japan rentier

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Hallo Messerfreunde,
ich habe nach längerer Zeit wieder ein Messer fertig gestellt. Da ich hier nicht nur das Messer vorstellen will, sondern auch etwas den Herstellprozess und die Überlegungen dabei habe ich den Beitrag hier reingestellt. Falls die Galerie besser geeignet ist, bitte ich die Mods um Verschiebung.
Als es mich mal wieder in den Fingern juckte, blieb ich in der Materialkiste immer wieder bei einem alten Stück „Takefu Suminagashi“ von Dick hängen. Obwohl ich zu der Zeit eigentlich ganz andere Gedanken hatte (Festigkeit, optimale Griffform) und logischerweise eigentlich eher was mit Monostahl machen sollte, fing ich mit diesem Industrieverbundstahl an. Ich war gespannt darauf wie der zu verarbeiten ist. Da ich gerade das Buch „Stähle, Steine und Schlangen“ von Stefan Mäder gelesen hatte, beschloss ich kurzerhand alles mit der Hand zu machen und den Bandschleifer etc. einfach wegzulassen. Zudem wollte ich mit der Oberflächenbehandlung experimentieren. Das ganze Messer sollte unter dem Blickwinkel eines Herstellungsprozesses mit möglichst einfachen Hilfsmitteln stehen.
Nach etwas Zeit mit der Säge und einigen Schruppfeilen war die Klinge dann härtefähig.
Ich verarbeite eigentlich am liebsten 1.2842 das ist vom Härten her sehr einfach und als „Gesamtpaket „ (Verarbeitbarkeit, Fehlerfreundlichkeit und Leistung des fertigen Stücks) für mich der liebste Stahl.
Beim Härten achtete ich besonders auf die Feinkörnung, ich machte einige Probehärtungen für das Bruchbild mit den Resten vom Klingenausschnitt bis ich sicher war.
Beim Härten verzog sich das gute Stück leider erheblich, das ärgerte mich besonders, da ich mich schon auf Probleme eingestellt hatte und auf eine sehr gleichmäßige Wärmezufuhr geachtet hatte.
Ich härtete selektiv im Ölbad (nur Schneidenbereich abschrecken).
Danke hier noch mal an alle Infos aus dem Forum zum Härten dieses Stahls!
Beim Geradeklopfen der Klinge mit einem kleinen Holzknüppel und Holzunterlage wurde ich durch den geringen Widerstand verunsichert. Hatte ich wirklich gehärtet? Aber ein erneuter Test zeigte klar: mit der Spitze ließ sich ohne Probleme Glas ritzen.
Die Seitenlagen sind eben nur „nichthärtbar“. Was das für Material ist konnte ich nicht herausfinden, gefühlsmäßig ordne ich das bei Bindedraht ein. Die Klinge war für meine Begriffe zu schwach für ein ernstes Messer.
Der 2m Betonfalltest war ok, was sollte da auch brechen?
Mit einer provisorischen Schneidfase konnte ich mein Testdrahtseil ohne Probleme durchhacken, keine Ausbrüche. Da war ich schon wieder etwas versöhnt.
Allerdings stellt sich schon die Frage warum nicht härtbare Seitenlagen. Die Zeiten, in denen Stahl teuer war sind lange vorbei. Höchstens noch wenn es um hunderte Tonnen geht…
Na ja, ich hatte den Stahl ja ausgesucht, jetzt musste ich auch damit klarkommen.
Also verschwand das Micarta für den Griff wieder und stattdessen holte ich ein Stück vom Rentier heraus. Micarta hätte von der Festigkeit des Gesamtpakets keinen Sinn ergeben, diese Klinge spielt in einer anderen (niedrigeren) Festigkeitsliga.

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Jetzt kam der lustige Teil: die Oberflächenbearbeitung der Klinge.
Da ich möglichst einfach bleiben wollte, nahm ich mir vor kein Schleifpapier oder Schleifleinen zu verwenden. Stattdessen brach ich mir kleine Stücke von alten Schleifsteinen ab und wetzte sie auf Beton etwas eben. Das ging alles erstaunlich gut und ich freue mich heute noch über die nichtgebrauchten Schleifpapiere.
Vom Erfolg ermutigt sammelte ich einige Steine beim Spaziergang und testete die „Schleifeignung“. Auch das geht, aber jeder Stein schleift anders, ich kann es den Steinen (noch) nicht ansehen wie fein sie schleifen. Eine ebene Oberfläche lässt sich durch aneinander reiben leicht erzielen. Ich kann das Ausprobieren nur Empfehlen das macht Spaß!
Am Griff habe ich wieder Schleifpapier verwendet, wie die Jungs das früher gemacht haben weiß ich nicht.
Hier noch ein paar Bilder und noch ein paar Hinweise auf einige Details:
Das Ricasso ist sehr schmal, wegen der besseren Hebelwirkung beim Schneiden.
Der Griff ist sehr lang um Besser hacken zu können.
Der „Knauf“ und die „Parierstange“ sind stark geschrumpft. Das ist ein Kompromiss aus Sicherheit (aus der Handgleiten vermeiden etc) und guter Handhabbarkeit beim Arbeiten.
Es sieht winzig aus, reicht mir aber bei der Intention des Messers völlig aus.

