güNef
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Servus,
Vorwort…..
Ich bin durch private Käufe, Passarounds, Leihmesser und Forentreffen so ziemlich aktuell am Stand der Dinge, was den globalen Markt an Kochmessern betrifft, wobei die Orientierung schon deutlich zu Manufakturmesser, kleinen Schmieden und Custom_Makern tendiert. Am Fließband produzierte Serienmesser interessieren mich nicht mehr ernsthaft.
Ich lege extremen Wert auf ein hochwertiges Finish und makellose sowie mangelfreie Fertigungsqualität. Mit sorglosem Finish und sichtbaren Überbleibsel von Bearbeitungspuren habe ich wenig Freude und wenn ich mal Lust auf ein wirklich rustikales Messer habe, dann möchte ich mir ein solches auswählen und nicht einfach damit beglückt werden.
Ein cleanes Finish ist gut und schön, kann aber auch mal daneben gehen. Aus meiner Sicht ist die hohe Kunst im Messerbau, einer Klinge aus dem Feuer Teile ihrer Schmiedespuren zu belassen und Naturmaterialien wie Holz und Horn nicht ihre Ursprünglichkeit zu nehmen, aber im Zusammenschluss der Einzelteile eines Messers höchste Genauigkeit walten zu lassen.
Solche Anforderungen erfüllen Messer aus der Moosschmiede. Ich konnte mir vor meinem Kauf, bei einem Forumstreffen ein Bild davon machen und wusste ab diesem Zeitpunkt, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis ein für mich passendes Messer die Moosschmiede verlässt und ich meinen treuen Goldtopf bemühen muss…
Vor einigen Tagen war es dann soweit…..
Vorstellung: Moosschmiede Gyuto 210mm……
Beschreibung und Herstellung…..
Die Klinge ist aus 80CrV2/1.2235 geschmiedet und von der Spitze bis zur Zwinge 215mm lang und 47mm hoch, davon 205mm scharf. Der Rücken misst am metallbunt angelassenen Erl 2,7mm, in der Mitte 2,11mm und 5mm vor der Spitze 0,28mm!!! Aufgrund der Rückenstärke von rund 3mm ist es keine klassische Lasergeometrie im herkömmlichen Sinn. Hier liegt eher eine latente WH-Geometrie vor, wenn gleich der Verlauf an die Länge angepasst und der schnittgutauftreibende Teil der Klinge leicht unterdimensioniert ist, so dass sich eine dennoch ein merkbare Schnittgutfreisetzung ergibt, ohne übertrieben bremsende Keilwirkung im Bereich des Kehl’s, man sieht das auch am Kehlbild. Das ist ein sehr subtiler Bereich einer Klingengeometrie, der viel Fingerspitzengefühl vom Schmied/Macher erfordert. Ist die Stelle zu dick oder zu konvex, dann spaltet das nur mit viel Druck und schneidet schwer, ist sie zu dünn, dann gibt es keine oder nur mangelhafte Schnittgutfreisetzung und die angepeilte Wirkung bleibt aus. Der Anschliff selbst ist aber durchaus auf den feinen Schnitt getrimmt. Am Kehl noch spürbar konvex, wird die Geometrie zur Spitze hin immer behutsam flacher und endet in einem fast rasierklingendünnen Spitzenbereich der einer kundigen Hand bedarf. Ein Florett ist kein Schwert! Die Schneide ist sehr dünn ausgeschliffen und buckelt über die ganze Länge. Die Sekundärfase ist nur 1/10mm breit und mit Naturstein 8k abgeschlossen. Rücken und Kehl sind verrundet. Der optisch ansprechende Zunder ergibt einen attraktiven Kontrast zu den längssatinierten Flanken. Der tiefschwarz-glänzende Griff aus Grenadill mit einer aufgesetzten Zwinge aus Bronze komplettiert diesen Crossover aus rustikal und elegant! Die Messwerte genau über der 1/10mm breiten Facette betragen am Kehl 0,16mm, in der Klingenmitte 0,15mm und 5mm vor der Spitze 0,15mm. Genau 10mm über der Schneidenspitze manifestiert sich die beschriebene Geometrie als ein in Zahlen gegossener Schliff: 10mm vor der Spitze 0,84mm, damit wird ein leichter Schnitt eröffnet, in der Mitte 1,35mm, hier wird der „food release“ eingeleitet und am Kehl 1,58mm, das treibt auf und setzt frei! So funktioniert Geometrie an einem Kochmesser! Keine Low-oder Highspots zu sehen oder zu spüren. An einem knackigen Apfel als Testobjekt spielt die Geometrie ihr Klasse aus. Die feine Spitze lässt sich beim Schälen exakt unter der Schale führen und beim Vierteln treibt im Schubschnitt das hintere Klingendrittel den Abschnitt mit Wucht weg vom Kerngehäuse.
