Vorteile von etwas härteren Stählen?

MichaelM

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Hallo Forum,

bisher nur Leser, weil ich nicht wirklich etwas weiß, was ihr nicht auch schon wüsstet, bin ich über einen Gedanken gestolpert, den ich nicht klar kriege, auch wenn ich hier schon länger und viel gelesen habe, was aber bekanntlich leider nicht bedeutet, es auch verstanden zu haben oder anwenden zu können...

Kürzlich kam ich auf die Idee, die Schneidekanten verschiedener Küchenmesser von oben unter der Lupe (40-fach) zu betrachten: Nach dem Schleifen (Sharpmaker fein plus Leder) und vor dem Kochen: Keine Reflexion (keine helle Linie von oben zu sehen) – Papier im Druckschnitt leicht zu schneiden – so soll es sein.
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Nach der Zubereitung EINER Mahlzeit für 4 Personen (einiges Gemüse auf Schneidematte bei vorsichtiger Schnittführung): Druckschnitt Papier nur noch schlecht – helle Reflexionskante zu sehen unter der Lupe von oben betrachtet – bei den Standard-rostfrei-Solingern, einem Global und vergleichbar ebenfalls bei einem VG10 mit ca. 60 HRC. Diese Beobachtung habe ich mehrfach wiederholen können.

Offenbar der Moment, die Messer „Scharf zu halten“ (z.B. mit Stahl / Leder / Sharpmaker).
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So weit, so gut. Jetzt die Frage:

Was ist nun der Vorteil des etwas härteren Stahls, wenn ich sowieso nach jedem Essen „scharf halten“ muss? Dann hat der ja gar keine längere Standzeit als ein Standard-Stahl, und wenn er auch noch denselben Schneidenwinkel (30° oder 40° gesamt) hat, schneidet er auch nicht besser. Stimmt diese Überlegung? Oder mache ich einen Denkfehler? Erfahrungsmangel? Sonstiges?
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Wäre toll, wenn jemand mit viel Küchenpraxis mit vielen verschiedenen Messern dazu was weiß, worauf ich nicht komme http://www.messerforum.net/images/smilies/spitze.gif.

Herzlichen Dank und schöne Grüße.

Michael
 
Hallo Michael,

Eigentlich ist der Vorteil von härteren Stahlsorten, dass ich mit den von dir genannten (VG-10, und Molybdän Vanadium Stählen, ich glaub 1.4116 oder so ähnlich) den VG10 mit einem steileren Schneidwinkel versehen kann, und er somit "schärfer" ist und diese Schneidkante auch halten kann. Also ist es sinnvoll den härteren Stahl , in deinem Fall Vg10 sagen wir mal mit ca. 25 Grad (12,5 pro Seite:lechz:) zu schärfen und dann vergleich doch die Schneidleistung nochmal. Ich arbeite fast ausschließlich mit noch härteren Stählen (62 hrc aufwärts) und da mit Schneidwinkeln von gesamt 20'Grad. Und da ist ein deutlicher Schärfegewinn zu spüren der in der Gastro fast den ganzen Tag anhält!

Ich glaube du machst beim schärfen was falsch, denn gerade die normalen sagen wir mal Solinger Messer mit ca.56hrc können fachgerecht geschärft auch nach einem Arbeitstag in der Gastro noch locker ein Blatt Papier zerteilen.

mfg.Wastl.
 
Hallo Wastl,

kann gut sein, dass ich beim Schärfen was falsch mache, hoffentlich wird das mit der Zeit besser (aber ich über schon eine ganze Weile).

Trotzdem bedeutet deine Erläuterung, dass bei gleichem Schneidenwinkel die Stahlsorte keinen wirklichen Unterschied macht, richtig?

Den verhältnismäßig stumpfen Winkel habe ich übrigens gewählt, weil ich beim VG10 schon bei 30° so einige Mikroausbrüche reingekriegt habe (wirklich klein, 0,1 bis 0,3 mm, aber trotzdem). Kann sein, dass ich als Nicht-Koch das Messer nicht gut genug führe, aber besser kann ich es eben nicht. Und selbst der 40°-Winkel erlaubt mir ein für mich angenehm leichtes Arbeiten - solange er frisch ist.

