Urteil vom AG-Kiel zum Begriff "ge- bzw. verschlossenes Behältnis"

propaghandi

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Diese beispielhaften "Würdigungen" von Sachverhalten oder hier eines Messers hinsichtlich seiner Waffeneigenschaft oder "Führensverbot" wird nicht auf blauen Dunst oder "just for fun" so vorgenommen, sondern aus den Erfahrungen im Rückgriff auf bereits getroffene richterliche Entscheidungen der Vergangenheit, und zwar verallgemeinernd anhand der Urteilsbegründungen.

Jedes neue Urteil, was in irgendwelchen Zusammenhängen getroffen wird, fließt früher oder später in das Fallwürdigungsschema ein, was Polizisten lernen.

Nichts anderes meinte ich, als ich sagte, dass die Literatur der Rechtsprechung folgt und nicht umgekehrt. Und ich hoffe, dass dies auch mit dem oben angeführten Urteil passiert.

Bislang wurde der Begriff des "verschlossenen Behältnisses" des § 42a II Nr.2 WaffG seitens der Ordnungsbehörden recht restriktiv ausgelegt und zwar in dem Sinne, dass das Behältnis tatsächlich über ein Schloss verfügt. Dabei wurde der Gesetzestext streng grammatikalisch ausgelegt (verschlossen statt geschlossen) und auf den Begründungstext zum Waffengesetz (...einem verschlossenen Behältnis (z. B. in einer eingeschweißten Verpackung oder in einer mit Schloss verriegelten Tasche)..) Bezug genommen (vgl. BT-Drs. 16/8224 v. 20.02.2008, S. 17).

Dieser Auslegung folgend, wurden hier im MF auch einige kreative Ideen diskutiert:
Abschließbare Messerscheide
Messeretui mit Schloss
wieder abschließbare Messerscheide

Das AG Kiel hat nun in einem Urteil den Begriff des "verschlossenen Behältnisses" des § 42a II Nr.2 WaffG dahingehend konkretisiert, dass ein Behältnis verschlossen ist , "wenn sein Inhalt durch ein Schloss, eine sonstige technische Schließeinrichtung oder auf andere Weise, z.B. durch festes Verschnüren gegen einen ordnungswidrigen Zugriff von außen besonders gesichert ist", wie es z.B. bei "einem ordnungsgemäß verschlossenen Rucksack" der Fall ist.

In diesem Fall hat sich das Gericht der teleologischen Auslegung bedient, indem es auf den Sinn und Zweck des Gesetzes abstellt und die Bedingungen des § 42a II Nr.2 WaffG als erfüllt ansieht.

Wer sagt jetzt, woher der Richter seine "Meinung" hat ?

Ich kann mir durchaus vorstellen, das das Gericht aufgrund eigener Überlegungen und selbstständiger Gesetzesauslegung unter Berücksichtigung der rechtlichen wie tatsächlichen Aspekte des Falles zu diesem Urteil gelangt ist.
Und jetzt sollte eigentlich das von Dir erwähnte "regelmäßige, gegenseitigen Zusammenspiel" zwischen polizeilicher Lehre und richterlicher Praxis greifen, indem dieses Urteil in den Fallwürdigungschemata der Polizeien Berücksichtigung findet.

Darum ist es auch ein Fehler, die Ausführungen von Ostgathe zu unterschätzen oder als Einzelmeinung, bzw. Wichtigtuerei abzutun. Er wird schätzungsweise pro Lehrgang zwischen 20 und 30 Lehrgangsteilnehmer unterrichten, mindestens einmal pro Kalenderjahr, wahrscheinlich eher zweimal. Das bedeutet, dass jedes Jahr etwa 40 - 60 neue Beamten des gehobenen Dienstes diese Lehrmeinung in der Praxis umsetzen.
Nochmal: Ich spreche den Ausbildern/Dozenten der Polizeien weder die Kompetenz oder den Sachverstand ab, noch negiere ich die Einflußmöglichkeiten, die Herr Ostgathe ob seiner Dozententätigkeit hat. Aber letztendlich wird auch er nicht drum herum kommen, gerichtliche Urteile anzuerkennen und in seinem Unterricht deren Bedeutung auf die Polizeipraxis herauszuarbeiten.