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Wenn ich wieder Zeit finde, wird eine Schneidfase angebracht, und dann ausgiebig getestet. Dann kommt noch eine Lederscheide.

Das nächste Messer wird dann aber wieder Monostahl.
Ich werde wohl mal Wälzlagerstahl versuchen.

Ich hoffe einige finden etwas Interessantes in dem Beitrag!
Frohes Messermachen!
 
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Nachtrag:
Ich hatte ganz vergessen, dass ich hier ein neues Verfahren zum Aushärten des Epoxidharzes ausprobiert hatte. Bisher habe ich das ganze Messer in den Ofen gesteckt und bei 100 Grad Celsius je nach Hersteller Angabe um die 10 min darin gelassen. Das hat nie richtig Spaß gemacht: Harztropfen im Ofen, zudem traue ich dem Thermostatschalter nicht auf 20 Grad genau …
Die Oberfläche des Griffs und des Messers habe ich dann stets gut geölt, austretendes Harz kann sich an der Oberfläche nicht festsetzen.

Die neue Methode ist viel einfacher: 1l Wasser kochen lassen, Messer nach Zusammenbau und mit gut geölter Oberfläche in eine dünne Plastiktüte stecken und Griff voran ins 100 grädige Wasser. Nach angegebener Härtezeit (hier waren es 10 min) wieder herausnehmen.
Das geht viel einfacher und der Ofen bleibt sauber. Die festigkeit des harzes steigt enorm durch diese Wärme-Behandlung. Das ist für mich ein unbedingtes muß geworden, geht mit der neuen Methode jetzt auch ganz einfach…
hier noch ein paar Bilder mit höherer Auflösung:
http://img21.imageshack.us/img21/6148/cimg0031t.jpg
http://img339.imageshack.us/img339/573/cimg0019p.jpg
http://img339.imageshack.us/img339/4458/cimg0008z.jpg
http://img694.imageshack.us/img694/521/cimg0006n.jpg


viel Spass beim Ansehen!
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Nachtrag 2: Test
Nachdem ich eine Schneidfase geschliffen hatte ging es ans Testen.
Der Kernstahl war leicht zu schärfen und hatte schnell rasierschärfe angenommen.
Ich wollte sehen ob das Messer auch etwas aushält,wie damit zu arbeiten ist und suchte mir einen abgebrochenen Baum (Fichte).Das Holz war ziemlich trocken und kein bischen verrottet.

http://img709.imageshack.us/img709/9364/cimg0033.jpg

Dann habe ich mir einen kleinen Knüppel geschnitzt und die Äste abgeschlagen.

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Dabei wurde gleich klar, dass die Vermutung mit der schwachen Klinge richtig war: Die klinge bog sich mal nach rechts, mal nach links, dann wieder geradeklopfen und wieder so weiter...

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Ich habe noch etwas am Baum gehackt, aber das machte keinen Spass, die Klinge bog sich hin und her.Ich war mehr am geradeklopfen als am Hacken und Knüppeln...

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Zu guter Letzt habe ich die Klinge noch einmal mit der Faser durch den Baum getrieben,

cimg0050y.jpg


dann quer, bis der Knüppel entzwei ging (Kiefer hält eben nichts aus)

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Da ich einigermaßen ratlos war, was man denn mit so einem Weichei von Messer anfangen soll habe ich ein bischen geworfen.

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Das war aber auch nichts, die Klinge biegt sich bei jedem Wurf der nicht 100% senkrecht trifft.

Meine Einschätzung des Messers:
Der limitierende Faktor ist hier für mich der Stahl.
Die Stahlkombination der Klinge ist für Gebrauchsmesser vollkommen ungeeignet.Die nichthärtbaren Randschichten mit niedriger Festigkeit führen dazu dass sich die Klinge bei geringer Belastung bereits verbiegt.Da hat wohl jemand nicht nachgedacht...
Dieses Klingenkonzept funktioniert gut bei Kochmessern und ähnlichem, hier kommen ja keine nennenswerten Querbelastungen auf.Dabei ist die Klingenstärke aber nur 2-3 mm und nicht 6 wie hier.

Beeinduckend ist es zu sehen wie der gehärtete Stahl in der Mittellage die Biegungen aushält ohne zu brechen.Ich schätze die Härte der Mittellage auf knapp unter 60 HRC.

Mein Fazit und Tipp an potentielle Nutzer dieser Klingenstahlkombination:


Nehmt einen anderen, billigeren und besseren Stahl, der hier ist ein Fehlkonzept.


Wieder was gelernt!

(No animals were harmed in this test!)

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Hallo dawson83,

das Messer fühlt sich gar nicht so groß an, eher führig.