Im Wetzstahl-Sticky schreibt z.B. SaberRider, dass er als Koch mehrmals am Tag nachwetzt. Auch Albino oder akiem sprechen ganz selbstverständlich vom sehr regelmäßigen "scharf halten". Wenn man das bei härteren Stählen genauso oft machen muss wie bei weicheren (also nicht unter 56HRC) UND der Winkel gleich wäre, hätte man doch keinen Vorteil, sondern nur den (kleinen) Nachteil, etwas schwerer nachschleifen zu können und eine etwas höhere Bruchempfindlichkeit. Ob das der Grund ist, warum öfter von Profis relativ "banale" aber "gut nachschärfbare" Messer empfohlen werden?

Und: So lange man keine feineren Winkel als 30 oder 40° (gesamt) möchte, tut es (fast) jeder Stahl? Das ist das, was ich so schwer glauben mag, schließlich möchte ich doch einen (oder besser viele) möglichst gute Gründe, neue, teurere Messer haben zu sollen... Und die soll es nicht geben?? Das wäre ja geradezu tragisch für mich: Dann hätte ich schon alles und es gäbe nichts mehr zu verbessern, materialmäßig... :hmpf:

Grüße

Michael
 
Das du bei dem VG10 messer schon microausbrüche hast lässt darauf schließen, dass da etwas am stahl nicht richtig ist ( profi hat mir gesagt das das ein hinweis auf einen härtefehler ist). Eigentlich sollte soetwas nicht vorkommen. Und soweit ich weiß ist für die schneideleistung nicht bur bzw. weniger die härte als andere faktoren beim stahl verantwortlich ( aber hier kenne ich mich nciht aus).
Aus eigener Erfahrung kann ich aber sagen, dass ich einen ordentlichen carbonstahl mit 6ßHRC aufwärts deutlich schärfer schleifen kann als ein "normales" wmf und die schnitthaltigkeit ist auch deutlich höher ( ich koche sehr viel auch für teilweise recht viele leute und das messer bleibt über 1 woche dabei immer so scharf, dass es die drauffallende tomate halbiert).

Gruß
BB
 
Hallo BB,

das klingt doch schonmal gut :cool:. Hast Du (oder jemand anderes hier im Forum) diese Erfahrung auch mal mit rostfreien Stählen (und ihren in aller Regel gröberen Carbiden) gemacht?

Grüße

MM
 
Ich habe bei mir fast alle rostfreien messer inzwischen zur Grobarbait abgestellt und mache mir auch nicht mehr die mühe diese aufwändig zu schärfen - höchste der gefühle ist da ein 1000er wasserstein. Und ein haiku Chroma nutze ich noch ab und an, das bekommt man auch recht scharf und recht ordentlich geschliffen, allerdings denke ich, dass ich es hier mit dem winkel etwas übertrieben habe da es auch zu kleinen ausbrüchen an der klinge neigt. Ob da nun ein fehler beim härten ist oder ob ich es mit einem größeren winkel hätte schleifen müssen weiß ich nicht. Aber das deutlich häufiger netutze aogami messer habe ich im kleineren winkel geschliffen und da bricht nichts aus und es ist gefühlt doppelt so scharf und selbst ein mit einem sehr groben winkel geschliffenes Roselli Hackmesser wirkt zumndest immer schärfer als dieses.

Gruß
BB
 
Die Ausgangsfrage war, ob es Sinn macht, sich mit Klingen aus härteren Stählen abzuquälen, wenn sie doch bei gleichen Schleifwinkeln auch gleich oft nachgeschliffen werden müssen.

Das ist schon im Ansatz grundsätzlich falsch, wenn es auch in genialen Fernsehsendungen so oder ähnlich verbreitet wird-da sind Messer, Beile Äxte 56-69 HRC s c h a r f.

Ein paar grundsätzliche Kenntnisse und Überlegungen bringen uns aber auf die richtige Spur.

