Probleme mit 55Si7 - Federstahl

Xerxes

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Hi Leute,

ich brauche mal eure Hilfe. Ich habe vor ein paar Tagen eine Schwertklinge aus 55Si7 gehärtet. Die Härtetemperatur war 840 Grad, Haltezeit 5 Min. Ich hab die Klinge in 100 Grad heißem Öl abgeschreckt, dann an der Luft auf Raumptemperatur abkühlen lassen. Dabei hauchfeinen Verzug gerichtet. Grobkorn oder ungleichmäßiges Gefüge kann ich ausschließen. Nach dem Abschrecken hat eine scharfe Feile nicht gegriffen. Direkt im Anschluss hab ich die Klinge zwei Mal je 20 Min bei 200 Grad angelassen. Nun greift die Feile etwas...

Von der WB fiele mir nun wirklich nichts ein, was ich falsch gemacht haben könnte.

Das Problem ist nun, dass das Schwert scheinbar eine sehr geringe Elstizität hat. Schon beim Biegen um 30 Grad über die gesamte Klingenlänge stellt sich die Klinge bei Entlastung nicht in den Ausgangszustand zurück. Die Klinge ist deutlich verbogen und muss zurückgebogen werden...

Heute hab ich die Härtung mit den gleichen Parametern wiederholt und es ist das gleiche Problem aufgetreten.

Ach ja, eine Verwechslung bezüglich des Stahls kann ich auch ausschließen.

Vielleicht kann mir ja jemand helfen?

Gruß jannis
 
Hallo Jannis -
hab noch keine Schwerter gehärtet - dass die Feile greift ist normal bei 54 HRC. Die schlechten Federeigenschaften haben mich aber neugierig gemacht.

Hier 2 Links zum Thema:

http://www.triebel-guntools.de/arbeitsanweisungen/federstahl-bearbeiten/

http://www.hmc-meyer.com/flachfederstahl.htm

Die Informationen decken sich. Demzufolge sind die Anlasstemperaturen deutlich höher wenn Du Federeigenschaften haben möchtest.
Das Silizium wird ja gegen die Blausprödigkeit zulegiert. (Das war jetzt für die weniger bewanderten Mitleser ...)

Herzliche Grüße aus Stuttgart,
Jost
 
Die Wärmebehandlung klingt eigentlich ganz schlüssig.
Eine dünne Schwertklinge muss auch nicht so hoch angelassen werden wie eine Blattfeder die ja viele Millionen mal federn soll und keine überragende Härte haben muss.
Auch mit hoher Härte federt eine Klinge... oder sie bricht, aber dass sich ein voll durchgehärteter Stahl plastisch verbiegen lässt ist mir noch nicht vorgekommen.

Hast du vielleicht nur eine oberflächliche Härtung?
Heißes Öl könnte bei 0,55% C ein wenig zu langsam sein. Versuch es mal mit einer Härtung in angewärmten Wasser, das Risiko dürfte noch vertretbar sein.
 
Hast du die Klinge nach dem Härten schon mal leicht überschliffen?

In einem anderen Forum hatte mal jemand ein ähnliches Problem und der Rat von Schwertschmied Peter Johnsson war:

THis may not be good advice, since it comes from experience with different steel and temperatures.
I have noticed that I get a thin layer of decarb even when using my salt pot (austenitizing). It is very thin and can be polished away quickly with a fine belt on the grinder.
Without taking the decarb away, a perfectly hardened blade feels like less than fully hard and will take a set if flexed. After the thin decarb is ground away, it will spring back eagerly and not take a set.

Keine Ahnung ob das bei dir auch zutrifft, an der Härtung ist ja nix auszusetzen.
 
Endkohlung währ wirklich einer Erklärung aber wenn die Klinge beim Test mit der Feile hart erscheint kann die Schicht ja nur sehr dünn sein.
Und das kann so ein Verhalten verursachen? :argw: - hätte ich nicht gedacht.
 
Das passt alles nicht zusammen.

