AW: Was ist schärfer?
Eine bekannte Messerfirma ätzte mal auf ihre Klingen "New Super Keen Cutting Steel".
Damit wird der Eindruck erweckt, ein Stahl könne per se scharf sein.
Das ist natürlich -man verzeihe mir den harten Ausdruck- Blödsinn.
Ein Stahl hat keine ihm anhaftende Schärfe. Das gibt es bei Chilischoten in Form von Capsacin-Einheiten, nicht aber bei Stahl.
Bei Stahl gibt es unter den härtbaren, als Werkzeuge zu gebrauchenden Stählen im wesentlichen drei Kategorien:
1. Untereutektoidisch-d.h. bei unlegierten Stählen und leicht legierten Stählen mit weniger als ca 0,8 % C. Sämtliche Legierungselemente mit Ausnahme von Kobalt verringern die Löslichkeit des Kohlenstoffs, wirken also wie eine Erhöhung des Kohlenstoffgehalts.
Diese Stähle sind ausnahmslos sehr zäh, wobei die Zähigkeit mit steigendem C-Gehalt abnimmt, Härte und Verschleißfestigkeit dagegen zunehmen.Die erreichbare Härte liegt bei 67 HRC und wird schon bei 0,7 % C erzielt. Wesentlich höhere Härten sind nur unter ganz besonderen Umständen- besonders schnelle Abkühlung, Wolframlegierung u.ä. möglich.
2. Eutektoidische und übereutektoidische Stähle mit 0,8 % C oder mehr.
Bei ihnen treten nach dem Härten zusätzliche Karbide auf, die die Zähigkeit noch nicht sehr stören, die Verschleißfestigkeit aber schon deutlich erhöhen. In diesen Bereich fallen die für feine und feinste Schneiden am besten geeigneten Stähle.
3. Ledeburitische oder Stähle mit Primärkarbiden..-Unlegiert ab etwa 2 % C, bei hoher Legierung -man denke etwa an die Schnellarbeitsstähle- können Primärkarbide schon bei weniger als 0,8 % C auftreten.
Diese Stähle enthalten Karbide, die bereits in der Schmelze entstanden sind, durch Wärmebehandlungen also nicht verfeinert werden können. Diese oft bis 50 my großen und in Mengen bis über 30 % der Gesamtmasse auftretenden Karbide erhöhen die Verschleißfestigkeit enorm, vermindern aber die Zähigkeit.
Insbesondere zur Erzielung feiner geschlossener Schneiden sind sie problematisch.
Ein Blick auf ein Gefügebild müßte eigentlich den Voreingenommensten überzeugen, daß ein Karbid von auch nur 10 my Größe in einer feinen Schneide mit einem Schneidenwinkel von 20 Grad nicht halten kann und ausbrechen muß.
Diese seit etwa hundert Jahren bekannten Gesetzmäßigkeiten waren der Grund für die Entwicklung der PM= pulvermetallurgisch hergestellten Stähle, bei denen man die Karbidgröße auf 3-5 my beschränken konnte.
Zu den Ausgangsfragen ganz konkret: D 2 ist n i c h t härter als 1.1545, der der amerikanischen Bezeichnung 1095 in etwa entspricht-ehrlich gesagt: Unser Stahl 1.1545 ist mit mehr Sorgfalt gemacht und damit besser.
In den kleinen Abmessungen einer Messerklinge sind Ansprunghärten von 67 HRC und darüber für diesen Stahl nichts ungewöhnliches.
D 2 springt nicht so hoch an, man könnte ihn allenfalls durch aufwendige Tiefkühlbehandlungen in diese Gegend hochkitzeln.
Durch seinen Reichtum an harten und großen Karbiden ist er ums Vielfache verschleißfester, wenn er nämlich mit einem für diesen Stahl passenden Schneidenwinkel eingesetzt wird.
Eine feine Schneide mit einem Schneidenwinkel von unter 40 Grad taugt für diesen Stahl nicht, mit dem Kohlenstoffstahl kann man das dagegen problemlos machen.
Ja, aber die Praxis zeigt doch....
Ja, meinetwegen!. Stahl ist ein toller Werkstoff und verträgt jede Menge Mißbrauch.
Falsche Wärmebehandlungen verträgt allerdings auch der gutmütigste Stahl nicht. Überhitzt wird auch der vom Potential feinkörnigste Stahl grobkörnig und spröde. Verderben kann man also jeden Stahl, ob teuer ob billig, ob an sich gut oder per se ungeeignet-nach unten gibt es da keine Grenzen.
Und natürlich gibt es auch die Wunderstähle und Stahlwunder: Durch geheimnisvolle, nur im fernen Osten oder bei den blauen und grünen Männlein aus dem All bekannten Methoden lassen sich Stähle mit ungeahnten Eigenschaften erzeugen. Das ist ein weiteres Reizthema-lassen wir das !.
Freundliche Grüße
U. Gerfin