Stahlqualität vor 150 Jahren

rockwell

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Hallo Leute

Mich interessiert einmal, welche Qualität der Stahl von Gebrauchsmessern wie den Bowies in der Zeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts aufwies. Diese Messer waren doch auch über Jahrzehnte im Einsatz oder wurden vererbt, und das bei täglichem Einsatz. Und in Ermangelung schonender Sahrpmaker wie Lansky und Co. sorgte sicherlich in erster Linie ein rauer Schleifstein oder der Bachkiesel für die ausreichende Schärfe.

Keine Frage, es gab natürlich auch damals große Unterschiede, gute und schlechte, teuere und billige Qualitäten. Doch nehmen wir beispielsweise die Sheffieldbowies, die tonnenweise nach Amerika verschifft wurden und dennoch als angeblich hochwertig galten. Sind solche Messerstähle mit heutigen überhaupt vergleichbar?
Wäre für die eine oder andere Antwort dankbar.

Gruß

Rockwell
 
Bei der Beurteilung der Stahlqualität früherer Zeiten sollte man sehr vorsichtig sein. Richtig ist, daß man so gut wie nicht mit höher legierten Stählen arbeitete. Die Herstellung sehr sauberer Kohlenstoffstähle wurde aber schon früh sehr gut beherrscht. Wenn man mit guten Erzen arbeitete, war das auch kein großes Problem. Mir fallen auf Anhieb zwei Methoden ein, mit denen man für Schneidzwecke geeignete Stähle herstellen konnte, die den Vergleich mit modernen Stählen nicht zu scheuen brauchten. Eine Methode ist die, mit der ab dem 11. Jahrhundert hochwertige Schwertklingen hergestellt wurden- nämlich die des Scharsachstahls. Man verstand es zu dieser Zeit schon, größere Stahl-Eisenmengen in den Rennfeuern zu erzeugen. Das Material wurde in Stangen von ca 2,5 cm Durchmesser ausgeschmiedet, die alle 25 cm eingekerbt wurden. Die Stangen wurden dann gehärtet und gebrochen. Dabei gab es dann Stücke, die erst nach massiver statischer Verformung, oder überhaupt nicht brachen-eben weil sie mangels C-Gehalt nicht gehärtet waren. Andere Stücke brachen schon beim Schmieden oder wenn man sie nur"streng anschaute" -andere wiederum brachen mit feinem seidigem Bruch und nach einiger Kraftanstrengung.
Diese Stücke wurden aussortiert, gebündelt und miteinander
verschweißt. Es entstand so ein Raffinierstahl von vorzüglicher Qualität, der beim Rosten ein sehniges Gefüge zeigt, wie es an alten, schlecht gepflegten Ritterschwertern zu sehen ist.
Eine zweite Methode bestand darin, Eisenstäbe aufzukohlen und mit- einander zu verschweißen. Da die Eisenstäbe zu Garben gebunden wurden, nannte man den so entstandenen Stahl "Gerbstahl"- richtiger wäre eigentlich "Gärbstahl" gewesen.
Mit beiden Methoden ließen sich Stähle erzielen, die für den gedachten Einsatzzweck vorzüglich waren. Wenn man gute Erze zur Verfügung hatte, entstanden Stähle höchster Reinheit. Ich habe einmal einen
Dachanker aus einem Haus des 17 Jahrhunderts, der erkennbar vorher schon mal als Wagenreifen gedient hatte, von Pit Dauphin in Luxemburg analysieren lassen und die Beimengungen an Si, Mn, S und Phosphor waren minimal- das fing so bei der 4. Stelle hinter dem Komma an.
Hinzukommt, daß man auch schon sehr früh die Möglichkeit der Optimierung der Eigenschaften durch Verschweißen verschiedener Werkstoffe kannte. Ich verweise hier nur auf die Nydamschwerter.
Um wieder auf neuere Zeiten zurückzukommen, in denen die Sheffield-Bowies gefertigt wurden- wenn man wollte, konnte man damals exzellente Bowies machen.
Die modernen Stähle sind in den klassischen Einsatzgebieten-Messer, Säbel, Schwerter- nicht wirklich besser. Man versteht es nur, sehr gleichmäßige Qualität zu erzeugen, eben ohne Ausreisser nach unten.
Die modernen Stähle sind nur dort wirklich überlegen, wo es auf Korrosionsbeständigkeit ankommt oder wo äußerste Verschleißfestigkeit oder Warmfestigkeit verlangt werden. Das geht allerdings meist nicht ohne Einbußen an Elastizität und Zähigkeit ab.
MfG. U. Gerfin
 
Vielen Dank an U. Gerfin

Super Erklärung, für mich eine echte Bereicherung.
Wer also damals sein Handwerk verstand, schmiedete Messer, die den heutigen ebenbürtig sind. Hochinteressant (hab´s mir fast denken können, jedenfalls gehofft).