1. Warum gibt es sogenannte Werkzeugstähle ?.
Die einfache Antwort ist, daß sie für den bestimmten Aufgabenkreis optimierte und teilweise wirklich optimale Eigenschaften bieten können- richtige Behandlung vorausgesetzt.

2. Was verlangt man von Messerklingen allgemein ?.
Generell wünscht man sich Robustheit, Schneidfähigkeit und Schneidhaltigkeit.

Diese Eigenschasften sind im wesentlichen vom Gefüge des Stahls abhängig. Dieses Gefüge ist dem Stahl nicht angeboren- etwa im Sinne einer die Eigenschaften bestimmenden Genetik, sondern, um bei diesem Bild zu bleiben, die Legierung bestimmt den Genotyp, die Behandlung den Phänotyp. Zu Deutsch heißt das, die Zusammensetzung bestimmt, welche Eigenschaften der Stahl haben k a n n, die Wärmebehandlung legt fest, welche Eigenschaften er wirklich im konkreten Fall h a t.

3. Man kann aus der Zusammensetzung des Stahls auf die möglichen Eigenschaften mit recht großer Sicherheit schließen.

Untereutektoidische Stähle sind ab etwa 0,6 % C schon sehr hart, sehr zäh, aber weniger verschleißfest, weil ihnen die die Verschleißfestigkeit bestimmenden Karbide fehlen (natürlich nur im gehärteten Zustand).

Eutektoidische und leicht übereutektoidische Stähle erreichen die volle bei Stahl mögliche Härte und bieten einen guten Kompromiss in Bezug auf noch gute Zähigkeit und schon gute Verschleißfestigkeit.

Ledeburitstähle- also solche, bei denen schon in der Schmelze erste Karbide ausgeschieden werden, die durch keine Wärmebehandlung unter Schmelztemperatur gelöst und verfeinert werden können- sind auf Grund der enorm harten Karbide sehr verschleißfest, die Zähigkeit ist deutlich herabgesetzt.

4. Unsere Ingenieure beschäftigen sich seit mehr als 100 Jahren sehr intensiv mit den Eigenschaften der verschiedenen Stähle.
Dabei haben sich u.a. folgende Gesetzmäßigkeiten ergeben:
a) Messerklingen gelten ab einer Dicke in der Schneidenspitze von ca. 2-3 my als sehr scharf. In der Werbung werden etwa 1/400 mm = 2,5 my als Ergebnis des Solinger Dünnschliffs angegeben. Für Rasierklingen gehen die Angaben bis auf die Größenordnung von 1/10 my, teilweise sogar auf 1/20 my herunter. Die Frage ist nun, ob eine solche Klingendicke = Schärfe mit allen Stählen gleichermaßen zu erreichen ist.
Das hängt in erster Linie von der Größe der nach dem Härten noch vorhandenen Karbide abhängig. Sind sie größer als 2-3 my, so besteht die Wahrscheinlichkeit, daß sie aus einer entsprechend dünn geschliffenen Schneide ausbrechen.

b) Nach dem Härten haben untereutektoidische Stähle keine Karbide.
Ist das Matrixkorn nicht verdorben, können sie auf extreme Schärfe gebracht werden.
Eutektoidische und leicht übereutektoidische Stähle können so behandelt werden, daß die nach dem Härten übrig bleibenden Karbide in der Regel unter 1 my bleiben, 2-3 my jedenfalls nicht überschreiten.
Diese Karbidgröße kann bei PM-Stählen - die grundsätzlich deutlich im Ledeburitbereich liegen, auf 3-5 my gehalten werden. Bei herkömmlich hergestellten Ledeburiten sind Karbidkörner bis 50 my zu erwarten.

Daraus ergibt sich für Messerklingen:
Für untereutektoidische Stähle kann der Schneidenwinkel bei guter Stabilität klein gehalten werden, bei leicht übereutektoidischen ist eine stabile Schneide bis unter 1 my möglich, bei den Ledeburiten ist bei einer Schneidendicke unter 5 my mit Ausbrüchen und einer Sägestruktur zu rechnen.
Da man damit beispielsweise Fleisch noch gut schneiden kann und die Schneidhaltigkeit sehr hoch ist, gibt es durchaus Liebhaber solcher Klingen.