Moosschmiede und Yusuke zum Vergleich.....
Der Griff samt Zwinge misst 125mm. Der Griff verjüngt sich leicht von hinten nach vorne. Das Holz steht etwas über, um einem möglichen schrumpfen vorzubeugen. Durch die Dübelkonstruktion und die eingesetzten M3 Madenschrauben hält alles bombenfest. Mechanisch wie auch handwerklich ist das souverän gelöst und umgesetzt. Vorne hat das Holz eine helle Stelle und einen kleinen Riss, der aber nur oberflächlich ist und gut mit Tru Oil versiegelt wurde. Diese "Fehlstellen" hätte man auch wegschneiden können, da der Holzkantel ausreichend lang war. Ziel war es aber, diese Unvollkommenheiten der Natur stehen zu lassen und sie sogar bewusst auf der Schokoladenseite des Messers zu platzieren. Das gibt dem Ganzen einen besonderen Charakter. Die Zwinge hat eine 45° Fase und ist von Hand gefeilt und satiniert. Das Messer wiegt 175g und der Schwerpunkt liegt genau am Anfang der Schneide/Kehl. Das gesamte Messer ist von einem Mann von Hand „old school“ geschmiedet, gefeilt, gebohrt, gesägt und geschliffen worden.
Um diese Präzision beim Zusammenbau von Griff-Zwinge-Klinge zu erreichen, wurden Bohrhilfen und Lehren angefertigt. Die Passungen und Details werden einem Uhrmacher gerecht. Jeder der eine Ahnung von Kochmesser hat, weiß um die Schwächen im Detail viele Messer aus Japan und auch aus anderen Herren Länder. Dieses Messer spielt in seiner eigenen Liga der Genauigkeit! Die Klinge ist zu 100% zentrisch eingepasst, es gibt keinerlei Spalten, jedes Detail, wie das abgesetzte Holz, der Riss, die Zunderoberfläche, die klar definierten Griffkanten, der völlig symmetrisch geschliffene Griff, dass ist alles so gewollt und nichts ist zufällig oder einer Sorglosigkeit geschuldet, wie es eben japanische Schmiede gerne machen und uns Europäern rudimentäre Verarbeitung als Wabi-Sabi-Philosophie verkaufen! Das ein rustikales Äusseres nichts mit schlampiger Verarbeitung zu tun hat, wird hier auf anschauliche Weise demonstriert! Meinen Hang zu perfekt verarbeiteten Messern möchte ich an dieser Stelle nicht verhehlen!
Hier ein paar Bilder zur Entstehung…..
Die Klinge wurde fast auf Endmaß ausgeschmiedet…..
Eine selbstgebaute Bohrführung als kleines Hilfsmittel um die Bohrungen in den Griff so exakt wie möglich zu setzten. Stirnseitig verläuft der 3,2mm Bohrer sehr gerne. Das ist durch die Führung behoben und ausgeschlossen, außerdem ist eine tatsächliche Reproduzierbarkeit erst durch diese Massnahme gegeben…..
Das Ausgangsmaterial für die Zwinge ist ein Stück 8mm starke Bronze das mit einer Fräse zugerichtet wurde. Nach der groben und der feinen Feile folgt die feine Schlüsselfeile. Diese hinterlässt schon eine sehr feine Oberfläche und hat den Vorteil gegenüber Schleifpapier, dass die Kanten scharf abgegrenzt bleiben und nicht „vernudeln“. Die Zwinge ist fertiggestellt und alles von Hand bis P800 satiniert…..
Alle Einzelteile sind fertig und warten auf den Zusammenbau…..
Ich denke, dieser kleine Exkurs in Messerbau zeigt den Weg, den -Christian Donnerbauer- von der Moosschmiede eingeschlagen hat, hier wird nichts dem Zufall überlassen und die Detailverliebtheit beginnt in der Werkstatt und endet am fertigen Messer!
Geometrie, Stahl, Schliff und Schneidfacette…..
