Flügelfeder
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Moin,
ich bin ein ausgesprochener Freund von traditionellen Messern, die klassisch in Handarbeit hergestellt werden. Und weil das so ist, bin ich durchaus auch bereit, in Bezug auf Unregelmäßigkeiten ein Auge zuzudrücken... manchmal auch beide, solange es nichts ist, was die Funktion beeinträchtigt. Aber manche Messer - zumeist aus Solinger Fertigung - sind diesbezüglich echt eine Herausforderung und verlangen selbst mir so einiges ab, sie zu mögen. Ein Beispiel dafür ist dieses Klaas 'Kochschulmesser'.
Daten
48 gr wiegt das sehr schmale Messer.
Länge geschlossen (ohne Ring): 10,5 cm.
Länge offen (ohne Ring): 18,5 cm.
Klingenlänge: 8,2 cm,
davon Schneide: 7,2 cm
Die Klinge ist mit 1,2 cm an der breitesten Stelle sehr schmal und der Klingenrücken ist auch nur 1,9 mm.
Klinge
Ausschlag für den Kauf gab die Klinge: Es handelt sich um Klingen aus alter Fertigung, die bei Klaas in irgendeiner Ecke wiederentdeckt wurden (passiert dort ab und an mal), weshalb man das alte Kochschulmesser mit diesem Restbestand an Klingen hat wieder aufleben lassen. Eine wundervolle Idee und an sich ein sehr gelungener Messerentwurf. Eine hervorhebenswerte Eigenschaft ist hier zweifelsohne die hohe Flexibilität.
Griff
Das Kochschulmesser gibt's in verschiedenen Beschalungen. Meins ist Grenadil. Eine Besonderheit in Bezug auf den Griff sind die Neusilberbacken, denn zumindest auf der Musterbuch-Zeichnung dieses Modells, die ich gesehen habe, hatte der Griff ursprünglich keine Backen. Gerade vor dem namensgebenden Hintergrund einer Benutzung in der Küche sind Backen aber sicherlich eine sinnvolle Überarbeitung, da der vordere Bereich öfter mal mit Wasser in Berührung kommt.
Verarbeitung
Tja und damit sind wir auch schon mitten im Thema... Ich hatte fünf Messer dieses Modells in der Hand, kein einziges war wirklich sauber gearbeitet und drei selbst, wenn man beide Augen ganz fest zudrückt, nicht benutzbar. Warum? Bspw. Federspannung gleich null; die Klinge ließ sich öffnen und schließen wie bei einem losen friction folder. Zumeist aber verzogene Klingen und Klingenschiefstände bei geöffnetem Messer.
Das ist eindeutig ein ziemlich schlechter Schnitt, nun soll es ja aber nicht um die anderen vier gehen, sondern um das eine meinige. Es funktioniert und tut, was es soll! Allerdings sind die Problemchen so zahlreich, dass es mir wirklich schwer fällt, kein Problem damit zu haben.
Also, wo hapert's?
1. Dreck! Dass hier und da Schleifrückstände zu finden sind, ist - vor allem bei Solinger Messern - normal. Hier allerdings klemmte der Dreck nicht nur in Ritzen und Spalten (die es zuhauf gibt, dazu gleich mehr,) sondern die komplette Klinge war beim ersten Öffnen dunkelgrau. Nach dem Zusammenbau ist offenbar nicht einmal die Klinge abgewischt worden. Was ich so bisher noch nicht erlebt habe.
2. Spalten: Sowohl zwischen Holz und Platinen, vor allem aber zwischen Platinen und Rückenfeder. Der Übergang von Backen zum Holz allerdings ist sauber.
3. Ein riesiger Absatz zwischen Klingenrücken und Rückenfeder bei geöffneter Klinge. Darüber hinaus liegt der Klingenrücken auch vertikal nicht plan an.
4. Die Backen sind in der Draufsicht von vorne nicht gleich groß.
5) Die Klinge... ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll...
a) Die Klinge kam dünn ausgeschliffen, aber nicht wirklich scharf an. Das lässt sich schnell regeln und scheint mir mittlerweile leider allzu häufig eher Standard als Mangel zu sein. Bei genauerem Hinsehen aber liegt bei der Klinge doch noch so einiges im argen:
b) Der Klingenrücken hat einen leicht schrägen Anschliff. Der allerdings ist weder in der Länge von Klingenspitze zur Klingenbasis noch im Winkel auf beiden Seiten identisch. Die Draufsicht mutet also deutlich schief an.
c) Größeres Problem ist, dass auch der Klingenschliff nicht symmetrisch ist und die Schneide damit nicht mittig am Ricasso sitzt, sondern rechtsseitig.
d) Und dann wäre da noch der leichte, aber erkennbare Knick im Klingenblatt.