5. Die Karbidmenge und Größe hat nicht nur mit der Erreichbarkeit einer feinen und stabilen Schneide selbst zu tun, sie bestimmt auch die allgemeine Belastbarkeit der Klingen. Das liegt einfach daran, daß die Bindung der Matrixkörner untereinander größer ist als die zwischen Matrix und Karbid. Ein hoher Anteil grober Karbide führt also nicht nur Empfindlichkeit einer feinen Schneide, sondern auch zu verminderter Zähigkeit der gesamten Klinge.

6. Härte und Zähigkeit stehen nicht in einem absoluten Abhängigkeitsverhältnis zueinander, etwa in dem Sinne, daß verminderte Härte bessere Zähigkeit bedeutet.
Ein grobkörniger karbidreicher Stahl kann weich u n d spröde sein, ein feinkörniger Stahl kann dagegen auch bei hoher Härte gute Zähigkeitseigenschaften aufweisen.

7. Daraus ergeben sich im Kern zwingende Folgerungen:
Ein Stahl mit feinem Matrix- und Karbidgefüge kann mit deutlich höherer Härte eingesetzt werden, als ein grobkörniger. Er wird die weitaus bessere Schärfe-vergl. die Größenordnung der Karbide- mit Abstand länger halten, als ein weniger geeigneter Stahl. Es braucht im Idealfall eine ganze Weile, bis er auf die Schärfe abgestumpft ist, die der gröbere Stahl bestenfalls erreichen kann.
Als Beispiel: Der sogenannte blaue Papierstahl Aogami, der seinen Namen nicht einer ihm innewohnenden Bläue verdankt, sondern der Tatsache, daß er zur Unterscheidung von anderen Sorten in blaues Papier gewickelt wird, entspricht in etwa unserem Stahl 1.2516. Sein "kleinerer Bruder" 1.2515 war lange Zeit der für feinschneidende Vebundstahlmesser in der Papier- und Lederindustrie am höchsten eingeschätzte Stahl. Warum wohl ?.

Eine Klinge aus einem solchen Stahl kann hochhart eingesetzt werden und hält die vorzügliche Schärfe in beeindruckender Weise.

8. Das gilt im Bereich hoher und höchster Schärfe. Für "normale Ansprüche" ist gegen die in der Industrie verwendeten korrosionsbeständigen Stähle etwa 1.4034 oder 1.4116 nichts einzuwenden.
Ich selbst benutze gern und häufig ein Zwillingsmesser in Santokuform.
Optimal ist es nicht-aber gut brauchbar.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Lieber Herr Gerfin,

Ihre ersten zwei Zeilen fassen meine Frage besser zusammen, als ich das konnte. Die Antwort macht mir Schwierigkeiten.

Ihren Text habe ich mehrfach und genau gelesen und finde vieles wieder, was ich schon zuvor gerade auch von Ihnen gelesen habe und hoffte, berücksichtigt zu haben. Trotzdem erkenne ich leider immer noch nicht, warum meine Frage „im Ansatz grundsätzlich falsch“ sein muss. Dazu würde ich gern meine Annahmen erläutern, vielleicht wird dann das Verständigungsproblem klarer (mir ist es nicht klar).

Ihre Ausführungen laufen nach meinem Verständnis darauf hinaus (vgl. die Beispiele am Ende Ihres Textes), dass (bitte entschuldigen – immer laienhaft gesagt) geeignete Carbonstähle wie der Aogami härter und gleichzeitig zäher sind, dadurch feiner eingesetzt werden können als ein 1.4116 aus dem Kaufhaus. Soweit ist das klar. Aber Carbonstähle hatte ich jetzt mal gar nicht in Betracht ziehen oder vergleichen wollen, das hatte ich offenbar vergessen zu sagen.

