Versuche zur Wärmebehandlung

stone600

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Servus,

wie hier
http://www.messerforum.net/showthread.php?117493-Ein-Jagdmesser-entsteht
bereits angesprochen habe ich mich mal etwas mit meinem Härteofen beschäftigt. Dabei habe ich zuerst mittels Kochsalz (Schmelzpunkt 801 Grad) meine Temperaturanzeige am Ofen kontrolliert. Diese zeigt etwa 30 Grad zu viel an. Das berücksichtige ich beim weiteren Vorgehen. Die angegebene Temperatur ist die tatsächliche und nicht die, die angezeigt wird.
Des weiteren habe ich beobachtet, dass beim Einlegen des Stahls die Ofentemperatur um ca. 50 Grad fällt und ca. zwei Minuten vergehen, bis die eingestellte Temperatur wieder erreicht ist. Bei den angegebenen Zeiten sind diese zwei Minuten inklusive.
Als erstes nahm ich ein Probestück meines aktuellen Lieferanten für 1.2510 und habe es vier Mal gehärtet. Jedes Mal habe ich die Temperatur und Zeit im Ofen etwas geändert. Dabei habe ich festgestellt, dass:
-Der verwendete Stahl einen guten Ausgangszustand hatte.
-Fünf Minuten Verweildauer im Ofen locker reichen.
-15 Minuten Verweildauer im Ofen, bei niedriger Temperatur auch nichts anrichten.
-Hohe Temperaturen schnell zu Kornwachstum führen.
Das ist jetzt grundsätzlich nichts neues, war aber für mich ganz interessant, da ich meinen Ofen jetzt besser kenne und Zeiten und Temperaturen, wenn nötig, besser anpassen kann. Es gibt mir auch ein besseres Gefühl, die Beobachtungen selbst gemacht zu haben, als sich blind auf die Aussagen anderer verlassen zu müssen. Auch wenn hier im Forum sehr kompetente Leute unterwegs sind und Ihr Wissen gerne weitergeben.
Hier nun die Bilder. Sie sind nicht besonders gut und darum nicht sonderlich aussagefähig. Ich versuche die Bruchproben etwas zu Beschreiben.


Notizen und Bruchproben:
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Härten bei 780°, 5 Minuten im Ofen:
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Der Bruch ist fein und muschlig.

Härten bei 780°, 15 Minuten im Ofen:
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Kein Unterschied zum ersten Versuch.

Härten bei 850°, 10 Minuten im Ofen:
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Hier hat sich definitiv Grobkorn gebildet!

Härten bei 780°, 5 Minuten im Ofen:
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Hier ist wieder alles in Ordnung. Sogar etwas besser als beim ersten und zweiten Härten.

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Nun der zweite Versuch mit einem Probestück von meinem alten Lieferanten.

Härten bei 750°, 5 Minuten im Ofen:
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Katastrophal! Das sieht man sogar auf einem schlechten Bild.

Härten bei 900°, 5 Minuten im Ofen:
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Nur noch halb so schlimm, aber immer noch weit vom Ideal entfernt.

Härten bei 780°, 5 Minuten im Ofen:
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Schon viel besser, aber immer noch nicht optimal.

Fazit:
Bei diesem Stahl und so einem kaputten Gefüge reicht einfaches, mehrfaches härten nicht. Man muss mit der Temperatur gewaltig nach oben, eventuell sogar mehrmals, um diesen Defekt wieder zu reparieren.

Ich hoffe, ich konnte dem ein oder anderen etwas weiterhelfen.

Gruß Christian
 
Hallo Stone,

interessanter Bericht.

Hast du das Härten immer in der Reihenfolge 1. 780°C (750) 2. 850°C (900) 3. 780°C vorgenommen?

Gruß Carsten
 
Hast du das Härten immer in der Reihenfolge 1. 780°C (750) 2. 850°C (900) 3. 780°C vorgenommen?

Ich habe beim ersten Versuch insgesamt vier Mal gehärtet, ohne dazwischen anzulassen oder sonstiges. Zuerst 780°, 5 Minuten. Dann ein Stück abgebrochen. Dann 780°, 15 Minuten, ein Stück abgebrochen. Dann 850°, 10 Minuten, ein Stück abgebrochen. Und schließlich wieder 780°, 5 Minuten, ein Stück abgebrochen. Das erste Bruchstück wurde also nur einmal gehärtet, das vierte Bruchstück vier Mal.

Beim zweiten Versuch waren es nur drei Mal, bei selbiger Vorgehensweise.
 
Ich bin mir jetzt nicht sicher ob es am vier mal Härten liegt oder ob es in deinem Fall günstiger ist das die Temperatur von oben (850°) herab wieder auf 780° ging und dein Ofen anders/besser durchgeheizt war?
Dazu hab ich aber viel zu wenig Erfahrung,beschäftige mich mit dem selber Härten erst sehr kurze Zeit.