Eine dünne entkohlte Schicht, die beim Anfeilen nicht spürbar ist, kann nicht dazu führen, daß eine voll gehärtete Federstahlklinge sich schon bei einer so geringen Biegung plastisch verformt.
Da Du das Verhalten aber so beobachtet hast, kann man daran nicht zweifeln. Die Gründe müssen aber woanders liegen.

Eine mögliche Ursache könnte sein, daß zwar die Schneide hart geworden ist, wie der Feilentest beweist, daß aber der Klingenkörper nicht voll martensitisch gehärtet wurde.
Da könnte die hohe Temperatur des Ölbads eine Rolle spielen in dem Sinne, daß die Mf-Temperatur nicht unterschritten wurde.
Ich würde also eine Härteprüfung nicht nur an der Schneide, sondern am Klingenkörper selbst vornehmen.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Hi Leute,

vielen Dank für eure Antworten. Die Sache wird immer komischer:confused:

Hab heute den halben Tag mit der Fehlersuche verbracht.

Als erstes hab ich die gesamte Klingenoberfläche geschliffen - keine Veränderung.

Dann hab ich die Klinge bei 400 Grad angelassen - keine Veränderung.

Dann hab ich die Klinge erneut gehärtet und dieses Mal in handwarmen Öl abgeschreckt bis die Klinge kalt war. Die Klinge war an allen Teilen gehärtet. Im Anschluss hab ich die Klinge bei 250 Grad angelassen. Die Klinge federt zwar deutlich besser, ließ sich aber immernoch verbiegen. Dann hab ich die Klinge 3x bei 400 Grad angelassen. Die Klinge verbiegt immernoch.

Ich hab wirklich keine Ahnung was da los ist. Alle Parameter sind genau so wie ich hier beschrieben habe. Gehärtet und angelassen hab ich im E-Härteofen. Temperatur stimmt also. Den Stahl hab ich direkt vom Stahlhändler, insgesamt hab ich 23 Meter des gleichen Stahls bekommen. Verwechslung ist eigentlich auszuschließen.

Gruß Jannis
 
Hi,

ich habe gerade (20:53 Uhr!!!) ne Mail vom Stahlhändler bekommen. Eine Verwechslung des Stahls können die ausschließen, dort wird nur Federstahl vertrieben. Man hat mir geraten, mal eine deutlich längere Haltezeit bei austenitisieren auszuprobieren. Also, dann auf ein neues:rolleyes:

Gruß Jannis
 
Aufgrund meiner langjährigen Berufserfahrung in der Härterei würde ich drauf tippen, dass der Stahl unzureichend abgeschreckt wurde. Wenn du genügend Material hast, würde ich einfach mal einen Härteversuch an einem Probestück machen, nicht an der Klinge. Schrecke das Probestück in Wasser ab, aber unter Umrühren, um die Dampfhaut zu brechen. Dann müsste die Härte kommen, wenn genügend Kohlenstoff im Stahl vorhanden ist.
 
Hallo Leute

Ich hatte schon ähnliche Erscheinungen, das lag aber an Restaustenit verursacht durch überzeiten seitens der Härterei.

Wie Ulrich schon schrieb, sind weder Härteparameter noch Entkohlung der Randschicht als Ursache Wahrscheinlich. Auch das recht warme Öl kann man ausschließen, ich habe des öfteren auch bei solchen Badtemperaturen abgeschreckt und hatte nie das Problem mangelnder Härteannahme. In der Härterei schreckt man diesen Stahl bei 180°C im Warmbad AS 140 ab. MS Liegt über 200°C!

Einzige, wahrscheinliche Erklärung (mit Frage):

Wurde die Klinge geschmiedet?

Komplette Entkohlung bzw. deutliche reduzierung des C gehaltes ist dann sehr wahrscheinlich. Mir ist das auch schon passiert. Si macht den Stahl SEHR entkohlungsanfällig. Ich habe es schon zwei mal geschafft, 4 mm starke Klingen mit nur drei bis 4 Hitzen soweit zu "versauen", dass er keine ausreichende Härte mehr angenommen hat... Meistens gings aber gut.
Den positiven Feilentest erklärt das auch, die dünne Schneide wird auch bei sagen wir mal 0,3% C in Öl noch ausreichend hart werden, auch bei mir war es so, die Spectralanalyse gab Klarheit. Wenn man eine solche macht, am besten auch gleich das Rohmaterial im lieferzustand überprüfen!

