güNef
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Servus,
dies ist weder ein Vorstellung noch ein Bericht über ein Herder 1922, da gibt es ohnehin genug an Informationen. Es ist meine Herder 1922 Geschichte.
Nach bisher drei Versuchen an einem Herder Kochmesser aus der Reihe 1922 gefallen zu finden ( ich habe alle wieder verkauft ) bin ich jetzt nach vielen Jahren durch glückliche Umstände und zutun anderer endlich an eines jener 1922er gekommen, die den Mythos des „deutschen Lasers“ bemüht haben. All jene 1922er die ich selbst hatte und solche die ich testen durfte waren leider alle nach der Ära von Wilfried Fehrekampf (* 27.11.1936 - † 16.05.2011) 50 Jahre Schleifer und Pließter bei der Windmühle, also nach 2011 beschliffen und gepließtet worden. Daher konnte ich nie in den Tenor jener Herder-User einstimmen, die diese deutsche Manufaktur auf den Thron der Solinger Messerfertigung gehoben und hier im Forum geschrieben haben. Endlich wurde ich eines Besseren belehrt und habe jetzt Klarheit in der Sache gewonnen und kann und werde es gerne erklären.
Mein erstes Herder 1922er habe ich um 105,- Euro um 2015 herum gekauft, also vor ca. 10 Jahren. Klar war das Messer dünner geschliffen als alles andere was man an deutschen Kochmessern so bekommen konnte, aber so richtig ausgelenkt nach leichtem Druck, hat die Schneide nicht. Der Griff war mangelhaft „versäubert“ um im Herderschen Jargon der Griffbearbeitung zu bleiben. Bei der Griffmontage, dem sog. „Reiden“, verbindet man ja die Klingen mit den Holzgriffen. Jeder Stift und jeder Niet sollte perfekt sitzen, damit später nichts wackelt oder sich löst. Da Holz ein natürliches Material ist, muss der Fachmann für diese Arbeit, der sog. „Reider“, jede Besonderheit des zu verarbeitenden Holzes wie beispielsweise Feuchtigkeit oder Maserrichtung genauestens beobachten. Beim „Ausmachen“ werden die Herder Messer versäubert und poliert und erhalten somit ihren letzten Schliff. Der Griff muss am Ende schließlich kantenfrei sein und vor allem perfekt in der Hand liegen. So erzählt es die Tradition, allerdings hat es mit den Passungen und der Spaltbildung oft nicht geklappt und Kitt musste herhalten um Spalten und Fehlstellen auszufüllen. Berücksichtigen muss man natürlich das nur mit Öl behandelte und nicht stabilisierte Holz, das je nach Trockenheit oder Feuchtigkeit schrumpft oder quillt. Auch war unter Herder-Kennern Kirschholz dahingehend verschrien sich besonders schwer bändigen zu lassen. So war es immer und so ist es bis heute geblieben. Daher, wenn ein Herder, dann am besten selbst aussuchen oder von einem Händler seines Vertrauens „handverlesen“ lassen, sofern einem die aufgerufenen Preise nicht abschrecken.
Spalten und viel Kitt zeigten bei meinen Exemplaren die oft lieblose Bearbeitung, wohl dem Zeitdruck geschuldet. Das zweite 1922er hatte ich mir ertauscht, aber nach eingehender Betrachtung und Verwendung doch wieder abgegeben, auch hier war ich nicht überzeugt. Ich habe aber nicht aufgegeben und es wieder, aber dieses Mal mit einem 1922er Office probiert ( damals von R’nR‘ nahezu überschwänglich gelobt ) und siehe da, das Teil war dann aber mal wirklich hauchdünn an der Schneide und top versäubert ( Griff aus Nuss, keine Spalten, kein Überstand, kein Kitt ) Ok, sie können es doch, zumindest bei kleineren Klingen, so dachte ich. Das dritte 1922er Kochmesser war dann endlich ein handverlesenes mit einem wirklich ordentlich versäuberten Griff aus Nuss und einer 230er Klinge, die zumindest bei konsequentem Druck ausgelenkt hat. Das hatte ich dann länger als die beiden anderen, aber der nicht vorhandene FR hat mich dann doch zu sehr gestört ( ich war gerade am FR-Trip ) und der Schnitt war zwar einigermaßen leicht, konnte aber mit keinem guten Japaner ernsthaft mithalten.