Gruß Carsten
 
Ich glaube nicht, dass man durch diesen Versuch pauschal sagen kann, dass viermaliges Härten ein feines Gefüge hervorbringt. Ich deute den Versuch so:
Der Ausgangszustand war gut.
Das zweite Härten, bei längerer Verweildauer im Ofen, hat das Gefüge nicht verschlechtert.
Das dritte Härten, bei höherer Temperatur hat das Korn wachsen lassen.
Beim vierten Härten trat eine Kornverfeinerung auf.

Fazit Nr. 1:
Die Härteversuche 1+2 kann man vernachlässigen. Diese zeigten mir nur, dass es ausreichend ist, den Stahl bis zur unteren Härtetemperatur zu erhitzen und kaum auf dieser zu halten. Als Haltezeit würde ich das sowieso nicht bezeichnen. Eher als Sichergehen, dass der Stahl vollständig durch gewärmt ist.

Fazit Nr. 2:
Eine Kornverfeinerung trat erst auf, als ich den Stahl bewusst überhitzt habe und ein zweites Mal bei der unteren Härtetemperatur gehärtet habe. Der zweite Versuch mit dem richtig schlechten Ausgangsgefüge bestätigt das.

Erklärung:
Experten bitte helfen!
Durch das überhitzen entstand definitiv Grobkorn. Es wurden aber auch hartnäckige Gefügebestandteile in Lösung gebracht. Durch das erneute Härten bei niedriger Temperatur wurde das Gefüge verfeinert.
 
Ich würde das Fazit anders ziehen:
Durch deine Versuche hast Du bestätigt, dass man den Stahl auf keinen Fall überhitzen sollte, um Grobkorn zu vermeiden. Empfohlen wird die (ggf. "scharfe") Normalisierung ca. 50°C unterhalb der Austenitisierungstemperatur Ac1, um danach im empfohlenem Temperaturfenster zu härten.

Du hattest doch vor einiger Zeit (vor ca. zwei Jahren ??) schon mal deine Beobachtungen anhand eigener Versuche hier mitgeteilt und vorgezeigt, da klang es noch nachvollziehbar, wenn auch die Begriffe damals nicht genau zur Glühbehandlung gepasst hatten. Diesmal scheint es genau anders zu sein...

Wenn die Probe vom früheren Lieferanten so aussah, dann kann ich jetzt im Vergleich zum aktuellen deine Bedenken bezüglich Anlieferungszustand bestens nachvollziehen, wenn ich auch mit einigen deiner damaligen und jetzigen Schlußfolgerungen immer noch nicht einverstanden bin. Der alte Sahl scheint im Anlieferungszustand ebenfalls überhitzt gewesen zu sein... ;)

Uli Gerfin hatte das "Problem" oder den "Dreh" auch schon mal erklärt, dass man mit sehr kurzzeitiger, minimaler Überhitzung am oberen Grenzbereich des empfohlenen Temperaturfensters u.U. eine Verfeinerung erzielen kann, aber dass man den Stahl bewusst massiv überhitzen sollte, um dies zu erreichen, daran kann ich mich nicht erinnern...

Nur um das klarzustellen:
Ich bin keiner der Experten, die Du meinst... :hmpf:

Gruß Andreas
 
Servus Andreas,

wie Du siehst hat mich das Thema nicht losgelassen. Die zweite Probe mit dem massiven Grobkorn ist vom selben Stück Präziflach, wie damals. Ich habe aus diesem Stahl keine Messer mehr gemacht, deshalb hab ich noch genug zu experimentieren da.

Ich habe den Stahl nur mit der Bandsäge bearbeitet und nicht geflext, um ein ungewolltes Überhitzen auszuschließen. Da ich am unteren Ende der empfohlenen Härtetemperatur gehärtet habe, schließe ich auch hier ein Überhitzen hundertprozentig aus. Somit muss das Überhitzen in der Fertigung geschehen sein. Stimmst Du mir soweit zu?

Als Austenitisierungstemperatur habe ich 820° gegoogelt. Abzuglich der vorgeschlagenen 50°, wäre ich bei 770°, also so gut wie kein Unterschied zu meiner gewählten Härtetemperatur. Durch mehrfaches Härten oder scharfes Normalisieren bei dieser Temperatur habe ich zwar eine Verbesserung feststellen können, diese war aber bei weitem nicht so dramatisch, als bei meinen jüngsten Versuchen. 900° sind sehr wahrscheinlich etwas hoch gegriffen. Ich habe auch niemandem empfohlen, seinen Stahl derartig zu überhitzen. Das Ergebnis ist aber eindeutig. Auch beim ersten Versuch erhielt ich nach dem härten mit erhöhter Temperatur und anschließendem Härten bei niedriger Temperatur, ein feineres Gefüge als nach zweimaligem normalen härten.

