Von Möhrentöter und Klonkmeistern

pebe

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Von Möhrentöter und Klonkmeistern

Nachdem meine KMS Leiste inzwischen einigermaßen besetzt ist, war es an Zeit den direkten Vergleich zu starten.

Nicht mit Wissenschaft oder Geometriedaten, nicht mit Papier, Tomaten oder Paprika, sondern mit den berüchtigten Karotten, die möglichst geräuschlos zerteilt werden sollen. Muss das Messer gegen spürbaren Widerstand durchgedrückt werden, endet der Schnitt meist mit einem lauten Aufschlaggeräusch auf dem Brett. In einer Sprechblase stünde dann fett KLONK. Für Klonk oder Nicht-Klonk sind am Start:

Zwilling Bob Kramer Carbon,

Mazaki KU White #2,

Herder K-Chef stainless,

Herder 1922 Carbon,

Böker Cottage Craft Carbon,

Shiro Kamo Orca R2,

Kai Shun Classic VG10,

Sören Sander Volldamast und

WundererAmEisen Carbon.


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Ich hatte ja bei Ankunft des Böker Cottage Craft einen ersten Eindruck im Vergleich zu anderen Messer geschildert. Da lag ich grundsätzlich nicht falsch, muss aber doch in einigen Punkten korrigieren und ergänzen.

Und. To make a long story short - Wir erleben beim Zerlegen der Karotten eine Dreiklassengesellschaft.

Ganz oben thronen Orca und Mazaki. Hier gibt‘s den leichtesten Schnitt. Ohne Klonk gleiten die Klingen durch die gekühlten Karotten wie andere Messer durch Papier.

Das Mazaki hat zwar gegenüber dem Orca einen Gewichtsvorteil, der dabei hilfreich ist, aber innerhalb dieser Meisterklasse ist das Orca der Primus. Dennoch. Beide klonkfrei vom Feinsten. Wer das nicht kennt, sollte dieses Erlebnis bei nächster Gelegenheit nachholen.

Danach folgen die beiden Herder. Manchmal hatte ich das Gefühl, das K-Chef schneidet etwas leichter ein als das 1922er, dafür saugte es sich wie mit Unterdruck an den dicken Möhren fest. Jedoch sind beide ohne Wenn und Aber deutlichst Vertreter des leichten Schnittes mit einem minimalen Klonk.

Die Übrigen, Bob Carbon, Kai Shun, Sander Damast und Böker Cottage schneiden exakt so, wie es die Messungen hinter der Wate erwarten lassen.

Das Böker doch leicht über 0,3mm ist schon eher zäh, vorne ging es schwerer als in der Mitte. Nochmal nachgemessen war‘s dort tatsächlich dicker. Insgesamt würde ich mein Exemplar ohne Nacharbeit nicht mehr für leichten Schnitt deklarieren. Weil. Messer mit Klonk.

Die anderen 3 schneiden im Ergebnis vergleichbar, beim Bob bremst die hohe Flanke in Verbund mit dem Vollflachschliff, beim Kai hilft vielleicht das bissl ballig, beim Sander bremst ebenso die Flanke. Es sind alle drei typische Grenzgänger mit Fleischreserven und leichtem Klonk.

Der Schnibbler liegt auf dem Niveau der Herder, einen ganzen Sack Karotten wollte ich mit der filigranen Klinge nicht zerkleinern, für die 2 Ergänzungsmöhren aber kein Thema.

Für diesen Vergleich hatte ich leider kein Standard Solinger mit fetter Fase zur Verfügung. Dafür habe ich das schmale Bark River Kephart 3V mit 18 Grad Mikrofase hinzugezogen. Das war das Messer, trotz sonstiger Schneidteufeleien, mit dem deutlichsten Klonk.

Aus meiner Sicht fällt der Test einigermaßen eindeutig aus. Auch sehe ich die hier oft diskutierten Punkte bezüglich Geometriewerte und Foodrelease bestätigt.

Jetzt muss ich nur noch einen finden, der mir den Carbon Bob kesselt und feinpließtet.

grüsse, pebe




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Zuletzt bearbeitet:
Moin Peter,

ich find's ja gemein ein Outdoor-Messer hier als "Solinger-Vertretung" hinzustellen.

Das wird dem Kephart m.E. nicht gerechet, so scheiße schneidet das doch garnicht 🤣

Deine übrigen Testergebnisse sind da nachvollziehbarer ;)
 
Servus,

aber genau das schreib‘ ich doch. Schneidteufeleien des Kepharts.

