Hallo Maik !
Du hast Herbert gefragt und er wird Dir sicher auch kompetent antworten.
Ich schalte mich hier mal ein, um zu verdeutlichen, daß man Deine Frage nicht wirklich beantworten kann, weil es eine "optimale" berechnebare Haltezeit nicht gibt.
Ich will es an Beispielen verdeutlichen:
Nimm einmal an, Du hättest einen Stahl C 75 W1, also einen reinen Kohlenstoffstahl mit ca 0,75-0,8 % C. Der Einfachheit halber nehmen wir an, er habe exakt die eutektoidische Zusammensetzung, bestünde also im weichgeglühten Zustand aus reinem Perlit. Dieses Mischgefüge aus Ferrit und Zementit wandelt sich bei einer Temperatur von knapp über Ac 1 recht schnell in Austenit um, in dem der Kohlenstoff gelöst ist.
Als Temperaturfenster kann man dafür 725-730 Grad annehmen.
Bei 768 Grad- dem Curie-Punkt- bei dem der Stahl den Magnetismus verliert, ist diese Umwandlung abgeschlossen. Eine Haltezeit vor dem Abschrecken wäre hier überflüssig.
So einfach liegt es aber im wirklichen Leben so gut wie nie.
Bei reinen Kohlenstoffstählen mit mehr als ca. 0,8 % C werden die Karbide erst bei höheren Temperaturen vollständig gelöst. Man härtet aber gleichwohl so gut wie nie aus der Temperatur der vollständigen Karbidlösung, sondern so, als habe man einen eutektoidischen Stahl-s.o. -vor sich. Bei höherem C-Gehalt und höherer Härtetemperatur erreicht man nämlich keine höhere Härte, sondern muß wegen des vermehrten Restaustenits eine geringere Härte in Kauf nehmen.
Auch bei einem solchen Stahl bräuchtest Du also nach dem Verlust des Magnetismus keine Haltezeit einzukalkulieren.
Auch dies wäre aber noch ein ganz vereinfachter Fall.
Selbst die meisten schwach legierten Werkzeugstähle haben Legierungselemente, die die Karbidbildung und die Wärmebehandlung beeinflussen.
Chrom, Wolfram, Molybdän und Vanadium bilden Sonderkarbide, die einerseits wesentlich härter sind, als der Zementit, sich aber auch wesentlich schwieriger in Lösung bringen lassen.
Das hat zur Folge, daß sich bei niedriger Härtetemperatur-also knapp über Ac 1- die Karbide nur teilweise lösen, der dort gebundene Kohlenstoff also für die Härtung nicht zur Verfügung steht. Umgekehrt verringern diese Legierungselemente die untere kritische Abkühlungsgeschwindigkeit, sodaß- wenn die Karbide gelöst sind- eine wesentlich mildere Abschreckung zur vollen Härtung ausreicht.
Dies hat man genutzt, um Stähle mit einregelbarer Härtetiefe zu erzeugen. Härtet man sie aus einer Temperatur der unvollständigen Karbidlösung, so verhalten sie sich wie unlegierte Stähle mit entsprechend niedrigerem C-Gehalt, härten also bei größeren Durchmessern nur in der Randschicht und behalten einen zähen Kern. Härtet man sie von einer Temperatur, bei der die Sonderkarbide ganz oder teilweise gelöst sind, so härten sie tiefer ein.
Im Falle Deines Damasts ist davon auszugehen, daß der Leo-Stahl- an sich nur ein Vergütungsstahl- soweit aufkohlt, daß Chromkarbide entstehen und aus dem Wolframstahl auch Wolfram-Sonderkarbide vorhanden sind. Riesenmengen sind das sicher nicht, genaue Angaben kann man aber ohne Gefügeuntersuchung sicher nicht machen, da die Massenverhältnisse der Stähle, die Schweißtemperatur usw. eine Rolle spielen. Letztlich macht das aber nicht viel aus.
Wenn Du nach der Entmagnetisierung ohne Haltezeit härtest, so ist immer noch genug Kohlenstoff gelöst, um eine volle Härtung zu erzielen und die ungelösten Karbide-hoffentlich- und sogar nach dem Schmieden wahrscheinlich-ganz klein- liegen halt ungelöst vor.
Härtest du von etwas erhöhter Temperatur oder mit einer gewissen Haltezeit, so sind mehr Karbide gelöst und die Härtetiefe würde steigen-was aber hier keine Rolle spielt, denn eine dünne Klinge härtet sowieso durch.
Eine zu lange Haltezeit könnte allerdings nach vollständiger Karbidlösung zu Kornwachstum führen.
Ich würde also nach der Entmagnetisierung alsbald abschrecken, bis zu 5 Min. Haltezeit werden auch nichts schaden. Da sie aber auch nicht wirklich Nutzen bringen, würde ich es lassen.
MfG U. Gerfin