Dazwischen habe ich mal ein stark gebrauchtes 1922er Tranchelard um kleines Geld gekauft, mit man verzeihe mir den Ausdruck, erbärmlich dicker Schneide, was meine Meinung über diese 1922er Reihe nun endgültig zementiert hat. Uwe Mattern hat mir die schmale Klinge dann tüchtig ausgedünnt und seit dieser Zeit ist es bei mir. Alle diese Herder hatten eines gemein, sie waren aus C-Stahl (1.2003 75Cr1 ), sehr reaktiv und mit einer ausblühenden Patina.
Dann war jahrelang nix, Funkstille zwischen mir und Herder. Wenn das Thema im Forum mal wieder zur Sprache kam, waren meine Beiträge geprägt von meinen Enttäuschungen immer kritisch zu lesen. So mancher Strauß mit „Herderfreunden“ wurde ausgefochten. Im Dezember der Vorjahres wurde dann in einem anderen Forum, eher unauffällig und nicht plakativ eine riesige Herdersammlung aus Altbeständen aufgelöst. Meine Versuche, da an einige der alten Stücke die noch durch die „goldenen“ Hände von Wilfried Fehrekampf gegangen sind, zu kommen, war nicht von Erfolg gekrönt. Der Verkäufer wollte sich keine Umstände machen und ich musste das akzeptieren. Über einen kleinen Umweg bin ich dann doch an ein Pärchen 1922er gekommen, ein 210er Kochmesser und ein Office dazu. Beide dieses mal aus rostträgem Stahl, was mich sehr freut, da unkompliziert in der Handhabung und traumhaft mit einem guten Mikrofeinzug bei Laune zu halten.
Die Griffe sind bei beiden Messer aus Kirsche. Das Office ist noch das „alte“ Griffdesign, also vor 2010, danach wurde das Griffdesign mehr an das der großen Kochmesser angeglichen. Das große 1922er Kochmesser, noch ein 210er mit altem, französischem Profil, wohl so aus Mitte bis Ende der Nullerjahre, oder noch früher. Mitte/Ende der Nullerjahre lies Herder die rostträgen 1922er auslaufen, die Produktion wurde schleichend eingestellt und nur noch welche mit C-Stahl hergestellt. Das Profil wurde auf ein „deutsches Kochmesserprofil“ umgestellt, also runder, ohne flache Passagen und die Größen sind jetzt 180er und 230er Klingen. Bis heute. Beide haben noch einen „Schmalkropf“ der diese Bezeichnung auch verdient. Es gibt zwar Exemplare da ist der Kropf/Bart noch schmaler getrieben worden, wer aber die Bilder vergleicht, wird sehen was ich meine.
Hier ein Schmalkropfvergleich:
Hier mein Altes mit einem wirklich gut versäuberten Nuss-Griff:
Nun, dieses Mal ist alles anders als bisher. Der Klingenspiegel ist feinst gepließtet, der Schliff famos. Dieses Mal lenkt die Schneide bei leichtem Druck willig aus, was für ein deutscher Laser vor dem Herrn. Der Bart/Kropf ist zart rückgesetzt und schlägt nicht auf, die Klinge ohne Verzug und vorne zwiebeldünn ausgeschliffen. Profil läuft……und kaum eine Schneidfase zu erkennen.
Der Griff ist zwar ohne Spalten, aber nicht ohne Kitt, vor allem an der Unterseite der Bart/Kropfpassung unschön eingepasst, also nicht der ansehnlichste den ich bisher hatte, aber optisch muss ich das so akzeptieren, auch weil es keine Alternative dazu gibt, haptisch ist das Holz aber eine feine Sache. Was das Griff-Finish im Sinne einer sauberen Passung betrifft, tja eben Herder, ob aktuell oder alt, mal ist es sehr gut, mal ist es noch tolerierbar und mal ist es nix und zu reklamieren. Aus meiner Sicht die größte Schwäche des Herstellers.
Herausragend aber ist der Fehrekampf-Schliff zu benennen, so muss ein Herder sein, das wird beworben und das will man haben. Leichte Gebrauchsspuren sind vorhanden, nix wildes. Der Messerfreund, der an mich gedacht und das Messer an mich weitergegeben hat, ist ein unbestrittener Fachmann in Sachen Kochmesser und auch Steine/Schärfen und dem entsprechend bombastisch scharf ist das Messer auch bei mir angekommen.