Ich war der Meinung (Hoffnung?), Vergleichbares zu vergleichen, wenn ich einen rostfreien Stahl von Zwilling und Robert Herder mit dem „CroMoVa“ (Chrom-Molybdän-Vanadium?) beim gestanzten Global und einem VG10 (im 3-Lagen-Laminat und ebenfalls industrieller Herkunft) auf die praktische Küchenanwendung hin betrachte. Dabei hatte ich unterstellt, dass diese drei nach der Härtung eher gröbere Carbide beinhalten, weswegen ich den Schleifwinkel mit 40° bewusst breit gehalten habe, um genügend Stützung („Fleisch“) gegen das Ausbrechen der Carbide zu belassen. Eine geringere Endschärfe (als bei einem guten Werkzeugstahl) habe ich dabei in Kauf genommen, denn die erzielte ist mir ja genug – und, so hatte ich gehofft, bleibt dafür auch ganz gut erhalten. Wie fein die Schneidkante ist, keine Ahnung, aber bei allen wohl ähnlich, wenn doch die Schneidfähigkeit auch ganz ähnlich ist. Da die drei genannten Stähle keine Exoten, sondern seriöse, industrielle Massenprodukte sind, gehe ich davon aus, dass sie allesamt ähnlich „vernünftige“ Kompromisse aus Zähigkeit, Härte und erreichbarer Feinheit darstellen. Bei der üblichen Qualitätssicherung sollten die ihre angestrebten „Normaleigenschaften“ m.E. auch verlässlich erreichen (also den Phänotyp zum Genotyp). Damit hätte ich aus den sehr verschiedenen, von Ihnen genannten Stahlklassen drei Vertreter einer einzigen Klasse, die bei vergleichbarer Geometrie, Schleifwinkel, Endbehandlung und Anwendung sich vor allem in der Härte unterscheiden – das war meine Grundannahme. Weiterhin unterstelle ich, dass der kobalt-legierte VG10 abriebfester sei als die 1.4116.

Dies alles vorausgesetzt (vielleicht stimmen die Annahmen ja nicht), hatte ich erwartet, dass ich beobachten würde, der härtere Stahl wäre der verschleißfestere und würde seine „Brauchbar-aber-nicht-herausragend-Schärfe“ deutlich länger beibehalten als die „schwiegermutterfest“ ausgelegten 1.4116er – meinetwegen zwei oder drei Wochen statt einer „gut“ scharf - aber eben das konnte ich nicht beobachten. Was mich zu der Frage führte, die ich eingangs gestellt habe: Welchen Anwendungsvorteil lässt ganz konkret ein gut behandelter VG10, gehärtet auf 60 Rockwell bei gleicher Geometrie gegenüber einem auch gut behandelten, aber etwas weicheren 1.4116 oder „CroMoVa“ erwarten? Immer noch falsche Frage? Oder noch mal anders auf Ihre Ausführungen bezogen: Namentlich welcher andere rostträge Stahl hätte denn die erwünschten drei Messereigenschaften eines Aogami (bei guter Behandlung natürlich) „noch am ehesten“?

Herzlich,

Michael

P.S.: Härte ist bei mir auch als Laie nicht Schärfe, mit Verlaub ;)
 
Ich bitte ausdrücklich um Entschuldigung !. Ich habe die Frage falsch- nämlich zu allgemein- aufgefasst.
So wie sie wirklich gemeint war, nämlich zu den Eigenschaften von VG 10 im Vergleich zu gängigen korrosionsbeständigen Stählen wie 1.4034 und 1.4116 macht sie insbesondere unter Berücksichtigung der gemachten Beobachtungen Sinn und muß anders beantwortet werden.

Vorab: Die Stähle gehören nicht zu einer Grundkategorie, sondern sind durchaus verschieden.
1.4034 und 1.4116 sind beide übereutektoidisch, weil der hohe Legierungsanteil die freien Plätze für den Kohlenstoff vermindert, also wie eine Erhöhung des Kohlenstoffgehalts wirkt.
VG 10 liegt mit 1 % C und ca 15 % Chrom schon deutlich im Ledeburitbereich, hat also eine gewisse Anzahl Primärkarbide. Eine Übersicht über diese Einstufung gibt Rapatz S 182.

Die Verschleißfestigkeit ist daher beim VG 10 deutlich größer.
Beim Papierschneidtest schnitt der dem VG 10 eher vergleichbare 440 C = 1.4125 um den Faktor 3 besser ab, als der 1.4034.

