Ich fürchte, den Begriff "scharfes Normalisieren" habe ich in die Diskussion eingeführt, wohl um die Leute nicht mit dem zu erschrecken, was im Kern gemeint ist, nämlich mildes mehrfaches Härten.
Normalisieren bezweckt, wie schon der Name sagt, die Einstellung eines gleichmäßigen und möglichst feinen Gefüges, das dann nach dem Härten und Anlassen auch die besten mechanischen Eigenschaften gewährleistet. Die Wirkungsweise ist so, daß durch Erwärmen auf Temperaturen über Ac 1 die Matrix eine doppelte Umkörnung-Ferrit/ Perlit-Austenit-Ferrit/Perlit erfährt und dadurch eine Verfeinerung des Matrixgefüges erzielt wird. Außerdem können grobe Zementitteile oder sonstige Karbidbrocken aufgelöst und ein etwa entstandenes Zementitnetzwerk beseitigt werden. Behandlungsmöglichkeiten -Temperatur und Zeitrahmen sind im Stahlschlüssel oder eigentlich jedem ordentlichen Stahlbuch zu entnehmen.
Ich selbst nehme es damit nicht so sehr genau, weil ich mir einbilde, an meinem Feuer die Temperatur exakt genug einschätzen zu können und bei den letzten Schmiedevorgängen eine ausreichende Verformung zu erzielen,die ein feines Gefüge garantiert. Da es aber keine Zeit und Arbeit kostet, härte ich nach dem letzten Schmiedevorgang und lasse von der noch dampfenden Klinge das Öl über dem Feuer abbrennen. Das ist an sich eine Technik, die früher zum Anlassen von Federn genutzt worden ist. Für mich hat sie den Sinn, die Klinge auf das anschließende Weichglühen vorzubereiten.
Weichglühen funktioniert dadurch, daß sich der Kohlenstoff ausscheidet und mit dem Eisen oder Legierungselementen feine Karbide bildet. Am schnellsten und effektivsten wird der Weichglühvorgang nach einer vorausgegangenen Härtung vorgenommen (Rapatz 5. Aufl. S. 42).
Dieses Weichglühen dient der Erleichterung der Bearbeitung. Bei Stählen mit Sonderkarbiden und überhaupt umwandlungsträgen Stählen dauert das Weichglühen länger, sonst kann man es relativ schnell ausführen.
Entscheidend ist weniger die Haltezeit und Dauer der Abkühlung, als die Temperatur und Dauer der Erhitzung. Da es ja nur darum geht, den Kohlenstoff auszuscheiden, muß man zum sicheren Weichglühen unter Ac 1 bleiben. Dann kann man, wenn man keine Angst vor Spannungszuständen hat, beliebig schnell abkühlen- eine Härtung kann dadurch nicht eintreten, weil man ja immer im Ferritbereich geblieben ist.
Ich gehe also so vor, daß ich nach dem Härten und Abbrennen des Öls langsam auf dunkelrot-eben unter 721 Grad- erhitze und dann in Asche ablege. Bei umwandlungsträgen Stählen muß dieser Vorgang gegebenenfalls wiederholt werden.
Einformen ist im Prinzip ein ganz intensives Weichglühen, bei dem der Kohlenstoff nicht nur aus seinen Bindungen im Gitter befreit wird, sondern auch auf kugeligen Zementit geformt wird. Dabei erreicht der Stahl seine optimale Weichheit-wegen der Gefahr des Schmierens ist er dann für manche Bearbeitungsvorgänge schon zu weich-und er hat für den dann folgenden Härtevorgang ein gutes Ausgangsgefüge. Rapatz zeigt auf S. 38-39 Gefügebilder, die den Vorgang verdeutlichen.
Man muß sich aber vor Augen halten, daß die für die mechanischen Eigenschaften wichtigere Maßnahme das Normalisieren ist, da nur dadurch grobes Matrixgefüge, grobe Karbide und -schlimmstenfalls -Korngrenzenzementit wirksam beseitigt werden. Das Weichglühen, das Rapatz an der angegebenen Stelle empfiehlt-nämlich mit deutlich erhöhter Temperatur- ist in Wirklichkeit schon eine Mischung aus Weich-und Normalglühen.
Wer die Zusammenhänge genauer kennenlernen will, sollte bei Verhoeven nachlesen-pdf war mal hier im Forum und ist jedenfalls in den Seiten der IGDF zu finden. Seine Untersuchungen über die Wirkung des "scharfen Normalisierens" oder besser Doppelhärtens sind schon überzeugend. Danach sind ohne Berücksichtigung der Schmiedebehandlung Matrixkorngrößen von 2 my zu erzielen.
Wie weit man mit diesen Behandlungen gehen will, ist eine Frage des Selbstvertrauens und der Neigung zum Perfektionismus. Günther macht es, so wie er schreibt, ganz perfekt, Havard Bergland verlässt sich auf seine Schmiedetechnik und den letzten Schmiedevorgang bei Temperaturen um 720 Grad und hat auch damit vorzügliche Ergebnisse.
Ich denke, man sollte daraus keinen Glaubenskrieg machen: Wenn man die Grundlagen verstanden hat, kann man innerhalb eines relativ weiten Behandlungsrahmens variieren und wird gute Ergebnisse erzielen.
MfG U. Gerfin