Und vorm Böker war das Kephart das all-nonsense-messer auf dem Brett.

grüsse, pebe
 
Servus,

ich kann die Vergleiche nebst Begründung klar nachvollziehen, es bleibt dennoch die spannende Frage, ob diese Wahrnehmung übertragbar ist. Die groben Unterschiede sind wohl massentauglich, die feineren, da können Diskussionen entflammen. ;)

Da ich 2/3 der Messer schon in der Hand hatte, die Gleichen, nicht die Selben, ;) decken sich unsere Einschätzungen, würde ich mit deinen Testmessern schneiden, könnte es wieder Abweichungen in der Beurteilung geben. Das ist ein weites Feld und einzelne Spitzenstücke, die es innerhalb einer riesigen Serie in den erlauchten Kreis der besten 5% einer Serienstreuung geschafft haben, schneiden oft überraschend anders als ein Zwilling der gleichen Serie, der es durch Streuung nur bis ins untere Mittelfeld geschafft hat.

So ist alles wieder ergebnisoffen, aber dennoch immer ein spannendes Thema, weil man zumindest den Versuch einer Klassifizierung unternimmt, die eigentlich nur unter besonders günstigen Umständen übertragbar ist.

Gruß, güNef
 
Moin Peter,

danke für den Test - sehr unterhaltsam und spannend und durch Deine Begrifflichkeit auch sehr amüsant zu lesen :)

Grüße
Bo
 
@güNef

Würde ich weitgehend so unterschreiben - es bleibt halt immer eine subjektive Sicht, die ich allerdings versuche verbindlich darzulegen. Gegen nachvollziehbare Argumente einer anderen Sicht kann man eigentlich nichts haben. 😂

Bei Mazaki würde mich interessieren, wie Du Deines bezüglich leichten Schnitt einordnest. Das ist das einzige Messer, bei dem ich keinen Erwartungshorizont habe, sondern eben nur das Eigene heranziehen kann.


@Bo_Hannoi

Danke Dir, es macht natürlich deutlich mehr Spass, wenn gelegentlich ein freundliches feedback zu lesen ist. 😊
 
Servus,

Bei Mazaki würde mich interessieren, wie Du Deines bezüglich leichten Schnitt einordnest. Das ist das einzige Messer, bei dem ich keinen Erwartungshorizont habe, sondern eben nur das Eigene heranziehen kann.

ich würde sagen "das Mazaki" gibt es nicht, sondern einen jungen Schmied der aus meiner Sicht wirklich preiswerte Full-Taper-Gyutos fertigt, die konzeptbedingt teils sehr unterschiedlich im Schnittgefühl daherkommen können. Geschuldet ist das dem wechselnden Profil und den unterschiedlichen Oberflächen Migaki und Kurouchi. Das KU ist steifer, schwerer, dicker am Rücken und wuchtiger in der Handhabung bei geringerer Reaktivität in Längen von 240mm.

Das Migaki ist deutlich extremer getapert, wird vorne sehr dünn, eigentlich Laserniveau, ist leichter, flext logischerweise deutlich mehr, ist also nicht so steif und ist leichter. Der Unterschied beider Messer mit Längen von 240 mm beginnt bereits spürbar beim wiegen in der Hand und nachhaltig beim schneiden am Brett.

Das Schnittgefühl und die Wirkung der Geometrie beider Messer gestaltet sich einmalig und ich möchte auf keines der beiden verzichten. Je nach Taper und Oberfläche wird eine Möhre lautlos und wie Butter, oder mit einem lauten"ratsch" durchschnitten.

Wenn ein 210er geometrisch ähnlich, aber im Massstab reduziert geschmiedet und geschliffen wurde, verstehe ich deine Begeisterung ohne Vorbehalt. Wenn du diese Basis an Schnittgefühl für ein Custom mitnimmst und Stahl, Länge, Griffform, Gewicht, Klingenhöhe, Materialien entlang deiner Vorlieben fertigen lässt, bist du in Richtung Kochmesserzenit unterwegs. :super:

Diese Erfahrungen, die du hier beschreibst, müssen aber vorher gemacht werden, um zu wissen in welche Richtung es gehen soll. Unter dieses Gesichtspunkten erscheint einem eine übliche Kaufberatung deutlich komplexer, als es der Suchende eigentlich versteht. ;)

Gruß, güNef
 
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