Schnitthaltigkeit meines Tojiro Shirogami lässt zu wünschen übrig

ScottyC

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Hallo zusammen,

letzten November habe ich von meiner Frau ein handgemachtes Tojiro Shirogami Gyuto mit 24 cm Klingenlänge bekommen.
(Da dieses Länge aktuell nicht verfügbar ist, habe ich die Tojiro Shirogami verlinkt.)

Das Messer liegt für mich wunderbar in der Hand, hat ein angenehmes Gewicht und ist toll ausbalanciert. Ich mag es wirklich sehr gerne. Jetzt kommt das ABER:
Mit der Schneidhaltigkeit bin ich unglücklich und hoffe, dass ihr mir weiterhelfen könnt.
Um was geht es:
Die sauber geschliffene Schneide hält nur extrem kurze Zeit; ich muss hier ziemlich oft mit einem Touch-Up ran. Es reicht schon das Schneiden einer Zwiebel und das Messer hakt beim Schneidetest mit einem Blatt Papier. Schaue ich mir die Schneide im Mikroskop an, so ist die Schneide an bestimmten Stellen eingedrückt bzw. umgelegt. Vor ein paar Tagen habe ich einen riesigen Krautkopf mit dem Tojiro, das frisch geschliffen war, in feine Streifen geschnitten. An den Stellen, an denen die Schneide mit dem Brett Kontakt hatte, sah es leider gar nicht schön aus ...

Wie schleife ich das Messer:
Zum Schleifen verwende ich japanische Wassersteine, sowie einen Messerguide der mit einer Bevelbox ausgemessen wird.
Den Abschluss bildet eine Mikrofase von genau 18 Grad. Meine Ergebnisse sind schon recht ordentlich.

Wie schneide ich:
Nur auf Holzbrettern. Mittlerweile nur noch im Zug- und Druckschnitt. Den Wiegeschnitt habe ich mir abgewöhnt. Bei jedem Schnitt die Schneide komplett über das Brett abzurollen kann nicht wirklich gut sein.

Und jetzt kommt das wirklich interessante:
Ich habe noch ein 20 cm Gyuto Miyabi 5000 MCD und ein von Jürgen Schanz ausgedünntes Kochmmesser Güde alpha olive.
Mit diesen Messern habe ich die Probleme nicht. Das Miyabi besitzt einen höheren Härtegrad als das Tojiro und das Güde ist weicher.
Mit dem Miyabi schneide ich tagelang alles möglich klein und beim Papier-Schneidetest ruckelt und zupft nichts.
Durch das Ausdünnen des Güdes habe ich fast einen Laser bekommen, so dünn ist das geworden. Das Messer fällt durch Karotten, das ist genial. Mit dem Güde kann ich auch eine Zwiebel im Schnellschneideverfahren - also einen auf Show in der Küche machen - schneiden. Da kommt die Schneide schon mal deutlich härter auf dem Brett auf. Auch hier: Das Ausdünnen ist über drei Monate her und der Papiertest flutscht immer noch wie geschmiert.

Warum habe ich solche Probleme mit meinem Tojiro an der Schneide, obwohl ich mit diesem Messer behutsamer umgehe als mit dem Miyabi und dem Güde?

Ich bedanke mich schon mal im Voraus für konstruktive Vorschläge, Ratschläge, Tipps usw.

Viele Grüße
Rainer
 
Servus,

erstmal bin ich erschrocken, wie teuer das Messer ist. o_O Das 240er zieht wohl im Preis nochmal an. Es ist halt bitter, was oft für ein Messer verlangt wird, wo die Relation zum Preis am Produkt nicht zu entdecken ist. Wenn du die Schneide geprüft und den Winkel kontrolliert hast, fällt mir nicht mehr viel ein.

Wie dünn ist die Schneide eigentlich? Umlegen einer eigentlich den Regeln nach harten und spröden Schneide ist auch eher ungewöhnlich, eigentlich sollte das eher bröseln als plastisch verformen. Was würde ich machen? Statt einer Mikrofase würde ich die ganze Fase umschleifen und eine Spur rücksetzen. Also auf 40° Schneidenwinkel erhöhen und eine Fasenbreite von 0.30mm anstreben. Da darf sich bei einem sauberen Schliff und deiner Vorsicht kein Schaden mehr an der Schneide zeigen, nur ein normale, der Standzeit des Stahls entsprechende Abstumpfung. Leider bleibt Shirogami nicht lange scharf, aber nach einem Krautkopf oder einer Zwiebel darf da noch nix sein. Ich habe mit meinem Kaeru mit Werksschliff knapp zwei Wochen ( eine tägliche Mahlzeit für fünf Personen ) geschnitten, dann hat er begonnen nachzulassen, allerdings ohne Beschädigungen. Wenn die Klinge durch ein Zeitungsblatt nach einer Zwiebel nicht mehr glatt durchgeht, dann ist die Schneide stellenweise beschädigt.

