Das beagleboy Teststudio meldet...
Hier nun mein Senf, nach einer Woche regelmäßigen Tragens und Benutzens:
Ich habe das Messer während der Arbeit getragen, und zwar als Vertretung für mein Cricket, das sonst immer mein Paketmesser ist (siehe auch
HIER zu Paketmessern).
Auf das Konzept des Dodo war ich sehr gespannt, da ich die Klingenform als solche für meine Zwecke als für sehr geeignet ansehe.
Und da mich der mittelprächtige ATS-55 des Cricket schon immer etwas nervt, wäre ich einem Ersatz auch nicht abgeneigt gewesen.
Große Skepsis habe ich allerdings dem Ball Bearing Lock entgegengebracht.
Und leider muß ich sagen, daß sich dieser Punkt zu etwa 150% erfüllt hat.
Die Zuverlässigkeit des Lock möchte ich hier nicht in Frage stellen; ich denke, das Messer bietet hier keinen Ansatz zur Kritik, soweit ich das in dieser kurzen Zeit beurteilen kann.
Aber der Verschluß ist so ziemlich das fummeligste, was ich mir in diesem Sektor vorstellen kann. Eine glattpolierte, tief in die Griffschale versenkte Stahlkugel, die bei einseitigem Druck (trotz ihrer Glattheit) auch noch zum Verkanten neigt, ist meines Erachtens einfach untauglich.
Und hierbei will ich eine Bedienung mit nassen oder sehr kalten Fingern noch nichtmal in die Kritik miteinbeziehen (von Handschuhen gar nicht zu reden).
Mir drängt sich der Eindruck auf, daß Spyderco hier die Innovation um jeden Preis gesucht hat, in diesem Fall zu Lasten der Funktionalität.
Das finde ich prinzipiell schade.
Natürlich muß ich anmerken, daß dies hauptsächlich dann gilt, wenn man den Anspruch an das Messer hat, die Klinge einhändig so geschmeidig und elegant schließen zu können, wie man sie auch öffnet.
Wer sich mit einer Zweihandbedienung zufrieden gibt, bei der man die Kugel von beiden Seiten (mit Daumen und Zeigefinger) greift, wird dies nicht so stark empfinden.
Allerdings bedarf es dann einer zweiten Hand oder eines anderen, zufällig anwesenden Körperteils (Oberschenkel o.ä.), um die Klinge zu schließen, da die Messerhand vollauf mit dem Entriegeln des Locks beschäftigt ist.
Gut, viele werden ihren Oberschenkel meistens dabei haben, aber trotzdem war Gerber mit dem Bolt Action hier IMHO vor 20 Jahren schon deutlich weiter.
Dieser Eindruck der Gewolltheit setzt sich leider auch im Design des Messers hinsichtlich der Ergonomie fort:
Die stark auspeprägten Griffmulden geben einen sehr sicheren Griff bei vielen Schnittarten; ein Abrutschen vom Griff ist mehr als unwahrscheinlich, aber leider haben sie auch deutliche Nachteile.
Beim Schneiden in räumlich beengten Gegebenheiten ist man ob der kurzen Klinge z.B. versucht, das Messer länger zu fassen, um die „Reichweite“ zu erhöhen.
Hier landet der Zeigefinger unweigerlich genau auf dem vorderen Höcker an der Unterseite der Griffschale, was denkbar unpraktisch und unbequem ist.
Und auch der hintere Höcker drückt sich bei festerem Griff mit der ganzen Faust unweigerlich zwischen Ring- und Kleinen Finger, was ebenfalls sehr unkomfortabel ist.
Wäre das mein Messer, würde ich die Schalen an diesen beiden Stellen deutlich abtragen, was der Ergonomie sicher zuträglich wäre und das Messer auch für verschiedene Handgrößen tauglicher machen würde (siehe Markierungen).
Ansonsten ist die Ergonomie konzeptionell gut; durch die kurze Klinge und die prinzipiell eigentlich gute Griffgestaltung ergeben sich auch bei störrischem Schneidgut kaum Unsicherheiten in der Griffsicherheit.
Aber leider muß ich noch weiter meckern:
Der Klingenrücken ist sehr scharfkantig, und zwar über den gesamten Bereich.
Da die Klinge durch ihre Form bauartbedingt in geschlossenem Zustand weit aus dem Griff herausragt, ist das mit Sicherheit nicht sehr hosentaschenfreundlich.
Da hätte eine freundliche Riffelung bei besser gerundeten Kanten mehr Nutzwert gehabt.
Die Schnitthaltigkeit des S30V gab ein der kurzen Testzeit keinen Anlaß zu Klagen; ich habe das Messer gerade nochmal über den Sharpmaker gezogen (Grau/weiß-fein/weiß-ultrafein), und das hat das bißchen verlorene Schärfe in Nullkommanichts wieder hergestellt.
Würde ich das Messer morgen nicht weiterschicken, hätte ich mir das Schärfen gespart.
Und zu guter Letzt noch ein Wort zum Clip: die Funktionalität ist hier einwandfrei gewährleistet, allerdings bin ich hinsichtlich der Stabilität eher skeptisch.
Ich hätte Bedenken, daß bei seitlicher Belastung (die leider vorkommen kann, wenn sich der Clip beim Messer irgendwo verhakt) der schmale Steg, der zwischen Clipaussparung und Griffschalenrand steht, ausbricht.
Dies wäre bei einem normalen, dreifach verschraubten Clip kaum möglich; hier würde in so einem Fall in der Regel nur der Clip beschädigt, nicht aber die Schale.
Beim Dodo hingegen wäre die Schale irreparabel beschädigt.
Insofern sehe ich zwar einen reizvollen Minimalismus, aber leider auch hier nicht ohne wesentliche Kompromisse.
Fazit: ein sehr schöner Ansatz, der aber in einigen wesentlichen Punkten deutlich über das Ziel hinausgeschossen ist.
Hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen.
Wenn Spyderco jemals ein „Dodo Version 1.2“ auf den Markt bringt, bin ich der erste, der nach einem Testexemplar schreit, denn das Konzept verdient das eindeutig.