Die Klinge beginnt am Kehl mit einem angesetzt-konvexen Schliff und
marschiert mit einem spürbaren „distal taper, einer Geometrie/einem Schliff der sich progressiv stark in Richtung Spitze verjüngt, um in einer feinsten Spitze auszulaufen. Die Messwerte direkt über der Wate sind immer unter 0,20mm, zur Spitze hin wird das noch dünner. Der Effekt einer sich von konvex auf immer flacher wandelten Geometrie zeigt sich am schönsten in einem wiegenden Schubschnitt. Das Profil kommt dieser Schnitttechnik auch noch entgegen. Die Spitze schneidet durch den Dünnschliff leicht ein und gleitet durch Schub leicht nach vorne, dann übernimmt ab der Klingenmitte der beginnend sich ausformend-konvexe Schliff und treibt hartes Schnittgut auf, so das es sich von der rechten Flanke förmlich wegbiegt und sich so von der Klinge ablöst. Die Geometrie/das Profil ist also bis auf Choppen für alles gut geeignet, dass muss man vor einem Kauf wissen und abschätzen können. Trotzdem erlaubt das Profil durch einen kurzen, aber prägnanten „flatspot“ auch diese Schnitttechnik, nur braucht’s dazu mehr „Power“ als bei einer dazu prädestinierten Geometrie. Kein Overgrind, keine „verwellte“ Schneidenspitze. Eine Klingengeometrie die allen Schnitttechniken gleichermassen entgegenkommt und an der nicht deutlich Schnittgut kleben bleibt, gibt es nicht!
Die Klinge hat einen minimalen Verzug von vielleicht einem Millimeter und ist ansonsten perfekt zentriert.....
Der Stahl….
ist 80CrV2/1.2235: C:0,8 Cr:0,5 Si:0,3 Mn:0,5 V:0,15%
1.2235 ist ein Werkzeugstahl mit rund 0,8% Kohlenstoff und einem kleinen Spritzer Chrom und Vanadium. Er ist etwas härter und schnitthaltiger als C75 und etwas robuster als 1.2842, 105W1 oder 1.3505. Ein toller Stahl für Küchenmesser, aber auch für robuste Haumesser. Mein persönlicher Favorit für Outdoor_Messer die etwas mehr aushalten müssen aber trotzdem schneidfreudig sind. Der Stahl kann extrem scharf geschliffen werden, weist eine gute Schnitthaltigkeit auf und ist dabei leicht nachzuschärfen. Durch den geringen Chromanteil ist er nicht rostträge.
Roman Landes trägt folgende Einschätzung zu 1.2235 vor:
„Der Charakter des Stahles ist maximale Härte bei maximaler Zähigkeit weil er wenn überhaupt nur ganz feine Karbide hat. Er lässt sich daher sehr fein ausschleifen siehe Herder und ganz leicht schärfen. Richtig behandelt (WB, Geometrie) sollte er ein wirklich gutes Messer geben, das viel kann aber auch abkann.“
U.Gerfin:
„1.2235 ist wie jeder leicht legierte eutektoidische Stahl für Messer mit feinen und stabilen Schneiden bestens geeignet.“
Ich könnte jetzt noch zig internationale Meinungen von Stahlexperten anführen, die diesen Stahl für den vorgesehenen Einsatzzweck als exzellent befinden. Da ich einige Messer aus 80CrV2 als „für draußen“ verwende, ist mir der Stahl und seine Leistung gut bekannt! Die Zähigkeit und Ausbruchsresistenz selbst bei feinen Schneiden, wenn der Schleifwinkel sinnvoll gewählt wird, ist nahezu ideal, für eine Schneide die 1000fach teils harten Brettkontakt standhalten sollte, ohne das die Schneidenspitze frühzeitig kollabiert!
Hier einmal Outdoor „extrem“ und einmal die feine Klinge für die Küche, aber beide aus dem gleichen 80CrV2/1.2235 Stahl
Die Schneidfacette/Schneidenspitze…..
ist wie wir alle Wissen, eine Momentaufnahme. Sie ist aber auch die tatsächliche und alles entscheidende „Schnittstelle“ zwischen Messer und Schnittgut. So wird aus diesem Grund mancher „Fehlstellen“ an der Schneide locker bewerten, sie können ja ausgeschliffen werden, oder man kann sich, so wie ich, über einen schlampigen Schliff ärgern und will gar nicht recht einsehen, warum man ein teures und neues Messer vor ersten Nutzung Umschleifen muss, weil die Schneide z.B. verschiedene Winkel aufweist oder grob schartig belassen wurde.