Mein übliches Schärfe und Geometrie-Testprozedere:
Ist der Schnitt glatt, das Deckblatt trotz wenig Elastizität unbeschädigt und kaum Tabakbrösel, dann passt das!
Was kann es nicht? Es gibt bei so fein gepließteten Flanken und diesem Schliff natürlich und naturgemäß keinen FR. Wirklich keinen der diese Bezeichnung verdient. Das klebt, schiebt sich hoch, fällt irgendwann ab, schiebt sich weiter, fällt über den Rücken, saugt sich fest usw. Pließten dient ja dazu, die Oberflächen der Flanken glatt und geschlossen zu bekommen, damit sich z.B. Rost nicht so schnell festsetzen kann, wie an groben und/oder zerklüfteten Oberflächen. Glatte Flächen lassen sich dafür leichter rückstandsfrei reinigen und trocknen. Es ist ein wirksamer, aber aufwendiger Oberflächenschutz, der edel aussieht und im Aussterben begriffen ist. FR ist ein Merkmal das man erst wahrnehmen muss, erleben muss, um es als eigenständige, mitunter spezielle Eigenschaft benennen und erkennen zu können. Damals war FR noch nicht als eigenständige „Funktion“ benannt, obwohl mitunter vorhanden und ohne Bedeutung. Der Schliff ist schon konvex, aber nur dezent im hinteren Abschnitt der Klinge und nicht drastisch. Was unter diesen Gegebenheiten überhaupt an FR möglich ist, läuft nur über die Schnitttechnik. Die Klinge beim Schneiden etwas nach rechts geneigt ( für Rechtshänder ) hindert so manches Schnittgut über den Rücken zu klettern/fallen. Im Schubschnitt wirkt auch der moderate Taper und treibt das Schnittgut zumindest im hinteren Teil der Klinge etwas von den Flanken weg. Wunder darf man allerdings nicht erwarten, wenn man Doppel-HK/Hook oder eine wirklich ballige „Mehrzonenklinge“ mit fettem Taper einmal ausprobiert hat.
Jetzt könnte ich bezogen auf den Schliff und den damaligen Preis sagen, dass früher alles besser war, was aber wie so oft nur die halbe Wahrheit ist. Was Herder betrifft, so bin ich nach wie vor geteilter Meinung wenn nicht ratlos, wenn es um eine Empfehlung geht. Zu breit ist die Streuung der Qualität von Schliff und Finish in Anbetracht des aufgerufenen Preises. Das Kundenservice wurde leider auch insofern geschmälert, als das Herder keine Reparaturen mehr annimmt und diese Leistung an Dritte ausgelagert hat. Ferner wurde das Portfolio an Kochmessern immer weiter ausgedünnt, viele Serien und Griffhölzer gibt es nicht mehr im Angebot. Es muss dabei aber immer berücksichtigt werden, das nur der Messer-Nerd in seiner winzig Blase darüber diskutiert und seine Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation zum Ausdruck bringt. Normale Kunden, also die breite Masse halten hingegen den Betrieb am Leben, nicht wir, die wir perfekt versäuberte Griffe und famos geschliffene Klingen zu moderaten Preisen einfordern…….
Fazit:
Dieses Herder schneidet klar leichter als jeder Western-Serienjapaner der noch kein Tuning bekommen hat und hat ( hatte? ) deshalb zu Recht seine Fangemeinde. Gegen die Fortschritte im Messerbau, die Doppel-HK, Hooks, Abrisskanten, Abscherkanten und gefräste HK/Flanken hervorgebracht haben, ist dieses Stück aus goldenen Solinger Zeiten natürlich ohne die geringste Chance. Die fein gepließtete Klinge klebt halt ordentlich und saugt verschiedenes Schnittgut förmlich an, das einem aber nur missfällt, wenn man weiß das es auch ganz anders funktionieren kann.
Es ist einfach ein Stück deutsche Messergeschichte und so nicht mehr zu bekommen. Sollte jemals ein Schleifer/Pließter bei Herder auf dem Niveau von Wilfried Fehrekampf angekommen sein, werden wir es hoffentlich erfahren. Man glaubt es kaum, aber nach 10 Jahren Herder bin ich weitgehend ( ja, der Griff
) befriedet und besitze jetzt nach langer Suche „den berühmten deutschen Laser“
Gruß, güNef
dies ist weder ein Vorstellung noch ein Bericht über ein Herder 1922, da gibt es ohnehin genug an Informationen. Es ist meine Herder 1922 Geschichte.