Nochmals danke für die Mühe.

Gruß
Rockwell
 
Die modernen Stähle sind in den klassischen Einsatzgebieten-Messer, Säbel, Schwerter- nicht wirklich besser. Man versteht es nur, sehr gleichmäßige Qualität zu erzeugen, eben ohne Ausreisser nach unten.
Die modernen Stähle sind nur dort wirklich überlegen, wo es auf Korrosionsbeständigkeit ankommt oder wo äußerste Verschleißfestigkeit oder Warmfestigkeit verlangt werden. Das geht allerdings meist nicht ohne Einbußen an Elastizität und Zähigkeit ab.

So ganz unkommentiert kann ich dass nicht stehen lassen.

Ich bin da nicht ganz Deiner Meinung Ulrich.

Ich seh da zum Teil schon ganz gewaltige Unterschiede von dem Standpunkt gesehen den ich kennen gelernt habe.

Allerdings möchte ich das auch nicht verallgemeinern sondern klarstellen das dies eben die Beispiele sind die ich eben zur Beuteilung zu verfügung hatte.

Egal welches Ausgangsmaterial man nun betrachtet ob nun Puddeleisen wie hier aus dem Schumann oder Rennfeuererzeugnisse aus eigenen versuchen. Da ist einfach "Dreck" drin!
Nicht dass es in einfachen WZ Stählen nicht auch wäre, nein natürlich nicht, aber in so besonderem Aussmaß wie hier gezeigt bei den Alten stählen kenn ichs nur von den Automatenstählen die j gewollt so legiert werden.

Diesbezüglich hab ich schon Schwierigkeiten Dir da zuzustimmen.

Insbesondere denke ich ja an die feinen Schneiden und da ist jeder Einschluß ein Fehler.


Zum PDF:
Es handlet sich zwar in den meisten fällen um Damast aber auf der letzten Seite des PDFs ist ein Rennfeurererzeugniss gegenüber einem modernen Stahl gezeigt.
 

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Hallo Ihr

Ich habe darauf gewartet, dass Roman Meckert :p

Folgendes möchte ich dazu los werden:

Reiner "Damast" im modernen Sinne des Wortes (also bis etwa 350 Lagen auf Optik getrimmt) kam in den Schneiden historischer Klingen so gut wie nie zum Einsatz. Die Schneiden bestanden in aller Regel aus sehr fein raffiniertem Material. Romans Bedenken in Bezug auf Schlackeneinschlüsse sind insofern berechtigt, als sich diese natürlich nie 100%ig vermeiden lassen werden, wenn man auf den traditionellen Weg raffiniert...Theoretisch.
Blöderweise gilt das aber auch, wie Roman schon sagte, für viele moderne Stähle bzw. Herstellungsverfahren.

Was uns allen hierzu aber eindeutig fehlt, sind umfangreiche, metallographische Untersuchungen an Originalklingen. Ich selbst kann mich leider nur dunkel an die von mir vor Jahren untersuchte Spathaklinge aus dem 7. Jhdt erinnern, deren Schneiden ich mir unter dem Mikroskop angesehen habe (leider hatte ich in dem Labor der Härterei keine Möglichkeit, Bilder zu schießen). Bei etwa 100 facher Vergrößerung sind mir dabei keinerlei Einschlüsse aufgefallen. Das heißt aber leider erstmal noch gar nichts...

Ganz toll wäre es , wenn mal der ein oder andere Sammler z.B. eine ECHTE katanaklinge unter das Mikroskop legen und photographieren könnte. Ich habe den Verdacht, dass beim Raffinieren, wenn es vom erfahrenen Fachmann gemacht wird, durchaus Reinheitsgrade in Bezug auf Schlackeneinschlüsse erreichbar sind, die sich mit den guten, modernen Qualitäten messen können... Das muß aber leider erstmal eine Vermutung bleiben.
Klar ist für mich jedenfalls, dass man zum Vergleich kein "nur" etwa 150 Jahre altes Puddeleisen heranziehen sollte. Dieses Zeug ist immer, verfahrensbedingt (die Schlacken werden beim "puddeln" bewusst in die Schmelze gerührt, um Verunreinigungen chemisch zu binden), sehr stark schlackehaltig und hat nichts mit Raffinierstahl zu tun.
Ebenso wie alle Rennfeuererzeugnisse, die ich bisher kenne: Wer hat sich schon die Mühe gemacht und das Zeug mal richtig sauber vorsortiert und wirklich mindestens 15 mal "raffiniert"? Ohne dabei aus Erfahrungsmangel auch mal grobe Fehler zu machen?

