Was bringt Cobalt in HSS-Stählen?

kabaman

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Hallo!
Ich habe mal eine Frage an die Stahlgurus hier im Forum:
Angeblich legiert man HSS-Stählen Cobalt ja zu, um die Temperaturbeständikeit zu erhöhen (In einem Forumsbeitrag von Ulrich Gerfin habe ich außerdem gelesen, dass dies der einzige Vorteil von Cobalt im Stahl sei, alle anderen Eigenschaften würden eher verschlechtert).

Zum Verständnis seien also einmal M2 (1.3343) und M42 (1.3247) verglichen:

M2: 0,9% C, 0,4% Si, 0,4% Mn, 3,8 - 4,5% Cr, ca 5% Mo, 5,5 - 6,7% W, 1,6 - 2,2% V
M42: 1% C, 0,4% Si, 0,45% Mn, 3,5 - 4,25% Cr, ca 10% Mo, 1,3% W, 1 - 1,5% V, ca 8% Co

Wesentliche Unterschiede sind also die doppelte Menge Mo beim M42, deutlich weniger W und dafür 8% Co.

Betrachtet man nun die Anlssschaubilder (zB hier: www.metalravne.com/selector/steels/brm2.html bzw. www.metalravne.com/selector/steels/brcmo2.html ) fällt auf, dass die jeweiligen Härtemaxima bei etwa gleichen Temperaturen erreicht werden (ca 550°C), und bei höheren Temperaturen die Härte wieder deutlich abnimmt... Was ist also mit der angeblich höheren Temperaturbeständigkeit des Stahles mit Cobalt gegenüber dem Stahl ohne?

Und ganz allgemein noch zum Thema: Die Temperaturspitzen, die bei spanender Fertigung (hierfür wurden diese Stähle ja entwickelt) an der Schneide auftreten, dürften doch sowieso weitaus höher liegen als 600° - da bringt das Cobalt doch nichts mehr?

Ich wäre sehr froh, wenn mich jemand aufklären könnte!
Irgendwo mache ich doch wahrscheinlich einen Denkfehler, denn so wie ich es gerade sehe, bringt Cobalt nicht wirklich was - trotzdem wird es zulegiert. Und da es nicht wirklich billig ist, würde die Industrie das ja nur tun, wenn es auch wirklich was bringt...

Fabian
 
Ich kann´s nicht ändern, was ich geschrieben habe, stimmt.
Zur Vertiefung: Es gibt ein Standardwerk über die Schnellarbeitsstähle von Dr. Ing. W. Haufe: "Schnellarbeitsstähle" ISBN 3-446-10050-4.
Im Kapitel 2.1.1 beschreibt er die bei verschiedenen Schnittgeschwindigkeiten auftretenden Temperaturen, im Kap. 2.3.6.wird der Einfluß eines Kobaltzusatzes zu verschiedenen Schnellarbeitsstählen ausführlich besprochen. Es findet sich auch der Hinweis auf den ausgezeichneten Artikel von S. Wilmes, der den Einfluß von Kobalt auf die Zähigkeit der Schnellarbeitsstähle untersucht hat.
Als Fazit bleibt: Kobalt erlaubt höhere Härtetemperaturen und führt zu einer höheren Schneidleistung durch erhöhte Warmhärte bei Verschlechterung der Zähigkeit.
Die Anlaßschaubilder widersprechen dem nicht wirklich. Sie zeigen die Härte, die nach mehrfachem langandauerndem Anlassen erreicht wird. Welche Temperaturen kurzfristig in der Praxis ertragen werden, ergibt sich daraus nicht. Wichtig wäre es auch zu wissen, von welcher Temperatur die Stähle gehärtet wurden. Kobalthaltige Schnellstähle werden oft von Temperaturen von 1300 Grad und darüber gehärtet und erreichen auch nur dann ihre überlegene Schnittleistung im Drehversuch.
MfG U. Gerfin
 
Danke für die Antwort! Ich würde aber gerne nochmal nachhaken...

Ich kann´s nicht ändern, was ich geschrieben habe, stimmt.

Das habe ich auch nicht zu bezweifeln gewagt!!! ;-)

Die Anlaßschaubilder widersprechen dem nicht wirklich. Sie zeigen die Härte, die nach mehrfachem langandauerndem Anlassen erreicht wird. Welche Temperaturen kurzfristig in der Praxis ertragen werden, ergibt sich daraus nicht.

Dass das Anlassschaubild nicht aussagt, welche Temperaturen bei der Zerspanung auftreten ist klar. Hier hatte ich eher die Aussage von Roman im Kopf, der ja immer wieder darauf hinweist, dass sogar beim Schleifen feiner Geometrien von Hand lokale Temperaturspitzen auftreten, die die Härte negativ beeinflussen.
Und wenn ich diese Temperaturen kenne (bzw vermute), ist es doch möglich, mit Hilfe des Anlassschaubildes festzustellen, ob ein Einfluss auf die Härte zu erwarten ist, oder ist dies so stark von der Dauer abhängig, dass hier keinerlei aussage möglich ist (nach dem Motto: 3 s reichen nicht)?