Zum Glück brauchen wir diese Diskussionen hier nicht zu führen, da Christian Donnerbauer schleifen und schärfen kann. Der Auslieferungsschliff ist für eine von Hand geschliffene Klinge als sensationell präzise zu bezeichnen. Ich habe die letzten Monate wahrlich viele Schneiden unter dem Lichtmikroskop begutachtet und da waren wirklich viele mies geschliffene dabei, auch von Herstellern von denen man es nicht erwartet hätte. Das es anders geht, und zwar richtig, sorgfältig und exakt, zeigt der Mann aus der Moosschmiede.
Hier die gesamte Schneide in 200facher Vergrößerung im Auslieferungszustand…..
Selbst der übliche Winkelfehler der sich in einer veränderten Fasenbreite zeigt ist extrem gering.....
Die Bilder sprechen für sich und dabei belasse ich es auch…..
Die Schneidefase/Schneidenspitze nach ca. 25 Mahlzeiten und hunderten von Brettkontakten.....
Es zeigen sich ganz zart Blessuren an der Schneidenspitze.
Ich führ das auf einen etwas zu spitzen Winkel zurück und habe nach einer guten Woche Originalschliff eine 36° Mikrofase angeschliffen. Ich denke das wird die Schneidkantenstabilität nochmal pushen!
Reaktivität und Patina…..
erwähne eigentlich ich nur, damit ich auch mal was negatives schreiben kann! Wenn man die Nase an der Stahl hält, nimmt man nach säurearmen Gemüsen den gewohnten C-Stahl Geruch war, vom Brett nach oben stinkt das erst bei Südfrüchten ( Hawaii-Ananas als Hardcore-Test für die Reaktivität von C-Stählen ) so richtig, ähnlich wie Eisenlagen japanischer Messer. Trotzdem kein sofortiges abfärben an Zwiebel und keine Geschmacksbeeinträchtigung beim Vorbereiten von Haushaltsmengen für vier Köpfe, sofern sie frisch verarbeitet und nicht geschnitten länger aufgehoben werden, wie z.B. Fruchtsalat für den nächsten Tag und auch bei großen Mengen würde ich nicht darauf wetten, dass alles frisch aussieht und neutral schmeckt!
Patina bildet sich je nach Säure entweder langsam aus, ähnlich Shirogami oder blüht gleich richtig aus. Wer diesen Stahl auswählt, muss mit den Begleiterscheinungen leben. Oder eine Patina erzwingen!
Der Griff…
ist perfekt symmetrisch geschliffen und hat eine eigenwillige Form, die keiner der vier japanische Wa-Grundformen entspricht, aber auch keiner üblichen westlichen Griffgestaltung. Die Grundform entspricht/assoziiere ich mit einem klassischen Wappen und es gibt drei klar definierte, aber ( mir ) nicht unangenehme Kanten. Diese eigenwillige Form liegt erstaunlich gut in der Hand und Volumen und Proportion passen für meine Hände mehr als zufriedenstellend. Anmerken möchte ich nur, dass die Beurteilung eines Messergriffes eine sehr persönliche Sache ist und ganz bestimmt nicht auf jedermann übertragbar!
Fazit…..
Die „Moosschmiede“ ist ein Hobbyprojekt. Ein ambitioniertes zwar, bleibt aber eine ausgleichende Beschäftigung, die den Kopf frei und Spaß machen soll. Deshalb gibt es auch keine Auftragsarbeiten sondern nur ab und an, ein fertiges Messer in seinem Shop zu finden. Da Christian in einschlägigen Foren mit gleichgesinnten regen Austausch und Fortbildung betreibt und seine Fortschritte auch in bilderreichen WIP’s zeigt, sind die so entstehenden Messer als „work in progress“ zu sehen und deshalb findet sich oft ein Interessent noch vor Fertigstellung. Wenn jemand ein Spitzenmesser abseits vom Mainstream haben möchte, dass extrem genau und mit viel Leidenschaft gefertigt wurde, der sollte sich mit den Unikaten aus der Moosschmiede näher befassen. Noch sind seine Messer bezahlbar, aber auch Jannis Scholz aka Xerxes-Knives hat mal klein, aber mit viel Sorgfalt und Können begonnen und ist heute einer der Allerbesten mit geschlossenen Auftragsbüchern.
Ich geh jetzt kochen……..ach, ja, danke für’s durchhalten und lesen, war ja nicht wenig.....
