Julien Maria Canif - oder wie ich lernte die Clauskante zu lieben

delnoah

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# Technische Daten
Klingenlänge: 8,5 (8,4 geschliffen) cm
Klingenstärke: 2 mm
Grifflänge: 10,8 cm
Gesamtlänge aufgeklappt:
Gesamtlänge geschlossen: 10,8 cm
Klingenstahl: 14C28N (satiniert; gibt’s auch grds. mit XC75)
Breiteste Stelle Griff: 0,7 cm
Griffmaterial: Edelstahl
Gewicht: ca. 83 g
Verriegelung: Slipjoint (mit Halfstop bei 90°, ohne Stopppin)
Fangriemöse: ja (passend für max. 425 Paracord, 275 Paracord ist optimal)
Clip: Nein (gibt's aber grds. auch mit)


# Kurze Vorstellung
Auf das Canif wurde ich hier im Forum aufmerksam. Die minimalistische Linienführung hat mich direkt gepackt.

Leider habe ich mir dann zunächst viel zu schnell ein blankes Canif, also die komplett satinierte Version gekauft. Leider, weil er Reiz der Messer nicht nur in ihrem einfachen Aufbau und der minimalistischen Linienführung besteht, sondern auch an der großen Bandbreite künstlerischer Bearbeitungen, die Julien Maria den Griffen angedeihen lässt. Das ist mir aber erst später aufgefallen.
Daher musste das erste Canif wieder ziehen. Irgendwie hat mich dann aber doch wieder die Sehnsucht gepackt und diesmal habe ich einiges an Zeit investiert um den Online Katalog von Julien Maria (Accueil | Coutellerie MARIA (https://www.coutelleriemaria.com)) genau zu studieren und dann darauf zu warten, das die entsprechende Version wieder verfügbar ist.

Dieses Mal habe ich für die hier vorgestellte Version sablé entschieden. Hier wird der Griff - soweit ich es verstanden habe - unregelmäßig gesandstrahlt was an eine Wolke erinnert. Der Griff ist dadurch griffiger und wunderschön anzusehen. Durch die vielen verschiedenen händischen Bearbeitungen der Griffe wird jedes Messer einzigartig.
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Die Verarbeitung des Messers ist etwas rustikal aber insgesamt sehr gut.
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Die Feder ist schön stark. Der fehlende Klingendurchbruch oder Nagelhau unterstreicht das aufgeräumte Design des Messers. Durch die im geschlossenen Zustand weit rausstehende Klinge lässt sich das Messer mit dem Pinchgrip aber auch so gut öffnen.

Durch die Grifflänge von 10,8 cm ist das Messer auch für große Hände geeignet.
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In der Tasche trägt es dagegen aufgrund der Dicke von unter 1 cm nicht groß auf. Aufgrund der herausstehenden Klingenwurzel, deren Kante ungebrochen und spitz ist, empfehle ich aber dringend ein Etui zum Schutz der Hose.
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Das Messer hat zwar eine im geschlossenen Zustand herausstehende Klingenwurzel (Clauskante), was ich eigentlich nicht so mag. Bei diesem Messer finde ich das Design aber auch mit der Clauskante irgendwie stimmig und bei den Franzosen gehört es ja auch sowieso irgendwie dazu.
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Die Klinge ist recht dünn und sehr fein ausgeschliffen und eignet sich definitiv besser für die das Schnibbeln von Zwiebeln oder Äpfeln als fürs Schnitzen von Wanderstöcken. Dementsprechend hat das Canif bei mir das Opinel als Camping und Reiseküchenmesser abgelöst. Ich habe es aber auch so immer mal wieder gerne dabei um mich an dem schön gestalten Griff und dem minimalistischen Design zu erfreuen.
Der 14C28N hält die Schärfe zufriedenstellend und lässt sich gut nachschärfen.
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Die Fangriemöse ist etwas kleiner als sonst üblich und fasst daher maximal 425er Paracord. Die Messer kommen meist mit einem kleinen Bead auf 100er Paracord, welche glaube ich von Anne-Lise Maria angebracht werden.

Das Canif überzeugt durch seine klare Linienführung, den feinen Anschliff der Klinge, den rustikalen Charme des Handgemachten und das super Preis-Leistungs-Verhältnis. Es handelt sich schließlich um ein in Kleinserie handgemachtes Messer aus europäischer Produktion für unter 100 EUR. Mon dieu!

