Test div. Messer an einem widerspenstigen Material o. Wie halbiere ich eine Papprolle

klingler

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Was hab ich mich neulich im Büro geplagt, eine Papprolle auf das gewünschte Packmaß zurechtzustutzen! Ich hab immer gedacht, dass sich der aggressive Wellenschliff meines „Office-Folders“ seinen Weg locker durch die Pappe fressen würde! Aber nichts da, es hat eine ganze Weile gedauert, bis die Rolle halbiert war.

Dabei sah die Ausgangssituation gar nicht so schlecht aus. Ein Spyderco Endura (Klinge aus VG 10 mit komplettem Wellenschliff) trat gegen das Innenleben einer Plotterrolle an. Besagtes Innenleben ist ein gewickeltes Papprohr mit 59,5 mm Außendurchmesser und 4 mm Wandstärke. Das ergibt eine zu schneidende Material-Fläche von 6,97 cm², für alle Statistikinteressenten… Das sag einer Bürojobs seien langweilig – Herausforderungen lauern überall! Man muss sie nur erkennen!

Zu Hause wollte ich es dann ganz genau wissen:

1. Wie hat sich das Endura im Vergleich zu anderen Schneidwerkzeugen geschlagen?
2. Womit lässt sich so eine Rolle am besten Schneiden?
3. Wie beeinflussen Klingenlänge, Klingenstärke, der Schliff, etc. das Schneidverhalten?

Also auf zum Praxistest, eine Rollenhalterung zusammengenagelt, die Test-Messer zusammengesucht und mit jedem Messer drei Ringel von der Papprolle geschnitten. Aber eben wirklich geschnitten: vorwiegend Druckschnitt, dann die Rolle etwas gegenläufig gedreht und wieder geschnitten. Dazu hab ich jeweils die Zeit gemessen - je schneller es geht, desto besser schneidet das Messer, so meine Logik.

Hier in die Ergebnisliste (Die Zeit ist der Mittelwert aus 3 Versuchen.)

Platz 0 – 12 Sekunden, Orikomi-Klappsäge

Eigentlich außerhalb der Wertung, das es kein Messer ist, sondern eine Klappsäge mit 250 mm langem, grob gezahntem Sägeblatt.

Platz 1 – 24 Sekunden, Schinkenmesser

Hersteller unbekannt, Klingenstärke 1,8 mm, Klingenlänge 20 cm, Flachschliff. Durch den (selbstgebauten) breiten Griff bringt man viel Druck auf die dünne Klinge.

Platz 2 – 28 Sekunden, mein altes, gammeliges aber viel geliebtes Lieblingsküchenmesser

Hersteller unbekannt, absolutes Billigteil mit ca. 1 mm Klingenstärke und 9,5 cm Klingenlänge. Das Messerchen war bei der harten Pappe hart an seiner Belastungsgrenze, die Klinge immer kurz vorm ausknicken, aber es hat sich wacker geschlagen.

Platz 3 – 38 Sekunden, handgeschmiedete Damastklinge von Peter Abel

Klingenlänge 10 cm, Rückenstärke 6 mm, wobei die Klinge über 2/3 der Höhe dünn ausgeschmiedet ist und sich somit eine recht filigrane Schneide ergibt.

Platz 4 - 39 Sekunden, Gerber AF Covert mit 154-CM - Stahl

Oft als alltagsuntauglich bezeichneter Tactical Folder mit Teilwellenschliff.

Platz 5 – 48 Sekunden, Schweizer Offiziersmesser

Das Rote, das jeder kennt, ohne Verriegelung mit der „großen“ 5,5 cm - Klinge

Platz 6 – 57 Sekunden, Spyderco Endura, Wellenschliff, VG 10 – Stahl

Das Messer des Anstoßes.

Platz 7 - 77 Sekunden, 7-Zoll USMC KaBar aus 1095’er Stahl

Fast hätte ich den Versuch mit dem Messer abgebrochen! Mit dem Prügel s c h n e i d e n ist keine Freude. Die bessere Vorgehensweise wäre hier sicher gewesen, in die Rolle zu stechen und dann zu hebeln, aber das Versuchsziel hieß ja schneiden, nicht hebeln.