Alles in allem wirklich zu viel des Guten...
Warum habe ich es behalten?
Die einfachen Arbeitsmesser (gerade früher), so hört man immer wieder, seien halt wirklich zum Arbeiten da gewesen. Da hätte sich niemand an Details, wie Klingenschiefständen gestört...
Möglich, aber irrelevant! Mein Lütters Loewen Messer zählt zu den akkuratest gearbeiteten Messern, die ich habe, ist eines dieser echten Arbeitsmesser und hat weniger als die Hälfte gekostet. Es geht also auch anders!
Das Maere vom 'einfachen Arbeitsmesser' taugt als Beschwichtigung dementsprechend nicht. Ich frage mich eher, warum die Box mit den verstaubten Klingenrohlingen bei Klaas unangetastet überdauert hat? Vielleicht weil es seiner Zeit ausgemusterte Klingen waren, die wegen der ein oder anderen 'Unebenheit' nicht regulär verbaut worden sind? Ausschuss sozusagen?
Aber warum dann das Messer behalten? Für mich eins der ganz, ganz wenigen Sammlermesser, da ich meine Klingen normalerweise benutze. Aber warum ausgerechnet dieses? Weil es mir anschaulich vor Augen führt, dass auch beim traditionellen Handwerk Grenzen gibt. Mein Messer funktioniert, liegt gut in der Hand, schneidet hervorragend und die dünne Klinge verfügt über eine erstaunliche Flexibilität bei recht ordentlicher Schnitthaltigkeit. Dennoch ist die Liste der Mängel einfach zu lang - und für mich ist es damit die ständige Mahnung, bei Neuanschaffungen eins, aber nie beide Augen zuzudrücken. In dieser Funktion hat es mir schon einiges an Geld gespart, weshalb es sich als ungewöhnliche Anschaffung längst bezahlt gemacht hat
Grüße in die Runde,
Armin
P.S. Mein Favorit der Klingenschiefstände unter den fünf Modellen, die ich in der Hand hatte
(wohlbemerkt nicht mein Messer, also nicht das gleiche von dem auch die anderen Bilder sind!):
ich bin ein ausgesprochener Freund von traditionellen Messern, die klassisch in Handarbeit hergestellt werden. Und weil das so ist, bin ich durchaus auch bereit, in Bezug auf Unregelmäßigkeiten ein Auge zuzudrücken... manchmal auch beide, solange es nichts ist, was die Funktion beeinträchtigt. Aber manche Messer - zumeist aus Solinger Fertigung - sind diesbezüglich echt eine Herausforderung und verlangen selbst mir so einiges ab, sie zu mögen. Ein Beispiel dafür ist dieses Klaas 'Kochschulmesser'.
Daten
48 gr wiegt das sehr schmale Messer.
Länge geschlossen (ohne Ring): 10,5 cm.
Länge offen (ohne Ring): 18,5 cm.
Klingenlänge: 8,2 cm,
davon Schneide: 7,2 cm
Die Klinge ist mit 1,2 cm an der breitesten Stelle sehr schmal und der Klingenrücken ist auch nur 1,9 mm.
Klinge
Ausschlag für den Kauf gab die Klinge: Es handelt sich um Klingen aus alter Fertigung, die bei Klaas in irgendeiner Ecke wiederentdeckt wurden (passiert dort ab und an mal), weshalb man das alte Kochschulmesser mit diesem Restbestand an Klingen hat wieder aufleben lassen. Eine wundervolle Idee und an sich ein sehr gelungener Messerentwurf. Eine hervorhebenswerte Eigenschaft ist hier zweifelsohne die hohe Flexibilität.
Griff
Das Kochschulmesser gibt's in verschiedenen Beschalungen. Meins ist Grenadil. Eine Besonderheit in Bezug auf den Griff sind die Neusilberbacken, denn zumindest auf der Musterbuch-Zeichnung dieses Modells, die ich gesehen habe, hatte der Griff ursprünglich keine Backen. Gerade vor dem namensgebenden Hintergrund einer Benutzung in der Küche sind Backen aber sicherlich eine sinnvolle Überarbeitung, da der vordere Bereich öfter mal mit Wasser in Berührung kommt.
