Grundsätzlich ist die Sache doch ganz einfach:
Eutektoidische und untereutektoidische Stähle enthalten nach dem Härten keine Karbide. Die Härte beruht also allein auf der martensitischen Grundmasse. Solche Stähle können so fein geschliffen werden, wie es das Matrixkorn hergibt.
Übereutektoidische Stähle enthalten je nach C-und Legierungsgehalt nach dem Härten noch mehr oder weniger viele Karbide.
Diese tragen zur Verschleißfestigkeit bei und können durch richtiges Schmieden und Wärmebehandeln verfeinert werden.
Man kann sie in der Größenordnung unter 1 my drücken, bei den superplastischen Stählen von Sherby liegt die Karbidkorngröße bei ca 1/10 my. Der Karbidanteil nach dem Härten liegt regelmäßig unter 10 %.
Ledeburitische Stähle enthalten nach dem Härten sowohl Sekundär-wie Primärkarbide. Die Primärkarbide, die bereits in der Schmelze entstehen, können durch Wärmebehandlungen allein nicht mehr verfeinert werden.
Sie haben oft Größen bis 50 my.
Einer der Gründe für die Entwicklung der PM-Stähle war die Möglichkeit, durch das Verdüsen der hochlegierten Stähle und die dadurch bewirkte blitzschnelle Abkühlung die Karbide zu homogenisieren und zu verfeinern.
Man kommt dabei auf Karbidgrößen um 3-5 my.
Infolge der hohen Legierung und des besonders hohen C-Gehalts liegt der Karbidanteil nach dem Härten um und über 20 %.
Jetzt höre ich schon das doppelte Wehgeschrei:
Die Neulinge jammern, das sei doch alles praxisfernes Fachchinesisch, die Erfahrenen beschweren sich, daß ich sie schon wieder mit alten Kamellen langweile.
Die Ausgangsfrage zeigt aber, daß diese Grunderkenntnisse nicht bedacht werden.
Deshalb für die Neulinge: Untereutektoidisch heißt bei unlegierten Stählen unter ca 0,8 % C, übereutektoidisch ca 0,8 % C bis ca 2 % (wobei der Bereich zwischen etwa 1,5 %-2 % bei unlegierten Stählen aus Gründen verminderter Zähigkeit ohne sonstige Vorteile kaum genutzt wird), ledeburitisch bedeutet 2 % C und mehr.
Da durch die Legierungselemente der Platz für den Kohlenstoff im Gitter vermindert wird, wirken sie im Sinne einer mehr oder minder kräftigen C-Erhöhung. So sind etwa Schnellarbeitsstähle trotz eines C-Gehalts von teilweise "nur" 0,8 % schon ledeburitisch.
Diese Grundstruktur der Stähle hat unmittelbare Auswirkungen auf die Schärfbarkeit.
Wie scharf eine wirklich scharfe Klinge ist, d.h., wie dünn die Schneidenspitze sein soll, ist Ansichtssache. Bei den heutigen hochwertigen Rasierklingen geht man bis auf 1/20 my herunter, 1 my ist aber sicher schon sehr scharf. Der "Unterarmkratztest" funktioniert mit Sicherheit auch noch in der Größenordnung von 5 my.
Man kann sich die auftretenden Gesetzmäßigkeiten sehr gut wie folgt verdeutlichen: 1 my ist 1/1.000 mm. Wenn man sich also eine Gefügeaufnahme eines Stahls im Maßstab 1:1000 vornimmt, sind die Karbide- falls vorhanden- unter 1mm, etwa 1mm (gute übereutektoidische Stähle), bis zu 50 mm-Ledeburitstähle und 3-5 mm-PM-Stähle groß.
Faltet man ein solches Blatt mit der Gefügeaufnahme, so sieht man, daß die entstehende Kante = Schneidkante mehr oder weniger Karbide schneidet. Statt einer wirklichen Gefügeaufnahme kann man sich auch die Karbide 1mm-50 mm groß einfach auf ein Blatt Papier einzeichnen.
Dabei sieht man, wie die Karbide auf der schneidkante sitzen und mehr oder weniger gut in der Grundmasse eingebettet sind
Bei einem Schneidenwinkel von 40 Grad und darüber haben auch die mittelgroßen Karbide noch eine einigermaßen gute Einbettung in die Grundmasse, bei feineren Schneidenwinkeln wird das immer weniger.
Die logische Folge ist, daß Riesenkarbide schon beim Schleifen durch den Andruck zum Ausbrechen neigen und beim Arbeiten mit der Klinge Seitdruck nicht vertragen.
Beim Schärfen mit üblichen Schärfmitteln setzen die harten Karbide und Sonderkarbide dem Schleifkorn erheblichen Widerstand entgegen und brechen bei feinen Schneiden schon beim Schärfen aus.
Mit Diamantschärfgeräten werden auch die Karbide mitgeschnitten, sodaß zunächst eine relativ geschlossene Schneide entsteht, vorausgesetzt, das Diamantkorn war fein genug. Setzt man eine solche Schneide vorsichtig und ohne seitliche Belastung ein, so wird sie die erreichte Schärfe gut halten, Schnitzen in Holz oder Berührung mit Knochen führen aber zum Ausbrechen der Karbide und zu einer zackigen offenen Schneide.
Damit kann man gut leben: eine solche feinsägeartige Schneide ist bissig und schneidet z.B. Fleisch sehr gut.
Zum Rasieren oder zum drucklosen Feinschnitt ist sie aber nicht geeignet.
Für die Eingangsfrage bedeutet das:
CPM S 90 V und seine Geschwister sind Ledeburitstähle mit relativ kleinen Karbiden-zur Erinnerung 3-5 my- Sie können relativ fein geschliffen werden, wegen der Größe und Menge der Karbide ist aber ein Schliff im Feinstbereich nicht wirklich sinnvoll.
Freundliche Grüße
U. Gerfin