Nach bisher drei Versuchen an einem Herder Kochmesser aus der Reihe 1922 gefallen zu finden ( ich habe alle wieder verkauft ) bin ich jetzt nach vielen Jahren durch glückliche Umstände und zutun anderer endlich an eines jener 1922er gekommen, die den Mythos des „deutschen Lasers“ bemüht haben. All jene 1922er die ich selbst hatte und solche die ich testen durfte waren leider alle nach der Ära von Wilfried Fehrekampf (* 27.11.1936 - † 16.05.2011) 50 Jahre Schleifer und Pließter bei der Windmühle, also nach 2011 beschliffen und gepließtet worden. Daher konnte ich nie in den Tenor jener Herder-User einstimmen, die diese deutsche Manufaktur auf den Thron der Solinger Messerfertigung gehoben und hier im Forum geschrieben haben. Endlich wurde ich eines Besseren belehrt und habe jetzt Klarheit in der Sache gewonnen und kann und werde es gerne erklären.
Mein erstes Herder 1922er habe ich um 105,- Euro um 2015 herum gekauft, also vor ca. 10 Jahren. Klar war das Messer dünner geschliffen als alles andere was man an deutschen Kochmessern so bekommen konnte, aber so richtig ausgelenkt nach leichtem Druck, hat die Schneide nicht. Der Griff war mangelhaft „versäubert“ um im Herderschen Jargon der Griffbearbeitung zu bleiben. Bei der Griffmontage, dem sog. „Reiden“, verbindet man ja die Klingen mit den Holzgriffen. Jeder Stift und jeder Niet sollte perfekt sitzen, damit später nichts wackelt oder sich löst. Da Holz ein natürliches Material ist, muss der Fachmann für diese Arbeit, der sog. „Reider“, jede Besonderheit des zu verarbeitenden Holzes wie beispielsweise Feuchtigkeit oder Maserrichtung genauestens beobachten. Beim „Ausmachen“ werden die Herder Messer versäubert und poliert und erhalten somit ihren letzten Schliff. Der Griff muss am Ende schließlich kantenfrei sein und vor allem perfekt in der Hand liegen. So erzählt es die Tradition, allerdings hat es mit den Passungen und der Spaltbildung oft nicht geklappt und Kitt musste herhalten um Spalten und Fehlstellen auszufüllen. Berücksichtigen muss man natürlich das nur mit Öl behandelte und nicht stabilisierte Holz, das je nach Trockenheit oder Feuchtigkeit schrumpft oder quillt. Auch war unter Herder-Kennern Kirschholz dahingehend verschrien sich besonders schwer bändigen zu lassen. So war es immer und so ist es bis heute geblieben. Daher, wenn ein Herder, dann am besten selbst aussuchen oder von einem Händler seines Vertrauens „handverlesen“ lassen, sofern einem die aufgerufenen Preise nicht abschrecken.
Spalten und viel Kitt zeigten bei meinen Exemplaren die oft lieblose Bearbeitung, wohl dem Zeitdruck geschuldet. Das zweite 1922er hatte ich mir ertauscht, aber nach eingehender Betrachtung und Verwendung doch wieder abgegeben, auch hier war ich nicht überzeugt. Ich habe aber nicht aufgegeben und es wieder, aber dieses Mal mit einem 1922er Office probiert ( damals von R’nR‘ nahezu überschwänglich gelobt ) und siehe da, das Teil war dann aber mal wirklich hauchdünn an der Schneide und top versäubert ( Griff aus Nuss, keine Spalten, kein Überstand, kein Kitt ) Ok, sie können es doch, zumindest bei kleineren Klingen, so dachte ich. Das dritte 1922er Kochmesser war dann endlich ein handverlesenes mit einem wirklich ordentlich versäuberten Griff aus Nuss und einer 230er Klinge, die zumindest bei konsequentem Druck ausgelenkt hat. Das hatte ich dann länger als die beiden anderen, aber der nicht vorhandene FR hat mich dann doch zu sehr gestört ( ich war gerade am FR-Trip ) und der Schnitt war zwar einigermaßen leicht, konnte aber mit keinem guten Japaner ernsthaft mithalten.
