AW: Solinger Traditionsunternehmen geschlossen
Also: Ich glaube auch, dass einige der Solinger Traditionshersteller es verpasst haben, die Zeichen der Zeit zu erkennen.
Nach meiner Erfahrung erkennen viele überhaupt nichts.
1. Produktqualität maximal Mittelmaß
2. Marketing aus der Wirtschaftswunderzeit
3. Verkaufsrepräsentanten mit Mentalität aus der Wirtschaftswunderzeit
4. Vertriebsorganisation von vorgestern
5. Festhalten an alten Strategien, auch wenn die spürbar erfolglos sind
6. Kurz vor Krach aufspringen auf den "Umsatz durch Masse, auch wenn die aus China kommt" Zug.
7. Sich in die Hosen machen wegen der "Konkurrenz" aus China. Und gar nicht merken und abhaken, dass man mit gleicher Stategie nicht konkurrieren kann.
8. Neue Produkte mit einem Design aus der Mottenkiste. Das ist die absolute Kracher Strategie. Ein Produkt, das alte Kundenkreise verprelllt, und neue nicht erreicht. Hint: Die Droppointwüsteneisenholzfraktion ist nicht tot, mit nem Jägerkäppi auf tactical machen, kommt irgendwie nicht an.
9. Daneben gibts ein Vertriebsproblem. Solange der "Fach"handel in erster Linie auf die Spanne, weniger auf den realen Gewinn schaut, läuft man sich teilweise tot. Ist, neben mangelnder wirtschaftlicher Übersicht, sicher auch ein Wissens/Schulungs/Motivationsproblem.
10. Generelles Jammern über die Marktsituation, Stagnation, weil angeblich keiner mehr Geld ausgibt. Erlebe ich genauso. Und trotzdem kaufen die Leute für das doppelte, als vorgesehen. Mindestens. So man Argumente hat. Und vor den Leuten steht, also im klassischen Einzelhandel. Den ich auch nicht tot oder schwinden sehe.
11. Thema Trend. Der Trend wird (auch) von den Herstellern gemacht. Ich kann mich nicht beschweren, wenn der Trend in eine Richtung läuft, die mich aus dem Markt drängt, wenn ich am Trend nicht mitarbeite.
Das sind mal aus dem hohlen Bauch meine ganz persönlichen Erfahrungen, die ich auf Messen mit den Herstellern, sowie im "Fach"handel erleben konnte.
Klar ist das recht pauschal. Schlau reden kann man von draussen immer. Aber Fakt ist, da braucht man weder Controller noch Marketingspezialist sein: Wenn sich eine Strategie als wirkungslos erweist, sollte man sie eher ändern, als zu Tode reiten

. Ansonsten ist der Ausgang klar und nur eine Zeitfrage. Das es Firmen gibt, die dem aktiv gegensteuern, mit einer Strategie, die bis übermorgen reicht (sei es durch eine Umorientierung oder Rückzug auf Kernkompetenzen), ist ja sehr erfreulich. Kann man nur wünschen, dass es klappt.
Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Die Mitarbeiter tun mir leid, der Verlust an Tradition dito. Ärgern tut mich, dass andere wiederum mit Nullstrategie, oder besser mit "wir schütten den Markt mit Blech zu, aber die Spanne stimmt" (noch und anscheinend) Erfolg haben. Aber generell, was soll ich um Firmen weinen, die so beweglich sind, wie ein Backstein. Und damit meine ich nicht, dass man jeder Sau, die durchs Dorf getrieben wird, hinterher rennen muss. Aber warten auf die Pleite kanns nicht sein.
@gulogulo: Ich sehe das anders. Handarbeit in Solingen kann nicht auf gleichem Lohnniveau wie in China/Vietnam/sonstwo stattfinden. Und einen rein technischen Mehrwert muss es auch nicht geben. Wir haben hier eine Tradition, eine Geschichte die mitverkauft wird. Wie kaufen mit einem Messer aus Solingen Arbeitsschutz, eine Arbeitnehmervertretung, unser Sozial- und Gesundheitssystem, sauberes Wasser aus der Leitung, unser Schulsystem, eine freie Presse und Meinungsfreiheit, Autobahnen

...und so weiter mit. Insofern sind die Messer richtig billig.
Das *ist* - zumindest erlebe ich das öfters so, für viele ein Kaufgrund - klar darf deswegen das Messer nicht wackeln, soweit würde auch bei mir die Liebe nicht gehen
Grüße
Pitter