Platz 8 – 79 Sekunden, Bandicoot von Swamp Rat mit SR 101 TM-Stahl

Tja, das war enttäuschend. Die Klinge war vor dem Test rasierscharf und 5 Minuten später, nunja, einfach nur stumpf und eine Plagerei war’s zudem.

Fazit:

Das Spyderco ist im letzten Drittel gelandet. Ich hätte erwartet, dass sich der Wellenschliff besser in Szene setzt. Von den Serrations bin ich wegen der umständlichen Schleiferei und den einschränkenden Nutzungsmöglichkeiten eh schon abgekommen, aber nun gibt es für mich überhaupt keinen Grund mehr der „Welle zu folgen“. Ich werde demnächst noch mal alte Kletterseile schneiden, um zu sehen, ob der Wellenschliff hier Vorteile bietet.

Müsste ich täglich Papprollen zerteilen, würde ich mir die Orikomi-Klappsäge in den Schreibtisch legen. Meiner Meinung nach ist das die einzige Möglichkeit der Arthrose durch Überbeanspruchung zu entgehen.

Eine dünne Klinge mit Flachschliff ist für solche Schneidaufgaben gut geeignet. Messer mit 5 oder 6 mm starken Klingen kommen mir als Schneidwerkzeug nicht mehr ins Haus, als Haumesser o.k. da macht’s die Masse.

Eine ergonomische Griffform wirkt sich erst bei längerem Schneiden aus. Für das Einmalige „Hau-Ruck“ ist die Griffform nicht entscheidend - hier tut es notfalls auch ein Kantholz

Die Länge der Klinge ist von untergeordneter Bedeutung, weil der Druckschnitt nur in Griffnähe richtig effektiv ist.

Sollte jemand von Euch Gefallen am Schnipseln von Plotterrollen finden kann er seine „Mess-Ergebnisse“ ja hier posten. Vielleicht waren meine Messer nur stumpf…

Für alle, die bis hier unten durchgehalten haben ein paar Bilder:

2. Versuchsaufbau
1. Versuchsablauf
4. Versuchsergebnis
3. Die Probanten (von oben) Orikomi, Schinkenmeser, KaBar, Bandicoot, AF Covert, Spyderco Endura, Damastklinge von P.Abel, olles Küchenmesser, Schweizer Offiziersmesser

edit: Kann mir jemand sagen warum sich die Reihenfolgen der Bilder beim Einstellen nochmals ändert? Das is ja ein M...inus.
 

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Der Test gefällt mir irgendwie. Danke! Wenn du jetzt noch jeweils den Querschnitt der Klingen darstellst (Klinge bis zur größten Stärke durch ein Blatt festeres Papier stechen und dann das Loch vermessen, interessant: Klingenhöhe, Höhe des Anschliffs, Klingenstärke maximal, Klingenstärke direkt oberhalb der Schneide), kann man sehr gut über die Schneidfreudigkeit der einzelnen Geometrien diskutieren.
Gruß
Lars
 
Versuch mal ein deutsches Schinkenmesser (geschätzt : unter 5 Sekunden) oder ein japanisches Kochmesser (sollte durchgehen wie durch Butter - locker unter 2 Sekunden).

DACK
 
@mark23 - mach ich glatt, dauert aber ein bißchen so bis Mittwoch Abend.

@Gast - Naja es war ja auch kein Test der heißt "Wie krieg ich die Rolle am schnellsten klein" - sondern ein Schnitttest. Sonst könnte ich die Rolle auch an die Wand stellen und mit dem Fuß, so zack, karatemäßig das Ding zerteilen... Allerdings gebe ich zu, dein Katana dann mindestens im Punkto "Optik der Schnittfläche" im Vorteil :D .

@Dack Bitte, bitte, bitte machen und posten. Ich (und alle MF-Nutzer) bin/sind immer daran interessiert, wie was besser geht.
 
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Schöner Test! :super:

Ich würde auch noch gerne die einzelnen Klingengeometrien besprechen. Es wundert mich nicht, das schmale Klingen deutlich besser abschneiden.