Zuletzt noch ein kurzer Größenvergleich zu einem 91 mm Victorinox Offiziersmesser.
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Danke für die tolle Vorstellung. Ich mag die Canifs auch sehr, vor allem wegen der guten Tragbarkeit und der schneidfreudigen Klinge. Die Vielzahl der Griffgestaltungen ist sicher ein Herausstellungsmerkmal und so blieb es bei mir auch nicht bei nur einem Canif.
Ich habe an den Messern so gut wie nix auszusetzen, auch das Preis-/Leistungsverhältnis geht für mich voll in Ordnung. Die Beads habe ich abgemacht, die passen - nach meinem Geschmack - nicht zum minimalistischen Design des Messers und bei der Griffgröße braucht man die auch nicht als Ziehhilfe.
 
@delnoah Auch von mir Dank für den Bericht. Ich besitze das Messer zwar nicht, finde das schlichte Design, Klingenform und -daten aber immer wieder total überzeugend. Ein echtes EDC!
Clauskante - was soll’s; Lanyardloch sehe ich auch eher als überflüssig.

Viel Spaß damit!
Abu
 
Hast Du alles sehr gut beschrieben und getroffen.

Ich würde noch hervorheben, das es IMHO eine wirklich gute Klingengeometrie hat. Die Klinge ist sowohl schlank genug um wirklich gut zu schneiden und ihre Form - die mich immer an ein Victorinox auf Steroiden erinnert - ist auch super zum Stullen schmieren geeignet.

Das die Schneide über weite Teile sehr grade verläuft sieht vielleicht nicht so sexi aus, ist aber hinsichtlich der Funktion meistens sehr gut nutzbar. Viele moderne Messer haben viel zu gekrümmte Schneiden mit kaum einem Stück geradem Schneidenverlauf damit die Klinge toll aussieht, für viele Aufgaben eignet sich das aber eher schlecht.

Ich mag das Messer sehr, weil es so schlank ist und dabei aber etwas edler als die Otter Messer.
Preis Leistung ist fantastisch.
 
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Servus,

ich muss mich jetzt auch mehr als wohlwollend zu der Klingengeometrie äußern. Ich habe heute eine kleine Jause damit zubereitet und den Testklassiker für Anschliff und Geometrie einer Klinge, das Schälen und Vierteln eines Apfels durchgezogen und war mehr als verblüfft, ob der Schneidfähigkeit dieses simplen Folders. 😳 Schneidet dieses geradlinige Messer doch besser durch einen Apfel als fast alles, das ich bis jetzt so in Verwendung hatte. Die Qualität und Schnittgüte ist durchaus mit einem Herder Office vergleichbar und das ist ein Küchen-und Officemesser der Spitzklasse.

Der Schliff und die Fertigung ist bei meinem Exemplar hervorragend, Klinge steht sogar mittig ohne Spiel und der Rücken Plan und spaltfrei/bündig zur Rückfeder. Die schmale Fase von 2/10mm Breite ist formidabel, die Schärfe scharf.

Wurst und Käse, Rohkost und Brötchen, also alles für die kleine Jause ist der natürliche Lebensraum und das primäre Schnittgut für das Julien Maria Canif.


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Ich schließe mich also in vollem Umfang den Empfehlungen hier an.

Ganz tolles Sackmesser für leichte Schneidaufgaben und als Jausenmesser eine Referenz um kleines Geld.

Gruß, güNef
 
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Sehr schöne Vorstellung!

ch habe aktuell zwei Canif (das dritte ist schon vor einiger Zeit nach Berlin weitergezogen ;)). Ich mag das schnörkellose Design....
 
Hallo zusammen,

aufgrund der schön geschriebenen und bebilderten Berichte habe ich mich näher mit dem Canif und der Webseite der Coutellerie Maria befasst. Schließlich hat mich die Version "Canif Ultra Light Toxifié" besonders angesprochen. Diese Version besteht aus zwei sehr dünnen farbigen G10-Linern, die von Griffschalen aus schwarzem G10 umschlossen werden. Das G10 der Griffschalen ist hier aber nicht komplett poliert wie z.B. bei güNefs schöner Version, sondern von Julien Maria mit einem leicht ungleichmässig gefrästen Muster individuell versehen worden. Die Konstruktion mit den Linern und der aufwendigen Griffgestaltung macht sich zwar leicht im Preis bemerkbar, allerdings finde ich auch bei diesem Exemplar den Preis mit knapp über 100 Euro sehr fair und preisgünstig.