PS
WB war wohl ganz ok ich konnte zuhause mit dem Messer nach dem Test gerade noch Körperhaare rasieren.
Schade dass es so schwach ist, jetzt mache ich an der angefangenen Holz/Lederscheide erst mal nicht weiter, ich suche ja das bessere Messer, nicht das schwächere.
Vieleicht wirds mal ein Geschenk an jemanden der nicht so hohe Ansprüche an Messer hat.Hübsch ist es ja, und der Griff hält bestimmt ;-)

Frohes Messermachen!
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so wie ich es sehe hast du die Klinge ja nur an der Schneide gehärtet, das ist aber eben gerade bei San Mai Konstruktion eher überflüssig bis, wie du ja eben selber festgestellt hast, gegenläufig.
Ich hätte die Klinge ganz durchgehärtet, dann hätte sie wesentlich mehr Biegefestigkeit. Sie würde sich zwar noch immer bei großem druck verformen aber der würde wirklich höher sein.
Härte die klinge einfach nochmal durch und mach dann deine versuche, sollte viel besser sein...

Das Messer gefällt mir übrigens sehr gut :super:
 
Hallo Hamurra-e,
danke für deinen Beitrag.Ich hatte gestern keine Zeit zu antworten, erst jetzt.Dafür konnte ich in der Zeit aber etwas nachdenken.

Bei der Härtung habe ich mir folgendes überlegt:
Die härtbare Schicht ist ca 1,5mm stark und liegt genau in der Mitte (fast genau).Wenn man das Bauteil bei dieser Querbiegung von der Festigkeitslehre her "freischneidet" wird klar dass diese mittlere "neutrale Faser" fast nichts zur Biegefestigkeit beiträgt.Deshalb habe ich nur selektiv gehärtet, vor allem um die mögliche Verformung geringer zu halten.Ich wollte das Geradeklopfen vermeiden.Jetzt nach etwa 2 dutzend Richtklopfereien sehe ich das lockerer.
Das selektive Härten war hier ein Eintauchen bis deutlich über die Hälfte der Klingenhöhe, das vordere Drittel der Klinge war vollständig unter Öl.Die klinge biegt sich auch im vorderen Drittel ohne merkbare höhere Steifigkeit.
Ich habe diese Härtemethode auch bei einem anderen japanischen Verbundstahl gemacht (anderer Kernstahl).
http://www.messerforum.net/showthread.php?t=73269&highlight=stahlseiltest

Ich habe diese Klinge inzwischen einigemale grob behandelt und mich auch einigemale mit eingeklemmter Spitze daraufgestellt, keine merkliche Biegung.Ich habe noch eine unmontierte 10 Zoll Bowieklinge aus demselben Material, Betonfalltest und Drahtseiltest ok, die wirkt sehr viel fester.

Ich erkläre mir diesen enormen Leistungsunterschied durch die offensichtlichen Unterschiede im Material der Seitenschichten.
Aus irgendwelchen Gründen hat Hatatschi hier extrem weichen Werkstoff verwendet, der nur sehr geringe Zug und Druckfestigkeit aufweist.Ich bin kein Experte was Eisenwerkstoffe betrifft, vermute aber die Gründe in der besseren Verarbeitbarkeit (Schweißen) oder in einem Versuch besonderer Autenzitität.Jedenfalls machen die Decklagen beim Verarbeiten einen extrem weichen Eindruck.Ein normaler Nagel ist mit Sicherheit fester.

Vieleicht hat ja jemand hier bereits Erfahrungen mit dem Material gemacht und kann etwas dazu sagen.

Im Moment glaube ich nicht dass die WB das Problem ist, aber ich habe hier keine abschließénde Gewissheit.
Falls jemand eine bessere Idee hat bitte ich gerne um eine Rückmeldung.

Freut mich, dass dir das Messer gefällt!

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hi,
genau die von Dir beschriebenen erscheinungen hatte ich mit einer gekauften 3-Lagen-fertigklinge von Frosts. Sehr geringe biegesteifigkeit.
Liegt jetzt bei mir in der Schublade "selten zu benutzen"
Damals habe ich auch mal gefragt (hier im Forum) warum mann wohl nicht etwas stabileres als Seitenlage nutzt. Ich glaube von Achim kam der Tipp mit einem messermacher aus Frankreich der dies so macht: hoch härtbare innenlage, Stabile seitenlagen. Habe allerdings dort nicht bestellt...
 
Hallo danki,
ich verstehe nicht wie man so ein Material in so einer Dimensionierung (6mm Stärke) als hochwertigen Messerstahl verkaufen kann...
Für mich taugt das nur zum Schnitzen (6mm, viel Spaß!) oder zum "in die Vitrine legen".
Die Dimensionierung legt ja eher etwas Richtung Tanto nahe.
Wenn das wirklich so gedacht war, kann ich nur mit dem Kopf schütteln.Hier ist einfach etwas völlig falsch gelaufen bei der Materialwahl, oder ich habe irgendetwas Entscheidendes noch nicht begriffen.
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen das sich die alten Japaner mit so einer Klingenleistung zufrieden gegeben hätten.
Und der Klingenschmied hätte wohl zum letzten mal gelacht..
Na ja , ich verbuche das unter Erfahrung sammeln, ein eigenartiges Unzufriedenheitsgefühl bleibt doch.
Grüße less
 
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