Fabian
 
Denke, das ihr euch da missversteht - Fabian (kabaman) schreibt in seinem Ausgangspost was von Temperaturbeständigkeit, woraus er auf unterschiedliche Temperaturen der Härtemaxima schliesst (durchaus verständlich - aber eben nicht der Fall).
U. Gerfin schreibt jedoch von "erhöhter Warmhärte" - was doch (in meinem Verständnis) eher ein "bei steigender Temperatur länger hart bleiben" nach vollständiger Wärmebehandlung beschreibt.
Dies ist meines Wissens nach auch bei anderen hochlegierten (z.B. rostträgen) Stählen - im Vergleich zu niedrig legierten Stählen - der Fall (also nicht zwangsweise nur auf Kobalt zu beziehen). So habe ich es zumindest aus Beiträgen des Bereiches "Schmieden" verstanden, in denen berichtet wurde, das sich rostfreie Stähle weniger leicht verformen lassen, als die rostenden.
Die Härten und Temperaturen bei der WB haben also nicht (oder nicht direkt) mit der Festigkeit bei steigender Temp. während der späteren Anwendung zu tun.

Alle Angaben - wie immer - ohne Gewähr, da ich hier auch noch viel zu lernen habe.

Gruß tribernium
 
Im Nachhinein betrachtet finde ich die Frage völlig berechtigt. Durch den Kobaltzusatz werden aus den Schnellarbeitsstählen (SS) Hochleistungsschnellarbeitsstähle (HSS). Bei den Schnellarbeitsstählen ergibt sich also durch den Kobaltzusatz eine deutliche Leistungssteigerung. Da ist es völlig legitim zu fragen, warum das so ist, und ob es auch bei Kaltarbeitsstählen ähnliche Verbesserungen gibt.
Haufe und S. Wilmes sind ausgezeichnete Quellen, man muß aber auch Verständnis haben, daß nicht jeder dicke Bücher wälzen will.
Deshalb noch mal in Kürze das Wichtigste:
Die Entdeckung der vorteilhaften Wirkung eines Kobaltzusatzes zu Schnellarbeitsstählen gelang Becker im Jahr 1912. Eine deutliche Wirkung zeigt sich bei etwa 2 % Zusatz, ab 20 % ist die Verbesserung nicht mehr gegeben oder jedenfalls unwirtschaftlich.
Kobalt geht ganz in die Grundmasse- die dann also aus einer Eisen-Kobaltlegierung besteht- nur bei langen Glühbehandlungen kann es in geringen Mengen in das Mischkarbid M6C einwandern.
In der Grundmasse erhöht es die Festigkeit und verzögert die Ausscheidung und Zusammenballung der Karbide.
Die Verzögerung der Karbidausscheidung und -zusammenballung ist der Grund für die erhöhte Anlaßbeständigkeit und damit wieder für die erhöhte Schneidleistung bei hohen Schnittgeschwindigkeiten.
Rapatz -Die Edelstähle- 5. Auflage S. 809 schreibt dazu: "Der Unterschied in der Warmfestigkeit zwischen dem kobalthaltigen und dem kobaltfreien Stahl ist bemerkenswert, Noch beträchtlicher aber ist der Unterschied in der Anlaßbeständigkeit. Während kobaltfreie Stähle auf 600 Grad angelassen schon nach 2 Stunden (!!!) erweichen, sind solche mit 10 % Kobalt nach 20 Stunden Anlaßdauer noch schneidfähig."
Die günstige Wirkung in den Schnellarbeitsstählen ist damit überzeugend dargelegt- wie sie sich ja auch in der Praxis zeigt.
Für Kaltarbeitsstähle ergibt sich daraus folgendes: Auch bei ihnen dürfte sich die erhöhte Festigkeit der Grundmasse bemerkbar machen, wobei das aber im gehärteten Zustand kaum eine Rolle spielt. Die Warmhärte ist bei diesen Stählen belanglos, sodaß es im Anwendungsbereich Kaltarbeit wenige Stähle mit Kobaltzusatz gibt.
Es gibt eigentlich nur zwei Gruppen, bei denen man mit Kobaltzusatz arbeitet: 1. Die 12-prozentigen Chromschnittstähle (D2 und Konsorten), bei denen man (vergebens) hoffte, trotz niedrigen Wolframgehalts schnellstahlähnliche Eigenschaften zu erzielen.
2. Korrosionsbeständige Stähle, bei denen man durch den Kobaltzusatz bewirkt wurde, daß durch erhöhten C-Gehalt höhere Härten erreicht werden konnten, ohne die Korrosionsbeständigkeit allzusehr zu beeinträchtigen. Stähle ähnlich 1.4528 und 1.4535 wurden schon in den 50- iger Jahren hergestellt und untersucht- dazu wieder Rapatz:" Die schwierige Verarbeitbarkeit (hoher Kohlenstoffgehalt), besonders zu feinen Schneidwaren, hat die Verbreitung dieses Stahles behindert".
MfG U. Gerfin
 
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