Noch deutlicher würde dass, wenn der Abschnitt nicht, wie bei der Wurst, vorne, sondern in der Mitte erfolgte. Dann verkanten sich dicke Messer so richtig.

Das Dein Bandicoot schlecht abschneidet (im wahrsten Sinne des Wortes) wundert mich nicht, wenn Du den werkseitigen Schneidenschliff drauf hast.

Der taugt für das Messer einfach nichts. Ich habe den dicken Ballen wegschleifen lassen und habe nun ein schön scharfes Messer. Tatsache:

Im Vergleich beim Sau abziehen war das Entbeinmesser meines Daddys (Zwilling) nur etwas schneller stumpf, wie das Bandicoot. Dafür nimmt das Bandi eine superscharfe Schneide an.
 
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Das mit dem Anschliff beim Bandicoot ändern war eine der Konsequenzen aus dem Test, die ich überlegt habe. Am Wochenende werde ich mal einen flacheren Winkel draufschleifen und dann noch mal testen. :super:
 
Jetzt muss ich mal für's Endura argumentiere ;)

Abgesehen natürlich von den Klingengeometrien wie Dicke und Anschliff gilt es hier meiner Meinung nach auch, die Länge zu berücksichtigen. Denn wie will man denn die Serrations vernünftig nutzen, wenn man eben nicht sägen kann, weil die Klinge so lang ist wie das Schnittgut?

An sich aber ein sehr interessanter Test, würde mich freuen wenn da noch mehr kommt :)

Keno



Ergänzung: Das mit dem Schinkenmesser will ich sehen. Ich kenne diese Röhren. Die sind hart. Und zwar wirklich.
 
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Zum Spyderco Endura: Mal rein geometrisch betrachtet ist die Schneidkante 1,4 mal so lang wie der Durchmesser der Rolle, a b e r ich hab meist nur an e i n e r Wandung gesägt – gegenläufiges Drehen der Rolle, s.o., um sozusagen die Schnittfläche anzureissen. Ist das Messer dann erst mal an einer Stelle durch, ging es ziemlich schnell zu Ende. Die Serrations habe ich also schon genutzt. Das Haupthindernis ist das Durchdringen der Rolle an einer Stelle. Und auf „Platz 2“ hat sich ja auch so ein „Schneidstummel“ platziert. Ich glaub nicht, dass es so unbedingt an der Klingenlänge liegt - wobei längere Sägehübe sicher was bringen. Vielleicht gibt es ja mal ein "Endura Max" :D .

Vielleicht kann man die Schneidtechnik noch optimieren, aber das war ja nicht Zweck der Übung, sondern der Vergleich der Messer unter „immer den selben Bedingungen“.
 
Ich liebe solche Tests. Sie zeigen mal wieder wunderbar das Zusammenspiel von Schneidgeometrie und Schneidfähigkeit.

Zur Ratte: kann es sein, das die Beschichtung beim Schneiden hinderlich war? Die Abstumpfung erkläre ich mir dadurch, dass entweder - wie exilant gesagt hat - die Geometrie nicht optimal war, bzw. der Stahl eben sehr feinkörnig, aber nicht so verschleisfest ist.
Bei einem anderen Schneidmedium, hätte es vielleicht anders ausgesehen.

Gruß

The Lem
 
Naja ich teste immer nur Klingen an Äpfeln :hmpf:

Man merkt aber recht schnell, womit der Apfel geschnitten wird, und mit welchem Messer man ihn eher spaltet. Ich hab's woanders schonmal gesagt, irgendwas ist da verkehrt, wenn ein 10€ Opinel ein 120€+ Benchmade locker abhängt. Und das, was verkehrt ist, ist nicht der Anschliff des Opinel. Insofern gehen mir die Spaltkeile langsam aber sicher auf den Geist.

Mach' doch mit den Testkandidaten weiter, nur mit anderen Materialien - Holz, Seile, ....

Cliff Stamp II ;)

Keno
 
O.k. ich mach demnächst ein "Stichbild", wie von mark23 angeregt, mit Maßen.

@ TheLem: Die Beschichtung der Ratte wird zwar als rauh bezeichnet; es ist jetzt aber nicht wie ein Klettband oder Sandpapier. Sie schleift sich bei der Benutzung auch ziemlich glatt.
 