Dazwischen habe ich mal ein stark gebrauchtes 1922er Tranchelard um kleines Geld gekauft, mit man verzeihe mir den Ausdruck, erbärmlich dicker Schneide, was meine Meinung über diese 1922er Reihe nun endgültig zementiert hat. Uwe Mattern hat mir die schmale Klinge dann tüchtig ausgedünnt und seit dieser Zeit ist es bei mir. Alle diese Herder hatten eines gemein, sie waren aus C-Stahl (1.2003 75Cr1 ), sehr reaktiv und mit einer ausblühenden Patina.
Dann war jahrelang nix, Funkstille zwischen mir und Herder. Wenn das Thema im Forum mal wieder zur Sprache kam, waren meine Beiträge geprägt von meinen Enttäuschungen immer kritisch zu lesen. So mancher Strauß mit „Herderfreunden“ wurde ausgefochten. Im Dezember der Vorjahres wurde dann in einem anderen Forum, eher unauffällig und nicht plakativ eine riesige Herdersammlung aus Altbeständen aufgelöst. Meine Versuche, da an einige der alten Stücke die noch durch die „goldenen“ Hände von Wilfried Fehrekampf gegangen sind, zu kommen, war nicht von Erfolg gekrönt. Der Verkäufer wollte sich keine Umstände machen und ich musste das akzeptieren. Über einen kleinen Umweg bin ich dann doch an ein Pärchen 1922er gekommen, ein 210er Kochmesser und ein Office dazu. Beide dieses mal aus rostträgem Stahl, was mich sehr freut, da unkompliziert in der Handhabung und traumhaft mit einem guten Mikrofeinzug bei Laune zu halten.
Die Griffe sind bei beiden Messer aus Kirsche. Das Office ist noch das „alte“ Griffdesign, also vor 2010, danach wurde das Griffdesign mehr an das der großen Kochmesser angeglichen. Das große 1922er Kochmesser, noch ein 210er mit altem, französischem Profil, wohl so aus Mitte bis Ende der Nullerjahre, oder noch früher. Mitte/Ende der Nullerjahre lies Herder die rostträgen 1922er auslaufen, die Produktion wurde schleichend eingestellt und nur noch welche mit C-Stahl hergestellt. Das Profil wurde auf ein „deutsches Kochmesserprofil“ umgestellt, also runder, ohne flache Passagen und die Größen sind jetzt 180er und 230er Klingen. Bis heute. Beide haben noch einen „Schmalkropf“ der diese Bezeichnung auch verdient. Es gibt zwar Exemplare da ist der Kropf/Bart noch schmaler getrieben worden, wer aber die Bilder vergleicht, wird sehen was ich meine.
Hier ein Schmalkropfvergleich:
Hier mein Altes mit einem wirklich gut versäuberten Nuss-Griff:
Nun, dieses Mal ist alles anders als bisher. Der Klingenspiegel ist feinst gepließtet, der Schliff famos. Dieses Mal lenkt die Schneide bei leichtem Druck willig aus, was für ein deutscher Laser vor dem Herrn. Der Bart/Kropf ist zart rückgesetzt und schlägt nicht auf, die Klinge ohne Verzug und vorne zwiebeldünn ausgeschliffen. Profil läuft……und kaum eine Schneidfase zu erkennen.
Der Griff ist zwar ohne Spalten, aber nicht ohne Kitt, vor allem an der Unterseite der Bart/Kropfpassung unschön eingepasst, also nicht der ansehnlichste den ich bisher hatte, aber optisch muss ich das so akzeptieren, auch weil es keine Alternative dazu gibt, haptisch ist das Holz aber eine feine Sache. Was das Griff-Finish im Sinne einer sauberen Passung betrifft, tja eben Herder, ob aktuell oder alt, mal ist es sehr gut, mal ist es noch tolerierbar und mal ist es nix und zu reklamieren. Aus meiner Sicht die größte Schwäche des Herstellers.
Herausragend aber ist der Fehrekampf-Schliff zu benennen, so muss ein Herder sein, das wird beworben und das will man haben. Leichte Gebrauchsspuren sind vorhanden, nix wildes. Der Messerfreund, der an mich gedacht und das Messer an mich weitergegeben hat, ist ein unbestrittener Fachmann in Sachen Kochmesser und auch Steine/Schärfen und dem entsprechend bombastisch scharf ist das Messer auch bei mir angekommen.