Gruß, güNef
Vorwort…..
Ich bin durch private Käufe, Passarounds, Leihmesser und Forentreffen so ziemlich aktuell am Stand der Dinge, was den globalen Markt an Kochmessern betrifft, wobei die Orientierung schon deutlich zu Manufakturmesser, kleinen Schmieden und Custom_Makern tendiert. Am Fließband produzierte Serienmesser interessieren mich nicht mehr ernsthaft.
Ich lege extremen Wert auf ein hochwertiges Finish und makellose sowie mangelfreie Fertigungsqualität. Mit sorglosem Finish und sichtbaren Überbleibsel von Bearbeitungspuren habe ich wenig Freude und wenn ich mal Lust auf ein wirklich rustikales Messer habe, dann möchte ich mir ein solches auswählen und nicht einfach damit beglückt werden.
Ein cleanes Finish ist gut und schön, kann aber auch mal daneben gehen. Aus meiner Sicht ist die hohe Kunst im Messerbau, einer Klinge aus dem Feuer Teile ihrer Schmiedespuren zu belassen und Naturmaterialien wie Holz und Horn nicht ihre Ursprünglichkeit zu nehmen, aber im Zusammenschluss der Einzelteile eines Messers höchste Genauigkeit walten zu lassen.
Solche Anforderungen erfüllen Messer aus der Moosschmiede. Ich konnte mir vor meinem Kauf, bei einem Forumstreffen ein Bild davon machen und wusste ab diesem Zeitpunkt, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis ein für mich passendes Messer die Moosschmiede verlässt und ich meinen treuen Goldtopf bemühen muss…
Vor einigen Tagen war es dann soweit…..
Vorstellung: Moosschmiede Gyuto 210mm……
Beschreibung und Herstellung…..
Die Klinge ist aus 80CrV2/1.2235 geschmiedet und von der Spitze bis zur Zwinge 215mm lang und 47mm hoch, davon 205mm scharf. Der Rücken misst am metallbunt angelassenen Erl 2,7mm, in der Mitte 2,11mm und 5mm vor der Spitze 0,28mm!!! Aufgrund der Rückenstärke von rund 3mm ist es keine klassische Lasergeometrie im herkömmlichen Sinn. Hier liegt eher eine latente WH-Geometrie vor, wenn gleich der Verlauf an die Länge angepasst und der schnittgutauftreibende Teil der Klinge leicht unterdimensioniert ist, so dass sich eine dennoch ein merkbare Schnittgutfreisetzung ergibt, ohne übertrieben bremsende Keilwirkung im Bereich des Kehl’s, man sieht das auch am Kehlbild. Das ist ein sehr subtiler Bereich einer Klingengeometrie, der viel Fingerspitzengefühl vom Schmied/Macher erfordert. Ist die Stelle zu dick oder zu konvex, dann spaltet das nur mit viel Druck und schneidet schwer, ist sie zu dünn, dann gibt es keine oder nur mangelhafte Schnittgutfreisetzung und die angepeilte Wirkung bleibt aus. Der Anschliff selbst ist aber durchaus auf den feinen Schnitt getrimmt. Am Kehl noch spürbar konvex, wird die Geometrie zur Spitze hin immer behutsam flacher und endet in einem fast rasierklingendünnen Spitzenbereich der einer kundigen Hand bedarf. Ein Florett ist kein Schwert! Die Schneide ist sehr dünn ausgeschliffen und buckelt über die ganze Länge. Die Sekundärfase ist nur 1/10mm breit und mit Naturstein 8k abgeschlossen. Rücken und Kehl sind verrundet. Der optisch ansprechende Zunder ergibt einen attraktiven Kontrast zu den längssatinierten Flanken. Der tiefschwarz-glänzende Griff aus Grenadill mit einer aufgesetzten Zwinge aus Bronze komplettiert diesen Crossover aus rustikal und elegant! Die Messwerte genau über der 1/10mm breiten Facette betragen am Kehl 0,16mm, in der Klingenmitte 0,15mm und 5mm vor der Spitze 0,15mm. Genau 10mm über der Schneidenspitze manifestiert sich die beschriebene Geometrie als ein in Zahlen gegossener Schliff: 10mm vor der Spitze 0,84mm, damit wird ein leichter Schnitt eröffnet, in der Mitte 1,35mm, hier wird der „food release“ eingeleitet und am Kehl 1,58mm, das treibt auf und setzt frei! So funktioniert Geometrie an einem Kochmesser! Keine Low-oder Highspots zu sehen oder zu spüren. An einem knackigen Apfel als Testobjekt spielt die Geometrie ihr Klasse aus. Die feine Spitze lässt sich beim Schälen exakt unter der Schale führen und beim Vierteln treibt im Schubschnitt das hintere Klingendrittel den Abschnitt mit Wucht weg vom Kerngehäuse.