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Ich muss mich auch auf die Spyderco-Seite stellen. Normalweise müsste das Endura wie eine Kettensäge durch die Rolle schneiden. Vielleicht wiederholt jemand diesen Test mit einem Military SE und einem Temperance SE :haemisch:
 
cheez schrieb:
Ich hab's woanders schonmal gesagt, irgendwas ist da verkehrt, wenn ein 10€ Opinel ein 120€+ Benchmade locker abhängt. Und das, was verkehrt ist, ist nicht der Anschliff des Opinel. Insofern gehen mir die Spaltkeile langsam aber sicher auf den Geist.


Keno

OT an: Je nachdem. Wenn ich ein hohlgeschliffenes Messer sehe, das einen V - förmigen Schneidenschliff hat, wo die Stärke am obernen Ende des V über 0,7mm dick ist, bekomme auch ich Zweifel an der Werksgüte ( :D ).

Es kommt auch darauf an, wozu dieses Messer gedacht war. Sollte es mehr auf Stabilität gehen, so kann man die Keiler durchgehen lassen. Manche lassen sich recht einfach ballig abziehen, so dass man etwas der Opinelqualitäten bekommt, ohne großartig an Masse zu verlieren. Klar keilen die, wie sollten sie auch anders. Aber auch Opinels keilen, nur feiner. Das ist ein schöner Effekt des balligen Abzugs, dass die Schneide durch die relativ ausladenden Schneidenflanken geschützt wird.

Man kann aber auch einfach seine Lieblinge zu einem fähigen Messerschleifer geben. Zwar darf man dann nicht schreien, die sähen nicht mehr neu aus, aber die machen aus den Klingen dann das, was Opinel von vorne herein macht.

Insoweit bin ich nicht jeder Messermanufaktur böse, aber ich weiß, was Du meinst und so maches Messerchen erntete auf mancher Messe so manches Kopfschütteln meinerseits.

Ach, noch was zu Opinel. Die schneiden, auch wenn sie stumpf sind. Mancher fette Onkel sieht da arm aus. OT Ende.
 
@C36GSE: Ich hätte auch gedacht, dass das Spyderco da glatt durchgeht, aber das Messer hält sich eben nicht an "Wollen und Wünschen". Ich mein, für das Endura hab ich ja mal Geld ausgegeben weil mir's gefallen hat...

Ein Vergleich mit einer CPM-S30-V Klinge, serrated, fände ich auch spannend :super: Also gegen Portoersatz versende ich auch gerne das "Original Testmaterial" an andere Testwillige.
 
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:D :lach: :lach:

jrgenwie lustig dein test, ich weiss diese paprollen sind zähe teile :lach:


mit meinem yanagiba sollte ein neuer rekord zu machen sein (oder doch nicht?), irgendwie, ist es dann doch zu schade für die schlachterei ;)
 
So eine Papprolle habe ich auch. Ich wollte daraus an sich mal Präsentierständer bauen.

Aber ich kann natürlich auch mal einen neuen Rekord anstreben... ;)

@Alle: unterschätzt diese Pappröhren nicht. Das sind wirklich heftige Dinger. Da kann man sich längs draufstellen, ohne dass sie platt werden. Was ganz anderes als Toilettenpapierrollen, auch wenn sie so aussehen!

-Walter
 
So hier nun "repräsentative" Querschnitte der verwendeten Klingen. Die Maße wurden etwa in Klingenmitte genommen. Die Skizzen sind untereinander im korrekten Maßstab. :hmpf:

Das mit dem Stichbild und Papier hab ich nicht gescheit hingebracht, so dass man etwas erkennen konnte... :rolleyes:
 

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Methodischer Fehler im Test?

Womöglich korreliert zunehmende Schnittzeit mit abnehmender Füllmenge des abgebildeten Bierglases? :D
Ich empfehle hier mal eine multiple Regressionsanalyse (Faktoren: Klingenlänge, Klingenstärke, usw.) zu rechnen und diesen Faktor (Bierkonsum) dabei zu berücksichtigen. :irre:
Prost,
Markus
 
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