Und nochwas:

Lasst bei sowas endlich mal die Finger vom Wasser!
Der Stahl ist selbst laut Tabelle ein Ölhärter und europäische Klingen sind geometrisch viel zu fein, um im näherungsweise fertigen Zustand so behandelt werden zu müssen.

Nochmal zum Vergleich: 55 Si 7 von 840°C in 180°C Warmbad abgeschreckt hat eine durchschnittliche Härteannahme von 60 bis 62 HRC! Erfahrung von etwa 150 Schwertklingen aus diesem Werkstoff.

Viel Erfolg weiterhin!
 
Hi Leute,

vielen Dank nochmal.

@ Arno: Ich habe die Klinge zwar geschmiedet aber eine solche Entkohlung halte ich für sehr sehr unwahrscheinlich. Erstens ist meine Gasesse gut eingestellt, zweitens hab ich bei sehr niedrigen Temperaturen (ca. 900 Grad) geschmiedet und drittens hatte die Klinge nach dem Schmieden noch ordentlich Übermaß, welchen ich nach dem Normalisieren und weichglühen abgeschliffen habe. Auch der Funkenflug ist genauso wie der beim Stahl vom Band.

Außerdem hat die Feile nach dem Härten nirgendwo an der Klinge gegriffen.

Also, alles sehr merkwürdig wie ich finde.

Sonntag werd ichs nochmal mit längerer Haltezeit probieren und euch berichten.

Gruß Jannis
 
Jannis, Du hast aber schon verstanden, dass der Arno mit "überzeiten" das zu LANGE Halten vor dem Abschrecken gemeint hat, oder?
 
Hi Achim,

hab ich schon verstanden. Nur ist das jetzt der einzige Punkt wo ich noch was ändern könnte. Ich meine auch nicht 30 Min Haltezeit sondern 10-15 Min.

Gruß Jannis
 
Nabend Jannis, im erstem Post von dir schreibst du 5min Haltezeit, auch ich vermute was Eckhardt schreibt nämlich Überzeit!
jetzt 15min zu probieren ist irgendwie nicht ganz richtig oder??
Du härtest doch im E.Ofen oder?
Also häng die Klinge in den vorgeheitzten Ofen und sobald die Temperatur vollständig in der Klinge vorliegt, ohne weiteren Verzug ins ÖL.
Bei dieser art Klingengeometrie würd ich da höchstens eine Gedenkminute reinschieben.

Tschau Torsten
 
Tja,

ich weiß einfach nicht was ich noch ändern soll. Der Tip mit der längeren Haltezeit kam ja vom Stahlhändler.

Ich werde Sonntag nochmal ein paar Probestücke von dem Stahl härten und etwas rumprobieren.

@ Arno: Magst du mir sagen, ob du deine Klingen mit Haltezeit austenitisiert hast? Und wenn, wie lange?

Gruß Jannis
 
Hallo Leute

Die Erwähnung des "Überzeiten" war auf meine ehemalige Härterei bezogen - Da ging es um ca. 15 bis 20 min => Nicht machen!

Ich habe lange experimentiert, um die Haltezeiten zu optimieren. Letztlich kam raus: Bei diesem Werkstoff passt die Faustregel 1 min pro mm Querschnitt sehr gut. Im Salzbad ggf. mit Vorwärmen habe ich 3 min Verweildauer als optimal genommen, 5 min schaden auch nicht. im Elektroofen wären 5 min Verweildauer imho völlig in Ordnung.

Die ein-zwei Fälle, die ich zum Thema entkohlung hatte, waren wie gesagt auch bei mir nur kurz im Feuer und nicht sehr "warm" (etwa hellrot, es ging mehr ums Biegen, als ums Umformen). Funkenprobe war mir nicht ausreichend genau genug, zwischen den 0,5 bis 0,6% C im Lieferzustand und den 0,3 bis 0,4 abgekohlt liegen keine Welten, da kann man sich durchaus täuschen.

