Hallo alle zusammen,
hier mal etwas ausführlicher und hoffentlich richtig:
Wenn man dem glaubt, was ich in der Werkstoffkunde-Vorlesung gelernt habe, dann beruht das martensitische Härten darauf, dass sich im Austenit (gamma-Eisen) mehr Kohlenstoff lösen kann als im Ferrit (alpha-Eisen).
Der Unterschied zwischen Ferrit und Austenit liegt in der Kristallgitter-Struktur. Das Ferrit Gitter ist kubisch raumzentiriert, die Atome liegen also an den Ecken eines imagionären Würfels und ein Atom im Zentrum des Würfels. Es braucht also insgesamt 9 Atome für eine Einzelzelle, 5 Atome für jede weitere angehängte.
Der Austenit besitzt ein kubisch flächenzentriertes Kristallgitter, bei dem Die Atome auf den Ecken und den Flächen des Würfels liegen. Hier sind es 14 Atome für die Einzelzelle und 9 Atome für jede weitere.
Durch den unterschiedlichen Atombedarf der Gitter erklärt sich das plötzliche Schrumpfen von Eisenbasis-Werkstücken bei erreichen der Umwandlungstemperatur vom Ferrit zum Austenit.
Die Umwandlungstemperatur ist in der Tat stark von den Legierungselementen, insbesondere vom Kohlenstoffgehalt abhängig. Die Temperatur, bei der die Umwandlung beginnt, nennt man Ac1.
Für reines Eisen liegt Ac1 bei 911°C und sinkt mit steigendem Kohlenstoffgehalt bis auf 769°C ab. Dieser Wert wird bei etwa 0,8% Kohlenstoff erreicht.
HÄRTEN:
Man erhitzt das zu härtende Werkstück bis in den Austenitischen Bereich, damit der Kohlenstoff sich auflösen kann. Diese Temperatur liegt etwa 50°C über Ac1 und wird einige Minuten gehalten.
Dann wird das Werkstück abgeschreckt, das Gitter springt zum ferritischen zurück, der Kohlenstoff wandert aber zu langsam. Er steckt im Ferrit fest undverzerrt diesen. Den verzerrten Ferrit nennt man Martensit. Die Verspannungen machen ihn hart, gleich einem mit Seilen verspannten Zelt, welches von sich aus eher wackelig wäre. Gleichzeitig ist der Martensit aber auch sehr spröde.
Da der Kohlenstoff im laufe der Zeit langsam wandert, und zwar aus der Zwangslage hinaus, verliert sich die martensitische Struktur und Härte im Laufe der Jahrhunderte.
Das Wanders beschleunigt man nach dem Härten durch das Anlassen, kontrolliertes aufheizen auf wenige hundert Grad, je nach Einsatzzweck des Werkstücks, und Halten aud der Anlasstemperatur für einige Minuten oder auch Stunden. Dadurch geht Härte verloren und Zähigkeit kehrt zurück.
AUSTENITISIERUNGSTEMPERATUR:
Im Stahlschlüssel zum Beispiel, sind die Temperaturen für die härtbaren Stähle aufgelistet. Wer also ein Thermometer für diese Temperaturbereiche besitzt...
Abschätzen kann man die Temperatur sehr gut mit dem Magnettest, im Forum schon oft beschrieben, da der Austenit, im Gegensatz zum Ferrit, nicht magnetischist. Man kann also das zu härtende Stück während des Aufheizens fortwärend auf seinen Magnetismus hin überprüfen, indem man schlicht testet, ob ein Magnet angezogen wird. Sobald sich der Magnetismus abschwächt, ist Ac1 erreicht. Man erhöht nun die Temperatur nur um weitere 50°C, was zugegebenermaßen nicht ganz einfach abzuschätzen ist. Diese Temperatur hält man für einige Minuten, damit der Kohlenstoff etwas Zeit zum Wandern bekommt.
Die Magnetmethode ist zumindest etwas genauer als das bloße Beurteilen der Glühfarbe, denn "Kirschrot" ist halt doch Auslegungssache.
Die Stähle 1.1050 und 1.1060 kenne ich nicht, aber alles von C22 bis C125, 100Cr6 u.s.w. kann man so behandeln.
...das muss für heute reichen.
MfG
newtoolsmith