Moosschmiede und Yusuke zum Vergleich.....
Der Griff samt Zwinge misst 125mm. Der Griff verjüngt sich leicht von hinten nach vorne. Das Holz steht etwas über, um einem möglichen schrumpfen vorzubeugen. Durch die Dübelkonstruktion und die eingesetzten M3 Madenschrauben hält alles bombenfest. Mechanisch wie auch handwerklich ist das souverän gelöst und umgesetzt. Vorne hat das Holz eine helle Stelle und einen kleinen Riss, der aber nur oberflächlich ist und gut mit Tru Oil versiegelt wurde. Diese "Fehlstellen" hätte man auch wegschneiden können, da der Holzkantel ausreichend lang war. Ziel war es aber, diese Unvollkommenheiten der Natur stehen zu lassen und sie sogar bewusst auf der Schokoladenseite des Messers zu platzieren. Das gibt dem Ganzen einen besonderen Charakter. Die Zwinge hat eine 45° Fase und ist von Hand gefeilt und satiniert. Das Messer wiegt 175g und der Schwerpunkt liegt genau am Anfang der Schneide/Kehl. Das gesamte Messer ist von einem Mann von Hand „old school“ geschmiedet, gefeilt, gebohrt, gesägt und geschliffen worden.
Um diese Präzision beim Zusammenbau von Griff-Zwinge-Klinge zu erreichen, wurden Bohrhilfen und Lehren angefertigt. Die Passungen und Details werden einem Uhrmacher gerecht. Jeder der eine Ahnung von Kochmesser hat, weiß um die Schwächen im Detail viele Messer aus Japan und auch aus anderen Herren Länder. Dieses Messer spielt in seiner eigenen Liga der Genauigkeit! Die Klinge ist zu 100% zentrisch eingepasst, es gibt keinerlei Spalten, jedes Detail, wie das abgesetzte Holz, der Riss, die Zunderoberfläche, die klar definierten Griffkanten, der völlig symmetrisch geschliffene Griff, dass ist alles so gewollt und nichts ist zufällig oder einer Sorglosigkeit geschuldet, wie es eben japanische Schmiede gerne machen und uns Europäern rudimentäre Verarbeitung als Wabi-Sabi-Philosophie verkaufen! Das ein rustikales Äusseres nichts mit schlampiger Verarbeitung zu tun hat, wird hier auf anschauliche Weise demonstriert! Meinen Hang zu perfekt verarbeiteten Messern möchte ich an dieser Stelle nicht verhehlen!
Hier ein paar Bilder zur Entstehung…..
Die Klinge wurde fast auf Endmaß ausgeschmiedet…..
Eine selbstgebaute Bohrführung als kleines Hilfsmittel um die Bohrungen in den Griff so exakt wie möglich zu setzten. Stirnseitig verläuft der 3,2mm Bohrer sehr gerne. Das ist durch die Führung behoben und ausgeschlossen, außerdem ist eine tatsächliche Reproduzierbarkeit erst durch diese Massnahme gegeben…..
Das Ausgangsmaterial für die Zwinge ist ein Stück 8mm starke Bronze das mit einer Fräse zugerichtet wurde. Nach der groben und der feinen Feile folgt die feine Schlüsselfeile. Diese hinterlässt schon eine sehr feine Oberfläche und hat den Vorteil gegenüber Schleifpapier, dass die Kanten scharf abgegrenzt bleiben und nicht „vernudeln“. Die Zwinge ist fertiggestellt und alles von Hand bis P800 satiniert…..
Alle Einzelteile sind fertig und warten auf den Zusammenbau…..
Ich denke, dieser kleine Exkurs in Messerbau zeigt den Weg, den -Christian Donnerbauer- von der Moosschmiede eingeschlagen hat, hier wird nichts dem Zufall überlassen und die Detailverliebtheit beginnt in der Werkstatt und endet am fertigen Messer!
Geometrie, Stahl, Schliff und Schneidfacette…..
