieren. Die beiden Thumbstuds dienen dann gleichzeitig als Bremse für die geöffnete Klinge.
Nicht so beim Hasenfuß-Flipper. Der hat zwar auch 3 Stoppins. Aber der im Griff verbaute sitzt so weit vom Griffende entfernt, wie bei anderen Non-Flipper-Foldern auch. Das funktioniert deswegen, weil der Knubbel so kurz ist, daß er den Stoppin ungehindert passieren/unterlaufen kann …
Womit wir - nach dieser kurzen „philosophischen“ Betrachtung - mit unserer Schwärmerei betreffs des Elishewitz Goblin zum Schluß kommen wollen. Für uns ein beispielhaftes Messer, was Funktionalität und Schneideigenschaften eines Folders dieser Größenordnung angeht. Ein Messer, das wir - seines Bedienungs-Komforts wegen - immer wieder gern in die Hand genommen haben und dessen schlichte Schönheit uns auch weiterhin Augenweide sein wird.
Allen Elishewitz Goblin „Geneva Stripes“
Gesamtlänge: 20,3 cm
Länge geschlossen: 11,5 cm
Klinge: 154CM
Klingenlänge: 8,7 cm
Klingenstärke: 3 mm
Framelock, Teflonwasher
Griffstärke: 9 mm (inkl. Clip 15,5 mm)
Griffhöhe: zwischen 2 und 2,9 cm (an der Klingenachse)
Griffmaterial: Titan
Klingenheber: Titan (Treppenförmig in 5 Stufen)
G-10-Backspacer
Griffschrauben: Torx T6 (Klingenheber) und T5 (Griff und Clip)
2 Stoppins
Clip: Tip-Down
Kein Lanyardhole
Gewicht: Exakt 100 Gramm
Lederetui
And here comes The Nice …
Das Goblin
Im Ganzen
Im Schnitt und in der Hand
Im Detail
Im Vergleich
Die Jukebox mit den Small Faces: „Here Comes The Nice“
Um einige angenehme Erfahrungen reicher aus Monte Gordo
Johnny & Rock’n‘Roll
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