Das steht nun in Widerspruch zu Ihren Beobachtungen, die ich aber nicht anzweifeln möchte.
Eine mögliche Erklärung liegt in der Art des Abstumpfens bei unterschiedlichen Einsätzen.
Beim oben genannten Papierschneidtest wird unter Vermeidung jeglichen Seitdrucks im geführten Schnitt ein recht stark verschleißendes Material geschnitten. Da ist es logisch, daß der auf Grund der Karbide verschleißfestere Stahl mit Abstand besser "abschneidet".
Beim sehr viel vielseitigeren Einsatz in der Küche lassen sich die Ergebnisse des Papierschneidetests aber nicht 1 : 1 übertragen.
Nicht exakt senkrecht ausgeführte Schnitte führen zu Seitdruck und damit zu möglichem Ausbrechen der Schneide. Dagegen würde der zähere Stahl, sei es 1.4034 oder 1.4116, mehr Widerstand leisten, als der verschleißfestere, aber sprödere. Beim reinen Abrieb auf dem Schneidbrett wäre es umgekehrt. Der Einfluß ds Schnittguts ist auch nicht zu unterschätzen.
Bei einem Schneidenwinkel von ca 40 Grad hätte ich allerdings erwartet, daß die höhere Verschleißfestigkeit des Ledeburitstahls zu einer vergleichsweise besseren Schnitthaltigkeit führen würde.
Dabei ist bei den hier zu vergleichenden Stählen die Art und Menge der Karbide- hier relativ feine Karbide in nicht zu großer Menge, dort ein hoher Massenanteil auch recht grober Karbide- eine größere Rolle als die Härte. Auch 1.4034 kann durchaus auf 60 HRC gebracht werden. Die Firmen machen das aber nicht, weil sie ihre Klingen narrensicher machen wollen-besser verbogen als zerbochen.

Eine Untersuchung der abgestumpften Schneidkanten unter dem Mikroskop würde vermutlich Aufschlüsse über die Art des Abstumpfens geben und könnte das Phänomen des ziemlich gleichen Schärfeverlusts klären.

Fazit: Bei einem Schneidenwinkel von ca 40 Grad würde ich bei leichter Belastung deutliche Vorteile bei dem höher legierten Stahl sehen, die vermeintlichen Feld-Wald-Wiesenstähle- die in Wirklichkeit einen sehr guten Kompromiss erwünschter Eigenschaften mit geringfügigen Nachteilen darstellen- können und sollten mit feinerem Schneidwinkel eingesetzt werden. Da es dann einige Zeit braucht, bis sie auf das Maß der Schärfe des Ledeburiten abgestumpft sind, robuster und leichter zu schärfen sind, gäbe ich ihnen allemal den Vorzug.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Herr Gerfin,

zusammen mit dem gestrigen Beitrag verstehe ich die Antwort jetzt voll und ganz, das ist die Anwendung der Prinzipien am konkreten Beispiel. Das Spannendste für mich dabei ist das differenzierte Ergebnis entgegen dem Kauftrend von uns Amateuren, sehr schön auch die Quantifizierung der unterschiedlichen Verschleißfestigkeit, damit kann ich viel anfangen.

Ich hatte schon vermutet, dass die höhere Verschleißfestigkeit wahrscheinlich erst in dem Bereich von Abstumpfung zum Tragen kommt, der für mich nicht mehr interessant ist.

Überrascht bin ich, dass „Feld-Wald-Wiesen-Stähle“ feiner geschliffen werden können; da lasse ich mich nicht zweimal bitten!

Unter der Lupe ist die Abstumpfung beim VG10 besonders von oben zu sehen als „umgelegter Grat“ und als angedeutete Ausbrüche. Eine Seitbelastung ist plausibel gerade beim Kochmesser mit teilweise hartem Schnittgut mit „Durchdrücken“ und etwas „ungutem“ Aufkommen auf der Matte, auch Verunreinigungen (verbliebene Krümelchen Sand) hie und da kann ich nicht ausschließen.

Ganz vielen Dank noch mal für die Mühe und die Geduld!

Schöne Grüße

Michael
 
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