Verarbeitung
Tja und damit sind wir auch schon mitten im Thema... Ich hatte fünf Messer dieses Modells in der Hand, kein einziges war wirklich sauber gearbeitet und drei selbst, wenn man beide Augen ganz fest zudrückt, nicht benutzbar. Warum? Bspw. Federspannung gleich null; die Klinge ließ sich öffnen und schließen wie bei einem losen friction folder. Zumeist aber verzogene Klingen und Klingenschiefstände bei geöffnetem Messer.
Das ist eindeutig ein ziemlich schlechter Schnitt, nun soll es ja aber nicht um die anderen vier gehen, sondern um das eine meinige. Es funktioniert und tut, was es soll! Allerdings sind die Problemchen so zahlreich, dass es mir wirklich schwer fällt, kein Problem damit zu haben.
Also, wo hapert's?
1. Dreck! Dass hier und da Schleifrückstände zu finden sind, ist - vor allem bei Solinger Messern - normal. Hier allerdings klemmte der Dreck nicht nur in Ritzen und Spalten (die es zuhauf gibt, dazu gleich mehr,) sondern die komplette Klinge war beim ersten Öffnen dunkelgrau. Nach dem Zusammenbau ist offenbar nicht einmal die Klinge abgewischt worden. Was ich so bisher noch nicht erlebt habe.
2. Spalten: Sowohl zwischen Holz und Platinen, vor allem aber zwischen Platinen und Rückenfeder. Der Übergang von Backen zum Holz allerdings ist sauber.
3. Ein riesiger Absatz zwischen Klingenrücken und Rückenfeder bei geöffneter Klinge. Darüber hinaus liegt der Klingenrücken auch vertikal nicht plan an.
4. Die Backen sind in der Draufsicht von vorne nicht gleich groß.
5) Die Klinge... ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll...
a) Die Klinge kam dünn ausgeschliffen, aber nicht wirklich scharf an. Das lässt sich schnell regeln und scheint mir mittlerweile leider allzu häufig eher Standard als Mangel zu sein. Bei genauerem Hinsehen aber liegt bei der Klinge doch noch so einiges im argen:
b) Der Klingenrücken hat einen leicht schrägen Anschliff. Der allerdings ist weder in der Länge von Klingenspitze zur Klingenbasis noch im Winkel auf beiden Seiten identisch. Die Draufsicht mutet also deutlich schief an.
c) Größeres Problem ist, dass auch der Klingenschliff nicht symmetrisch ist und die Schneide damit nicht mittig am Ricasso sitzt, sondern rechtsseitig.
d) Und dann wäre da noch der leichte, aber erkennbare Knick im Klingenblatt.
Alles in allem wirklich zu viel des Guten...
Warum habe ich es behalten?
Die einfachen Arbeitsmesser (gerade früher), so hört man immer wieder, seien halt wirklich zum Arbeiten da gewesen. Da hätte sich niemand an Details, wie Klingenschiefständen gestört...
Möglich, aber irrelevant! Mein Lütters Loewen Messer zählt zu den akkuratest gearbeiteten Messern, die ich habe, ist eines dieser echten Arbeitsmesser und hat weniger als die Hälfte gekostet. Es geht also auch anders!
Das Maere vom 'einfachen Arbeitsmesser' taugt als Beschwichtigung dementsprechend nicht. Ich frage mich eher, warum die Box mit den verstaubten Klingenrohlingen bei Klaas unangetastet überdauert hat? Vielleicht weil es seiner Zeit ausgemusterte Klingen waren, die wegen der ein oder anderen 'Unebenheit' nicht regulär verbaut worden sind? Ausschuss sozusagen?
Aber warum dann das Messer behalten? Für mich eins der ganz, ganz wenigen Sammlermesser, da ich meine Klingen normalerweise benutze. Aber warum ausgerechnet dieses? Weil es mir anschaulich vor Augen führt, dass auch beim traditionellen Handwerk Grenzen gibt. Mein Messer funktioniert, liegt gut in der Hand, schneidet hervorragend und die dünne Klinge verfügt über eine erstaunliche Flexibilität bei recht ordentlicher Schnitthaltigkeit. Dennoch ist die Liste der Mängel einfach zu lang - und für mich ist es damit die ständige Mahnung, bei Neuanschaffungen eins, aber nie beide Augen zuzudrücken. In dieser Funktion hat es mir schon einiges an Geld gespart, weshalb es sich als ungewöhnliche Anschaffung längst bezahlt gemacht hat
Grüße in die Runde,
Armin
P.S. Mein Favorit der Klingenschiefstände unter den fünf Modellen, die ich in der Hand hatte
(wohlbemerkt nicht mein Messer, also nicht das gleiche von dem auch die anderen Bilder sind!):
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