Am Grat kann es auch nicht liegen, der lässt sich durch ziehen durch weiches Holz/Kork/Zeitung ganz leicht entfernen, selbst wenn noch einer vorhanden wäre, sobald das Messer am Brett schneidet, ist ein Restgrat, sofern es nicht ein zäher Hund ist, sowieso ab.

Nützen alle Maßnahmen nicht, dann ist die WB nicht optimal gelaufen oder beim maschinellen Schleifen ( falls es so unüblicher weise gemacht wurde ) was schief gegangen. Überhitzte Schneiden kommen bei japanischen Messern eigentlich nicht vor, aber was weiß man schon. Vielleicht muss erstmal "frischer Stahl" an der Schneide freigelegt werden und eine durch Hitze entstandenen Defektschicht entfernt werden.

Gruß, güNef
 
den Regeln nach harten und spröden Schneide
Tojiro härtet ihren Shirogami ziemlich niedrig. Ich habe ein Yasuki Nakiri Bastelobjekt, das - genau wie das Messer des TE - mit 60 +/-1 HRC angegeben wird. Diese Kombination ist natürlich denkbar schlecht im Hinblick auf die Schnitthaltigkeit.
Bei meinem Messer legt sich auch die Schneide um und bricht nicht aus. Außerdem lässt es sich hervorragend wetzen.
Die Schärfe hält allerdings schon länger als eine Zwiebel, also nur an der Standard-Wärmebehandlung kann es nicht liegen.

Ich tippe auch darauf, dass der Stahl mit der niedrigen Härte evtl einer so dünnen Schneide (auch mit 36° Microfase, oder hast du evtl nur 9° pro Seite genommen?) bei europäischem Brettkontakt nicht gewachsen sein könnte. Oder es liegt wirklich ein Verarbeitungsfehler vor...
 
Moin

Da du ja den Winkel führen kannst denke ich auch das eine neu angelegte Fase die Lösung sein könnte/ sollte . Das Shirogami keine dolle Standzeit hat , ist ja bekannt ,
aber so schnell ist ungewöhnlich.
Nimm doch erstmal die 36 Grad...und schleif mal die Progression durch...und bevor du feiner wirst , zieh das Messer vor dem nächsten Step durch einen Korken.
Ich mach das immer so...damit ich keine Chips ( bzw weniger ) auf dem feineren Stein habe.
Normalerweise nehm ich kein Leder , aber in diesem Fall würde ich das mal machen...damit du einmal sicher stellst , das die Fase wirklich einmal clean ist.

Sorry ...soll keine Kritik sein....aber die Preise finde ich schon derb

Gruss

Micha
 
@güNef @Bukowski @knifeaddict :
Vielen Dank für euer Antworten!

Das mit dem Schleifwinkel (9 Grad) kann ich ausschließen; das sind schon wirklich 18 Grad pro Seite :)
Am Schleifen selber sollte es auch nicht liegen; hier habe ich von euch in den letzten Monaten viel gelesen und umgesetzt.
Auf Michas Empfehlung habe ich mir den Messerguide gekauft. Beim Steinwechsel wird entgratet, über den Kork gezogen usw.
Ich komme heute nicht dazu, stelle aber am Wochenende gerne mal Bilder ein; die Fase sieht nach dem letzten Stein schon wirklich gut aus.
Ein halbwegs passables Mikroskop, um das zu beurteilen, habe ich mir auch zugelegt.

Vor ein paar Wochen habe ich in einem älteren Thread einen Beitrag von R'n'Roll gelesen, dass es immer mal zu Problemen bei neuen Messern kommen kann - so wie von mir beschrieben.
Nach mehrmaligem Schleifen und freilegen von frischem Stahl wären die Probleme oft mal weg.
Das hat ja auch Günter ganz oben als möglichen Grund genannt.
Falls das der Grund ist: Wie viel muss man hier wegnehmen, um hier frischen Stahl freizulegen ?