Die Klinge beginnt am Kehl mit einem angesetzt-konvexen Schliff und
marschiert mit einem spürbaren „distal taper, einer Geometrie/einem Schliff der sich progressiv stark in Richtung Spitze verjüngt, um in einer feinsten Spitze auszulaufen. Die Messwerte direkt über der Wate sind immer unter 0,20mm, zur Spitze hin wird das noch dünner. Der Effekt einer sich von konvex auf immer flacher wandelten Geometrie zeigt sich am schönsten in einem wiegenden Schubschnitt. Das Profil kommt dieser Schnitttechnik auch noch entgegen. Die Spitze schneidet durch den Dünnschliff leicht ein und gleitet durch Schub leicht nach vorne, dann übernimmt ab der Klingenmitte der beginnend sich ausformend-konvexe Schliff und treibt hartes Schnittgut auf, so das es sich von der rechten Flanke förmlich wegbiegt und sich so von der Klinge ablöst. Die Geometrie/das Profil ist also bis auf Choppen für alles gut geeignet, dass muss man vor einem Kauf wissen und abschätzen können. Trotzdem erlaubt das Profil durch einen kurzen, aber prägnanten „flatspot“ auch diese Schnitttechnik, nur braucht’s dazu mehr „Power“ als bei einer dazu prädestinierten Geometrie. Kein Overgrind, keine „verwellte“ Schneidenspitze. Eine Klingengeometrie die allen Schnitttechniken gleichermassen entgegenkommt und an der nicht deutlich Schnittgut kleben bleibt, gibt es nicht!
Die Klinge hat einen minimalen Verzug von vielleicht einem Millimeter und ist ansonsten perfekt zentriert.....
Der Stahl….
ist 80CrV2/1.2235: C:0,8 Cr:0,5 Si:0,3 Mn:0,5 V:0,15%
1.2235 ist ein Werkzeugstahl mit rund 0,8% Kohlenstoff und einem kleinen Spritzer Chrom und Vanadium. Er ist etwas härter und schnitthaltiger als C75 und etwas robuster als 1.2842, 105W1 oder 1.3505. Ein toller Stahl für Küchenmesser, aber auch für robuste Haumesser. Mein persönlicher Favorit für Outdoor_Messer die etwas mehr aushalten müssen aber trotzdem schneidfreudig sind. Der Stahl kann extrem scharf geschliffen werden, weist eine gute Schnitthaltigkeit auf und ist dabei leicht nachzuschärfen. Durch den geringen Chromanteil ist er nicht rostträge.
Roman Landes trägt folgende Einschätzung zu 1.2235 vor:
„Der Charakter des Stahles ist maximale Härte bei maximaler Zähigkeit weil er wenn überhaupt nur ganz feine Karbide hat. Er lässt sich daher sehr fein ausschleifen siehe Herder und ganz leicht schärfen. Richtig behandelt (WB, Geometrie) sollte er ein wirklich gutes Messer geben, das viel kann aber auch abkann.“
U.Gerfin:
„1.2235 ist wie jeder leicht legierte eutektoidische Stahl für Messer mit feinen und stabilen Schneiden bestens geeignet.“
Ich könnte jetzt noch zig internationale Meinungen von Stahlexperten anführen, die diesen Stahl für den vorgesehenen Einsatzzweck als exzellent befinden. Da ich einige Messer aus 80CrV2 als „für draußen“ verwende, ist mir der Stahl und seine Leistung gut bekannt! Die Zähigkeit und Ausbruchsresistenz selbst bei feinen Schneiden, wenn der Schleifwinkel sinnvoll gewählt wird, ist nahezu ideal, für eine Schneide die 1000fach teils harten Brettkontakt standhalten sollte, ohne das die Schneidenspitze frühzeitig kollabiert!
Hier einmal Outdoor „extrem“ und einmal die feine Klinge für die Küche, aber beide aus dem gleichen 80CrV2/1.2235 Stahl
Die Schneidfacette/Schneidenspitze…..
ist wie wir alle Wissen, eine Momentaufnahme. Sie ist aber auch die tatsächliche und alles entscheidende „Schnittstelle“ zwischen Messer und Schnittgut. So wird aus diesem Grund mancher „Fehlstellen“ an der Schneide locker bewerten, sie können ja ausgeschliffen werden, oder man kann sich, so wie ich, über einen schlampigen Schliff ärgern und will gar nicht recht einsehen, warum man ein teures und neues Messer vor ersten Nutzung Umschleifen muss, weil die Schneide z.B. verschiedene Winkel aufweist oder grob schartig belassen wurde.