Das Messer war im Shop leider nicht verfügbar, man kann sich einen Email-Reminder bei Lieferbarkeit einrichten, ich hatte aber auch eine Frage zu den Linern und so habe ich Julien direkt angeschrieben. Mit meinen rudimentären Französischkenntnissen habe ich mich auf einen Online-Übersetzer verlassen (ich kann hier deepl empfehlen) und die Kommunikation mit Julien lief ganz hervorragend. Immer sehr schnell und freundlich. Ich wollte wissen, welche Farben er bei den Linern anbieten könnte. Der Normalfall ist bei diesem Modell ein Blau-Ton, der in Richtung Kornblume geht. Er meinte, dass er auch Rot oder Orange anbieten könnte. Ich habe mich dann für das Blau entschieden und bei ihm bestellt. Er wollte sich bei mir melden und hat ungefähr 3-4 Wochen als Zeithorizont angegeben. Aber schon gut 8 Stunden später bekam ich eine weitere Email. Darin stand, dass sich eine Rohstofflieferung für die Aufträge, die er abarbeiten sollte verzögert habe und er deswegen die Zeit einfach genutzt hatte, um mein Messer fertigzustellen! Dazu noch 2 schöne Fotos von dem angefertigten Canif und der Frage ob ich so zufrieden sei.

Erstens war ich baff und zweitens auch sehr zufrieden. Die mittleren Stifte am Griff standen auf den Fotos noch etwas weit heraus. Deshalb hatte ich dann per Mail gefragt, ob er die noch etwas abflachen könnte. Was er gleich am nächsten Morgen auch bejahte und sogleich mit einem weiteren Foto die Tat illustriert hat. Nachmittags bekam ich den Paypal-Link und das Canif war schon per französischer Post auf dem Weg zu mir. Diese, oder die Tochter DPD hat das Paket zwar etwas grob behandelt, es war ziemlich unförmig und von außen feucht geworden. Das Messer war davon aber glücklicherweise nicht betroffen. Sehr sympathisch verpackt in einem kleinen Gemüsebeutel. Dies als Hommage an seinen Großvater, der Gemüse angebaut hatte und in dessen ehemaligem Gewächshaus Julien Marias Werkstatt heute ist. Dazu ein nachtblauer dünner Lanyard mit einem kleinen Bead. Das war bereits sehr schön, aber ich habe diesen noch durch eine farbstärkere Version getauscht. Ich erzähle das alles so ausführlich weil ich eben neben dem schönen Design und der Funktion des Canifs auch Juliens herausragenden Service betonen möchte.

Zum Messer selbst kann ich nur sagen, dass ich Delnoahs und Günefs Einschätzungen voll zustimme. Mein "giftige" Version ist etwas weniger schnörkellos als die vorgestellten Varianten, für mich aber ebenso reizvoll. Die zarten Farbkontraste sowie das Muster erzeugen für mich eine spannende Gesamtkomposition, die klassisch, aber auch modern wirken kann. Die Griffform z.B. erinnert mich an ein klassisches Barlow-Pattern, jedoch ohne Bolster. Die erhabenen Karo-förmigen Plateaus des Griffs kann man mit etwas Phantasie auch mit einem "Ito", also der Schnürung eines japanischen Schwertgriffs, vergleichen. Wie gesagt, sehr spannend! Und mit unter 50 Gramm sogar noch leichter als mein sonst favorisiertes UKPK (mit FRN-Scales) und einer für Nahrungsmitteln noch passenderen und längeren Klinge.

Vielen Dank für die Empfehlungen, ich freue mich sehr über dieses schöne Messer!

Viele Grüße
Portico
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Danke für deinen sehr umfangreichen und schönen Bericht! Die Griffschalen finde ich prima, da sehr individuell und vermutlich auch griffiger. Der Service klingt preisverdächtig.
Viel Freude an dem Slicer
Abu
 
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