U. Gerfin empfahl mir damals übrigens folgendes:

"Deshalb ist zur Beseitigung von Grobkorn und Korngrenzenzementit ein Verfahren etwa wie folgt am wirksamsten:
1. Weichglühen- nach Stahlschlüssel oder den Angaben des Herstellers.
Grund: Das Weichglühgefüge hat die größte Duktilität und verträgt die folgenden Mißhandlungen am ehesten.
2. Scharf normalisieren- Erhitzen bis in die Nähe der völligen Karbidlösung und schnell abkühlen.
3. Wieder Weichglühen, um dem Gefüge etwas Entspannung zu geben.
4. Probestück härten und brechen- zeigt sich dabei das feine Gefüge und der Bruch erfolgt nur bei erheblicher Kraftentfaltung, ist alles in Ordnung.
Ist das Ergebnis nicht befriedigend, Vorgänge 2 und 3 wiederholen."

Wobei ich nicht weiß, von welchem Temperaturfenster man bei der völligen Karbidlösung spricht.

Es wäre nett, wenn sich hier nochmal ein Profi einschalten würde, damit ich meine Beobachtungen besser verstehe.

Gruß Christian
 
Du hattest ja den Tip von Uli Gerfin, nach dem Stahlschlüssel zu verfahren, selbst zitiert, es dann aber doch anders gemacht...

Ich habe vorhin auch nochmal nachgesehen. Das Temperaturfenster für 1.2510 wird dort mit 780 - 820°C angegeben !!. Das bedeutet, dass der Austenitisierungsbereich laut Stahlschlüssel bei 780°C seine unter(st)e Grenze hat. Ca. 50°C darunter sind wir bei etwa 730°C !!

Ob es nun exakt bei 780°C schon voll im Gange ist, oder tatsächlch erst dort beginnt, weiß ich nicht. Aber ich nehme mal an, dass es da schon voll austenitisiert ist, denn sonst würde man dort nicht schon mit dem Abschrecken beginnen können. Das ist quasi die Pflicht, die höheren Temperaturen bis 820°C sind dann die Kür, je nachdem, was man genau mit dem Stahl vorhat.

Das andere, was mir durch die Bilder auffiel ist folgendes:
Das erste Härten sieht gut aus, dann kommt das Überhitzen, danach das etwas heißere Härten und dann wieder das korrekte Härten. Ich beschreibe es mal so:
Du hast beim ersten Mal von der möglichen Feinheit etwa 95-97% erreicht, dann durch Überhitzen das Gefüge auf etwa 40% verschlechtert und bist danach bei etwa 90% wieder rausgekommen - um das mal zu umschreiben, wie es mir beim Ansehen der Bilder vorkam, auch wenn sie nicht in Katalogqualität sind, aber das ist mein Eindruck von den Bruchflächen.

edit:
Ich habe nirgends behauptet, dass *Du* ein massives Überhitzen empfohlen hast, sondern dass *er* es nie gemacht hat. Damit habe ich vorsichtig angedeutet, dass Du die Ratschläge von Uli Gerfin missverstanden hast.

Dass Du andere Temperaturen ansetzt, als von Uli Gerfin empfohlen oder in Fachbüchern sogar festgelegt sind, bestätigt mir diese Vermutung.

Gruß Andreas
 
Zuletzt bearbeitet:
Guten Morgen,

Du hattest ja den Tip von Uli Gerfin, nach dem Stahlschlüssel zu verfahren, selbst zitiert, es dann aber doch anders gemacht..

Das Verfahren nach Stahlschlüssel bezog sich aber nur auf das Weichglühen. Im nächsten Schritt empfiehlt er, den Stahl nahe der völligen Karbidlösung zu erhitzen. Das ist aber meiner Meinung nach mehr als die Austenitisierungstemperatur, da manche Karbide mehr Temperatur zur Lösung benötigen. Oder liege ich hier falsch?

Ich wollte in meiner Versuchsreihe, ursprünglich, den Stahl ja auch nicht normalisieren, sondern nur beobachten, was verschiedene Temperaturen und Zeiten mit ihm anstellen:

Hohe Temperatur, lange Haltezeit => schlecht
Niedrige Temperatur, kurze (keine) Haltezeit => gut

Das ist jetzt auch wirklich nichts neues. Es war aber interessant, es einmal selbst auszuprobieren.

Und jetzt kommt eben die Sache, die ich gerne noch besser verstehen würde:

Warum bekomme ich, im Gegensatz zur einfachen Mehrfachhärtung / zum mehrfachen scharfen Normalisieren, ein feineres Gefüge, wenn ich bei Mehrfachhärtung den Stahl (1.2510) einmahl überhitze und dann normal Härte?
Beim CK75 konnte ich beobachten, dass mehrfaches Härten / scharfes Normalisieren ausreicht, um das Gefüge zu verfeinern.


Gruß Christian
 
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