Dabei sollte er vor allen Dingen handwerklich sauber argumentieren. In seinem Kommentar zu dem o.g. Urteil unterstellt der dem AG Kiel eine Unkenntnis der Rechtslage:
Herr Ostgathe:
Im Übrigen verkennt AG Kiel in dessen Auslegung den Hauptaspekt der befreienden Regelung des § 42a WaffG. [...] Ziel des Gesetzgebers ist es daher gewesen, dass es die Inhaber von Gegenständen gem. § 42a WaffG "künftig wesentlich schwerer haben, diese außerhalb des eigenen befriedeten Besitztums zu benutzen." (vgl. BT-Drs. 16/8224 v. 20.02.2008, S. 17, Quelle: bundestag.de)

Wenn man dann tatsächlich in der von ihm angeführten Quelle nachliest, stellt sich die Rechtslage aber doch etwas dar:
Begründung Gesetzestext:
Es wird eine Anregung des Bundesrates aufgegriffen, die das vorgesehene Führensverbot für Anscheinswaffen erweitert. Deren Transport wird künftig nur noch in einem verschlossenen Behältnis (z. B. in einer eingeschweißten Verpackung oder in einer mit Schloss verriegelten Tasche) vom Erwerbsort zu oder zwischen befriedetem Besitztum möglich sein.Auf diese Weise sollen für den Transport von Anscheinswaffen außerhalb des Führensverbotes hohe Hürden aufgebaut werden. Inhaber von Anscheinswaffen sollen es künftig wesentlich schwerer haben, diese außerhalb des eigenen befriedeten Besitztums zu benutzen. Die hohe Hürde für den Transport von Anscheinswaffen ist ein weiterer Beitrag zu ihrer gesellschaftlichen Ächtung.
Wie man sieht, sollen nur die Träger von Anscheinswaffen (§ 42a I Nr. 1 WaffG) mit solch hohen Hürden zu kämpfen haben, während die in §42a I Nr. 3 WaffG aufgezählten Messer (Einhandmesser und Fixed > 12cm) ausdrücklich nicht erwähnt werden!
In der Begründung des Gesetzestextes wird vielmehr ausgeführt, dass "derartige Messer jedoch auch nützliche Gebrauchsmesser sein können" und "die Absätze 2 und 3 die für den Alltag erforderlichen Ausnahmeregelungen regeln, um den sozialadäquaten Gebrauch von Messern nicht durch das Führensverbot zu beeinträchtigen".

Diesen Gedanken des Gesetzesgebers scheint das AG Kiel in seiner Urteilsfindung hinreichend beachtet und gewürdigt zu haben, als es solch ein Urteil fällte.

Für mich ist es jedenfalls schön zu wissen, dass z.B. der Transport eines Einhandmessers in einem ordnungsgemäß mit Reißverschluß verschlossenen Rucksack durch § 42a II Nr. 2 WaffG gedeckt ist.

Jetzt wäre noch ein weiteres Urteil wünschenswert, das konkretisiert, wann "ein berechtigtes Interesse vorliegt", bzw. was ein "sozialadäquater Gebrauch" ist, damit ich mein Messer auch nach § 42a II Nr. 3 WaffG führen kann.

PS: @ Luftauge: meine Antwort auf Deinen Beitrag ist jetzt doch länger als ich dachte.
Wenn mein Beitrag hier zu OT ist, wäre es toll, wenn Du ihn vielleicht HIERHIN verschiebst. Danke! :super:
 
Text "Die Rechtslage - WaffG und Messer" ergänzen?

Propaghandi hat hier auf ein interessantes Urteil zur Thematik "geschlossen / verschlossen" hingewiesen.
Auch wenn ein einzelnes Urteil noch keine Rechtssicherheit gibt, finde ich das sehr erfreulich.
Sollten wir den Text auf der IMSW-Seite unter 4.1. entsprechend ergänzen?

Grüße
Rainer
 
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