Viele Grüße
Rainer
 
Moin Rainer

Mir persönlich ist so ein Problem wie du das jetzt gerade beschreibst noch nicht passiert.
Gerade weil du ja schon nachgearbeitet hast.

Was ich erlebt habe sind Fehler durch schlechten Werksschliff und Misshandlungen durch Amateure mit Bandschleifern , zu groben Diamanten ..
also das da wirklich Riefen nicht sauber ausgeschliffen wurden , somit entstanden "Sollbruchstellen " , da gab es aber eigentlich immer Ausbrüche.
@güNef hat das mit " Defektschicht " beschrieben.

Ich kann jetzt keine 100% Empfehlung geben.Zurücksetzen verändert ja die Geometrie dann doch irgendwann dramatisch , das wäre ja doch schade.
Also ...ich würde mich da eher rantasten...und einfach nur erneut ne Fase setzen und hoffen das es langt...
Ob es ein grundsätzlicher Materialfehler ist kann ich nicht beurteilen...ich hoffe natürlich , das dem nicht so ist

Gruss

Micha
 
Servus,

Vor ein paar Wochen habe ich in einem älteren Thread einen Beitrag von R'n'Roll gelesen, dass es immer mal zu Problemen bei neuen Messern kommen kann - so wie von mir beschrieben.
Nach mehrmaligem Schleifen und freilegen von frischem Stahl wären die Probleme oft mal weg.

manchen Usern ist es irgendwann mal aufgefallen, das nach ein paar mal Schärfen die Standzeit und Stabilität der Schneidenspitze immer besser geworden ist, so wurde der Schluss gezogen, dass es eine Art "Defektschicht" geben muss/kann ( Überhitzung, schlecht geschliffene Fase ) die erst abgetragen werden muss, damit der Stahl seine volle Leistung bereitstellen kann. Überhitzung, sofern nicht durch Verfärbungen erkennbar kann man nicht sehen, schlechte WB ebensowenig, nur Riefen und Schwachstellen an der Schneide selbst, kann man unter Vergrößerung sehen und dann beheben.

Gruß, güNef
 
Hallo zusammen,

ich möchte hier gerne eine Rückmeldung geben.
Das Tojiro habe ich bei
https://www.scharfesjapan.de
gekauft und jetzt mit der starken Vermutung auf einen Wärembehandlungsfehler reklamiert.
Habe alles genau, wie oben, beschrieben und noch zwei Mikroskopfotos beigelegt.
Eines direkt nach dem Schleifen, eines nach ein bisschen Schnippeln.
Heute habe ich einen sehr freundlichen Anruf vom Shop-Inhaber selbst bekommen; selbstverständlich wird das Messer umgetauscht bzw. der Kaufpreis zurückerstattet. Keine Diskussionen, einfach nur ein freundliches "selbstverständlich".
Das ist doch ein wirklich toller Kundenservice!

An dieser Stelle möchte ich mich bei euch bedanken, ohne eure Rückmeldungen wäre ich wohl nicht auf die wahrscheinliche Fehlerursache gekommen.
Ein ganz besonderes Danke geht an Micha; er hat mir über PNs noch einige sehr wichtige Tipps gegeben!

Wie geht's weiter:
Bei so positiven Erfahrungen bin ich dem Shop natürlich treu geblieben; habe aber den Hersteller und den Stahl gewechselt und mich für ein Shiro Kamo Super Aogami entschieden. Ebenfalls wieder ein Gyuto mit 24 cm. Das sollte in ein paar Tagen ankommen und ich werde gerne berichten.

Viele Grüße
Rainer
 
Kurz meine Erfahrungen zu einer weichen Schneide: Ich schärfte mal die Kochmesser einer Kochschule, die normalerweise ihre Messer zu einem Schleifservice schickte. Viele Messer waren übel verschliffen, so dass ich die Form der Schneidkante neu anlegen musste. Ich feilte die vorhandene Schneide platt und brachte sie so in ihre Form zurück. Dabei fiel mir auf, dass die Feile auf dem ersten Millimeter sehr gut griff, aber dann recht schnell nur noch über den Stahl rutschte. Meine Erklärung dafür war auch eine Erweichung der Schneidkante durch ungekühlte Schleifmaschinen.
 
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