Ich möchte nicht ausschließen, dass vielleicht noch irgendwas Anderes faul ist, aber die beschriebenen Fälle kenn ich halt aus der Praxis und was Besseres fällt mir dazu leider auch nicht ein...
 
Meine Überlegungen:
Die Feile greift nach dem Abschrecken nicht - also ist die Oberfläche korrekt gehärtet und es liegt keine nennenswerte Entkohlung vor.
Die Feile greift etwas nach dem Anlassen - ist in Ordnung, da eine gute Feile wesentlich härter ist, als der angelassene Federstahl.
Die Klinge verbiegt sich - da die Oberfläche korrekt gehärtet ist, muss der Kern unzureichend in Martensit umgewandelt sein.

Der 55Si7 benötigt eine relativ schroffe Abschreckung, deshalb mein Verdacht, dass die Klinge unzureichend abgeschreckt worden ist. War genug Öl vorhanden, ist die Klinge ganz im Öl gewesen, ist sie im Öl bewegt worden?
 
Zuletzt bearbeitet:
55 Si 7 ist ein Ölhärter - Davon, dass er eine schroffe Abkühlung braucht, kann also nicht die Rede sein, außerdem härtet er auch gut durch...

Was man noch probieren könnte:

Bei gleicher Haltezeit (also 3 bis 5 min) 1. etwas höher fahren mit der Härtetemp. (850°C - das ist noch voll im "Grünen Bereich") und 2. sich beim Überführen vom Ofen ins Abschreckbad etwas mehr beeilen. Leider ohne Garantie, Entkohlung oder mangelhafter C-Gehalt ab Werk sind nach wie vor meine Favoriten zur Erklärung des Problems.

Anlassen kann man übrigens ruhig die im Dateblatt verlangte, volle Stunde am Stück. Mehrfaches Anlassen hat bei meinen zahlreichen Versuchen keinerlei merkliche Vorteile gezeigt.
 
Hi Leute,

vielen Dank für eure Hilfe. Nach vielen Versuchen muss ich leider sagen, dass Arno wohl Recht hatte. Wie es scheint ist die Klinge stark entkohlt. Wobei wohl nicht nur das Schmieden sondern auch mein Hörteofen dazu beigetragen hat.

Das ist sehr schade, denn es steckt schon eine Menge Arbeit in der Klinge aber ich werde das als Lehrgeld verbuchen.

Wobei ich sagen muss, dass ich eine solche Entkohlung wirklich erstaunlich finde. Sowas ist mir bisher noch nicht passiert. Rapatz schreibt dazu, dass Si-Stähle aufgrund ihrer starken Zunderbeständigkeit zu Entkohlung neigen und ein, dem 55Si7 vergleichbarer Stahl, nach dem Walzen schon eine entkohlte Randschicht von 0,3mm Dicke hat (evtl heute überholt?). Außerdem schreibt er, dass besagter Stahl bei einer Stunde glühen auf 925 Grad eine entkohlte Randschicht von knapp 0,4mm aufweist!!! Ich werde in Zukunft also viel vorsichtiger mit dem Material umgehen...

Ich bin schon am Überlegen, ob ich nicht mit der Klinge etwas experimentiere und versuche sie aufzukohlen. Obwohl Si auch die Aufkohlung erschwert. Mal gucken, ich werde euch dann berichten, ob ich noch was brauchbaren daraus hinbekommen habe...

Vielen Dank nochmal

Jannis
 
Hi Leute,

ich werde kommende Woche versuchen die Klinge aufzukohlen. Dazu werd ich sie in ein mit Holzkohlepulver und Bariumcarbonat gefülltes Stahlrohr stecken und ca. 6-8 Stunden bei 900 Grad in meinem Härteofen glühen. Die Enden des Rohres werd ich zuschweißen. Da ich bisher nur in Tongefäßen aufgekohlt habe, stellt sich mir nun die Frage, ob ich ein kleines Loch ins Rohr bohren soll, um eventuellen Druck abzulassen?

Gruß Jannis
 
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