Zum Glück brauchen wir diese Diskussionen hier nicht zu führen, da Christian Donnerbauer schleifen und schärfen kann. Der Auslieferungsschliff ist für eine von Hand geschliffene Klinge als sensationell präzise zu bezeichnen. Ich habe die letzten Monate wahrlich viele Schneiden unter dem Lichtmikroskop begutachtet und da waren wirklich viele mies geschliffene dabei, auch von Herstellern von denen man es nicht erwartet hätte. Das es anders geht, und zwar richtig, sorgfältig und exakt, zeigt der Mann aus der Moosschmiede.
Hier die gesamte Schneide in 200facher Vergrößerung im Auslieferungszustand…..
Selbst der übliche Winkelfehler der sich in einer veränderten Fasenbreite zeigt ist extrem gering.....
Die Bilder sprechen für sich und dabei belasse ich es auch…..
Die Schneidefase/Schneidenspitze nach ca. 25 Mahlzeiten und hunderten von Brettkontakten.....
Es zeigen sich ganz zart Blessuren an der Schneidenspitze.
Ich führ das auf einen etwas zu spitzen Winkel zurück und habe nach einer guten Woche Originalschliff eine 36° Mikrofase angeschliffen. Ich denke das wird die Schneidkantenstabilität nochmal pushen!
Reaktivität und Patina…..
erwähne eigentlich ich nur, damit ich auch mal was negatives schreiben kann! Wenn man die Nase an der Stahl hält, nimmt man nach säurearmen Gemüsen den gewohnten C-Stahl Geruch war, vom Brett nach oben stinkt das erst bei Südfrüchten ( Hawaii-Ananas als Hardcore-Test für die Reaktivität von C-Stählen ) so richtig, ähnlich wie Eisenlagen japanischer Messer. Trotzdem kein sofortiges abfärben an Zwiebel und keine Geschmacksbeeinträchtigung beim Vorbereiten von Haushaltsmengen für vier Köpfe, sofern sie frisch verarbeitet und nicht geschnitten länger aufgehoben werden, wie z.B. Fruchtsalat für den nächsten Tag und auch bei großen Mengen würde ich nicht darauf wetten, dass alles frisch aussieht und neutral schmeckt!
Patina bildet sich je nach Säure entweder langsam aus, ähnlich Shirogami oder blüht gleich richtig aus. Wer diesen Stahl auswählt, muss mit den Begleiterscheinungen leben. Oder eine Patina erzwingen!
Der Griff…
ist perfekt symmetrisch geschliffen und hat eine eigenwillige Form, die keiner der vier japanische Wa-Grundformen entspricht, aber auch keiner üblichen westlichen Griffgestaltung. Die Grundform entspricht/assoziiere ich mit einem klassischen Wappen und es gibt drei klar definierte, aber ( mir ) nicht unangenehme Kanten. Diese eigenwillige Form liegt erstaunlich gut in der Hand und Volumen und Proportion passen für meine Hände mehr als zufriedenstellend. Anmerken möchte ich nur, dass die Beurteilung eines Messergriffes eine sehr persönliche Sache ist und ganz bestimmt nicht auf jedermann übertragbar!
Fazit…..
Die „Moosschmiede“ ist ein Hobbyprojekt. Ein ambitioniertes zwar, bleibt aber eine ausgleichende Beschäftigung, die den Kopf frei und Spaß machen soll. Deshalb gibt es auch keine Auftragsarbeiten sondern nur ab und an, ein fertiges Messer in seinem Shop zu finden. Da Christian in einschlägigen Foren mit gleichgesinnten regen Austausch und Fortbildung betreibt und seine Fortschritte auch in bilderreichen WIP’s zeigt, sind die so entstehenden Messer als „work in progress“ zu sehen und deshalb findet sich oft ein Interessent noch vor Fertigstellung. Wenn jemand ein Spitzenmesser abseits vom Mainstream haben möchte, dass extrem genau und mit viel Leidenschaft gefertigt wurde, der sollte sich mit den Unikaten aus der Moosschmiede näher befassen. Noch sind seine Messer bezahlbar, aber auch Jannis Scholz aka Xerxes-Knives hat mal klein, aber mit viel Sorgfalt und Können begonnen und ist heute einer der Allerbesten mit geschlossenen Auftragsbüchern.
Ich geh jetzt kochen……..ach, ja, danke für’s durchhalten und lesen, war ja nicht wenig.....
Gruß, güNef