Falls ich Zeit habe, stelle ich gerne mal ein paar Schliffbilder von modernen und hochraffiniertem Stahl ein, die ich ebenfalls von einiger Zeit habe anfertigen lassen. Diese sind zwar ebenfalls nicht zum direkten Vergleich geeignet, sollten aber die ganze Sache noch etwas besser verständlich machen.

Es würde mich persönlich sehr freuen, wenn sich hier noch einige der offenen Fragen klären lassen könnten. Das Thema beschäftigt mich schon seit mindestens 8 Jahren. Mein Anliegen dabei ist es nicht, auf Gedeih und Verderb einen "Beweis" dafür zu finden, dass die Alten Klingenwerkstoffe Wunderstähle waren. Es gab natürlich schon immer große Qualitätsunterschiede. Aber ich glaube eben, dass man durchaus auch mit "Renneisen" und einfachen Mitteln so sauber arbeiten kann und konnte, dass man an die Qualität von sehr "sauberen", modernen Stählen heran kommt.

Nix für Ungut, Euer Arno
 
Arno Eckhardt

Das wäre , denke ich, machbar.
Aber später. Jetzt habe ich keine Klingen zum fotografieren.

Da ich bin kein Sammler:D


Dazu kommt auch, dass Dir niemand gute Klingen von bekannten Hersteller (historische Klingen) zum Untersuchung geben wird.

Man kann jedoch moderne Klingen benutzen, die nach alten Verfahren gemacht sind.
Da kann moderne Stähle (gleiche Legierung) nehmen und „Schneidenfeinheit“ vergleichen.

Die Info von Roman ist sehr interessant.
 
Zuletzt bearbeitet:
Verfeinern wir die Sache noch ein bißchen: Wer im Altertum mit schlechten Erzen arbeiten mußte, hatte schlechte Karten, da man die Stahlschädlinge Phosphor und Schwefel kaum aus dem Stahl entfernen konnte. Hatte man auf Grund des hohen Phosphorgehalts kaltbrüchiges Eisen erzeugt, so mußten dessen schlechte Eigenschaften durch Verbinden mit zäherem Material unschädlich gemacht werden. Als angenehmer Nebeneffekt zeichnete das phosphorhaltige Eisen im Stahl sehr deutlich und man erhielt einen kontrastreichen Damast.
Hatte man gute Erze, so war es kein großes Problem, sehr saubere Stähle herzustellen. Schlackeneinschlüsse liessen sich durch mehr-bis vielfaches Raffinieren recht gut entfernen. Selbst für sehr frühe Zeiten gibt es gute Beispiele hervorragender Qualität. Wer die Spathaklinge gesehen hat, die Dr. Mäder nach japanischem Muster feingeschliffen hatte, müßte dies eigentlich bestätigen. Er hatte auch mal eine recht einfache Saxklinge feingeschliffen und einem japanischen Schmiedemeister gezeigt. Der war von der feinen Struktur des Stahls begeistert.
Die Ausgangsfrage betraf allerdings Stähle, die vor etwa 150 Jahren erzeugt wurden. Ich habe mich in meinem Beitrag nicht auf diese Stähle beschränkt, weil ich auch die mögliche Qualität guter alter Klingen erwähnen wollte. Bei den Sheffield- Bowies haben wir das Problem von Schlackeneinschlüssen nicht. Benjamin Huntsman hatte den Tiegelgußstahl bereits um 1750 entwickelt und das Verfahren war um 1800 ausgereift. Wenn man gutes Eisen-in Sheffield in der Regel aus Schweden-sog. Danemoraeisen- verwendete, es auf den gewünschten Prozentsatz aufkohlte und im Tiegel unter einer geeigneten Schlacke einschmolz, war ein vorzüglicher Stahl zu erwarten. Witzigerweise galt der so erschmolzene Stahl als hochwertiger, als der später mit Spiegeleisen hergestellte, weil durch diesen mehr Mangan und Silizium in den Stahl eingeschleppt wurden. Im Buch "Practical Blacksmithing " von 1889 beklagt sich ein Stahlhersteler aus Sheffield über die mangelhafte Qualität der damals modernen Stähle. Daran ist sogar ein Körnchen Wahrheit: In England legte man Wert auf die Reinheit des Kohlenstoffstahls für feine Schneidinstrumente. So kommt es, daß noch heute, wo die Herstellung sicher weitgehend standardisiert ist, der Sheffieldstahl einen besonderen Ruf genießt.
Ich würde mir jedenfalls nach einem guten Rasiermesser von 1800 in gutem Erhaltungszustand die Finger lecken.
Gerade habe ich mit großem Vergnügen die Seiten aus dem alten Meyers gelesen. Das waren noch Zeiten, wo man wirkliche Fachleute zu Rate zog und sich nicht mit "heisser Luft" begnügte. der artikel gibt die damalige Kenntnis in gut verständlicher Form wieder und ist - bis auf die Erklärung des Wootzstahls- in allen wesentlichen Punkten korrekt. Danke schön für diesen Beitrag.
MfG U. Gerfin
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun Arno meckern war das nicht wirklich...:hmpf:

Es geht wie immer darum die Theman dífferenziert zu betrachten. ICh stimme da mit Ulrich überein dass es auch vor 200 Jahren z.B. mit dem Holzkohlenstahl aus Sheffield sehr gutes Zeug gegebenen hat. Das Liest man ja auch einfach bei Hermann Haedicker oder Houdremont nach.

Vorsicht ist halt mit den Formulierungen geboten die drauaruf schließen lassen könnten, es sei also vor 100 oder 200 Jahren besserer Stahl erzugt worden. Da bin aber bei Ulrich sorglos.

Was definitif fehlt, da geb ich dir recht, ist einen ausführliche Untersuchung der Stahlqualitäten die es damals gab.

Das Wäre wünschenswert.
 
Hallo

Ich habe ein Küchenmesser aus England, was sich grob auf die Zeit 1870 bis 1880 datieren läßt.
Hersteller: Harrison Bros. & Rowson

Das wären dann zwar "nur" 130 Jahre, aber ich würde das einem der Herren zur Verfügung stellen, so ich es in einem Stück wieder zurückbekomme.

Da die Klinge schon recht angeknabbert ist, wäre es aber durchaus in Ordnung, wenn sie irgendwo angeschliffen werden würde, damit es schicke Fotos werden.

Wäre so ein Angebot von mir.

Der Hersteller hat ja wohl auch im größeren Rahmen "Bowies" in die Staaten exportiert und mir würde nicht einleuchten, dass man dann bei den aufwändigen Küchenmessern einen schlechterern Stahl genommen hätte.

Einfach bei mir melden.

Viele Grüße

chamenos
 

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Danke für Dei angebot, aber das wäre sicherlich schade ums Messer.

Um eine Metallografie drauf zu machen muss man da was rausschneiden um es preparieren zu können und dann ist das Stück hin.
 
Hallo Roman

Es würde doch prinzipiell reichen, ein kleines Stück der Oberfläche zu Läppen und einfach mal reinzugucken...? Haben wir bei der Spatha und einem Knollenknaufschwert auch so gemacht, funzt prima.

@Chamenos:

Vielen Dank für das Angebot. Ich meine aber, schon auf den Bildern ziemlich grobe Schlackenzeilen zu sehen, da braucht man dann auch kein Mikroskop mehr. Außer, die Klinge wäre dreilagig aufgebaut, die Schneide also entweder feiner, oder bereits Monostahl. Ich habe hier ein ebenfalls recht altes, großes Wiegemesser liegen, das eindeutig dreilagig ist. Die Decklagen sind auch dabei recht grob und voller Einschlüsse (Puddeleisen), die Schneide sieht aber frei Auge sehr gut aus. Auch dabei kann es sich aber leider bereits um Monostahl handeln.
Ein von mir kürzlich nachgeschärftes Hobeleisen (Flohmarkt) zeigte dagegen beim Feinschliff deutlich eine feine Raffinierstruktur. Das wäre was fürs Mikroskop, leider habe ich aber das Teil nicht mehr hier.

Deshalb mein Vorschlag mit der Katanaklinge: Da kann man sicher sein, dass es sich um Raffinierstahl handelt, der vom Fachmann hergestellt wurde. Wenn das Stück entsprechend gut gepflegt ist, sollte ein Blick durchs Mikroskop ausreichen, ohne großartige Vorbereitung. Es geht ja schließlich nur um Einschlüsse, und die müssten auch so schon gut zu erkennen sein.
 
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