Mein übliches Schärfe und Geometrie-Testprozedere:
Was kann es nicht? Es gibt bei so fein gepließteten Flanken und diesem Schliff natürlich und naturgemäß keinen FR. Wirklich keinen der diese Bezeichnung verdient. Das klebt, schiebt sich hoch, fällt irgendwann ab, schiebt sich weiter, fällt über den Rücken, saugt sich fest usw. Pließten dient ja dazu, die Oberflächen der Flanken glatt und geschlossen zu bekommen, damit sich z.B. Rost nicht so schnell festsetzen kann, wie an groben und/oder zerklüfteten Oberflächen. Glatte Flächen lassen sich dafür leichter rückstandsfrei reinigen und trocknen. Es ist ein wirksamer, aber aufwendiger Oberflächenschutz, der edel aussieht und im Aussterben begriffen ist. FR ist ein Merkmal das man erst wahrnehmen muss, erleben muss, um es als eigenständige, mitunter spezielle Eigenschaft benennen und erkennen zu können. Damals war FR noch nicht als eigenständige „Funktion“ benannt, obwohl mitunter vorhanden und ohne Bedeutung. Der Schliff ist schon konvex, aber nur dezent im hinteren Abschnitt der Klinge und nicht drastisch. Was unter diesen Gegebenheiten überhaupt an FR möglich ist, läuft nur über die Schnitttechnik. Die Klinge beim Schneiden etwas nach rechts geneigt ( für Rechtshänder ) hindert so manches Schnittgut über den Rücken zu klettern/fallen. Im Schubschnitt wirkt auch der moderate Taper und treibt das Schnittgut zumindest im hinteren Teil der Klinge etwas von den Flanken weg. Wunder darf man allerdings nicht erwarten, wenn man Doppel-HK/Hook oder eine wirklich ballige „Mehrzonenklinge“ mit fettem Taper einmal ausprobiert hat.
Jetzt könnte ich bezogen auf den Schliff und den damaligen Preis sagen, dass früher alles besser war, was aber wie so oft nur die halbe Wahrheit ist. Was Herder betrifft, so bin ich nach wie vor geteilter Meinung wenn nicht ratlos, wenn es um eine Empfehlung geht. Zu breit ist die Streuung der Qualität von Schliff und Finish in Anbetracht des aufgerufenen Preises. Das Kundenservice wurde leider auch insofern geschmälert, als das Herder keine Reparaturen mehr annimmt und diese Leistung an Dritte ausgelagert hat. Ferner wurde das Portfolio an Kochmessern immer weiter ausgedünnt, viele Serien und Griffhölzer gibt es nicht mehr im Angebot. Es muss dabei aber immer berücksichtigt werden, das nur der Messer-Nerd in seiner winzig Blase darüber diskutiert und seine Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation zum Ausdruck bringt. Normale Kunden, also die breite Masse halten hingegen den Betrieb am Leben, nicht wir, die wir perfekt versäuberte Griffe und famos geschliffene Klingen zu moderaten Preisen einfordern…….
Fazit:
Dieses Herder schneidet klar leichter als jeder Western-Serienjapaner der noch kein Tuning bekommen hat und hat ( hatte? ) deshalb zu Recht seine Fangemeinde. Gegen die Fortschritte im Messerbau, die Doppel-HK, Hooks, Abrisskanten, Abscherkanten und gefräste HK/Flanken hervorgebracht haben, ist dieses Stück aus goldenen Solinger Zeiten natürlich ohne die geringste Chance. Die fein gepließtete Klinge klebt halt ordentlich und saugt verschiedenes Schnittgut förmlich an, das einem aber nur missfällt, wenn man weiß das es auch ganz anders funktionieren kann.
Es ist einfach ein Stück deutsche Messergeschichte und so nicht mehr zu bekommen. Sollte jemals ein Schleifer/Pließter bei Herder auf dem Niveau von Wilfried Fehrekampf angekommen sein, werden wir es hoffentlich erfahren. Man glaubt es kaum, aber nach 10 Jahren Herder bin ich weitgehend ( ja, der Griff
Gruß, güNef